Hellenismus


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Mit Alexander dem Großen begann die Zeit des Hellenismus (Tetradrachmon, Alexander mit Löwenfell)

Als Hellenismus (von griechisch Ελληνισμός hellēnismós ‚Griechentum‘)<ref>Zu griechisch ἑλληνίζω ‚korrekte griechische Rede, griechische Sprache der nachklassischen Zeit im Gegensatz zur attischen Sprache‘ vgl. Walter Otto, Kulturgeschichte des Altertums. Ein Überblick über neue Erscheinungen, München 1925, S. 105.</ref> wird die geschichtliche Epoche vom Regierungsantritt Alexanders des Großen von Makedonien 336 v. Chr. bis zur Einverleibung des ptolemäischen Ägyptens, des letzten hellenistischen Großreiches, in das Römische Reich 30 v. Chr. bezeichnet.

Diese Epochengrenzen, die die Großreiche Alexanders und der Diadochen in den Mittelpunkt rücken, sind allerdings nur für die politische Geschichte sinnvoll. Kulturgeschichtlich hingegen knüpfte der Hellenismus nicht nur an ältere Entwicklungen an, sondern wirkte vor allem auch über die römische Kaiserzeit bis in die Spätantike hinein fort.

Als Epochenbezeichnung verwendete den Begriff „Hellenismus“ zuerst der deutsche Historiker Johann Gustav Droysen um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Sinne von „Nachahmung der griechischen Lebensweise“ wurden das Substantiv „hellenismós“ und das Verb „hellenizein“ jedoch bereits in der Antike gebraucht.<ref>Vgl. den Artikel Hellenismus im Kleinen Lexikon des Hellenismus, S. 1–9.</ref>

Als ein wichtiges Kennzeichen dieser Geschichtsepoche gilt eine verstärkte Hellenisierung, die Durchdringung vor allem des Orients durch die griechische Kultur, und im Gegenzug der wachsende Einfluss orientalischer Kultur auf die Griechen. Die hellenistische Welt umfasste einen gewaltigen Raum, der von Sizilien und Unteritalien (Magna Graecia) über Griechenland bis nach Indien und vom Schwarzen Meer bis nach Ägypten und bis ins heutige Afghanistan reichte. Die Hellenisierung der orientalischen Bevölkerung sorgte dafür, dass noch bis ins 7. Jahrhundert hinein wenigstens die städtische Bevölkerung Syriens eine Form des Griechischen sprach, die Koine (von κοινός koinós „allgemein“), in Kleinasien noch länger. Die kulturellen Traditionen des Hellenismus überstanden den politischen Zusammenbruch der Monarchien und wirkten noch über Jahrhunderte in Rom und im Byzantinischen Reich fort.

Geschichtlicher Grundriss

Hauptartikel: Geschichte des Hellenismus

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Das Weltreich, das beim Zug Alexanders entstanden war und das er seinen Nachfolgern 323 v. Chr. hinterließ
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Die hellenistische Welt 300 v. Chr.
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Die hellenistische Welt 200 v. Chr.

Der makedonische König Alexander der Große, unter dessen Vater Philipp II. Makedonien zur Vormacht in Griechenland geworden war, eroberte von 334 v. Chr. an das persische Achämenidenreich und drang bis nach Indien vor. Nach dem Tod Alexanders im Jahr 323 v. Chr. kam es zu Bürgerkriegen um seine Nachfolge, und da es niemandem gelang, die Herrschaft über das Gesamtreich zu erlangen, erhoben sich seine führenden Generäle, die sogenannten Diadochen, schließlich zu lokalen Machthabern. Seit 306/5 führten die meisten von ihnen den Königstitel. Eine Wiedervereinigung des Alexanderreiches erschien spätestens 301 v. Chr. aussichtslos, als Antigonos I. Monophthalmos in der Schlacht von Ipsos seinen Rivalen unterlag. Die sogenannten Diadochenkämpfe um Alexanders Erbe endeten schließlich 281 v. Chr. nach insgesamt sechs Kriegen. Es bildeten sich drei hellenistische Großreiche, die bis ins 2. Jahrhundert v. Chr. den östlichen Mittelmeerraum beherrschen sollten: Makedonien und Teile Griechenlands fielen an die Antigoniden, die Nachfahren Antigonos’ I., Syrien, Mesopotamien und Persien gerieten unter die Herrschaft der Seleukiden und Ägypten mit der Kyrenaika fielen an die Ptolemäer. Alle drei Dynastien rivalisierten um Einfluss in Griechenland und gaben den Anspruch auf Alexanders Gesamtreich pro forma niemals auf. Hinzu kamen Mittelmächte wie Pergamon, Rhodos und der Achaiische Bund.

Nach dem Ende der Diadochenkriege stabilisierte sich die politische Lage zunächst. Um 200 v. Chr. begann sich jedoch Rom in der hellenistischen Welt zu engagieren, zunächst in Griechenland, dann in Kleinasien und 168 auch im Konflikt der Seleukiden mit den Ptolemäern um Palästina. Im Jahr 188 v. Chr. zwangen die Römer den Seleukiden Antiochos III. zum Verzicht auf Teile seines Reiches. Zuvor hatte bereits Philipp V. von Makedonien eine Einengung seines Handlungsspielraums in Griechenland und Kleinasien akzeptieren müssen. Diese Rückschläge blieben für die Monarchien nicht folgenlos: In Iran, bis dahin unter seleukidischer Kontrolle, breiteten sich bereits seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. die Parther aus, die sich hier ganz als Erben der hellenistischen Tradition präsentierten. Nach 188 v. Chr. beschleunigte sich ihr Vordringen erheblich; und als sie um 141 v. Chr. auch Mesopotamien in Besitz nahmen, beschränkten sie die Seleukiden, die bereits ihre östlichen Gebiete an das Griechisch-Baktrische Königreich verloren hatten, auf einen unbedeutenden Reststaat in Syrien. Die Griechen in Baktrien hingegen, deren Reich um 130 v. Chr. unterging, sollten später ihren Einflussbereich noch auf Nordwestindien ausdehnen und sich dort bis Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. halten können.

Seit der Mitte der 170er Jahre wurde immer deutlicher, dass die Römer sich zu den neuen Herren im östlichen Mittelmeerraum aufschwangen. Im Jahr 168 v. Chr. teilten sie Makedonien nach einem letzten Krieg in vier Bezirke auf und schafften die antigonidische Monarchie ab; 148 v. Chr. wandelten sie es endgültig in eine römische Provinz um. Auch das griechische Mutterland geriet damals endgültig unter römische Kontrolle; ein Fanal war dabei die Eroberung und Plünderung Korinths durch den römischen Feldherrn Mummius im Jahr 146. 133 v. Chr. fiel das Attalidenreich an Rom und wurde bald zur Provinz Asia. 63 v. Chr. beseitigte die Eroberung Syriens durch Pompeius die letzten Reste der Seleukidenherrschaft. 30 v. Chr. nahm Oktavian Alexandria ein und gliederte das Ptolemäerreich, das seit dem späten 2. Jahrhundert v. Chr. ohnehin nicht viel mehr als ein römisches Protektorat gewesen war, ins Imperium ein. 27 v. Chr. wurde auch Griechenland als Provinz Achaea endgültig direkter römischer Herrschaft unterstellt, auch wenn einige Poleis äußerlich frei blieben. Damit endete die politischen Selbstständigkeit griechischer Staaten und somit die politische Geschichte des Hellenismus, während die kulturelle Ausstrahlung des Hellenismus bis in die Spätantike erhalten blieb (siehe auch Byzantinisches Reich).

Hellenistische Monarchien

Das Königtum der hellenistischen Herrscher stand auf zwei Säulen: der Alexandernachfolge (διαδοχή, diadochē) und der Akklamation durch die Heere (siehe unten). Die Staaten existierten dabei nicht unabhängig von ihrer Regierungsform; die Seleukidenherrscher waren beispielsweise nicht etwa Könige von Syrien, sondern nur Könige in Syrien; ein Grund hierfür mag gewesen sein, dass jeder hellenistische basileus theoretisch Anspruch auf das ganze Alexanderreich, wenn nicht auf die ganze Welt, erhob. In den Diadochenreichen gab es keine Trennung zwischen Souverän und Person. Das Königtum (basileia) war kein staatliches Amt, sondern eine persönliche Würde, und der Monarch sah den begrifflich davon nicht abgegrenzten Staat als seine Angelegenheiten (pragmata).<ref>Vgl. Polybios 5, 41.</ref> Theoretisch war das ganze eroberte Land im Besitz des Königs, weshalb dieser es auch testamentarisch an eine fremde Macht wie die Römer übereignen konnte (so geschehen 133 v. Chr. in Pergamon).

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Ptolemaios I. wurde als einer der ersten hellenistischen Herrscher als Gott verehrt

Der Personenkult, der sich um Alexander entwickelt hatte, wurde von den Diadochen gefördert, um so ihre eigene Machtstellung zu legitimieren. Die kultische Verehrung der hellenistischen Herrscher wurde aber zumindest anfangs nicht von ihnen selbst gefordert, sondern von außen durch die „freien“ Poleis Griechenlands an sie herangetragen. Anders als in Makedonien und in den einstigen Gebieten des Perserreiches wurde die Monarchie in Griechenland grundsätzlich abgelehnt, was Könige wie Untertanen dazu zwang, diplomatisch geschickt vorzugehen. Ein Weg, um die faktische Übermacht der Könige in eine akzeptable Form zu gießen, war der Herrscherkult, durch den die Poleis die Könige als Herren anerkennen konnten, ohne sie de iure als Monarchen anzunehmen. Man konnte hier auf Vorläufer aus spätklassischer Zeit (z. B. Lysander) zurückgreifen. Die Herrscher wurden dabei vorerst nur „gottgleich“ genannt. Doch schon im Jahr 304 v. Chr. bezeichneten die Rhodier Ptolemaios I. als Gott und nannten ihn σωτήρ (Sōtēr, „Retter“). Die Diadochen nahmen solche auf sie selbst bezogenen Kulthandlungen offenbar eher zögerlich an, während die nachfolgenden hellenistischen Könige den Herrscherkult bewusst forcierten. Der typisch hellenistische Herrscherkult setzte, nach Vorläufern unter den ersten beiden Antigoniden, unter ihren Nachfolgern auf breiter Front ein.<ref>Vgl. Angelos Chaniotis: The Divinity of Hellenistic Rulers. In: Andrew Erskine (Hrsg.): A companion to the Hellenistic World, Oxford 2003, S. 431–445.</ref> Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem zentral verordneten Dynastiekult der Ptolemäer und späten Seleukiden und der kultischen Verehrung, die viele Könige in den griechischen Poleis genossen, denen sie im Gegenzug als Euergeten gegenübertraten.

Vor allem Hans-Joachim Gehrke hat die hellenistische Monarchie unter Rückgriff auf die Soziologie Max Webers als eine stark charismatisch geprägte Herrschaftsform gedeutet, in der Sieghaftigkeit und persönlicher Erfolg entscheidend für die Legitimität des Königs gewesen seien.<ref>Vgl. Hans-Joachim Gehrke: Der siegreiche König. Überlegungen zur hellenistischen Monarchie. In: Archiv für Kulturgeschichte. Bd. 64, 1982, S. 247–277.</ref> Die herrscherliche Tracht war die eines makedonischen Feldherrn, ergänzt um das Diadem, und viele Könige zogen persönlich in die Schlacht, mit den entsprechenden Konsequenzen: 12 der ersten 14 seleukidischen Herrscher fanden im Kampf den Tod.<ref> Vgl. Arthur Eckstein: Mediterranean Anarchy, interstate War, and the Rise of Rome. Berkeley 2006, S. 82f.</ref> In jüngerer Zeit wurde darauf hingewiesen, dass es im späten Hellenismus allerdings immer schwieriger wurde, diesem Anspruch gerecht zu werden.<ref>Vgl. Ulrich Gotter: The Castrated King. Or: The Everyday Monstrosity of Late Hellenistic Kingship. In: Nino Luraghi (Hrsg.): The Splendors and Miseries of Ruling Alone. Stuttgart 2013, S. 207–230.</ref>

Die Diadochen und ihre Nachfolger regierten mit Hilfe schriftlicher Erlasse, die als Briefe (ἐπιστολή, epistolē) oder Verordnungen (πρόσταγμα, prostagma) formuliert wurden. Der für diese Erlasse zuständige Beamte hieß epistoliagraphos. Beraten wurde der Herrscher von einem Gremium aus Freunden (φίλοι, philoi) und Verwandten (συγγενεῖς, syngeneis). Verschiedene Hofämter insbesondere im fiskalischen Bereich wurden von Eunuchen ausgeübt. Das wohl wichtigste Amt war das des Hausverwalters (διοικητής, dioikētēs), der für Verwaltung, Wirtschaft und Finanzen zuständig war. Man kann bereits zur Zeit der Diadochen von einem „absolutistischen“ Staat sprechen. Entscheidenden Einfluss gewann die Herrschaftsform der hellenistischen Reiche auf die jüngere griechische Tyrannis, die Karthager und das römische Kaisertum.

Die Territorialstruktur der Diadochenreiche geht noch auf Alexander den Großen selbst zurück, der im Wesentlichen die Verwaltungsgliederung des Perserreiches beibehalten hatte. Das von Strategen und Satrapen verwaltete Königsland umfasste dabei den größten Teil des Alexanderreiches. Alexander hatte die militärischen Befugnisse der einheimischen Satrapen makedonischen Strategen übergeben, die nach seinem Tod nach und nach die gesamte Verwaltungsarbeit ihrer Gaue (νόμοι, nomoi) übernahmen. Die Strategen waren nun auch für das Siedlungswesen und die Justiz zuständig und wurden dabei von einem königlichen Schreiber (βασιλικὸς γραμματεύς, basilikos grammateus) unterstützt.

Besonders gut ist man dabei über die Verhältnisse im Ptolemäerreich, das aber teils einen Sonderfall darstellte, informiert. Der König konnte hier Teile des in Bezirke (τόποι, topoi) und Dörfer (κώμαι, kōmai) untergliederten Königslandes oder die Einkünfte daraus an seine Untergebenen vergeben. Ihre endgültige Form fand die Gauverwaltung im 3. Jahrhundert v. Chr. unter Ptolemaios III. (246–221). Die Außenbesitzungen gehörten nicht zum Königsland mit seiner Gaustruktur. Sie bildeten einen eigenen Territorialtypus, unterstanden aber ebenfalls Strategen. Zu den Außenbesitzungen des Ptolemäerreiches gehörten Kyrene, Teile Syriens und Kleinasiens, Zypern und die Küsten des Roten und des Indischen Meeres.

Im Seleukidenreich waren die Außenbesitzungen etwas anders organisiert, sie wurden je nach Größe und politischem System als Völker (ἔθνη, ethnē), Städte (πόλεις, poleis) oder Königreiche (δυναστεία, dynasteia) bezeichnet. Diese Enklaven, die nicht unter direkter Verwaltung des Diadochenherrschers standen, blieben in dieser Form bis zum Ende des Hellenismus bestehen. Einige davon machten sich jedoch im Laufe der Zeit selbstständig, insbesondere an der Peripherie des Seleukidenreiches. Im dritten großen hellenistischen Reich, Makedonien, knüpften die Antigoniden stärker als die anderen Monarchen an ältere Traditionen an.

Mehr als ihre Struktur hat die Verwaltung der Diadochenreiche die Nachwelt beeinflusst. Sie war in der Regel zentralistisch und wurde von Berufsbeamten organisiert. Dieser Beamtenapparat war keine Erfindung der griechischen Poliskultur, sondern stand in der Tradition des achaimenidischen und des pharaonischen Reiches. Im antiken Griechenland gab es Vergleichbares nur in der privatwirtschaftlichen Gutsverwaltung. Wie die Angestellten eines Gutes von dessen Besitzer, so waren die Beamten der hellenistischen Herrscher von ihrem König abhängig, der sie einsetzte, bezahlte, beförderte und entließ. Die Verwaltung der Diadochen legte den Grundstein für die feinziselierte und personalintensive Bürokratie der hellenistischen Zeit, wobei einheimische Beamte jedoch kaum zu höheren Ämtern zugelassen waren. Diese wurden in der Regel von Makedonen oder Griechen besetzt.

Bundesstaaten

Mit den spätgriechischen Bundesrepubliken (κοινά, koina) entwickelte sich vor allem in Griechenland aus älteren Kult- und Kampfbünden noch eine weitere Regierungsform neben den hellenistischen Königreichen. Ihre wichtigsten Vertreter waren der Aitolische Bund in Nordwestgriechenland und der Achaiische Bund auf der Peloponnes. Die Bundesstaaten bildeten sich ursprünglich meist in wirtschaftlich und kulturell unterentwickelten Gebieten, die nicht von einer mächtigen Polis wie Athen oder Theben dominiert wurden. Der Arkadische Bund, der im 3. Jahrhundert im Achaiischen Bund aufging, gründete sogar eine eigene Bundeshauptstadt, Megalopolis, um nicht unter die Vorherrschaft eines Mitglieds zu geraten. Andere Bundesrepubliken wählten alte Kultstätten als Versammlungsplätze ihrer Gremien, der Aitolische Bund zum Beispiel das Apollonheiligtum in Thermos, was auch ein Mittel war, den Zusammenhalt des Bundes zu festigen. Hinzu kam der (oftmals fiktive) Anspruch, einander durch gemeinsame Vorfahren verbunden zu sein.

Die griechischen Bundesstaaten bestanden aus mehreren formal zumeist unabhängigen Poleis, die ihre außenpolitischen und militärischen Befugnisse an übergeordnete Instanzen delegiert hatten, in deren Gremien sie durch Delegierte vertreten waren. Die innere Autonomie der einzelnen Städte blieb allerdings erhalten, solange sie nicht gegen die Bündnistreue verstießen oder unter die Herrschaft von Tyrannen gerieten. Einige "Tyrannen" traten deshalb freiwillig zurück und strebten eine Karriere auf Bundesebene an. Der ehemalige Tyrann Aratos von Sikyon war sogar achtmal Stratege des Achaiischen Bundes. Ansonsten mischte sich der Bund in der Regel nicht in die inneren Angelegenheiten der Städte ein; er wandte sich allerdings gegen radikale Sozialreformen und griff bei Konflikten zwischen seinen Mitgliedern ausgleichend ein. Typisches Kennzeichen der sympolitischen Koina war ein gemeinsames Bundes- bzw. Bürgerrecht, das jedoch nicht das Polisbürgerrecht ersetzte. Als übergeordnete politische Instanz fungierte eine Bundesversammlung, deren Kompetenzen von Bund zu Bund variierten und die auch in der Regel jährlich wechselnde Bundesbeamte wählte, denen die Vertretung des Bundes nach außen oblag. Die Bünde versuchten oft, ihren Machtbereich auszudehnen, und wandten dabei durchaus auch Gewalt an; ein Beispiel ist der Versuch des Achaiischen Bundes, Sparta gegen den Willen vieler Bürger zu integrieren.

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Die hellenistischen Bundesrepubliken inspirierten die Väter der amerikanischen Verfassung

Im Verlauf des 2. Jahrhunderts v. Chr. gerieten die griechischen Bundesstaaten nach und nach unter römische Kontrolle, einige bestanden allerdings noch nach dem Ende der hellenistischen Zeit, etwa der Lykische Bund in Kleinasien, der noch unter römischer Oberherrschaft für Riten verantwortlich war und den lykischen Poleis als Sprechorgan gegenüber römischen Instanzen diente.<ref>Vgl. Strabon 14,3.</ref> Der Geschichtsschreiber Polybios, dessen Vater Lykortas zu den führenden Politikern des Achaiischen Bundes gehört hatte, idealisierte diesen Bund in seinem Werk und sah in ihm die Vollendung der Demokratie.<ref>Vgl. Polybios 2,38.</ref> Die neuzeitliche Staatstheorie beurteilte die spätgriechischen Koina lange ähnlich positiv, so nannte Montesquieu den Lykischen Bund eine ideale Bundesrepublik<ref>Vgl. Montesquieu, L’Esprit des Lois 9,13.</ref> und der Althistoriker Karl Julius Beloch die spätgriechischen Bundesrepubliken „die vollendetste Schöpfung auf politischem Gebiet, die den Hellenen und dem Altertum überhaupt gelungen ist“.<ref>Karl Julius Beloch, Griechische Geschichte, 2. Auflage, de Gruyter, Berlin 1925, 4. Band, 1. Abteilung, S. 607 und der Aphrodite [Schmeichelei gegenüber seiner Schönheit]. Denn die anderen Götter sind weit entfernt oder sie existieren überhaupt nicht, oder sie kümmern sich nicht um uns. Dich aber sehen wir gegenwärtig, nicht aus Holz oder Stein [wie die Kultbilder in den Tempeln], sondern wirklich.<ref>Zitiert nach Demandt, Antike Staatsformen, S. 303.</ref>

Neben solche – teils spontane, teils mit dem Herrscher abgesprochene – Ehrungen seitens der Städte trat bei den Ptolemäern, den Seleukiden und später den Attaliden der reichsweit verordnete dynastische Kult. Bereits Alexander forderte 324 die Griechenstädte auf, ihn als Sohn des Zeus zu verehren. Schon seine Rückkehr aus Indien hatte Alexander in Anlehnung an den Dionysos-Mythos mit einem rauschenden Fest gefeiert (komos). Dionysos selbst sollte auch in der Folgezeit im Rahmen des hellenistischen Herrscherkults eine wichtige Rolle spielen. Die Diadochen setzten den Alexanderkult fort, dessen Zentrum im ptolemäischen Ägypten Alexanders Grab (σῆμα, sēma) in Alexandria bildete. Zudem förderten sie Legenden über ihre eigene göttliche Abstammung. Bald schon fand allgemeine Verbreitung, dass Herakles der Ahnherr der Ptolemäer und Apollon der Stammvater der Seleukiden sei. Während in Makedonien eine kultische Verehrung des Herrschers nicht stattfand, wurde sie in den anderen beiden Reichen bald schon im großen Stil praktiziert. Bei den Ptolemäern gab es bereits sehr früh (unter Ptolemaios II.) einen dynastischen Kult, während im Seleukidenreich wohl erst unter Antiochos III. entsprechende Schritte eingeleitet wurden. In diesem Zuge entstand auch die von den Ptolemäern bald übernommene Institution des Oberpriesters (ἀρχιερεύς, archiereus), in dessen Zuständigkeitsbereich neben nicht näher bekannten administrativen Aufgaben auch der Herrscherkult fiel. Zu Ehren der hellenistischen Herrscher wurden regelmäßig Festspiele nach dem Vorbild der Olympischen Spiele abgehalten, die Gäste aus aller Welt anzogen.

In hellenistischer Zeit trafen griechisch-makedonische Vorstellungen von der Götterwelt auf lokale orientalische Kulte, woraus sich jeweils spezifische wechselseitige Beeinflussungen ergaben. Die polytheistische Grundhaltung der Monarchen ermöglichte die Koexistenz. In Alexandria bildete sich die größte jüdische Gemeinschaft außerhalb Jerusalems. Nach allerdings unsicheren (da jüdisch-apologetischen) Nachrichten bildeten die Juden in Alexandria ein eigenes politeuma mit gewissen Privilegien. Ebenfalls in hellenistischer Zeit begann die Arbeit an der Septuaginta, der griechischen Fassung des Alten Testaments. Der älteste außerbiblische Bericht über den Exodus stammt aus der Aegyptiaca des Hekataios von Abdera (um 300 v. Chr.). In seinem am Hof des Ptolemaios verfassten Werk berichtet er, dass die Juden während einer Pest aus Ägypten vertrieben und von ihrem weisen Gesetzgeber (dem biblischen Mose?) nach Judäa geführt wurden. Die Schriften des Hekataios beeinflussten offenbar auch Manetho, der in ähnlicher Weise über die Herkunft der Juden schrieb. Insgesamt waren die Juden einem Hellenisierungsprozess unterworfen, der auch dank der Unterstützung durch Seleukos und die ersten Seleukiden zu einer weitgehenden Gleichberechtigung mit den Griechen führte. Das hellenistische Judentum entstand.

Neue orientalische Erlösungsreligionen wurden in den Diadochenreichen immer wichtiger. Die olympischen Götter der Griechen verloren an Bedeutung. Religion wurde Privatsache, lediglich der Herrscherkult blieb als verbindendes Element erhalten. Die daneben wohl folgenreichste religionspolitische Neuerung war die Einführung des synkretistischen Sarapiskults durch Ptolemaios. Sarapis war eine Verschmelzung aus den ägyptischen Göttern Osiris und Apis und dem griechischen Göttervater Zeus. Zudem wurden nach der Interpretatio Graeca vermehrt griechische und orientalische Götter gleichgesetzt, beispielsweise die Erntegöttin Demeter mit Isis, der Gattin des Osiris. Diese Entwicklung bereitete den Boden für die Verbreitung des Christentums, einer weiteren östlichen Erlösungsreligion.

Wissenschaft und Forschung

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Der Philosoph Epikur war ein Zeitgenosse der Diadochen

Die Diadochenzeit leitete den Aufschwung in Wissenschaft und Technik der hellenistischen Zeit ein, von dem noch die Neuzeit profitieren sollte. Bereits der Alexanderzug wurde von Vermessern begleitet, deren Aufzeichnungen für die Geographie von großer Bedeutung waren. Im Hellenismus bildeten sich einige der bedeutendsten philosophischen Strömungen heraus (siehe beispielsweise Stoa, Epikureismus und Peripatos), wobei sich aber auch die Mathematik, Kunst und Medizin in dieser produktiven Zeit weiter entfalten konnten.

Zum Mittelpunkt der griechischen Gelehrsamkeit wurde seit der Zeit der Diadochen Alexandria mit seinem Museion und der zugehörigen Bibliothek von Alexandria, wobei die Patronagepolitik der Ptolemäer eine große Rolle spielte.<ref>Vgl. Peter Green, Alexander to Actium, S. 80ff.</ref> Das im Palastbezirk der Stadt gelegene Museion lässt sich am ehesten mit einer heutigen Universität vergleichen. Mit seinem Vortragsraum, der zu philosophischen Gesprächen einladenden Wandelhalle und dem gemeinsamen Speisesaal der örtlichen Philologen bildete es ein Wissenschafts- und Kulturzentrum. Unter der Leitung eines Oberpriesters wurde neben Philosophie auch Naturwissenschaften und Medizin gelehrt. Hier gelangte die geographische Mathematik zur vollen Entfaltung, ebenso entstanden bedeutende Beiträge zur Philosophie und Astronomie. Die Ärzte Alexandrias, namentlich Herophilos und Erasistratos, wagten sich als erste an eine umfassende Erforschung der menschlichen Anatomie und sezierten dafür Hingerichtete. Auch Eratosthenes wirkte hier. Ihm kam wie auch den anderen Wissenschaftlern, Literaten und Künstlern jener Zeit zugute, dass er seine Wirkungsstätte frei wählen konnte. So entstand eine internationale Schicht aus Gelehrten, die bald den Spott der Satiriker herausforderte. In Athenaios 22 D wurden sie mit Vögeln verglichen, die sich im Käfig des Museions mästeten und den König mit ihrem Gezänk belustigten.

Die an das Museion angeschlossene Bibliothek umfasste bis zu 700.000 Rollen. Vor allem Ptolemaios II., der Sohn und Nachfolger des Ptolemaios, machte sich um sie verdient. Er ließ die Schriften der Griechen, Chaldäer, Ägypter, Römer und Juden sammeln, erwarb die Bibliothek des zu Beginn der Diadochenkriege verstorbenen Philosophen Aristoteles und kaufte vor allem in Athen und Rhodos weitere Bücher zu. Kallimachos verfasste den ersten Bibliothekskatalog, der erste Bibliotheksvorsteher war Zenodotos von Ephesos. Die große Bibliothek von Alexandria weckte den Ehrgeiz der Herrscher des sich gerade vom Seleukidenreich lösenden Pergamon. Auch sie begannen Bücher zu sammeln und kopieren zu lassen. Das von Ptolemaios II. verhängte Ausfuhrverbot für Papyrus (chartae) umgingen sie durch die Verwendung des neuartigen Pergaments. Marcus Antonius schenkte später Kleopatra VII., der letzten Ptolemäerin, 200.000 Rollen der pergamenischen Bibliothek, die so schließlich wieder nach Alexandria kamen.

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Aristarch begründete das heliozentrische Weltbild

Auch wenn die Hauptstadt der Ptolemäer von diesen planmäßig zum kulturellen Mittelpunkt der hellenistischen Welt ausgebaut wurde, so kamen doch die anderen Städte nicht zu kurz. Besonders das griechische Mutterland wurde immer wieder von den Diadochen mit Spenden bedacht. Seleukos gab die vom persischen Großkönig Xerxes I. 200 Jahre zuvor aus Athen entführte Bibliothek des Peisistratos wieder zurück. Um die griechische Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu beeinflussen, unterstützten die Diadochen die Poleis finanziell durch Stiftung und durch Bauten wie das Olympieion in Athen. Dieser vordergründigen Unterstützung des kulturellen Lebens und der finanziellen Lage der Städte stand deren weitreichende politische Entmachtung gegenüber. Die städtische Selbstverwaltung blieb nur im Inneren erhalten. Außenpolitik, Militär und Steuern waren nun Sache der Diadochenherrscher, die die Städte aber trotz allem relativ behutsam behandelten. So konnten sich in ihnen in der hellenistischen Zeit Kultur und Wissenschaften in einer Weise entfalten, die aus dem Hellenismus die moderne Zeit des Altertums machte.

Die astronomischen Arbeiten des Eudoxos von Knidos († 352 v. Chr.) wurden im 3. Jahrhundert fortgeführt von Aristarch († 230 v. Chr.), der das heliozentrische Weltbild begründete und die Drehung der Erde erkannte, und von Eratosthenes († 202 v. Chr.), der ihren Umfang berechnete und das System der Längengrade schuf. Schon zur Zeit Alexanders befuhr Pytheas die Nordsee und entdeckte Britannien. Ptolemaios II., der Sohn des Diadochen Ptolemaios, schickte Gesandte nach Indien und ließ das Innere Afrikas erforschen. Auch im Bereich der Technik wurden viele Fortschritte gemacht, die einige Jahrzehnte später Archimedes und Heron von Alexandria ihre bedeutenden Erfindungen ermöglichten. Bereits zur Diadochenzeit ließ Demetrios Poliorketes eine als Helepolis (ἑλέπολις) bekannte Belagerungsmaschine konstruieren, mit der er Rhodos angriff.

Literatur und Kunst

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Menander erneuerte die Komödie

Die Literatur des Hellenismus hat einige bemerkenswerte Werke hervorgebracht. Dabei sind vor allem die Schriften des Kallimachos, des bedeutendsten alexandrinischen Dichters, und seiner Schüler zu nennen, unter ihnen auch Apollonios von Rhodos, der sein berühmtes Werk zur Argonautensage verfasste (Ἀργοναυτικά, Argonautika). In hellenistischer Zeit entstand auch der romantisch verklärte Alexanderroman, der sich bis in die Neuzeit größter Beliebtheit erfreuen konnte. Im Mittelalter war er sogar nach der Bibel das am weitesten verbreitete Buch und wurde von Europa bis Südostasien gelesen. Ebenso erfreuten sich die Werke der Alexanderhistoriker großer Beliebtheit.

Generell kann konstatiert werden, dass sich die hellenistische Literatur zwar im Rahmen bereits bekannter Gattungen bewegte (Drama, Elegie, Epigramm, Epos, Hymnus, Lyrik etc.), diese aber weiterentwickelte und umgestaltete. Auf dem Gebiet der Komödie war vor allem Menander bedeutend, der gemeinsam mit dem Philosophen Epikur in Athen als Ephebe diente. Nur der Roman (Abenteuer-, Liebes-, Reiseroman) gilt als eine originäre Entwicklung der hellenistischen Zeit. Im Gegensatz zu den älteren Gattungen ist er in Prosa gehalten, was auf Leserezeption statt öffentlicher Aufführung und damit die Ausbreitung einer privaten Buchkultur in den Städten hinweist.

Der Umgestaltungsprozess in der Literatur wurde durch eine neue Form der öffentlichen Bildung gefördert, wie öffentliche Schulen und vor allem das umfangreiche Bibliothekswesen der hellenistischen Zeit. Die oben erwähnten Bibliotheken ermöglichten den Wissenschaftlern und Schriftstellern zum ersten Mal auf breiter Basis, sich auf bereits analysiertes Material zu stützen und sich damit auseinanderzusetzen.

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Modell der Stadt Pergamon (Pergamon-Museum Berlin)

Der Hellenismus veränderte auch die Rahmenbedingungen für Kunst und Architektur der Griechen. Alexander der Große und nach ihm die hellenistischen Herrscher gründeten eine Vielzahl von Städten, die Tempel, Gymnasien, Theater und Plätze benötigten und somit reiche Entfaltungsmöglichkeiten für Architekten und Kunsthandwerker boten. Ihre Residenzen wurden zu Zentren einer höfischen Kunst, in deren Mittelpunkt der Herrscher selbst stand. Pergamon ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für eine solche Residenzstadt. Aber auch die städtischen Oberschichten waren vermehrt um ihren Nachruhm besorgt und ließen ihr Wirken durch Ehrenstatuen dokumentieren.

Die Kunst der hellenistischen Zeit unterschied sich von ihren Vorläufern vor allem durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Orient und den Barbaren. Es entwickelten sich Mischformen zwischen griechischer und orientalischer Kunst, beispielsweise im Osten Irans. Gleichzeitig war vor allem die Bildhauerei durch ein verstärktes Streben nach Realismus geprägt, das auch die Darstellung der in der klassischen Zeit wenig beachteten unteren Schichten mit einschloss und teilweise ins Groteske überging. Wichtige Merkmale der hellenistischen Kunst sind expressionistische Stilelemente und pathetische Motive (Beispiele: Die trunkene Alte und Barberinischer Faun, beide in der Glyptothek) sowie ein Ausgreifen der Figuren in den Raum. Daneben war die Unterstützung der herrscherlichen Selbstdarstellung eine wichtige Funktion der hellenistischen Kunst. Durch die Verwendung göttlicher Attribute wurde die herausgehobene Stellung und die Sieghaftigkeit der Monarchen betont.

An herausragenden Werken der hellenistischen Kunst können vor allem genannt werden: die Gallieranatheme Attalos’ I. (überliefert in römischen Kopien, bekannt sind vor allem der Sterbende Gallier und der Gallier, der seine Frau tötet), der Pergamonaltar in Berlin, die Nike von Samothrake, die Aphrodite von Melos (auch Venus von Milo, beide im Louvre) und, als einer der letzten großen Kunstschöpfungen des Hellenismus, die Laokoon-Gruppe in Rom. Jacob Burckhardt prägte für den bewegten, emotionalen Stil dieser Skulpturen den Begriff Pergamenischer Barock.

Nachwirkung

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Das Christentum war die folgenreichste Nachwirkung des Hellenismus

Der Hellenismus wirkte auch nach dem Ende der hellenistischen Monarchien im Jahr 30 v. Chr. weiter nach. Die bedeutendste Auswirkung war sicher die mit der Eroberung Persiens durch Alexander den Großen begonnene Hellenisierung des Orients und die damit verbundene Entwicklung einer griechisch geprägten Zivilisation, die das Gebiet des ehemaligen Alexanderreiches bis zur islamischen Expansion im 7. Jahrhundert prägen sollte. Wenn auch schon vor Alexander teilweise Griechen im Vorderen Orient lebten, so wurde diese Entwicklung durch den Alexanderzug intensiviert. In Syrien, Kleinasien und Ägypten war Griechisch noch Jahrhunderte nach der Auflösung der Diadochenreiche die Hauptverkehrssprache. Nicht zu unterschätzen ist auch der griechische Einfluss auf das römische Reich, das zwar die politische Vorherrschaft über die hellenistische Welt gewann, aber dieser nicht nur die kulturelle Autonomie beließ, sondern sich selbst der griechischen Kultur öffnete. Die Kenntnis der griechischen Sprache und Literatur wurde zum Kennzeichen des gebildeten Römers.

Zwar gab es in hellenistischer Zeit noch zahlreiche demokratisch verfasste Poleis, politisch gesehen begann mit dem Hellenismus aber der Sieg der Monarchie über die Polisdemokratie der klassischen Zeit, deren letzte bedeutende Ausprägung die Bundesstaaten der hellenistischen Zeit waren. Auch das römische Reich wandelte sich schließlich – teilweise unter Übernahme hellenistischer Herrschaftsformen – von einer Republik in eine Monarchie um, die im Verlauf der Jahrhunderte dem Königtum der Diadochenreiche immer ähnlicher wurde, ohne ihren eigentümlichen Charakter je ganz zu verlieren. Auch auf religiösem Gebiet wirkte der Hellenismus fort. Orientalische Kulte wie der Mithraskult, die unter griechischem Einfluss oft synkretistische Formen annahmen, verbreiteten sich im ganzen römischen Reich. Erheblichen Einfluss gewann der Hellenismus früh auch auf das Judentum und auf das sich daraus entwickelnde Christentum – der Apostel Paulus von Tarsus war ein gründlich hellenisierter Jude und auch die Sprache des Neuen Testaments und der meisten frühen Kirchenväter war das Griechische. Das Christentum wurde Ende des 4. Jahrhunderts römische Staatsreligion und fand später weltweite Verbreitung. Damit war es das wohl einflussreichste Erbe des Hellenismus.

Bewertung der Epoche

Von der Antike bis ins 19. Jahrhundert wurde der Hellenismus allgemein recht negativ gesehen. Für Plutarch endete die Freiheit mit dem Tod des Demosthenes 322 v. Chr. und damit zu Beginn dieser Zeit.<ref>Plutarch, Demosthenes 3.</ref> Die Diadochenzeit markierte das Ende der griechischen Klassik und damit den Anfang des als Verfallsprozess empfundenen Hellenismus. Dabei wurde aber meist übersehen, dass die Kanonisierung der so genannten Klassik erst im Hellenismus erfolgte und der Begriff selbst erst in römischer Zeit entstand.<ref>Gellius 19,8,15.</ref> Ebenso blieb unberücksichtigt, dass die innere Autonomie der griechischen Poleis bestehen blieb und ihre außenpolitische Handlungsfreiheit nur so weit eingeschränkt wurde, dass sie nicht mehr in der Lage waren, gegeneinander Krieg zu führen.<ref>Demandt, Antike Staatsformen, S. 317.</ref>

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Johann Gustav Droysen (um 1868) prägte den Begriff „Hellenismus“

Die positive Würdigung der Zeit des Hellenismus geht vor allem auf den Historiker Johann Gustav Droysen im 19. Jahrhundert zurück, der den Hellenismus als moderne Zeit des Altertums<ref>Johann Gustav Droysen, Historik, 1843, S. 384.</ref> bezeichnete und recht treffend formulierte:

Der Name Alexander bezeichnet das Ende einer Weltepoche, den Anfang einer neuen.<ref>Droysen, Geschichte des Hellenismus, Bd. 1, S. 1.</ref>

Droysen wandte sich gegen die Idealisierung der klassischen Zeit und meinte, dass die Diadochen den erfolgreichen Versuch unternahmen, das partikularistische Polissystem zu überwinden (wenn die Polis auch freilich weiterhin eine wichtige Verwaltungseinheit darstellte) und große Länder durch zentrale Planung politisch und wirtschaftlich wirklich zu erfassen. Auf Droysen geht die Einschätzung der Diadochenreiche als Teile einer vergleichsweise modernen, städtisch geprägten Weltzivilisation zurück, die durch einen wirtschaftlichen Aufschwung, technischen Fortschritt, Mobilität, Individualismus und die Begegnung verschiedener Kulturen geprägt war.<ref>Demandt, Antike Staatsformen, S. 317/318.</ref> Im 20. Jahrhundert fand diese Einschätzung allgemeine Anerkennung, so schrieb der Schriftsteller Gottfried Benn 1949:

Der griechische Kosmos schuf durch den Hellenismus die innere Lebensform für die halbe Erde.<ref>Zitiert nach Demandt, Antike Staatsformen, S. 295.</ref>

Generell bleibt festzuhalten, dass bis heute keine wirkliche Einigung erzielt wurde. Noch der amerikanische Historiker Peter Green kommt in seiner detaillierten und interessanten, aber auch aufgrund teils eigenwilliger Interpretationen problematischen Studie From Alexander to Actium zu einer eher negativen Beurteilung, anders etwa Graham Shipley oder Hans-Joachim Gehrke. Auch Demandt verficht Droysens Einschätzung und betont die Ähnlichkeiten zwischen Hellenismus und Moderne. Ihm zufolge steht die Zeit der Diadochenreiche in einem ähnlichen Verhältnis zu klassischer und archaischer Zeit wie die Neuzeit zu Mittelalter und Antike.<ref>Alexander Demandt, Antike Staatsformen, S. 318.</ref> Ähnlichkeiten sieht er bei der Erweiterung des Lebensraumes, der Errichtung von Kolonialregimes über technisch weniger entwickelte Völker, dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt, der Entstehung eines Weltmarktes und der Urbanisierung.

Weitgehend unbestritten ist die Bedeutung des Hellenismus im Bereich der Außenpolitik. In dieser Zeit entstand ein außenpolitisches Regelsystem, das zwischenstaatliche Beziehungen in feste Formen brachte. Ludwig Mitteis bemerkte 1900, dass dieses Regelsystem die Einheit des griechischen Rechts im gesamten Umfang des graecomacedonischen Hellenismus<ref>Zitiert nach Demandt, Antike Staatsformen, S. 318.</ref> verwirklichte. Einher mit dieser Regelung ging jedoch eine Labilität der Diadochenstaaten, die damit zusammenhing, dass fast jeder Diadoche ein großer Eroberer im Stil Alexanders des Großen werden wollte. Der armenische König Tiridates fasste das Selbstbild eines hellenistischen Herrschers so zusammen:

Ein Privatmann verdient Lob, wenn er sich um sein eigenes Haus kümmert, ein König aber, wenn er um die Güter anderer streitet.<ref>Bezeugt bei Tacitus, Annalen 15,1; zitiert nach Demandt, Antike Staatsformen, S. 318.</ref>

Während die hellenistischen Herrscher sich in der Zeit um 300 v. Chr. jedoch vor allem jeweils in untereinander geschlossenen Bündnissen gegen einen Aggressor aus ihren Reihen wehrten, konnten sie sich später an die mittlerweile zur Vormacht im Mittelmeerraum gewordenen Römer wenden. Diese – und nicht die Diadochen – errichteten schließlich das Weltreich, das die unmittelbaren Nachfolger Alexanders des Großen nicht verwirklichen konnten. Der kulturelle Einfluss des Griechentums blieb jedoch ungebrochen.

Quellen

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Poseidonios ist eine der Hauptquellen für die Zeit der Diadochen
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Plutarch verglich in seinen Viten bedeutende Griechen und Römer. Kupferstich von Johann Rudolf Holzhalb (1723–1806).
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Inschrift Ptolemaios’ VI.
(180–145 v. Chr.)

In weiten Teilen fehlt eine durchgehende Überlieferung, die Quellenlage zum Hellenismus gehört damit in der Alten Geschichte zu den problematischsten. Die Historiker sind auf Fragmente (wie von Hieronymos von Kardia) bzw. auf die nicht vollständig erhaltenen Schriften von antiken Geschichtsschreibern (Polybios, Diodor), Papyri (vor allem aus Ägypten), Münzen, Inschriften sowie auf archäologische Quellen angewiesen. Aus diesem Grund sind viele Sachverhalte umstritten, auch wenn im Großen und Ganzen ein Gerüst steht, welches jedoch komplexe Detailfragen aufwirft.

Der Hellenismus gilt als die schreibfreudigste Zeit der griechischen Antike.<ref>Für einen allgemeinen Überblick hinsichtlich der Quellen und den damit verbundenen Problemen siehe Graham Shipley, The Greek world after Alexander, S. 1–32. Eine nützliche Quellensammlung (in englischer Übersetzung) stellt Michel Austin, The Hellenistic World from Alexander to the Roman Conquest. A Selection of Ancient Sources in Translation, Cambridge 1981, dar.</ref> Bereits die Diadochen sammelten in ihren Bibliotheken in Alexandria, Antiochia und Pella die Werke zeitgenössischer Autoren. Dennoch sind kaum historische oder philosophische Schriften aus jener Zeit erhalten. Der Altertumsforscher Hermann Strasburger geht von einem Verhältnis zwischen verlorengegangenen und erhaltenen Werken von 40:1 aus.<ref>Hermann Strasburger, Umblick im Trümmerfeld der griechischen Geschichtsschreibung, in: Historiographia antiqua, Festschrift für Willy Peremans, Leuven 1977, S. 3–52.</ref> Die meisten dieser Bücher gingen offenbar in byzantinischer Zeit verloren, da sie dem damals verfochtenen klassizistischen Sprachideal nicht entsprachen. Auch die Zerstörung der großen Bibliothek von Alexandria trug sicher zu dieser schlechten Überlieferungssituation bei.

Fragmentarisch erhalten sind die griechischen Autoren Timaios von Tauromenion (345–250 v. Chr.), Duris von Samos (340–270 v. Chr.) und Hieronymos von Kardia (360–272 v. Chr.), Zeitgenossen der Diadochen, sowie Phylarchos von Naukratis (3. Jahrhundert) und Poseidonios von Apameia (135–51 v. Chr.).

Deutlich besser sieht es mit den römischen und anderen in römischer Zeit schreibenden Autoren aus. Diese sind jedoch alle keine Zeitgenossen der Diadochen, einige lebten sogar erst nach dem um 30 v. Chr. angesetzten Ende des Hellenismus. Dennoch sind etwa Diodor, der um die Zeitenwende schrieb und der vom 18. Buch seines Geschichtswerkes an die Diadochenzeit behandelt, der in einer Zusammenfassung des Justinus erhaltene Pompeius Trogus und Appian, der einen Überblick über die Seleukiden verfasst hat, wichtige antike Quellen. Ebenfalls in römischer Zeit schrieb der Grieche Plutarch, der unter anderem Viten von Eumenes, Demetrios und Pyrrhos verfasst hat. Von entscheidender Bedeutung für die Chronologie der hellenistischen Zeit ist die Weltchronik des Eusebius.

Eine auf den ersten Blick wenig naheliegende Quelle sind jüdische Texte in griechischer und aramäischer Sprache. Dazu zählen Flavius Josephus, der Geschichtsschreiber des Jüdischen Krieges, das Buch Daniel des Alten Testaments und Apokryphen wie der Aristeasbrief.

Umfangreicher als die schriftlichen sind die dokumentarischen Zeugnisse jener Zeit. Neben den Inschriften, die vor allem Briefe der hellenistischen Könige an die Städte enthalten, sind insbesondere die ägyptischen Papyri, die Michael Rostovtzeff ausgewertet hat, und die Keilschrifturkunden aus dem Mesopotamien der ersten Seleukiden für die Historiographie bedeutsam. Von besonderer Bedeutung sind der dreisprachige Stein von Rosette, den der ägyptische König Ptolemaios V. 197 v. Chr. zu seinem Regierungsantritt aufstellen ließ und mit dessen Hilfe Jean-François Champollion die Hieroglyphenschrift entzifferte, und das rund 2000 Dokumente umfassende Archiv des ägyptischen Grundbesitzers Zenon, der zur Zeit Ptolemaios’ II. Sekretär des Dioiketes war.

Wichtig für unser Bild des Hellenismus ist auch der Abgleich der Quellen mit den archäologischen Befunden. Die Reste Alexandrias, Antiochias und Seleukias, der Hauptstädte der großen Diadochenreiche, sind eher kärglich, größere Funde wurden in Priene, Milet, Ephesos, Herakleia am Latmos und Pergamon gemacht. Für das Leben im griechisch-baktrischen Reich sind die Funde von Ai Khanoum von großer Bedeutung. Titel und Porträts der Diadochen sind uns vor allem von Münzbildern und Marmorbüsten bekannt.

Zeitleiste

(alle Angaben v. Chr.)

Literatur

Eine klassische Darstellung ist Droysens Geschichte des Hellenismus, die zwar immer noch lesenswert, aber inzwischen veraltet ist. Neuere Darstellungen sind in englischer (Peter Green, Graham Shipley, Frank W. Walbank) und französischer (Edouard Will) Sprache vorhanden; für den deutschen Leser sind Gehrkes Arbeiten, die Beiträge in Gregor Webers Kulturgeschichte sowie das Lexikon des Hellenismus sehr nützliche Orientierungen. Im Folgenden werden vor allem Überblickswerke genannt, anhand von deren Bibliografien sich leicht spezialisiertere Literatur erschließen lässt. Es sei auch auf die entsprechenden Abschnitte in der Cambridge Ancient History hingewiesen (ab Band 7.1).

Deutschsprachige Literatur

Fremdsprachige Literatur

  •  Glenn Bugh (Hrsg.): The Cambridge Companion to the Hellenistic World. Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 0-521-53570-0 (einführende Aufsatzsammlung zu zentralen Themen).
  •  Robert Malcolm Errington: A History of the Hellenistic World: 323–30 BC. Blackwell, Oxford 2008, ISBN 978-0-631-23387-9.
  •  Andrew Erskine (Hrsg.): A Companion to the Hellenistic World. Blackwell, Oxford 2003, ISBN 0-631-22537-4.
  •  Peter Green: Alexander to Actium. The Historical Evolution of the Hellenistic Age. University of California Press, Berkeley 1990, ISBN 0-520-05611-6 (detaillierte Gesamtdarstellung, in der Bewertung der Epoche allerdings teils zu negativ).
  •  Erich Stephen Gruen: The Hellenistic World and the Coming of Rome. University of California Press, Berkeley 1984, ISBN 0-520-04569-6.
  •  Waldemar Heckel: The Marshals of Alexander’s Empire. Routledge, London 1992, ISBN 0-415-05053-7.
  •  Jerome Jordan Pollitt: Art in the Hellenistic Age. Cambridge University Press, Cambridge 1986, ISBN 0-521-27672-1.
  •  Susan Sherwin-White, Amelie Kuhrt: From Samarkhand to Sardis. A New Approach to the Seleucid Empire. Duckworth, London 1993, ISBN 0-7156-2413-X.
  •  Graham Shipley: The Greek World After Alexander, 323–30 BC. Routledge, London und New York 2000, ISBN 0-415-04618-1 (hervorragender englischsprachiger Überblick über die Zeit des Hellenismus von den Diadochen bis Kleopatra VII.).
  •  Edouard Will: Histoire politique du monde hellénistique (323–30 av. J.-C.). Éditions du Seuil, Paris 2003, ISBN 2-02-060387-X (beste moderne Darstellung der politischen Geschichte der Diadochenreiche).

Weblinks

Anmerkungen

<references />

24px Dieser Artikel wurde am 19. Juli 2006 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen.