Misstrauensvotum


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Als Misstrauensvotum wird in einem parlamentarischen Regierungssystem ein mehrheitlicher Parlamentsbeschluss bezeichnet, der die Regierung, den Regierungschef oder einen bestimmten Minister absetzt, wenn die Verfassung diese Möglichkeit vorsieht. Ein Misstrauensvotum enthebt denjenigen, gegen den es gerichtet ist, seines Amtes.

Wenn es nicht mit der gleichzeitigen Benennung eines Nachfolgers verbunden ist, wird es als destruktives Misstrauensvotum bezeichnet. Bei einem konstruktiven Misstrauensvotum wird hingegen gleichzeitig ein neuer Kandidat gewählt. Dadurch übernimmt das Parlament die Verantwortung, eine Regierungskrise aktiv zu entschärfen, indem es im Moment des Vertrauensentzuges auch neues Vertrauen ausspricht, also die exekutive Macht gleichzeitig neu ausrichtet und gestaltet, statt lediglich zu demonstrieren, dass es mit dem bisherigen Kurs der Regierung nicht einverstanden ist. Ist ein konstruktives Misstrauensvotum rechtlich festgelegt, schließt dies typischerweise die Möglichkeit eines destruktiven Misstrauensvotums aus.

Dem Votum geht der Misstrauensantrag voraus. In den Verfassungen der meisten Staaten muss er von einer Mindestanzahl von Abgeordneten unterstützt werden (z. B. einem Viertel) und die Abstimmung nach einer bestimmten Frist stattfinden.

Deutschland (Bundesebene)

Verfassungsrechtliche Grundlagen (Wortlaut)

Der Art. 67 Grundgesetz (GG) ist seit seiner Verkündung am 23. Mai 1949 unverändert geblieben, er lautet wie folgt:

Artikel 67

(1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muß dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen.

(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen.

Entstehung

Die Weimarer Verfassung (WRV) von 1919 verfügte (jedenfalls ihrem positiven Wortlaut zufolge) über keine ausreichenden Sicherungen für eine Regierungsunfähigkeit des Parlaments. So bestimmte Art. 54 WRV, dass muss vom Amt zurücktreten, wenn die politischen Verhältnisse ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen ihm und dem Landtag unmöglich machen.“ (Absatz 3 Satz 2)

Diese Regelung klingt zwar wie ein destruktives Misstrauensvotum, ist es aber nicht: Der Ministerpräsident und die gesamte Staatsregierung bleiben geschäftsführend im Amt, bis ein Nachfolger gewählt ist – lediglich die Vertretung Bayerns nach außen geht auf den Landtagspräsidenten über, der allerdings in dieser Zeit nicht abberufen werden kann (Art. 44 Abs. 3 Sätze 4 und 5 BV)

Wenn innerhalb von vier Wochen nach dem Rücktritt kein neuer Ministerpräsident gewählt wird, dann muss der Landtagspräsident den Landtag auflösen. (Art. 44 Abs. 5 BV)

Berlin

Die Verfassung von Berlin vom 23. November 1995 sieht in ihrem Artikel 57 zunächst ein destruktives Misstrauensvotum vor: Beschließt das Abgeordnetenhaus mit absoluter Mehrheit, einem Senatsmitglied oder dem Senat insgesamt das Vertrauen zu entziehen, so müssen die betroffenen Senatoren sofort zurücktreten. Wird allerdings nicht binnen 21 Tagen ein neuer Senat gewählt, so verliert das Misstrauensvotum seine Gültigkeit; die zuvor entlassenen Senatoren bleiben im Amt:

Das Abgeordnetenhaus kann dem Senat und jedem seiner Mitglieder das Vertrauen entziehen. (Absatz 2 Satz 1)
Der Beschluss über einen Misstrauensantrag bedarf der Zustimmung der Mehrheit der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses. Bei Annahme eines Misstrauensantrages haben die davon betroffenen Mitglieder des Senats sofort zurückzutreten. Jedes Mitglied des Senats ist verpflichtet, auf Verlangen die Geschäfte bis zum Amtsantritt des Nachfolgers weiterzuführen. Das Misstrauensvotum verliert seine Wirksamkeit, wenn nicht binnen 21 Tagen eine Neuwahl erfolgt ist. (Absatz 3)

Während des Berliner Bankenskandals 2001 kam die Große Koalition aus CDU und SPD unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen in schwere Turbulenzen. Die SPD erklärte schließlich, dass sie aufgrund der maßgeblichen Verantwortung von CDU-Politikern wie dem Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky für diesen Skandal die Große Koalition verlassen und Koalitions- bzw. Tolerierungsverhandlungen mit den Grünen und der PDS aufnehmen werde. Am 16. Juni 2001 wurde Eberhard Diepgen mit den CDU-Senatoren vom Abgeordnetenhaus abgewählt. Anschließend wählte das Parlament Klaus Wowereit zum Regierenden Bürgermeister einer Koalition aus SPD und Grünen unter PDS-Tolerierung. Die von Wowereit vorgeschlagenen Senatorkandidaten wurden am gleichen Tag ebenfalls gewählt, sodass das Misstrauensvotum seine Wirksamkeit behielt.

Brandenburg

Die Verfassung des Landes Brandenburg vom 20. August 1992 stimmt in ihrem Artikel 86 inhaltlich nahezu exakt mit der Fassung des Artikels 67 des Grundgesetzes überein:

Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt. (Absatz 1)

Bremen

Die Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947 kennt eine ähnliche Regelung wie die Berliner Verfassung: Artikel 110 der Verfassung sieht auch hier zunächst ein destruktives Misstrauensvotum vor, das allerdings erst rechtswirksam wird, wenn für das abgewählte ein neues Senatsmitglied gewählt wird. Da der Präsident des Senates vom Senat selbst gewählt wird, gibt es kein gesondertes Verfahren für die Abwahl des Präsidenten des Senates:

Der Beschluss auf Entziehung des Vertrauens kommt nur zustande, wenn die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl zustimmt. Er wird für Senatoren rechtswirksam, wenn die Bürgerschaft einen neuen Senat oder ein neues Mitglied des Senats gewählt oder ein Gesetz beschlossen hat, durch das die Zahl der Mitglieder entsprechenden herabgesetzt wird. Satz 2 gilt nicht für die weiteren Mitglieder des Senats. (Absatz 3)

Vor dem verfassungsändernden Gesetz vom 1. Februar 2000 hatte dieser Absatz eine etwas andere Fassung:

Der Beschluss auf Entziehung des Vertrauens kommt nur zustande, wenn die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl zustimmt. Er wird rechtswirksam, wenn die Bürgerschaft einen neuen Senat oder ein neues Mitglied des Senats gewählt oder ein Gesetz beschlossen hat, durch das die Zahl der Mitglieder entsprechend herabgesetzt wird.

Die Änderung ergab sich aus der mit diesem Gesetz beschlossenen Erweiterung des Senats um Staatsräte zusätzlich zu den eigentlichen Senatoren.

Hamburg

Die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952 enthält in ihrem Artikel 35 die Vorschriften über ein konstruktives Misstrauensvotum. Abweichend von den anderen Stadtstaaten Berlin und Bremen sieht er die gleichzeitige Abwahl des bisherigen und Neuwahl des Ersten Bürgermeisters vor. Mit der Abwahl des Ersten Bürgermeisters endet auch das Amt der übrigen Mitglieder des Senats. Diese Regelung wurde 1996 neu eingeführt und in der Fassung von 2001 ausdrücklich um die weiblichen Amtsbezeichnungen („Erste Bürgermeisterin“, „Nachfolgerin“) erweitert.

Die heutige Fassung lautet (Einfügungen von 2001 in eckigen Klammern):

Die Amtszeit [der Ersten Bürgermeisterin oder] des Ersten Bürgermeisters endet auch, wenn die Bürgerschaft [ihr oder] ihm das Vertrauen dadurch entzieht, dass sie mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl [eine Nachfolgerin oder] einen Nachfolger wählt. (Absatz 3 Satz 1)

Bis 1996 konnte die Bürgerschaft sowohl einzelnen Senatoren (einschließlich der beiden Bürgermeister) als auch dem gesamten Senat das Vertrauen entziehen.

Die Bürgerschaft kann dem Senat oder einzelnen Senatoren das Vertrauen nur dadurch entziehen, dass sie mit der Mehrzahl ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl den Senat oder einzelne Senatoren durch Neuwahl ersetzen. (Absatz 2 Satz 1 alter Fassung)

Bis zu dieser Verfassungsänderung wurden allerdings auch die Senatoren von der Bürgerschaft einzeln in den Senat gewählt, der wiederum unter sich den Ersten Bürgermeister bestimmte. Auch endete mit der Amtszeit des Ersten Bürgermeisters nicht die Amtszeit der anderen Senatoren.

Hessen

Die Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946 kennt kein konstruktives Misstrauensvotum. Wird dem Ministerpräsidenten von der Mehrheit der Mitglieder des Landtages das Vertrauen entzogen oder die Vertrauensfrage nicht positiv beantwortet, so muss die Landesregierung zurücktreten (Artikel 114). Wenn binnen zwölf Tagen kein neuer Ministerpräsident gewählt und seiner Regierung das Vertrauen ausgesprochen wird, ist der Landtag aufgelöst.

Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten durch ausdrücklichen Beschluss sein Vertrauen entziehen oder durch Ablehnung eines Vertrauensantrages versagen. (Absatz 1)
Über die Vertrauensfrage muss namentlich abgestimmt werden. Ein für den Ministerpräsidenten ungünstiger Beschluss des Landtages bedarf der Zustimmung von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder.
Kommt ein solcher Beschluss zustande, so muss der Ministerpräsident zurücktreten.
Spricht der Landtag nicht binnen zwölf Tagen einer neuen Regierung das Vertrauen aus, so ist er aufgelöst. (Absätze 3 bis 5)

Mecklenburg-Vorpommern

Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Mai 1993 kennt das konstruktive Misstrauensvotum gegenüber dem Ministerpräsidenten in der Ausgestaltung des Grundgesetzes. Die entsprechenden Vorschriften sind in Artikel 50 der Verfassung niedergelegt:

Das Amt des Ministerpräsidenten endet, wenn ihm der Landtag das Vertrauen entzieht. Der Landtag kann das Vertrauen nur dadurch entziehen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt. (Absatz 2)

Niedersachsen

Die Niedersächsische Verfassung vom 19. Mai 1993 enthält in ihrem Artikel 32 eine dem Grundgesetz entsprechende Regelung für ein konstruktives Misstrauensvotum, besonders ist die sehr lange Frist von drei Wochen zwischen Antrag und Abstimmung:

(1) Der Landtag kann der Ministerpräsidentin oder dem Ministerpräsidenten das Vertrauen entziehen.
(2) Der Antrag kann nur von mindestens einem Drittel der Mitglieder des Landtages gestellt werden. Über den Antrag darf frühestens 21 Tage nach Schluss der Besprechung abgestimmt werden.
(3) Das Vertrauen kann nur dadurch entzogen werden, dass der Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger wählt.

1988 scheiterte ein Misstrauensvotum Gerhard Schröders gegen Ministerpräsident Ernst Albrecht. Nach Artikel 23 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung vom 13. April 1951 konnte auch dieses Misstrauensvotum nur ein konstruktives sein. Der relevante Absatz 3 lautete:

Das Vertrauen kann nur dadurch entzogen werden, dass der Landtag mit der Mehrheit der Abgeordneten einen Nachfolger wählt.

Nordrhein-Westfalen

Die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950 hat in ihrem Artikel 61 den Wortlaut des Grundgesetzes nahezu exakt übernommen und enthält damit auch ein konstruktives Misstrauensvotum:

Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen einen Nachfolger wählt. (Absatz 1)

Am 20. Februar 1956 sprach der Landtag Ministerpräsident Karl Arnold, der zuvor eine Koalition aus CDU, FDP und Zentrum geführt hatte, das Misstrauen aus und wählte Fritz Steinhoff zum Ministerpräsidenten einer Koalition aus SPD, FDP und Zentrum. Für den Koalitionswechsel werden vornehmlich bundespolitische Gründe verantwortlich gemacht: Da die CDU mit der Einführung des Mehrheitswahlrechtes liebäugelte, das die FDP an den Rand ihrer Existenz gebracht hätte, sorgte die FDP mit ihrem Vorsitzenden Thomas Dehler dafür, dass die Bundesregierung nunmehr ihre Mehrheit im Bundesrat verlor. Die Krise führte zur Spaltung der FDP in den Dehler-treuen größeren Teil, der schließlich politisch überlebte, und die FVP, der nur eine kurze Existenz beschieden war.

Zehn Jahre später, am 8. Dezember 1966, wurde Ministerpräsident Franz Meyers, der einer christlich-liberalen Koalition vorgestanden hatte, durch eine sozial-liberale Koalition unter Führung von Heinz Kühn abgelöst. Die Landtagswahl im Juli 1966 hatte eine knappe 101:99-Mehrheit für CDU und FDP gegenüber der SPD eingebracht: Franz Meyers konnte somit seine christlich-liberale Koalition zunächst fortführen. Nach der Entstehung der Großen Koalition auf Bundesebene mit der Wahl von Kurt Georg Kiesinger zum Bundeskanzler am 1. Dezember 1966 wurde – wie in Baden-Württemberg – ein Wechsel von einer schwarz-gelben zu einer Großen Koalition angestrebt. Die SPD-Fraktion lehnte einen solchen Wechsel jedoch ab, woraufhin die Parteispitze Koalitionsverhandlungen mit der FDP aufnahm, die zum erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum führten.

Rheinland-Pfalz

Die Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 hat ein ähnliches Verfahren wie die etwas früher entstandene hessische Verfassung: Nach Artikel 99 kann der Landtag dem Ministerpräsidenten, der Landesregierung oder einem Minister das Vertrauen entziehen. Hat der Landtag der gesamten Landesregierung das Vertrauen entzogen, so muss er binnen vier Wochen einer neuen Regierung das Vertrauen aussprechen, ansonsten ist er aufgelöst. Artikel 99 wurde im Jahr 1991 insofern geändert, als dass vorher dem Ministerpräsidenten das Vertrauen nicht entzogen werden konnte; dies war nur gegenüber der Landesregierung als ganzes oder einem Minister möglich. Die einschlägigen Vorschriften des Artikels 99 lauten heute:

Der Ministerpräsident, die Landesregierung und die Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags.
Sie müssen zurücktreten, wenn ihnen der Landtag mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl das Vertrauen entzieht. (Absatz 1 und 2)
Falls der Landtag nicht innerhalb von 4 Wochen nach dem Beschluss, der Landesregierung das Vertrauen zu entziehen, einer neuen Regierung das Vertrauen ausspricht, ist er aufgelöst. (Absatz 5)

Vor 1991 lautete Absatz 1:

Die Landesregierung und die Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags.

Bisher kam es dreimal zu einem beantragten Misstrauensvotum: 1949 und 1952 gegen Ministerpräsident Peter Altmeier (beide gescheitert) und am 30. August 2012 gegen Kurt Beck (SPD) (ebenfalls gescheitert).

Saarland

Die Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947 kennt sowohl die Vertrauensfrage wie ein Misstrauensvotum. Wird der Landesregierung das Vertrauen entzogen, so muss der Landtag binnen vier Wochen „die Bildung einer von seinem Vertrauen getragenen Landesregierung“ ermöglichen, sonst ist er aufgelöst. Diese Vorschrift findet sich in Artikel 69 (bis 1979: Artikel 71) der Verfassung.

Artikel 69 lautet heute:

Der Landtag ist aufgelöst, wenn er dies mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder beschließt oder wenn er der Landesregierung das Vertrauen entzogen hat und nicht innerhalb von vier Wochen die Bildung einer von seinem Vertrauen getragenen Landesregierung ermöglicht.

Bis 1979 lautete der entsprechende Artikel 71 Absatz 2:

Die Auflösung muß vom Präsidenten des Landtages vollzogen werden, wenn der Landtag der Landesregierung durch Beschluß das Vertrauen entzogen hat und nicht innerhalb von vier Wochen die Bildung einer von seinem Vertrauen getragene Regierung ermöglicht.

Der Vertrauensentzug selbst ist durch Artikel 88 (bis 1979: Artikel 90) der Verfassung geregelt. Er lautet heute:

(1) Die Mitglieder der Landesregierung bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtages. Sie scheiden aus ihrem Amt, wenn ihnen der Landtag das Vertrauen entzieht.
(2) Das Vertrauen kann durch Ablehnung des Antrages, das Vertrauen auszusprechen (Vertrauensfrage), oder durch die ausdrückliche Erklärung des Misstrauens (Misstrauensvotum) entzogen werden. Der Beschluss, das Vertrauen zu entziehen, bedarf der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtages. (Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 und 3)

Im Jahr 2001 ersetzten die Worte „Die Mitglieder der Landesregierung“ in Absatz 1 die Worte „Der Ministerpräsident und die Minister“.

Artikel 90 Absatz 1 Satz 1 und 2 lautete vor 1979:

Der Ministerpräsident und die Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtages. Sie müssen zurücktreten, wenn ihnen der Landtag mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl das Vertrauen entzieht.

Sachsen und Sachsen-Anhalt

Die Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27. Mai 1992 und die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. Juli 1992 enthalten – wie die Verfassungen der anderen 1990 der Bundesrepublik beigetretenen Länder – nahezu wortgleiche Entsprechungen zur Vorschrift des Artikels 67 des Grundgesetzes: Auch hier wird dem Regierungschef, dem Ministerpräsident, das Vertrauen dadurch entzogen, dass gleichzeitig ein neuer Ministerpräsident gewählt wird. In Sachsen ergibt sich dies aus Artikel 69, in Sachsen-Anhalt aus Artikel 72 der Verfassung:

Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Vertrauen nur dadurch entziehen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt. (Verfassung des Freistaats Sachsen, Artikel 69 Absatz 1)
Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt. (Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, Artikel 72 Absatz 1)

Der scheinbare Unterschied, dass im einen Fall das Vertrauen entzogen, im anderen das Misstrauen ausgesprochen wird, hat wegen der Identität der Auswirkungen der beiden Verfassungsbestimmungen keine Konsequenzen.

Schleswig-Holstein

Auch die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Juni 1990 kennt das konstruktive Misstrauensvotum in der Form des Grundgesetzes (Artikel 42):

Der Landtag kann der Ministerpräsidentin oder dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger wählt.

Thüringen

Die Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25. Oktober 1993 enthält in ihrem Artikel 73 eine der Formulierung des Grundgesetzes entsprechende Klausel für das konstruktive Misstrauensvotum:

Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt. (Satz 1)

Österreich

In Österreich kann gemäß Art. 74Vorlage:Art./Wartung/RIS-Suche des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) ein destruktives Misstrauensvotum gegen die Bundesregierung insgesamt oder gegen einzelne Regierungsmitglieder ausgeübt werden. Das Votum ist für den Bundespräsidenten bindend.

Schweiz

Die Schweizerische Bundesverfassung sieht kein parlamentarisches Misstrauensvotum gegen einzelne Regierungsmitglieder oder gegen die Gesamtregierung vor. Die Vereinigte Bundesversammlung wählt den Bundesrat fest auf die Dauer der vierjährigen Legislaturperiode. Die einzige Möglichkeit liegt in der Nichtwiederwahl, was bisher äußerst selten vorkam und nur Ulrich Ochsenbein 1854, Jean-Jacques Challet-Venel 1872, Ruth Metzler 2003 und Christoph Blocher 2007 widerfuhr.

Frankreich

Article 49 de la Constitution de la cinquième République française Assemblée nationale (France)#Motion de censure « Lorsque l'Assemblée Nationale adopte une motion de censure ou lorsqu'elle désapprouve le programme ou une déclaration de politique générale du Gouvernement, le Premier Ministre doit remettre au Président de la République la démission du Gouvernement. » — Article 50 de la Constitution

Bis heute (Ende 2013) gab es nur ein einziges Mal ein erfolgreiches Misstrauensvotum, nämlich am 5. Oktober 1962. Ein am 27. Mai 1992 gegen die damalige Regierung Bérégovoy versuchtes Votum bekam nur 286 statt der erforderlichen 289 Stimmen.

Spanien

Die sehr stark vom Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beeinflusste Spanische Verfassung von 1978 sieht ebenfalls ein konstruktives Misstrauensvotum vor. Der Ministerpräsident wird jedoch vom Kongress, der zweiten Parlamentskammer, formal nicht gewählt, sondern vom König ernannt, nachdem der Kongress dem Kandidaten das Vertrauen ausgesprochen hat. Daher nimmt das Misstrauensvotum hier die Form eines mit dem Misstrauensantrag obligatorisch zu verbindenden Vorschlags eines Nachfolgers an, an den der König bei Annahme des Antrags durch den Kongress gebunden ist.

Artikel 113
(1) Der Kongress kann durch einen mit absoluter Mehrheit angenommenen Misstrauensantrag die Regierung politisch zur Verantwortung ziehen.
(2) Der Misstrauensantrag muss von mindestens einem Zehntel der Abgeordneten unterzeichnet werden und einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorschlagen.
Artikel 114
(2) Wenn der Kongress einen Misstrauensantrag annimmt, so reicht die Regierung beim König ihren Rücktritt ein. Der im Misstrauensantrag vorgeschlagene Kandidat hat von diesem Zeitpunkt an das Vertrauen der Kammer in allen in Artikel 99 festgelegten Punkten. Der König ernennt ihn zum Ministerpräsidenten.

USA

In den Vereinigten Staaten von Amerika gab es bereits Misstrauensvoten des Kongresses, auch gegen einzelne Regierungsmitglieder. In präsidialen Regierungssystemen haben sie jedoch keine rechtliche Bindungswirkung und es liegt beim Präsidenten zu entscheiden, ob er dem Votum folgt oder sich widersetzt. Es gibt allerdings die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten, das sogenannte Impeachment.

International: Durch Misstrauensvoten gestürzte Regierungschefs

Australien

Kanada

Dänemark

Indien

Israel

Italien

Japan

Norwegen

Portugal

Slowakei

Slowenien

Tschechien

Ukraine

Vereinigtes Königreich

Quellenangaben

<references />

Literatur

(chronologisch)

  • Gerhard Schröder: Für oder wider das konstruktive Mißtrauensvotum. In: Bonner Hefte. Pagoden-Verl., Berlin/Bonn/Wiesbaden 1953, 1, S. 22–26.
  • Milutin Michael Nickl: Zur Rhetorik parlamentarischer Mißtrauensvoten in Deutschem Reichstag 1931/32 und Bundestag 1972. Eine sprechwissenschaftliche Analyse sprachlich-öffentlicher Kommunikation, Tuduv-Studien/Sprach- und Literaturwissenschaften, 4, München 1976, ISBN 3-88073-015-6
  • Klaus Stern: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 2. Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung. Beck, München 1980, ISBN 3-406-07018-3
  • Lutz Berthold: Das konstruktive Misstrauensvotum und seine Ursprünge in der Weimarer Staatsrechtslehre. in: Der Staat. Duncker & Humblot, Berlin 36.1997, S. 81ff. ISSN 0038-884X
  • Christoph Gusy: Die Weimarer Reichsverfassung. Mohr Siebeck, Tübingen 1997, ISBN 3-16-146818-X
  • Rainer Barzel: Die Tür blieb offen. Mein persönlicher Bericht über Ostverträge, Mißtrauensvotum, Kanzlersturz. Bouvier, Bonn 1998, ISBN 3-416-02836-8
  • Friedrich Karl Fromme: Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz – Die verfassungspolitischen Folgerungen des Parlamentarischen Rates aus Weimarer Republik und nationalsozialistischer Diktatur. Duncker und Humblot, Berlin 1999 (3. Aufl., inkl. Nachwort zum Neudruck), ISBN 3-428-09992-3
  • Andreas Grau: Auf der Suche nach den fehlenden Stimmen 1972. Zu den Nachwirkungen des gescheiterten Misstrauensvotums Barzel/Brandt. Historisch-Politische Mitteilungen, Archiv für Christlich-Demokratische Politik, Böhlau Verlag Köln, Nr. 16, 30. Dez. 2009 (17 S.)

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Misstrauensvotum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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