Oberlandesgericht Hamm


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Datei:OLG Hamm Westfalen.JPG
Gerichtsgebäude an der Heßlerstraße, nach erfolgtem Umbau.

Das Oberlandesgericht Hamm ist eines der drei Oberlandesgerichte des Landes Nordrhein-Westfalen und mit seinen 33 Zivilsenaten, 14 Familiensenaten, 5 Strafsenaten und derzeit (Stand: 2012) 879 Mitarbeitern – davon 214 Richter – das größte in Deutschland.<ref>Website des OLG Hamm: Zahlen und Fakten (gesichtet 19. April 2012)</ref>

Gerichtssitz und -bezirk

Das Gericht hat seinen Sitz in Hamm. In dem rund 21.600 km² großen Gerichtsbezirk leben mehr als neun Millionen Menschen. Zum Bezirk gehören zehn Landgerichte und 78 Amtsgerichte in Westfalen; der Bezirk des Landgerichts Essen liegt teilweise im Rheinland. Hamm ist das einzige verbliebene Oberlandesgericht für Westfalen seit der Reichsjustizreform von 1877. Im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm sind 13.822 Rechtsanwälte (Stand: 1. Januar 2014<ref>Bundesrechtsanwaltskammer, www.brak.de: Große Mitgliederstatistik zum 01.01.2014. 20. März 2014, abgerufen am 22. August 2014.</ref>) zugelassen.

Über- und nachgeordnete Gerichte

Wie jedem deutschen Oberlandesgericht ist dem Oberlandesgericht Hamm der Bundesgerichtshof übergeordnet.

Nachgeordnet sind die Landgerichte Arnsberg, Bielefeld, Bochum, Detmold, Dortmund, Essen, Hagen, Münster, Paderborn und Siegen mit den diesen Gerichten nachgeordneten insgesamt 78 Amtsgerichten. Dabei stellen die Amtsgerichte Dortmund und Essen eine Besonderheit dar, da sie als sogenannte Präsidialamtsgerichte aufgrund ihrer Größe organisationsrechtlich einem Landgericht gleichstehen und anstelle eines Direktors als Behördenleiter einen Präsidenten haben.

Zu den nachgeordneten Amtsgerichten gehört unter anderem das für die Oberlandesgerichtsbezirke Hamm und Düsseldorf zuständige zentrale Mahngericht, das Amtsgericht Hagen.

Nebenstellen

Nebenstellen des OLG Hamm sind das Validierungszentrum an der Marker Allee 72 und die Oberjustizkasse (Am Hülsenbusch). Die aus Raumnot Ende der 1980er Jahre eingerichtete Zweigstelle an der Römerstraße in Bockum-Hövel im alten Verwaltungsgebäude einer Fleischwarenfabrik wurde schon während der 1990er Jahre aufgelöst.

Validierungszentrum

Das Validierungszentrum ist die Erprobungsstelle für neu in der Justizverwaltung einzusetzende Hard- und Software. In den Räumen des Validierungszentrums in der Marker Allee ist die komplette IT-Landschaft der nordrhein-westfälischen Justiz mit allen eingesetzten Fachverfahren und Anwendungen nachgestellt. Um den landesweiten IT-Systembetrieb nicht zu gefährden, werden hier neue Hard- und Softwarekomponenten vorab konfektioniert und eingehend von insgesamt 19 Dienstkräften auf Stabilität und Kompatibilität überprüft. Des Weiteren wird von dort die zentrale Softwareverteilung an alle Arbeitsplatzrechner der NRW-Landesjustizverwaltung organisiert. Seit Einrichtung des Validierungszentrums im Jahr 2002 wurden bis 2013 insgesamt über 800 Programme an die über 30.000 Computerarbeitsplätze im Justizbereich überspielt.<ref>Schaltzentrale der NRW-Justiz. In: Westfälischer Anzeiger, Lokalseite Hamm, 8. Oktober 2013.</ref>

Oberjustizkasse

Die Oberjustizkasse mit 161 Mitarbeitern ist zuständig für:

  • Zentrale Vollstreckungsbehörde für Kostenforderungen des Landes im OLG-Bezirk und für Kostenforderungen aller Bundesländer aus dem Bereich der Grundbuch- und Handelsregisterauskünfte.
  • Zahlungsverkehr über die Konten der Oberjustizkasse
  • Zahlungsmitteilungen bei eingegangenen Sicherheitsleistungen in Zwangsversteigerungsverfahren an sämtliche Amtsgerichte in NRW
  • Haushaltsbuchführung für die Justizbehörden des Landes
  • Abrechnungsverkehr mit den Gerichtkassen, Gerichtszahlstellen der Amtsgerichte sowie Anstaltszahlstellen der Justizvollzugsanstalten des Landes sowie mit den Sozial-, Finanz- und Arbeitsgerichten des Landes, Vollstreckung fast aller öffentlichrechtlicher Forderungen
  • Nachweis, Verwaltung und Aufklärung von Einnahmen, die nicht unmittelbar nach der im Haushaltsplan oder sonst vorgesehenen Ordnung gebucht werden können
  • Geldhinterlegungen sämtlicher Amtsgerichte des Landes
  • Werthinterlegungen und Wertverwahrungen für den Landgerichtsbezirk Arnsberg und das Amtsgericht Hamm
  • Verwahrung von Sicherheitsleistungen und Versteigerungserlösen in Zwangsversteigerungsverfahren vor Amtsgerichten des Landes
  • Rückzahlungen von Kosten und Strafen<ref>Aderlass noch zu verhindern? Größerer Stellenabbau bei Oberjustizkasse am OLG Hamm scheint vermeidbar. In: Westfälischer Anzeiger, 21. Dezember 2011, Drensteinfurter Ausgabe, Lokalteil Hamm, S. 16.</ref>

Geschichte

16. Jahrhundert

Das Hofgericht in Kleve war seit 1597 Appellationsgericht für das Herrschaftsgebiet der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg. Aus diesem Gericht ging am 11. März 1817 das königlich-preußische Oberlandesgericht Kleve hervor, das zum 1. Juli 1820 als Oberlandesgericht nach Hamm verlegt wurde. Dessen erster Präsident war der seit 1792 an der Kriegs- und Domänenkammer in Hamm tätig gewesene Friedrich Wilhelm von Rappard († 1833). Zu seinen Nachfolgern im Präsidentenamt gehörten Wilhelm Johann Heinrich Lent (1792–1868)<ref>Vgl. Erwähnung in Bruno RimmelspacherLent, Friedrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 218 (Digitalisat).</ref> und Ludwig Hartmann. In der Zeit von 1882 bis 1900 wirkte der vormalige preußische Kultusminister Adalbert Falk als Oberlandesgerichtspräsident in Hamm.

Zeit des Nationalsozialismus

Zur Zeit des Nationalsozialismus waren unter der Präsidentschaft des Ernst Hermsen drei Strafsenate des OLG Hamm als Sondergerichte für politische Verfahren im rheinisch-westfälischen Raum zuständig. Bis 1945 verurteilten sie rund 15.000 Menschen wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung zu drastischen Gefängnis- und Zuchthausstrafen. Darüber hinaus fällten sie unzählige Todesurteile. Internationales Aufsehen hatten die sogenannten Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse erregt. Hinzu kamen weitere 12.000 Verurteilungen von den Sondergerichten Bielefeld, Dortmund, Hagen und Essen, die der Kontrolle des OLG Hamm unterstanden. Kein anderes deutsches Gericht, auch nicht der berüchtigte Volksgerichtshof in Berlin, hatte zwischen 1934 und 1945 mehr Menschen in politischen Verfahren abgeurteilt als das OLG Hamm. Rechtsmittel gab es in diesen Verfahren nicht.<ref>Ursula Abel/Christian Schott, ’’Verfolgt, Angeklagt, Verurteilt’’, Achterland Verlagscompanie, Bocholt, Breevoort 2001, ISBN 3-933377-54-4, Seiten 14 ff m.w.N.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Präsident des Oberlandesgerichtes Hamm war von 1996 bis 2008 Gero Debusmann, der seit 2002 zugleich Mitglied des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen war. Am 3. April 2009 wurde der bisherige Leiter der Zentralabteilung des nordrhein-westfälischen Justizministeriums, Ministerialdirigent Johannes Keders, zum Präsidenten des Oberlandesgerichts ernannt.<ref>Pressemitteilung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 3. April 2009</ref>

Am 17. Dezember 2007 enthüllte die damalige Landesjustizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter eine Gedenktafel zur Erinnerung an Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus Unrecht durch die Justiz erlitten hatten, und verwies in ihrer Rede auf die Rolle der Justiz während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Als hervorstechendes Beispiel nannte sie die brutale Rechtsprechung der damaligen Sondergerichte, die eine Unzahl von Todesurteilen gefällt hatten. Die Psalmüberschrift der Gedenktafel „Denn zur Gerechtigkeit wird zurückkehren das Recht“ bringe zum Ausdruck, dass eine Rechtsordnung Gerechtigkeit zum Ziel haben müsse.

Am 1. Juni 2011 drohte ein Mann, das Oberlandesgericht Hamm mit Hilfe von Gasflaschen und Benzin von seinem Auto aus in die Luft zu sprengen. Dies wurde allerdings durch die Erstürmung des Vorplatzes durch ein Spezialeinsatzkommando der Polizei unblutig verhindert. Die genaueren Umstände der Tat sind noch unbekannt.<ref>Zugriff am 1. Juni 2011, 20.00 Uhr</ref><ref>Pressemitteilung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 2007.</ref>

Gebäude des OLG zu Hamm

Datei:Luftbild Rathaus.jpg
Altes Oberlandesgericht zu Hamm (1894–1957), heute Rathaus der Stadt Hamm.

Erste Unterkunft des OLG in Hamm war das alte Haus der Märkischen Kriegs- und Domänenkammer für die Grafschaft Mark, als deren Hauptstadt Hamm seit 1226 fungiert hatte. Das Gebäude, das ehemalige Stadthaus der Freiherren von Plettenberg zu Heeren (sog. Heeren’sches Haus), befand sich auf der Nordseite des Marktplatzes. Es konnte jedoch erst nach notdürftiger Instandsetzung für 1344 Taler, 11 Groschen und 6 Pfennige 1820 bezogen werden.

Schon bald reichte der Platz im Heeren’schen Haus nicht mehr aus, so dass unter Oberlandesgerichtspräsident Adalbert Falk zwischen 1890 und 1894 ein Neubau südlich der Hammer Altstadt und der Ahse errichtet wurde. Der Neubau gehört damit zu den ältesten staatlichen Gebäuden, die in der Hammer Südstadt errichtet wurden. Die Südstadt entwickelte sich in den folgenden vierzig Jahren zu einem geschlossenen administrativen Zentrum für die Stadt Hamm und die Region. Das alte Heeren’sche Haus wurde nach dem Auszug des OLG Hamm von der Postverwaltung verwendet und ging später im Stadthauskomplex auf.

Der Neubau des OLG wurde zwischen 1894 und 1957 genutzt. Am 1. Januar 1958 zog das OLG in einen durch das Anwachsen der Bedeutung und Aufgaben des OLG erforderlich gewordenen Neubau an der Heßlerstraße um. Der repräsentative Altbau wurde in der Folge von der Stadt Hamm übernommen, die ihn bis heute als ihr Rathaus nutzt.

Das neue Gebäude an der Heßlerstraße wurde Anfang dieses Jahrhunderts aufwendig renoviert und ausgebaut. Dem OLG stehen dort insgesamt 35.000 m² Nutzfläche zur Verfügung.<ref>Westfalenspiegel, Februar 1976, S. 26 f.</ref>

Liste der Oberlandesgerichtspräsidenten

Beigeordnete Gerichtshöfe am OLG Hamm

Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen

Der Anwaltsgerichtshof für NRW ist das beim OLG angesiedelte oberste Landesgericht für berufsrechtliche Fragen der Anwaltschaft.

Das Gericht besteht aus zwei Senaten mit insgesamt 13 anwaltlichen und 6 richterlichen Mitgliedern, deren Zuständigkeit nach Sachgebieten unterteilt ist:
Der 1. Senat ist zuständig für Verfahren um die Zulassung, deren Widerruf oder die Rücknahme derselben, einschließlich der Fachanwaltsverfahren sowie aller nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheidenden Verfahren, ausgenommen all jener Verfahren, die dem 2. Senat zufallen.
Der 2. Senat dient als Berufungsinstanz für Disziplinarsachen (z. B. Verletzungen der anwaltlichen Berufspflichten) und entscheidet als erste Instanz über Anträge auf gerichtliche Entscheidung von den Anwalt belastenden Verwaltungsakten, für die in der Bundesrechtsanwaltsordnung keine besondere Anfechtungsregelung getroffen worden ist.<ref>Anwaltsgerichthof des Landes NRW</ref>

Der Dienstgerichtshof der Richter bei dem OLG Hamm

Der Dienstgerichtshof für Richter beim Oberlandesgericht Hamm ist das oberste Landesgericht für disziplinarrechtliche und dienstrechtliche Fragen der Richterinnen und Richter in Nordrhein-Westfalen. Er ist Berufungsinstanz für Urteile des Dienstgerichtes und zuständig als erste Instanz in allen ihm vom Landesrichtergesetz zugewiesenen Fällen.<ref>Der Dienstgerichtshof der Richter bei dem OLG Hamm</ref>

Justizprüfungsamt Hamm

Das Justizprüfungsamt Hamm ist neben den beiden anderen nordrhein-westfälischen Justizprüfungsämtern in Düsseldorf und Köln für die Anmeldung und Durchführung der ersten juristischen Staatsprüfung zuständig.<ref>Justizprüfungsamt Hamm</ref>

Siehe auch

Literatur

  • Rechtspflege zwischen Rhein und Weser. Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Hamm. Hrsg. vom Verein für Rechtsgeschichte im Gebiet des Oberlandesgerichts Hamm, Hamm 1970, DNB

Weblinks

Commons Commons: Oberlandesgericht Hamm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />

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