Megalith


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Datei:Spellenstein 03.jpg
Der Spellenstein in Rentrisch/St. Ingbert
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Megalithreihen bei Carnac, Bretagne, Frankreich
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Der Menhir von St. Uzec in der Bretagne wurde durch das Anbringen verschiedener Symbole christianisiert
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Megalithen von Argimusco, Der betende Frau, Montalbano Elicona, Sizilien

Als Megalith (griechisch μέγας mégas „groß“, λίϑος líthos „Stein“) bezeichnet man einen großen, oft unbehauenen Steinblock, der als Baustein für Grab- und Kultanlagen benutzt oder als Monolith aufgerichtet und in Steinsetzungen positioniert wurde. Die west- und nordeuropäischen Megalithbauten wurden alle in der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit errichtet.

Die verschiedenen Megalithbauwerke Europas lassen nicht auf eine gemeinsame Kultur schließen (siehe Megalithkultur). Die Ausstattung dieser Gräber gehört keiner einheitlichen Kultur an, die durch Keramik oder andere Artefakte definiert ist, und auch die Unterklassen der Megalithen, wie Dolmen, Ganggräber (dolmens à galerie) oder Steinkisten, zeigen keine solche an.<ref>“No single ‘culture’ as defined by types of pottery and other artifacts is represented by the furniture of these tombs in general, nor yet by that of the more widely distributed subclasses thereof-simple dolmens, passage graves (dolmens á galerie), and cists.” V. Gordon Childe: The Distribution of Megalithic Cultures, and their Influence on Ancient and Modern Civilizations. Man 46, 1946, 97</ref>

Definition

Als megalithisch wurden in Nord- und Westeuropa ursprünglich Megalithgräber (Dolmen) und aufrecht stehende Steine bezeichnet, die entweder als Menhir oder Monolith einzeln stehen konnten oder Steinkreise (Cromlechs) bildeten.<ref name="Childe">V. Gordon Childe, The Distribution of Megalithic Cultures, and their Influence on Ancient and Modern Civilizations. Man 46, 1946, 97</ref>

Bereits 1867 einigte man sich im 2. Congrès International d'Anthropologie et d'Archéologie Préhistoriques darauf, nur Monumente aus nahezu unbehauenen Steinen als Megalithen zu bezeichnen, also beispielsweise nicht die ägyptischen Obelisken, die maltesischen Tempel oder die Pariser „Halle aux blés“. Die Mauern von Tyrins wurden als zyklopisch, nicht megalithisch bezeichnet.<ref name="Childe" /> Diese Definition würde allerdings zum Beispiel die Trilithen von Stonehenge ausschließen, die bearbeitet sind. Glyn Daniel folgend, bezeichnet man inzwischen nur neolithische Bauwerke aus großen Steinen als Megalithen, denn sonst wären, wie Daniel bemerkt, auch einige walisische Schweineställe als megalithisch zu bezeichnen.

Gordon Childe schlug 1946 vor, weitere Bauten einzuschließen:<ref name="Childe" />

  • Gräber, die aus kleineren Steinen gebaut sind und ein Dach aus Kraggewölbe haben, wie die Gräber mit Kragsteingewölbe in Attika und Antiparos.
  • Felsgräber, zum Beispiel in Sizilien, Etrurien und der Iberischen Halbinsel
  • kollektive Steinkisten, wie die Steinkisten von Attika und Antiparos

Für Childe sind nur Kollektivbestattungen als megalithisch zu klassifizieren.<ref name="Childe" /> Geschlossene Steinkisten für Einzelbestattungen werden dagegen nicht eingeschlossen, auch wenn sie aus großen Steinen bestehen wie einige Dolmen in Nordafrika und Palästina.

  • Steinkreise können Teil einer megalithischen Bestattung sein oder unabhängig davon existieren.
  • Megaxyle Architektur ist nach Childe von Megalithen zu unterscheiden: Timber architecture was translated into stone – in England, Etruria, India – and such translation need not imply a megalithic complex.
  • Eingangssteine mit Seelenloch (Porthole slabs) sind zulässige Anzeichen megalithischer Architektur. Damit fallen auch die kaukasischen Steinkisten, Nekropolis B von Tepe Sialk (Iran) und die Großsteingräber Indiens in diese Kategorie.

Childes Definition ist unhandlich und in Gegenden ohne Knochenerhaltung nicht zu gebrauchen, sie hat sich dementsprechend in der weiteren Forschung auch nicht durchgesetzt.

Karl Joseph Narr definierte 1956 einen Megalithbau wie folgt:<ref>Karl Joseph Narr: Archäologische Hinweise zur Frage des ältesten Getreideanbaus und seiner Beziehungen zur Hochkultur und Megalithik. In: Paideuma, Mitteilungen zur Kulturkunde 6/4, 1956, S. 246</ref>

  • Bauten aus aufrecht stehenden unbearbeiteten Steinen (Orthostaten) mit darübergelegtem Deckstein „von einer gewissen, nicht genauer abgegrenzten Größe“
  • Menhire
  • Menhirkreise (Cromlechs)
  • Menhirreihen, diese fehlen aber in vielen Gebieten

Umstrittene Merkmale sind:

  • „große Anlagen aus kleineren Steinen“
  • „in den Fels gehauene Anlagen“

Narr fügt dem hinzu, dass heute „wenig Neigung“ bestehe, Kuppelgräber und Gräberrunde als megalithisch zu bezeichnen.

Bauweisen

Bei Megalithanlagen wurden zahlreiche Bauformen unterschieden, die man verschiedenen Typen zuordnete. Denkmäler mit vergleichbaren Strukturen sind weltweit bekannt. Sie können aus allen Epochen der letzten Jahrtausende vor der Zeitenwende stammen, und sind nicht miteinander verwandt. In Europa bestehen zwischen den langlebigen und oft umgebauten megalithischen und verwandten Stätten (Holzkreise etc.) vielfältige Beziehungen, innerhalb derer man meist vergeblich nach einem Schema der Abhängigkeiten, der Chronologie und der geographischen Verbreitung sucht; dies ist nur auf regionaler Ebene möglich. Die Frage, ob die verschiedenen regionalen Typen voneinander unabhängige Ursprünge oder eine gemeinsame Wurzel haben, ist noch offen. In Europa sind verschiedene Bauweisen bekannt, bei denen (zumindest teilweise) Megalithen eingesetzt wurden:

In Europa sind in einigen Regionen auch Megalithen einzeln (dann Monolithe oder Menhire genannt) oder mit anderen Einzelsteinen in Steinsetzungen aufgestellt worden:

Die Schalensteine des Alpenraums, die auch „Teufelssteine“ genannt werden, zählen nicht zu den Megalithen, da sie von Menschenhand weder transportiert noch aufgerichtet wurden. Teilweise wurden sie jedoch ebenfalls kultisch genutzt.

Aus der Eisenzeit oder dem Frühmittelalter stammende „Menhire“ oder ähnliche Megalithformen, sind nicht zu den traditionellen Megalithanlagen zu rechnen.

Herkunft des Baumaterials

Die Steine der nordeuropäischen Megalithen stammen von den Ablagerungen der Eiszeit (erratische Blöcke, Granite, Gneise und andere Gesteine). Viele der übrigen Megalithen wurden aus relativ weichen Sedimentgesteinen gebrochen.

Vorkommen

Datei:Megawal31.jpg
Verbreitungskarte von Megalithen in Europa, Vorderasien und Nordafrika

In Europa

Der Bau mit Megalithen (franz. pierre dressée) erfolgte in Europa etwa zwischen 4500 v. Chr. (Bretagne) und 800 v. Chr., als die letzten auf Sardinien verbaut wurden. Die Menhire finden sich primär in Süd- und Westeuropa; in Deutschland zwischen dem Saarland und Thüringen.

Viele Megalithanlagen wurden seit der Industrialisierung zerstört. Megalithen fielen Flurbereinigungen, landschaftlichen Projekten oder dem Kirchen- und Hafenbau zum Opfer. In Norddeutschland wurden sie zum Deichbau und – zerkleinert – als Straßenpflaster verwendet.

  • Über 900 Megalithbauten liegen in Deutschland in den drei großen Küstenländern sowie in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, einige wenige im südlichen Baden-Württemberg. Siehe auch die Straße der Megalithkultur in Niedersachsen.
  • 53 Megalithanlagen in den Niederlanden sind erhalten.
  • In Belgien sind die fünf Megalithanlagen bei Wéris hervorzuheben, von denen drei erhalten blieben.
  • Dänemark hat noch über 2067 von einst etwa 5000 Anlagen, davon mehr als ein Viertel in den ehemaligen westseeländischen Ämtern Holbæk (317) und Sorø (245).
  • In Schweden existieren noch mehr als 450 Anlagen (von einst etwa 650).
  • Größere Megalithenanlagen in der Schweiz finden sich in Bonvillars, Clendy, Falera, Lutry und Sion.
  • Die Zahlen der Megalithanlagen in Polen sind nicht verlässlich bzw. in den deutschen Vorkriegszahlen enthalten.
  • Auch in Südrussland gibt es Megalithen.
  • In Irland existieren ca. 1 600 Megalithgräber<ref>Carleton Jones, Temples of Stone. Exploring the megalithic tombs of Ireland. Collins Press, Doughcloyne 2007, S. 10</ref>

Zur Verbreitung siehe auch

Außerhalb Europas

Megalithen finden sich in Georgien, der Türkei, Syrien und Palästina, in Indien, Indochina, Indonesien und Korea sowie in Afrika (Nordafrika und Madagaskar), ohne dass eine genetische Verbindung zwischen den Standorten besteht.

Siehe auch Megalithanlagen auf dem Golan.

Deutung

Oft weiß man nicht genau, welchem Zweck Megalithbauten dienten und warum sie errichtet wurden. In der Regel dienten sie als Gräber und für religiöse Zwecke. Manchmal kommt eine Funktion als Mahnmal, als Grenzmarkierung oder als Symbol für politische Macht in Betracht. Auch eine Bedeutung für astronomische Berechnungen wird bei manchen Objekten erwogen, ein bekanntes Beispiel ist Stonehenge.

Die Größe der Steine verleitete die Menschen früher dazu, an Hünen (Riesen) zu glauben, welche die Steine transportiert haben mussten. Dies zeigt sich noch in der Etymologie der Bezeichnung Hinkelstein: Durch einen Verständnisfehler wurde aus dem Hünenstein ein Hühnerstein. Im südwestdeutschen Raum gibt es für Hühner das Dialektwort Hünkel oder Hinkel. So kam es zu dem Wort Hinkelstein. Mit der Christianisierung entstanden Legenden über das Entstehen von Megalithen durch Teufels Hand. Einige tragen den Teufel im Namen (Teufelssteine, Devil’s Arrows, Devils Circles etc.).

Im 18. und 19. Jahrhundert interessierte man sich wieder für die Megalithanlagen. Damals glaubten viele, die Bauwerke seien auf die Druiden der Kelten zurückzuführen, wie etwa der englische Antiquar William Stukeley.

Nichtmegalithische Traditionen in Europa

Megalithanlagen konnten nur dort entstehen, wo Steine mit den Mitteln der jeweiligen Zeit zu bearbeiten waren. Im Gebiet der Trichterbecherkultur (TBK) waren das im Wesentlichen die erratischen Blöcke der Eiszeit, die nur zu transportieren oder ggf. zu spalten waren. Wo Findlinge nicht in ausreichender Menge und Größe vorhanden waren, entstanden andere Bauten, z. B. im Bereich der südlichen TBK die Totenhütten und die Kammeranlagen in der Mittelgebirgszone (südlich des Mittellandkanals) in Deutschland, im Wesentlichen zwischen Weser und Saale.

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Jürgen Beier: Die megalithischen, submegalithischen und pseudomegalithischen Bauten sowie die Menhire zwischen Ostsee und Thüringer Wald In: Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Band 1. Beier & Beran, Wilkau-Hasslau 1991
  • Karl W. Beinhauer u. a. (Hrsg.): Studien zur Megalithik. Forschungsstand und ethnoarchäologische Perspektiven. Reiss-Museum Weissbach, Mannheim 1999, ISBN 3-930036-36-3.
  • Julian Cope: The Modern Antiquarian. The Pre-Millennial Odyssey Through Megalithic Britain. Harper-Collins, London 1998, ISBN 0-7225-3599-6 (Reiseführer zu Megalithanlagen in Großbritannien)
  • Julian Cope: The Megalithic European. The 21st Century Traveller In Prehistoric Europe. Harper-Collins, London 2004, ISBN 0-00-713802-4 (Reiseführer zu Megalithanlagen in „Resteuropa“)
  • Deutsches Archäologisches Institut: Probleme der Megalithgräberforschung. Vorträge zum 100. Geburtstag von Vera Leisner. Verlag de Gruyter, Berlin 1990, ISBN 3-11-011966-8.
  • John D. Evans u. a. (Hrsg.): Antiquity and Man. Essays in honour of David Glyn. Thames & Hudson, London 1981, ISBN 0-500-05040-6.
  • Mamoun Fansa: Großsteingräber zwischen Weser und Ems. Verlag Isensee, Oldenburg 2000, ISBN 3-89598-741-7.
  • Joachim von Freeden: Malta und die Baukunst seiner Megalith-Tempel. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-11012-9.
  • Glyn Daniel Glyn: The megalith builders. Greenwood Press, Westport, Conn. 1985, ISBN 0-313-24836-2.
  • Evert van Ginkel u. a.: Hunebedden. Monumenten van een Steentijdcultuur. Uitgeverij Uniepers, Abcoude 1999 (die Megalithgräber in den Niederlanden)
  • Johannes Groht: Tempel der Ahnen. Megalithbauten in Norddeutschland. AT-Verlag, Baden 2005, ISBN 3-03800-226-7.
  • Roger Joussaume: Dolmen for the dead. Megalith building through the world. (Des dolmens pour les morts.) Batsford Books, London 1989, ISBN 0-7134-5369-9.
  • Raiko Krauß: Die frühgeschichtlichen Megalithgräber Tunesiens. Zeitschrift für Archäologie. Außereuropäische Kulturen 2, 2007, S. 163-181.
  • Raiko Krauß: Wie alt sind die nordafrikanischen Megalithen? In: H.-J. Beier, E. Classen, Th. Doppler, B. Ramminger (Hrsg.): Neolithische Monumente und neolithische Gesellschaften. Varia neolithica VI. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 56, Langenweißbach 2009, S. 153-159.
  • Johannes Müller: Zur absolutchronologischen Datierung der europäischen Megalithen. In: Barbara Fritsch (Hrsg.): Tradition und Innovation. Prähistorische Archäologie als historische Wissenschaft; Festschrift Christian Strahm. Verlag Marie Leidorf, Rahden 1998, ISBN 3-89646-383-7, S. 63–105.
  • Michael Schmidt: Die alten Steine. Reisen zur Megalithkultur in Mitteleuropa. Hinstorff Verlag, Rostock 1998, ISBN 3-356-00796-3.
  • Andrew Sherrat: The genesis of megaliths: Monumentality, ethnicity and social complexity in Neolithic north‐west Europe JASTOR 2010 ISSN 0043-8243
  • Ernst Sprockhoff: Atlas der Megalithgräber. Teile 1–3, Rudolf Habelt Verlag, Bonn, 1966–1975
  • Ernst Sprockhoff: Die nordische Megalithkultur. Handbuch der Urgeschichte Deutschlands Band 3, W. de Gruyter & Co., Berlin und Leipzig 1938
  • Sibylle von Reden: Die Megalithkulturen. Zeugnisse einer verschollenen Urreligion. DuMont, Köln 1989, ISBN 3-7701-1055-2.
  • Jürgen E. Walkowitz: Das Megalithsyndrom. Europäische Kultstätten der Steinzeit. Band 36 der Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas, Beier & Beran, Langenweißbach 2003, ISBN 3-930036-70-3.
  • Detert Zylmann: Das Rätsel der Menhire. Probst-Verlag, Mainz 2003, ISBN 3-936326-07-X.
  • Michael Balfour: Megalithic Mysteries. An Illustrated Guide to Europe's Ancient Sites. Dragon's World, Limpsfield 1992, ISBN 1-85028-163-7.

Weblinks

Commons Commons: Dolmen – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

<references />

ast:Megalitismu

bs:Megalitska kultura gl:Megalitismo hr:Megalitska kultura