Wiktor Janukowytsch
Wiktor Fedorowytsch Janukowytsch (ukrainisch Віктор Федорович Янукович, wiss. Transliteration Vìktor Fedorovič Janukovič 12px Aussprache?/i, russisch Виктор Фёдорович Янукович, wiss. Transliteration Viktor Fëdorovič Ânukovič, in Deutschland oft Viktor Janukowitsch; * 9. Juli 1950 in Jenakijewe in der Oblast Donezk) ist ein ukrainischer Politiker (bis März 2014 Partei der Regionen). Zwischen 2002 und 2005 sowie erneut 2006 und 2007 war er Ministerpräsident der Ukraine. Im Februar 2010 wurde er Präsident der Ukraine, am 22. Februar 2014 erklärte ihn das ukrainische Parlament im Zuge der Unruhen in Kiew für abgesetzt und erwirkte bei Interpol einen Internationalen Haftbefehl gegen ihn.<ref>Hoffnung auf baldigen Ukraine-Gipfel geplatzt, Süddeutsche.de, 12. Januar 2015.</ref><ref name="spon956" /> Janukowytsch betrachtet seine Amtsenthebung als illegal.<ref name="spon956">spiegel Krim-Krise im Überblick: Moskau begründet Militäreinsatz mit Janukowitsch-Bittbrief</ref>
Inhaltsverzeichnis
Lebenslauf
Janukowytsch stammt aus einer Arbeiterfamilie aus der Oblast Donezk; sein Vater, der aus einer polnischen Familie aus Litauen stammt, war Metallarbeiter, seine russische Mutter Krankenschwester – sie starb, als er zwei Jahre alt war.<ref>Axel Eichholz: Ukraine: Rückkehr der Wahlfälscher. Auf: Kleinezeitung.at, 15. Januar 2010.</ref> Nach ihrem Tod wuchs er bei seiner aus Warschau stammenden Großmutter auf. Seine Beziehung zum Vater wird nach dessen erneuter Heirat als kompliziert geschildert. Im Dezember 1967 und im Juni 1970 wurde Wiktor Janukowytsch einmal wegen Diebstahls und einmal wegen Körperverletzung zu Haftstrafen verurteilt. Dazu erklärte er im Jahr 2002, dass er zweimal für Delikte bestraft worden sei, an denen er nicht teilgenommen habe, und dass seine Vorstrafen 1978 vom Donezker Oblastgericht gestrichen worden seien. Die meisten Dokumente über die Verurteilung von Janukowytsch sind heute nicht mehr auffindbar und die Echtheit der Unterlagen, die seine Rehabilitierung im Jahr 1978 belegen sollen, wurde von seinen politischen Gegnern wiederholt angezweifelt. Janukowytschs gerichtliche Verurteilungen werden häufig als Argumente gegen ihn verwendet.<ref>Ukraine: Knastväterchen Janukowitsch, FAZ vom 11. März 2012.</ref>
1969 arbeitete er zunächst als Gasinstallateur in der Metallfabrik seiner Heimatstadt, 1973 erhielt er einen Abschluss am dortigen Bergbau-Technikum. In verschiedenen Medien wurde wiederholt berichtet, Janukowytsch sei 1974 für die UdSSR als Rennfahrer bei der Rallye Monte Carlo angetreten;<ref>Spiegel Online, November 2004</ref><ref>Ukrajinska Prawda: "Прємьєр-міністр" Янукович, або неофіційна біографія для тих, хто підзабув: „… у 1974 Янукович навіть зміг виїхати за кордон для участі в авторалі в Монте-Карло. Хоча для людей, що побували у місцях не таких віддалених, в той час такі розваги були заборонені.“</ref><ref>портал недвижимости/Недвижимость/Недвижимость за рубежом/ Янукович, Виктор „Некоторые СМИ утверждают, что Янукович в 1974 году ездил в княжество Монако для участия в ралли Монте-Карло. Часть источников уточняет, что он ездил "по линии КГБ", объясняют первое (досрочное) освобождение Януковича сотрудничеством с администрацией колонии, а его дальнейшие успехи - покровительством Комитета госбезопасности. По другим сведениям, Янукович не мог участвовать в гонках: запланированное на январь 1974 года ралли в Монте-Карло было отменено из-за энергетического кризиса.“</ref> die Rallye fiel in diesem Jahr wegen der Ölkrise allerdings aus. 1976 übernahm Janukowytsch die Leitung eines Fuhrparks in Jenakijewe. 1980 schloss er das Polytechnische Institut Donezk als Ingenieur für Maschinenbau/Mechanik ab. Außerdem hat er einen Abschluss der Ukrainischen Außenhandelsakademie als Magister für internationales Recht.
Janukowytsch arbeitete zunächst als Autoschlosser und Mechaniker. Etwa 20 Jahre lang war er anschließend in Führungspositionen von Industrieunternehmen („Donbastransremont“ - Донбастрансремонт, „Ukrwuhlepromtrans“ -Укрвуглепромтранс) sowie in der Donezker Oblast-Vereinigung für Automobilverkehr tätig.
Janukowytsch ist seit 1972 mit Ljudmila Olexandriwna verheiratet, er hat die Söhne Olexandr (* 1973) und Wiktor (1981–2015).
Politische Karriere
Aufstieg
1996 wurde Janukowytsch als stellvertretender Vorsitzender in die Donezker Oblastverwaltung berufen. Vom 14. Mai 1997 bis November 2002 war er deren Vorsitzender sowie außerdem Abgeordneter im Donezker Oblastparlament. Von Mai 1999 bis Mai 2001 war er dessen Vorsitzender (Gouverneur).
Amt des Ministerpräsidenten
Am 21. November 2002 wurde Janukowytsch als Nachfolger Anatolij Kinachs Ministerpräsident der Ukraine. Am 31. Dezember 2004 kündigte Janukowytsch seinen Rücktritt als Ministerpräsident an. Präsident Kutschma nahm das Rücktrittsgesuch am 5. Januar 2005 an und bestimmte Vize-Regierungschef Mykola Asarow zum Nachfolger Janukowytschs.
Janukowytsch ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften, Professor und Ordentliches Mitglied der Akademie für Wirtschaftswissenschaften der Ukraine.<ref>Viktor Yanukovych Curriculum Vitae. Abgerufen am 19. März 2014.</ref> Er bekleidet noch weitere öffentliche Ämter, darunter war er bis 2005 Vorsitzender des Nationalen Olympischen Komitees der Ukraine.
Während der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine 2004 kandidierte Janukowytsch für das Amt des Präsidenten. Am 21. November kam es zur Stichwahl zwischen ihm und Wiktor Juschtschenko, der im September 2004 durch eine Dioxinvergiftung lebensgefährlich verletzt worden war. Janukowytsch gewann diesen zweiten Wahlgang nach ersten staatlichen Aussagen zunächst relativ knapp. Der Wahlsieg war jedoch von Wahlbetrugsvorwürfen überschattet, so dass nach den folgenden andauernden Massenprotesten (Orange Revolution) durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Kiew im Dezember die Stichwahl für ungültig erklärt und eine Wiederholung angeordnet wurde. Janukowytsch akzeptierte diese Entscheidung und unterlag bei den erneuten Stichwahlen am 26. Dezember mit 44,19 % der Stimmen gegenüber Wiktor Juschtschenko mit 51,99 %
Bei den Parlamentswahlen im März 2006 konnte Janukowytschs Partei der Regionen überraschend eine relative Mehrheit von 186 der insgesamt 450 Sitze der Werchowna Rada für sich gewinnen, jedoch zunächst keine mehrheitsfähige Regierungskoalition bilden. Nachdem eine geplante Koalition aus dem von Präsident Juschtschenko geführten Bündnis Unsere Ukraine, dem Block Julija Tymoschenko (BJUT) und der Sozialistischen Partei unter Olexander Moros im Juli durch den Ausstieg der Sozialisten zerbrach, stiegen Janukowytschs Chancen auf das Amt des Regierungschefs. Präsident Juschtschenko erklärte nach einigem Zögern Anfang August seine Bereitschaft, ihn zum Ministerpräsidenten vorzuschlagen; die beiden Parteien der ehemaligen Gegner unterzeichneten ein Memorandum der Koalition der nationalen Einheit; am darauffolgenden Tag wurde seine Nominierung vom Parlament bestätigt.<ref>tagesschau.de: Juschtschenko schlägt Rivalen als Premier vor → Erläuterung, 3. August 2006</ref><ref>Ukrajinska Prawda: http://pravda.com.ua/news/2006/8/3/45527.htm</ref>
Als Ministerpräsident unter dem westlich orientierten Staatspräsidenten Juschtschenko trat Janukowytsch gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine auf, jedoch sprach er sich anfangs für einen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union aus und rückte somit teilweise von der engen außenpolitischen Orientierung an Russland ab.
Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im September 2007 wurde Janukowytschs Partei zwar erneut stärkste Kraft, jedoch errangen die beiden gegnerischen Parteien der „Orangen Revolution“ überraschend eine knappe Mehrheit. Auf der ersten Sitzung der neu gewählten Werchowna Rada erklärte Janukowytsch seinen Rücktritt. Er blieb jedoch mitsamt seiner Regierung bis zur Wahl Tymoschenkos zur neuen Ministerpräsidentin am 18. Dezember 2007 im Amt. Nach seinem Rücktritt als Regierungschef wurde er erneut zum Vorsitzenden der Fraktion der Partei der Regionen in der Werchowna Rada gewählt.
Präsidentschaft
Bei der Neuwahl des Staatspräsidenten Anfang 2010 setzte sich Wiktor Janukowytsch in der Stichwahl am 7. Februar 2010 mit 48,8 Prozent der Stimmen gegen Julija Tymoschenko durch.<ref>Beitrag Janukowitsch gewinnt Stichwahl. Euronews, 9. Februar 2010</ref> Der bisherige Amtsinhaber Wiktor Juschtschenko war bereits im ersten Wahlgang ausgeschieden. Seine Konkurrentin Tymoschenko zog ihre zunächst eingereichte Klage gegen das Wahlergebnis, das sie als Resultat von Manipulationen ansieht, wegen des absehbaren Scheiterns vor Gericht zurück. Am 25. Februar wurde Wiktor Janukowytsch als vierter Präsident der postsowjetischen Ukraine vereidigt.<ref>NEWSru.ua: Янукович вступил на пост президента. Инаугурация состоялась.</ref>
Vor Übernahme der Regierungsverantwortung nannte Janukowytsch 2008 auf einem Parteitag der russischen Regierungspartei Einiges Russland die Idee einer zukünftigen Integration der Ukraine in einen einheitlichen Wirtschaftsraum mit Russland, Weißrussland und Kasachstan alternativlos,<ref>http://ukraine-nachrichten.de/litwin-h%E3%A4lt-wirtschaftsunion-russland-notwendig_1960_politik</ref> 2010 erwähnte er als Bedingung den Beitritt der Partner zur WTO.<ref>Länder-Analysen vom März 2010 (PDF; 486 kB)</ref> Nach seinem Amtsantritt im Februar 2010 erklärte Janukowytsch, die Ukraine wolle ein blockfreies Land sein und verstehe sich als „eine Brücke zwischen Russland und der EU“. Einer NATO-Mitgliedschaft erteilte er eine Absage.<ref>Janukowitsch kündigt Westkurs an. Handelsblatt, 26. Februar 2010</ref> Die ukrainische Außenpolitik in den ersten Jahren seiner Präsidentschaft wurde von politischen Beobachtern im Ausland oft als widersprüchlich bewertet. Im Zusammenhang mit Strafprozess gegen Julija Tymoschenko setzte die EU die Unterzeichnung eines weitreichenden Assoziierungsabkommens mit der Ukraine vorläufig aus.<ref>EU legt Abkommen mit Ukraine auf Eis in die Welt am 14. Mai 2012.</ref> Janukowytsch sprach zu diesem Zeitpunkt von Interesse an einer „gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit“ im Rahmen der Zollunion mit Russland,<ref>Janukowitsch lädt Putin nach Tschernobyl ein auf RIA Novosti am 15. Mai 2012.</ref> später war es noch das „schrittweise Akzeptieren“ von Regeln der Zollunion in einer Kooperation „3+1“, parallel zur Bildung einer Freihandelszone mit der EU.<ref>Janukowitsch: Ukraine wird Regeln der Zollunion schrittweise akzeptieren RIA, 13. Dezember 2013</ref> Im März 2013 erklärte Janukowytsch, ein rascher Beitritt der Ukraine zur Zollunion stehe nicht zur Debatte.<ref>Janukowitsch: Keine Rede von Sofortbeitritt der Ukraine zur Zollunion, Stimme Russlands vom 4. März 2013</ref>
Am 21. November 2013 suspendierte die Regierung Azarow die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine mit der EU, ganz offensichtlich waren die russischen Wirtschaftssanktionen der Hauptgrund.<ref>Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. C. H. Beck, München 2014, Seite 337</ref> Janukowytsch bekräftigte währenddessen in Wien den Willen seiner Regierung, an Europa „andocken“ zu wollen<ref>EU verliert Kampf um die Ukraine, Die Presse vom 21. November 2013</ref>, die Ukraine ändere ihren EU-Kurs nicht; das Land strebe aber danach, dass seine nationalen Interessen berücksichtigt werden und zurzeit sei die Ukraine zum Abschluss des Assoziierungsabkommens aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht bereit.<ref>NRCU vom 28. November 2013</ref> Janukowytsch erklärte am 24. November, niemand werde in der Lage sein, die Ukraine vom europäischen Weg abzubringen.<ref>RIA-Nowosti vom 25. November 2013</ref> Die Aussetzung des Abkommens gilt als Auslöser der Demonstrationen und Proteste in der Ukraine, die sich insgesamt gegen die Politik der Staatsführung richteten und den Rücktritt von Janukowytsch forderten.
Absetzung
Nach monatelangen und zum Teil gewalttätigen Proteste im Rahmen des Euromaidan unterzeichnete Janukowytsch am 21. Februar 2014 mit der politischen Opposition des Landes eine Vereinbarung über die Beilegung der Krise in der Ukraine. In diesem Abkommen war unter anderem die Bildung einer Übergangsregierung sowie die Abhaltung von vorgezogenen Präsidentschaftswahlen noch im Jahr 2014 vereinbart worden.<ref name="RUDruck">Ukraine: Janukowitsch verkündet Neuwahlen. In: Spiegel Online. 21. Februar 2014, abgerufen am 27. Februar 2015. </ref> Die Vereinbarung war unter Vermittlung der Außenminister Deutschlands und Polens zustande gekommen, die das Abkommen auch mitunterzeichneten. Auch der informelle „Maidan-Rat“ der Protestierenden hatte, nach Medienberichten, letztlich seine Zustimmung zu dieser Vereinbarung gegeben. Ein großer Teil der auf dem Maidan versammelten Aktivisten wie auch die militant und paramilitärisch auftretende Gruppe „Prawyj Sektor“ lehnte das Abkommen allerdings klar ab und forderte einen sofortigen Rücktritt von Janukowytsch.<ref>Konflikt in der Ukraine: Zum Frieden gezwungen, SPON vom 28. Februar 2014</ref>
Die Polizei- und Wacheinheiten wurden im Verlauf des 21. Februars von den Regierungsgebäuden in Kiew abgezogen. Wer genau den Befehl dazu gab, ist unklar. Entgegen der Sichtweise der russischen Propaganda war Janukowytsch jedoch nicht bedroht als er sich entschloss, zu fliehen; der britische Historiker Andrew Wilson beschreibt es vielmehr als; "er war einfach fertig mit Packen": Gemäss Wilson soll Janukowytsch um 23 Milliarden Dollar ausser Landes gebracht haben.<ref>Ukraine Crisis: What It Means for the West by Andrew Wilson – Review, The Guardian, 5. November 2014; "Contrary to Moscow propaganda, he was under no physical threat when he decided to flee the country for Russia. Wilson says he left because “he had finished packing”. The president allegedly took $32bn with him (from $100bn looted in just under four years), much of it furtively trucked across the Russian border."</ref> Um seiner Abreise aus Kiew nicht den Charakter einer Flucht zu verleihen, rief er den Gouverneur von Charkiw an und bat ihn eine Besichtigungstour durch eine Fabrik am nächsten Tag zu organisieren. Noch am späten Abend des 21. Februar verließ Janukowytsch Kiew in Richtung Charkiw und gab sich dort Gouverneur Dobkin gegenüber zuversichtlich, was die Lage betraf.<ref>Andrew Higgins und Andrew Kramer: Ukraine Leader Was Defeated Even Before He Was Ousted, NYT vom 3. Januar 2015.</ref>
Die Amtsräume des Präsidenten in Kiew und seine Privatresidenz wurden am Morgen des 22. Februar von paramilitärischen Gruppen der Protestierer besetzt.<ref>tagesschau.de:Wo ist Janukowytsch ?</ref><ref>spiegel.de:Konflikt in der Ukraine: Auf der Suche nach Janukowitsch</ref><ref>Eurasisches Magazin, 22. Februar 2014, zuletzt abgerufen am 22. Februar 2014</ref> Medienberichten zufolge verhinderten die ukrainischen Grenztruppen einen ersten Versuch von Janukowytsch am 22. Februar, sich per Flugzeug vom Flughafen Donezk aus ins Ausland abzusetzen.<ref>Yanukovych put on wanted list – Avakov, Interfax.ua, 24. Februar 2014.</ref><ref>Janukowitschs Partei spricht von feiger Flucht und Verrat, Zeit Online, 23. Februar 2014.</ref>
Am selben Tag erklärte ihn die Werchowna Rada mit 328 von 450 Stimmen (72,89 %) in einer juristisch umstrittenen Abstimmung für abgesetzt<ref name="legitime Präsident" /> und es wurden Neuwahlen zum Amt des Staatspräsidenten für den 25. Mai 2014 angekündigt. Janukowytsch erklärte hierzu am selben Tag in einem Fernseh-Interview, er sei weiterhin der Präsident der Ukraine. Einen Rücktritt von seinem Amt schloss er kategorisch aus und bezeichnete seine Gegner als „Banditen“.<ref>tagesschau.de:Parlament setzt Janukowitsch ab</ref><ref>Janukowitsch vom Parlament abgesetzt, Stuttgarter Nachrichten vom 22. Februar 2014.</ref> Am 24. Februar erklärte das ukrainische Innenministerium, gegen Janukowytsch sei ein Haftbefehl erlassen worden und nach ihm werde gefahndet, sein derzeitiger Aufenthaltsort sei nicht bekannt.<ref>Neue Regierung lässt nach Janukowytsch fahnden, SPON vom 24. Februar 2014</ref> Im Rahmen einer Pressekonferenz beim alljährlichen Treffen des Waldai-Klub am 24. Oktober 2014, erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin, dass Janukowytsch bei seiner Flucht aus der Ukraine nach Russland Unterstützung durch die russische Regierung erhalten hatte.<ref name="FluchthelferRU">Janukowytsch vom Parlament abgesetzt; Janukowytsch nach dem Sturz: Fluchthelfer Putin, spiegel.de vom 24. Oktober 2014, abgerufen am 24. Oktober 2014</ref> Janukowytsch habe sich nach seinem Sturz zunächst mit Hilfe Moskaus auf die Krim abgesetzt und sei einige Tage später nach Russland weitergereist.<ref>Putins Reich des Bösen, Webseite tagesschau.de vom 24. Oktober 2014</ref>
Staatsrechtliche Aspekte der Absetzung
Es ist umstritten, ob die Absetzung von Janukowytsch mit der ukrainischen Verfassung vereinbar war.<ref name="legitime Präsident">"Münchhausen-Check: Putin und der legitime Präsident der Ukraine", Spiegel Online.</ref><ref name="Hague Deceived">"How William Hague Deceived the House of Commons on Ukraine", Huffington Post.</ref><ref name="cavalier with the facts">"William Hague has been cavalier with the facts in his support for the Ukraine rebels", Telegraph</ref> Laut Artikel 108 sieht die ukrainische Verfassung nur vier mögliche Gründe für eine Absetzung vor: ein Rücktritt des Präsidenten, gesundheitliche Gründe, im Zuge eines Amtsenthebungsverfahrens oder durch Tod des Amtsinhabers. Eine Amtsenthebung kommt unter Artikel 111 bei Hochverrat und anderen schweren Verbrechen in Frage.
Das Amtsenthebungsverfahren hätte von der verfassungsmäßigen Mehrheit der Obersten Rada der Ukraine initiiert werden müssen. Zur Durchführung des Untersuchungsverfahrens müsste die Oberste Rada der Ukraine eine spezielle Untersuchungskommission auf Zeit einsetzen, die aus einem Spezialbevollmächtigten sowie speziellen Ermittlern besteht. Die Ergebnisse und Vorschläge der temporären Ermittlungskommission müssten in einer Sitzung der Obersten Rada der Ukraine berücksichtigt werden. Gegebenenfalls beantragt dann die Oberste Rada mit wenigstens 2/3 ihrer verfassungsmäßigen Abgeordnetenstimmen die Anklage des Präsidenten der Ukraine.
Die Entscheidung über die Entfernung des Präsidenten der Ukraine aus seinem Amt im Wege des Amtsenthebungsverfahrens muss von wenigstens 3/4 der Anzahl der verfassungsgemäßen Abgeordneten getroffen werden, nachdem der Fall vom Höchsten Gericht der Ukraine überprüft und kommentiert worden ist und die Akte festgestellt worden sind, welche den Staatsverrat oder ein anderes Verbrechen des Präsidenten der Ukraine dokumentieren. Ein solcher Prozess wurde im Fall Janukowytsch nicht durchlaufen.
Der vom Parlament genannte Grund, dass er durch Verlassen des Landes seine Präsidentschaft verwirkt hätte, ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Nach Meinung von einigen politischen Beobachtern war Janukowytsch auch über die Entscheidung der Rada vom 23. Februar hinaus der rechtmäßige Präsident der Ukraine<ref name="legitime Präsident" /><ref name="Hague Deceived" />, während diese Frage nach Meinung anderer politischer Beobachter nicht relevant ist, da nach dem Effektivitätsgrundsatz nicht die Legalität ausschlaggebend ist, sondern entscheidend sei, dass die neue Regierung effektiv Herrschaftsgewalt in der Ukraine ausübe.<ref>Völkerrechtler Jasper Finke: Putins Argumente sind fadenscheinig, tagesschau.de, 5. März 2014</ref> Seit der Wahl eines neuen Präsidenten und mit dem Ablaufen der regulären Amtszeit Janukowytschs ist diese Frage obsolet.
Internationale Reaktionen
Am 24. Februar 2014 erklärte der Sprecher der Europäischen Kommission, die EU habe die Entscheidung des ukrainischen Parlaments, Janukowytsch seines Präsidentenamtes zu entheben, anerkannt.<ref>EU erkennt Entmachtung Janukowitschs an, Webseite von RIA Novosti vom 24. Februar 2014</ref>
Exil
Am 27. Februar 2014 erhielt Janukowytsch Asyl in Russland.<ref>Janukowitsch erhält Schutz in Russland</ref> Am 28. Februar hielt er in Rostow am Don eine Pressekonferenz ab, an der er seine Sicht der Dinge darstellte.<ref>Pressekonferenz von Viktor Janukowitsch</ref> Janukowytsch legte dar, dass er sich weiter für den rechtmäßigen Präsidenten der Ukraine halte. Er sei nicht „abgesetzt“ worden, sondern habe sich nach Drohungen gezwungen gesehen, das Land zu verlassen. Sobald seine persönliche Sicherheit gewährleistet sei, werde er in die Ukraine zurückkehren. Die von der Übergangsregierung vorgesehene Präsidentschaftswahl am 25. Mai 2014 halte er für illegal und er werde nicht kandidieren. In der Ukraine hätten „junge Neofaschisten“ die Macht übernommen, es herrschten dort „Terror und Chaos“. Janukowytsch machte vor allem die „unverantwortliche Politik“ des Westens für diese Entwicklung verantwortlich.<ref>Janukowitsch: Bin „nicht abgesetzt“ worden, Der Tagesspiegel vom 28. Februar 2014</ref>
Am 28. Februar 2014 ließ der Schweizer Bundesrat die Vermögenswerte von Janukowytsch und seines engsten Umfeldes, darunter auch seines Sohnes Olexandr, in der Schweiz sperren. Mit diesem Schritt soll das Risiko einer Veruntreuung von staatlichem ukrainischem Eigentum vermieden werden.<ref>Bundesrat lässt allfällige Vermögenswerte von Wiktor Janukowitsch und seines engsten Umfeldes in der Schweiz sperren, Webseite der Schweizer Regierung vom 28. Februar 2014</ref> Banken in der Schweiz, die Gelder dieser Personen halten, müssen sie den zuständigen Behörden melden. Zugleich wurden in der Schweiz Ermittlungen wegen des Verdachts der Geldwäsche aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Genf ließ Büroräume einer Firma im Besitz von Olexandr Janukowytsch durchsuchen.<ref>Konten von Janukowitsch und seinen Gefolgsleuten gesperrt, FAZ vom 28. Februar 2014.</ref><ref>Schweiz ermittelt gegen Janukowitsch und Sohn, Die Welt vom 28. Februar 2014</ref> Auch in Österreich wurden Konten von Janukowytsch sowie von 17 Personen seines Umfeldes gesperrt.<ref>Österreich friert Konto von Janukowitsch ein, Kurier vom 28. Februar 2014</ref>
Gemäss russischen Angaben hatte Janukowytsch am 1. März einen Brief an den russischen Präsidenten geschrieben mit der Bitte, in der Ukraine militärisch einzugreifen. Der Französische Botschafter im Sicherheitsrat sagte dazu, vielleicht sei der Brief kein Betrug, aber der (falsche) Präsident wäre es. Der Ukrainische Botschafter stellte dazu klar, dass es keine nachträgliche Rechtfertigung für die Russischen Truppen in der Ukraine gebe.<ref>«La%20Russie%20rétrograde%20l’Europe%20de%20quarante%20ans»; Le Temps, 4. März 2014</ref><ref>Russia: Yanukovich asked Putin to use force to save Ukraine, Reuters, 4. März 2014</ref>
Am 4. März 2014 erklärte der russische Präsident Putin auf einer Pressekonferenz, der legitime Präsident der Ukraine sei zwar „aus rein rechtlicher Sicht“ Janukowytsch, allerdings glaube er nicht, dass dieser noch eine politische Zukunft habe.<ref>Putin: Militäreinsatz auf Krim nicht nötig, Webseite der Deutschen Welle vom 4. März 2014</ref>
Am 6. März 2014 veröffentlichte der Rat der Europäischen Union mit der Verordnung 208/2014 eine Liste mit 18 Vertretern der früheren ukrainischen Führungsriege, deren Konten und Vermögen die EU sperrt. Die Strafmaßnahmen richten sich auch gegen den gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch, seine Söhne sowie mehrere Ex-Minister. Begründet wird dies mit der strafrechtlichen Verfolgung von Janukowytsch zur Untersuchung von Straftaten im Zusammenhang mit der Veruntreuung öffentlicher Gelder der Ukraine und des illegalen Transfers dieser Gelder in das Ausland.<ref>http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2014:066:0001:0010:DE:PDF</ref>
In einer Erklärung am 11. März fragte er den Westen, ob dieser vergessen habe, was Faschismus sei; hinter der Regierung stehe eine Bande von Faschisten. Die angesetzten Präsidentschaftswahlen vom 25. Mai seien illegitim und illegal.<ref>Aussage des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch novayagazeta.ru, 11. März 2014</ref> In einer am 28. März veröffentlichten Stellungnahme erklärte Janukowytsch, statt einer Präsidentschaftswahl wäre es sinnvoll, einen Volksentscheid über die Föderalisierung des Landes durchzuführen.<ref>Полный текст обращения президента Украины Виктора Януковича к украинскому народу, ITAR-TASS am 28. März 2014</ref><ref>Gesund und munter: Janukowitsch meldet sich wieder, Stimme Russlands am 28. März 2014</ref>
Am 29. März 2014 beschloss die Partei der Regionen auf einem Parteitag den Ausschluss Janukowytschs, der ehemaligen Ministerpräsidenten Mykola Asarow und Serhij Arbusow sowie weiterer mit der Amtszeit Janukowytschs verbundener Politiker.<ref>Партия регионов исключила Януковича, Азарова, Арбузова, Клименко LB.ua vom 29. März 2014</ref> Am 14. Mai reichte Janukowytsch Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die gegen ihn und seine Söhne verhängten Sanktionen ein.<ref>Janukowitsch klagt gegen EU-Sanktionen auf tagesanzeiger.ch vom 14. Juli 2014</ref>
Janukowytsch steht seit Januar 2015 auf der internationalen Fahndungsliste mit der Bitte um Festnahme und Auslieferung. Es wurde eine Rote Notiz auf der Interpol-Website angefügt.<ref>Interpol setzt Janukowitsch auf Liste. tagesschau.de vom 12. Januar 2015</ref>
Kritik
Janukowytsch wurde wiederholt vorgeworfen, sich während seiner Amtszeit stark am ukrainischen Staat bereichert zu haben. So soll er die in Nowi Petriwzi 24 km nördlich von Kiew gelegene ehemalige Staatsresidenz Meschyhirja auf undurchsichtige Weise in sein Privateigentum überführt und luxuriös ausgebaut haben. Auch seine Familienangehörigen, insbesondere sein Sohn Olexandr, sind während seiner Amtszeit auf unklare Art zu einem erheblichen Vermögen gelangt.<ref>Sieben Irrtümer über die Revolution in Kiew, zeit.de vom 30. Januar 2014</ref><ref>Die dubiosen Geschäfte des Janukowitsch-Clans, SPON vom 12. Mai 2012</ref> Medienberichten zufolge wurde das Vermögen von Olexandr Janukowytsch noch im Jahre 2012 auf etwa 100 Millionen Dollar und im Februar 2014 auf eine halbe Milliarde Dollar geschätzt.<ref>Janukowitsch geht es ans Geld , Deutsche Welle vom 28. Februar 2014</ref> Olexandr Janukowytsch erklärte wiederholt, dass der geschäftliche Erfolg seiner Firmen nicht dem Amt seines Vaters geschuldet sei.
Schriften
- Opportunity Ukraine Wien 2011. (Mandelbaum Verlag; ISBN 978-3-85476-379-6)
Weblinks
- Biografie bei Korrespondent.net (russisch)
- Artikel über Janukowytsch im Tagesanzeiger, Februar 2010
- Artikel in der Kyivpost über die engsten Vertrauten von Janukowytsch
- Interview mit Janukowytsch, faz vom 18. Oktober 2011
- Video mit der Stellungnahme Janukowytschs vom 22. Februar 2014
- “Family” Janukowitsch
Einzelnachweise
<references />
Leonid Krawtschuk |
Leonid Kutschma |
Wiktor Juschtschenko |
Wiktor Janukowytsch |
Olexander Turtschynow (kommissarisch) |
Petro Poroschenko
Witold Fokin | Walentyn Symonenko (komm.) | Leonid Kutschma | Juchym Swjahilskyj (komm.) | Witalij Massol | Jewhen Martschuk | Pawlo Lasarenko | Wassyl Durdynez (komm.) | Walerij Pustowoitenko | Wiktor Juschtschenko | Anatolij Kinach | Wiktor Janukowytsch | Mykola Asarow (komm.) | Julija Tymoschenko | Jurij Jechanurow | Wiktor Janukowytsch | Julija Tymoschenko | Olexander Turtschynow (komm.) | Mykola Asarow | Serhij Arbusow (komm.) | Arsenij Jazenjuk
Walerij Borsow (1990–1998) | Ivan Fedorenko (1998–2002) | Wiktor Janukowytsch (2002–2005) | Serhij Bubka (seit 2005)
Personendaten | |
---|---|
NAME | Janukowytsch, Wiktor |
ALTERNATIVNAMEN | Janukowytsch, Wiktor Fedorowytsch (vollständiger Name); Янукович, Віктор Федорович (ukrainisch) |
KURZBESCHREIBUNG | ukrainischer Politiker |
GEBURTSDATUM | 9. Juli 1950 |
GEBURTSORT | Jenakijewe, Oblast Donezk, Ukraine |