Ulysses


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25px Dieser Artikel behandelt den Roman Ulysses; zu weiteren Bedeutungen siehe Ulysses (Begriffsklärung).
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Umschlag der Erstausgabe (1922)

Ulysses (englisch für Odysseus, von lat. Ulyssēs o. Ulixes) gilt als der bedeutendste Roman des irischen Schriftstellers James Joyce und als richtungsweisend für den modernen Roman.

Joyce beschreibt im Ulysses in 18 Episoden einen Tag – den 16. Juni 1904 – im Leben des Leopold Bloom, seines Zeichens Anzeigenakquisiteur bei einer Dubliner Tageszeitung. In Anlehnung an Homers Irrfahrten des Odysseus lässt er den Leser an den (Irr-) Gängen seines Protagonisten durch Dublin teilhaben.

Joyce schildert dabei nicht nur die äußeren Geschehnisse, sondern auch die Gedanken seiner Protagonisten mit allen ihren Assoziationen, Erinnerungsfetzen und Vorstellungen. Die Sprache wird dabei ungeordnet und bruchstückhaft verwendet, „wie es der Person gerade durch den Kopf geht“. Dieses Stilelement, der so genannte „stream of consciousness“ (Bewusstseinsstrom) wird hier zum ersten Mal zentrales Gestaltungselement eines literarischen Werkes.

Das vollständige Werk erschien erstmals 1922, in deutscher Sprache 1927.

Entstehung

Ursprünglich war der Stoff des Romans als 13. Erzählung in dem Band Dubliner geplant, Joyce entschied sich jedoch anders und begann 1914 mit einer epischen Bearbeitung.

Ab 1918 erschienen Auszüge in mehreren Teilen zuerst in der amerikanischen Zeitschrift Little Review. Wegen Obszönität wurden die entsprechenden Ausgaben mehrfach vom United States Post Office beschlagnahmt. 1919 erschienen weitere fünf Fortsetzungen in der englischen Zeitschrift Egoist der Avantgardistin Harriet Weaver.

Am 2. Februar 1922, seinem 40. Geburtstag, beendete Joyce einer selbstgesetzten Frist gemäß die Arbeit an Ulysses. Die Arbeit an Ulysses hatte ihn dermaßen erschöpft, dass er für mehr als ein Jahr lang nicht schrieb.<ref>Bulson, Eric. The Cambridge Introduction to James Joyce. Cambridge University Press, 2006. Seite 14.</ref>

Die vollständige Erstausgabe erschien 1922, verlegt durch Sylvia Beach, Besitzerin der Buchhandlung Shakespeare and Company (Rue de l’Odéon 12) in Paris, allerdings gekürzt um Passagen, die zu dieser Zeit als obszön galten. Die erste vollständige und von Joyce autorisierte deutsche Übersetzung durch Georg Goyert erschien 1927.

Ursprünglich hatten die Kapitel des Romans Überschriften, die sich auf die Odyssee beziehen; in der letztlich publizierten Fassung hat Joyce sie weggelassen.

1975 übersetzte Hans Wollschläger den Roman in einer von der Kritik sehr gelobten Fassung erneut ins Deutsche. Zum hundertsten Bloomsday 2004 erschien die Wollschläger-Übersetzung in einer ausgiebig kommentierten Version.

Überblick

Ulysses lässt sich in Analogie zu Homers Odyssee in die drei Hauptteile gliedern: „Telemachie“ (Geschichten von Telemachos), „Odyssee“ (Irrfahrten des Odysseus) und „Nostos“ (Heimkehr). Jedes der 18 Kapitel kann einer Episode aus dem homerischen Epos zugeordnet werden. Dabei wird das jeweilige Thema nicht nur inhaltlich, sondern auch durch die stilistische Komposition dargestellt.

Joyce lässt den Leser einen ganzen Tag lang an den (Irr-)Gängen seines Protagonisten Leopold Bloom durch Dublin teilhaben, die in der Nacht schließlich in der Begegnung mit dem jungen Lehrer Stephen Dedalus kulminieren, nachdem sich beide während des Tages schon mehrmals begegnet sind. Auf diese Weise entsteht letztlich ein intensives und realistisches Bild der Stadt Dublin an jenem 16. Juni 1904:

Ich möchte ein Abbild von Dublin erschaffen, so vollständig, daß, wenn die Stadt eines Tages plötzlich vom Erdboden verschwände, sie aus meinem Buch heraus vollständig wieder aufgebaut werden könnte.

James Joyce

Stephen Dedalus ist auch der Protagonist der ersten drei Kapitel (Telemachie). Auch in Joyces gleichzeitig begonnenem, jedoch bereits 1916 veröffentlichtem Roman Ein Porträt des Künstlers als junger Mann ist dieser die Hauptfigur. In der Telemach-Figur Stephen Dedalus hat Joyce sich selbst porträtiert. Besonders die ersten drei Kapitel beziehen sich in zahlreichen Anspielungen auf Joyces Leben. Richard Ellmann geht hierauf in seiner Joyce-Biografie ein (siehe unter James Joyce).

Das Gorman-Gilbert-Schema

Der Roman in seiner von Joyce nach vielfachen Überarbeitungen veröffentlichten Fassung besitzt keine Kapitelüberschriften. Der Autor hat aber einigen befreundeten Personen Schemata überlassen, die jedem Kapitel ein Organ, eine wissenschaftliche Disziplin, eine Farbe, ein Symbol, eine Technik zuordnen und die jeweiligen Protagonisten der Handlung mythischen und literarischen Personen zuordnet.

Die bekannteste und umfangreichste Version dieses ‚Schlüssels zum Roman‘ ist das so genannte Gorman-Gilbert-Schema. Stuart Gilbert und Herbert Gorman veröffentlichten es 1930, um den Roman gegen den Vorwurf der Obszönität zu verteidigen.

Die von James Joyce 1921 für Gilbert im Schema als Lesehilfe angegebenen Stichworte erschließen sich meist nicht von selbst aus dem Text des jeweiligen Kapitels. Einzelne Zuordnungen und Verschlüsselungen werden nach wie vor in der Literaturwissenschaft kontrovers diskutiert.

Besonderheiten des Romans

Bewusstseinsstrom

Der Bewusstseinsstrom ist keine Erfindung von James Joyce, aber im Ulysses erstmals konsequent durchgehalten. Hierdurch erreichte Joyce die größtmögliche Nähe zu den Personen seines Romans, wenngleich dieses Vorgehen den Zugang zu der Erzählung zunächst erschwert.

Analog zur Arbeitsweise des Bewusstseins verläuft der literarische ‚Sprachstrom‘ nicht linear. Worte und Sätze sind unvollständig, der Inhalt ändert sich mitten im Satz. Wie Geräusche aus der Außenwelt in das Bewusstsein eindringen, so schieben sich die Beschreibungen davon als Schnipsel in den Verstand des Lesenden – die Assoziationen scheinen völlig frei zu fließen. Es können dabei Gedankeninhalte unterschiedlicher Personen ineinander übergehen, so dass nur noch die jeweils charakteristische Sprachebene eine Unterscheidung der Personen zulässt. Auf diese Weise konnte Joyce beliebig viele Anspielungen und Wortspiele im Roman unterbringen, wie er später stolz erklärte:

„Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse hineingesteckt, dass es die Professoren Jahrhunderte lang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe, und nur so sichert man sich seine Unsterblichkeit.“

James Joyce über seinen Roman Ulysses

Häufig, besonders im „Irrfelsen“-Kapitel, überlagern und überschneiden sich die Gedanken mehrerer Personen, die sich flüchtig begegnen, Straßengeräusche dringen kurz ins Bewusstsein ein oder bleiben gerade an dessen Schwelle stehen. Ereignisse, die sich gleichzeitig an verschiedenen Orten Dublins abspielen, durchdringen sich, stehen nebeneinander oder verschwimmen zu einem einzigen Eindruck.

Sprache

Je nachdem, mit welcher Person Joyce den Bewusstseinsstrom synchronisiert, passt sich der Buchtext exakt der Person an. Handelt oder denkt Stephen Dedalus, der Intellektuelle, so hebt sich das Sprachniveau, lateinische Zitate werden eingefügt, der Satzbau ist kompliziert. Fokussiert sich die Aufmerksamkeit auf drei Mädchen, so nimmt der Text die Gestalt einer spätviktorianischen Liebes-Schmonzette an.

Im 14. Kapitel wird das Wachstum eines Kindes im Leib der Mutter sprachlich symbolisiert, indem der Text sich schrittweise vom Altsächsischen bis zur modernen hiberno-englischen Umgangssprache entwickelt. Mit Hilfe wechselnder Sprachstile vollzieht der Text gleichsam die „Ontogenese“ der englischen Sprache von frühesten angelsächsischen Dokumenten wie dem Beowulf ausgehend über Jean de Mandeville, Daniel Defoe, Laurence Sterne, Edward Gibbon, Thomas Carlyle, John Ruskin, Oscar Wilde bis hin zu moderner irisch-englischer Umgangssprache. Mit der Geburt des Kindes („Hoopsa boyaboy hoopsa!“) erblickt gleichzeitig die Gossensprache das (literarische) Licht der Welt.

Das siebte Kapitel („Äolus“) ist vollständig in Form kurzer Zeitungsartikel verfasst.

Das letzte Kapitel, der berühmte Schlussmonolog von Blooms Frau Molly, „Penelope“ genannt, besteht aus acht langen Sätzen ohne Interpunktionszeichen, die den Leser Mollys Bewusstseinsstrom miterleben lassen.

Subjektive Zeit und das Phänomen der Begegnung

Zeit verstreicht im Ulysses nicht ausschließlich geradlinig. An einigen Stellen kann der Zeitpunkt im Roman objektiv festgelegt werden, etwa durch eingefügte Uhrenschläge, Kirchenglocken oder den mittäglichen Böllerschuss.

In ihrem Ablauf, als kontinuierlicher Prozess, ist die Romanzeit dagegen subjektiv und vom individuellen Erleben bestimmt. Bestenfalls verbringen einige Individuen gemeinsam einen Zeitabschnitt. In diesem Fall wird die objektive Zeitdauer des kollektiv Erlebten unscharf. Im Extremfall können räumlich weit getrennte, aber exakt gleichzeitig stattfindende Ereignisse im Roman in einem Satz oder Textabschnitt ‚stattfinden‘ und sich gegenseitig durchdringen, das heißt in einen Bezug zueinander gesetzt werden. Zeitliche Deckungsgleichheit macht die exakte Bestimmung des Ortes wiederum unmöglich.

Im Gegensatz zur linear kohärenten Zeitstruktur des klassischen realistischen Romans wagt Joyce im Ulysses, die Zeit dem jeweiligen individuellen Erleben der Romanfiguren als innere Zeit oder „Lebenszeit“ anzupassen. Das literarische Mittel hierzu ist die oben bereits beschriebene Technik des inneren Monologs. Begegnen sich Individuen, so berühren sich kurzzeitig die Zeitebenen. Die Bewusstseinsmonologe verschmelzen, um sich unmittelbar danach wieder zu trennen. Es gelingt dem Roman, diese kurzfristige Synchronisation des individuellen Zeiterlebens und der Bewusstseinsebenen in äußerster sprachlicher Präzision wiederzugeben.

Erzählhaltung, Rolle des Lesers

Die Genauigkeit, in der die alltäglichen Begegnungen und die Gedanken der Protagonisten reproduziert sind, lässt Erläuterungen eines Erzählers nicht zu. Die Distanz zwischen Erzählendem und Lesendem ist weitestgehend aufgehoben (Es sei denn, die Erzähltechnik unterliegt den Gattungskonventionen, wie zum Beispiel im Kapitel Nausikaa). Der Leser muss die Ereignisse und Personen selbst ordnen, er „lebt mit“ den agierenden Personen. Der Autor überlässt den Leser unmittelbar dem Geschehen und den handelnden Personen und tritt (auf den ersten Blick) selbst vollständig zurück.

Die völlige Aufhebung jeder Distanz zwischen den Romanfiguren und dem Leser, die den Erzähler und die Vorstellung eines Autors (vgl. impliziter Autor) vordergründig ins Nichts verschwinden lässt, gehört zum Faszinierendsten, was Ulysses seinen Lesern bieten kann. Aber da der Autor, Joyce, allein bestimmt, welche Aspekte des 16. Juni 1904 er dem Bewusstsein des Lesers zukommen lässt, ist dieser somit aufs Äußerste, in jedem Wort, präsent. Für die Dauer der Lektüre kontrolliert der Autor das Bewusstsein des Lesers, der sich in bis dahin literarisch-technisch nie für möglich gehaltenem Ausmaß darauf einlassen muss.

Der Roman erfordert einen neuen Typ Leser, der sich im Buch ohne Führung und Kommentar des Erzählers zurechtfindet. Der Leser „geht im Buch spazieren“ wie ein wirklicher Wanderer durch eine wirkliche Stadt.

Am Ende des Buches hat der Leser, der sich auf Joyce einlässt, einen echten Tag in Dublin, 1904, erlebt, mit allen Eindrücken, die ein Lebenstag mitbringt. Joyce meinte, aus seinem Buch könne man Dublin vollständig rekonstruieren. Dennoch ist dieser Alltag nur insofern authentisch, als er dem subjektiven Erleben seines Romanautors entspricht.

Mehr noch als die angeblich „pornografischen“ Passagen des Buches (die auf den heutigen Leser kaum noch anstößig wirken) verstörte diese radikal neue Schreibweise Joyces seine Leser. Nur langsam entwickelte sich das Verständnis für James Joyce und sein Werk.

Bezug zur Odyssee

Parallel zu Homers Versepos „Die Odyssee“ gliedert sich Ulysses in drei große Teile: Telemachie, Odyssee, Nostos. Diesen sind wiederum 18 (3+12+3) Episoden aus dem Epos zugeordnet. Ursprünglich hatten die Kapitel des Romans Überschriften, die sich auf die Odyssee beziehen; in der letztlich publizierten Fassung hat Joyce sie weggelassen.

Motive aus den jeweiligen Gesängen der Odyssee spielen in die Ulysses-Kapitel hinein. Die homerischen Parallelen sind bei Joyce jedoch vielfach gespiegelt, gebrochen und verändert. Ein Beispiel dafür ist das Kapitel „Die Rinder des Sonnengottes“: In der „Odyssee“ landen Odysseus und seine Gefährten nach langer Fahrt auf einer Insel, auf der die dem Sonnengott Helios heiligen Rinder weiden. Trotz aller Warnungen schlachten die hungrigen Griechen einige Rinder, worauf der erzürnte Gott sie zur Strafe wieder aufs Meer treibt. Joyce versteht die Rinder als Fruchtbarkeitssymbol. Von Fruchtbarkeit, der schwierigen Geburt eines Kindes, handelt auch das Kapitel. Die Sprache vollzieht die Geburt und Entwicklung des Kindes formal anhand der zeitlichen Entwicklung der englischen Sprache nach. Die Medizinstudenten, die sich im Krankenhaus betrinken, machen sich mit ihren zotigen Witzen über Fruchtbarkeit und Sexualität lustig und versündigen sich in den Augen Leopold Blooms an der Fruchtbarkeit, am Leben. Bloom nimmt hier also die Rolle des Sonnengottes an, der zufällig in diesem Augenblick so aussieht wie ein irischer Anzeigenakquisiteur jüdischer Abstammung.

Inhalt

Telemachie

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1. Kapitel – Telemachos

16. Juni 1904, es ist etwa acht Uhr am Morgen. Stephen Dedalus begibt sich auf die Brüstung des Martello Tower von Sandycove, etwa 14 km entfernt vom Stadtzentrum Dublins, zu seinem Mitbewohner Buck Mulligan. In diesem Wehrturm wohnte Joyce 1904 tatsächlich für etwa eine Woche mit dem Medizinstudenten und Hobbyschriftsteller Oliver St. John Gogarty (1878–1957), welcher das Vorbild für Buck Mulligan darstellt. Joyce hatte Hoffnungen, die Freundschaft mit Gogarty in diesem Turm wieder aufleben zu lassen, als Künstlergemeinschaft im Sinne einer Renaissance irischen Freigeistes. Doch das erste Kapitel gibt Zeugnis von der zerbrochenen Beziehung. Den permanenten selbstverliebten Sticheleien Mulligans begegnet Stephen nur mehr mit noch mürrischerer Introvertiertheit.

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Martello Tower, Sandycove, heute James Joyce Tower & Museum. Rekonstruiertes Wohn- und Schlafzimmer.

Noch berührt vom kürzlichen Tod seiner Mutter, beschwert sich Stephen bei Mulligan über die nächtlichen Eskapaden des elitären Engländers Haines (ähnlich dem französischen haine, der Hass), der zu dieser Zeit ebenfalls dort nächtigt. Auch die Figur Haines’ entspricht einer realen Person: dem Studenten Samuel Chevenix Trench aus Oxford, der hier als Symbol für einen überheblich-freundlichen britischen Kolonialismus eingesetzt wird – oder wie Joyce es formuliert – „Horn eines Stieres, Huf eines Pferds, Lächeln eines Sachsen.“ Trench wurde von Gogarty hofiert, und so nutzt Joyce dieses Duo als Sinnbild für das usurpierte Irland: Mulligan als Verräter Irlands und kleingeistiger Versemacher, Haines als der nachsichtige, reiche Engländer, der Irland mit dem überheblichen Auge eines Touristen in Augenschein nimmt.

Nach einem kargen Frühstück verkündet Haines, in die Bibliothek zu gehen. Mulligan möchte erst ein Bad in der See nehmen. Nachdem alle den Turm verlassen haben, unterhalten sie sich noch einige Minuten, dann macht sich Stephen allein auf den Weg. Ihm wird klar, dass er am Abend nicht in sein Domizil zurückkehren wird. Wie Telemachos in der Odyssee bricht er auf, um – im übertragenen Sinne – seinen verschollenen Vater zu suchen, den er später in Leopold Bloom finden wird.

  • Ort: Martello-Turm, Dublin
  • Uhrzeit: 8 Uhr morgens
  • Organ: –
  • Wissenschaft: Theologie
  • Farbe: weiß, gold
  • Symbol: Erbe
  • Technik: Erzählung (jung)
  • Korrespondenzen:

2. Kapitel – Nestor

In diesem Kapitel geht Stephen seiner Arbeit als Hilfslehrer in Geschichte nach. Auch hier gibt es autobiographische Hintergründe. Im Jahr 1904 unterrichtete Joyce an der Clifton School in Dalkey. Dem Schulleiter Francis Irwin ist die Figur des patriotischen Mr. Deasy im Ulysses nachempfunden.

Mit zwei Personen kommt Stephen im Laufe des Kapitels näher ins Gespräch. Nach dem Ende der Schulstunde, als die Schüler sich eilig zum Hockeyspielen verabschieden, ist es zunächst der schüchterne Cyril Sargent, der ihn um Hilfe bei Mathematik-Aufgaben bittet. Stephen sieht sich selbst in dem Schüler: „Meine eigene Kindheit krümmt sich da neben mir.“ Schließlich begibt er sich in das Arbeitszimmer von Mr. Deasy, um sich sein Gehalt abzuholen. Dort muss er sich Auslassungen über die grassierende Rinderseuche, über Sparsamkeit und den Sinn des Lebens anhören. Mr. Deasy als Nestor ist hier nicht im übertragenen Sinne eines Weisen und Ratgebers zu verstehen, sondern ganz analog zur Odyssee: Dort sucht Telemach den alten König Nestor auf, um Informationen über seinen Vater zu erhalten. Doch Nestor weiß nichts über dessen Verbleib und hält ihn lediglich mit seiner Beredsamkeit auf.

Der Leserbrief, den Mr. Deasy im Zusammenhang mit der Maul- und Klauenseuche Stephen übergibt, damit er ihn an bekannte Redakteure der Tagespresse weiterreiche, verweist auf damals aktuelle politische Hintergründe. So schrieb Joyce selbst 1912 einen Aufsatz über „Politik und Viehkrankheit“. England nutzte einzelne Fälle der Viehkrankheit für ein Embargo gegen das selbstbewusste Irland, das auf die Exporte nach England angewiesen war. Irland sollte in seine Schranken verwiesen werden.

Einige Motive des Telemach-Kapitels werden wieder aufgegriffen. So erweist sich Mr. Deasy ebenso wie bereits Haines als unverhohlener Antisemit: Die „jüdischen Kaufleute haben ihr Zerstörungswerk bereits begonnen. Old England liegt im Sterben.“ Der irische Freiheitskampf gegen England taucht im Gespräch mit Mr. Deasy ebenfalls mehrfach auf, etwa mit Verweisen auf Daniel O’Connell und die Orange Logen. Auch das Mutter-Motiv wird thematisiert: Zunächst in jenem Nonsens-Rätsel, das Stephen seiner Schulklasse in Gedichtform präsentiert – der Fuchs, der seine Großmutter begräbt, ist letztlich Stephen selbst, den noch der Verlust seiner Mutter schmerzt. Und Cyril Sargent lässt Stephen an seine Mutter denken: „Und doch hatte ihn eine geliebt, hatte ihn auf ihren Armen getragen und in ihrem Herzen.“

  • Ort: Schule, Dublin
  • Uhrzeit: 10 Uhr morgens
  • Organ: –
  • Wissenschaft: Geschichte
  • Farbe: braun
  • Symbol: Pferd
  • Technik: Katechismus (persönlich)
  • Korrespondenzen:
    • Deasy: Nestor
    • Sargent: Peisistratos (Sohn des Nestor und Freund des Telemachos)
    • Mrs O'Shea: Helena

3. Kapitel – Proteus

Der Meeresgott Proteus ist ein Meister der Verwandlung. Als Menelaos sich an ihn wandte, um eine Weissagung zu erhalten, verwandelte er sich in eine Vielzahl von Tieren und Gestalten, bevor er ihm schließlich – von dessen Geduld ermattet – eine Antwort gab.

Im Proteus-Kapitel des Ulysses ist es ein Hund, der diese Verwandlungen durchmacht – jedoch in der Phantasie von Stephen, der den Hund bei seinem Spaziergang am Strand von Sandymount beobachtet. Das Umhertollen des Hundes, bis dieser schließlich auf einen Hundekadaver trifft („Ach, du armes Hundeaas, du! Hier liegt des armen Hundeaases Aas.“ – Und nicht ganz zufällig hatte auch Buck Mulligan Stephen als „Hundeaas“ bezeichnet), beschreibt Joyce in einer furiosen kraftvollen und metaphernreichen Prosa.

Das Kapitel ist geprägt vom Gedankenstrom Stephens. Der Wechsel zwischen Realem und Gedachtem erfolgt unangekündigt und wird dem Leser häufig erst im Nachhinein bewusst. Der Spaziergang hat offensichtlich kein Ziel – eine Rückkehr zum Martello Tower kommt nicht in Betracht, und ein anderes Zuhause hat Stephen nicht. Er fragt sich, ob er seiner Tante einen Besuch abstatten sollte, doch während er nachsinnt, verpasst er den Weg zu ihr („An der Abzweigung zu Tante Sara bin ich schon vorbei. Geh' ich denn nicht hin? Anscheinend nicht.“). Schließlich lässt er sich nieder und schreibt einige Gedichtzeilen. Zum Ende des Kapitels erblickt er einen Dreimaster, „ein schweigendes Schiff“, das „heimwärts, stromauf“ fährt – ein Hinweis darauf, dass Stephen in Dublin keine Heimat mehr sieht.

  • Ort: Strand
  • Uhrzeit: 11 Uhr morgens
  • Organ: –
  • Wissenschaft: Philologie
  • Farbe: grün
  • Symbol: Gezeiten
  • Technik: Monolog (eines Mannes)
  • Korrespondenzen:

Odyssee

4. Kapitel – Kalypso

Zur gleichen Zeit wie Mulligan bereitet auch Leopold Bloom das Frühstück in seinem Haus in der Eccles Street 7 für seine Frau Molly und dann für sich zu. Der Leser wird mit der Gedankenwelt Blooms vertraut gemacht. Die äußeren Handlungen und Eindrücke vermischen sich mit seinen persönlichen Empfindungen und Gedanken. Beim Metzger Dlugacz in der Nachbarschaft kauft er eine Schweineniere, die er dann brät: „Den feinen Tee-Dunst riechen, Dampf von der Pfanne, zischende Butter. Nahe sein ihrem schwellenden bettwarmen Fleisch. Ja, ja.“ Dadurch verstößt Bloom gleich bei seinem ersten Auftreten gegen die jüdischen Speisegesetze. Er bringt Molly das Frühstück und die Morgenpost ans Bett, die einen Brief ihres Liebhabers Blazes Boylan enthält („Während er das Rouleau in sanften Rucken halb hochließ, bemerkte sein rückwärtiges Auge, wie sie einen Blick auf den Brief warf und ihn dann unter ihr Kissen steckte.“). Fast brennt ihm die Niere an – beim Frühstück liest er dann in der Küche den Brief seiner Tochter Milly.

Danach begibt sich Bloom mit der Zeitung auf das Klohäuschen im Hofe, um sich zu erleichtern: „In Ruhe las er, seinen Drang noch unterdrückend, die erste Spalte und begann, schon nachgebend, doch mit Widerstreben noch, die zweite. Auf ihrer Mitte angelangt, gab er seinen letzten Widerstand auf und erlaubte seinen Eingeweiden, sich zu erleichtern, ganz so gemächlich, wie er las, und immer noch geduldig lesend, die leichte Verstopfung von gestern ganz verschwunden. Hoffentlich ists nicht zu groß, geht sonst mit den Hämorrhoiden wieder los. Nein, grade richtig. So. Ah! Bei Hartleibigkeit eine Tablette Cascara sagrada.“ Seine Gedanken drehen sich auch um eine bevorstehende Beerdigung, an der er teilnehmen muss. Bevor er das Klohäuschen betritt, achtet er darauf, seine Hosen nicht dreckig zu machen. Am Ende des Kapitels versucht er herauszufinden, zu welcher Uhrzeit die Beerdigung stattfinden soll.

Der Titel des Kapitels verweist auf Molly, die hier mit der Nymphe Kalypso, die von Odysseus verlassen wird, in Verbindung gebracht wird. Am Abend, bei Blooms Rückkehr, wird sie Penelope sein.

  • Ort: zu Hause
  • Uhrzeit: 8 Uhr morgens
  • Organ: Niere
  • Wissenschaft: Wirtschaft
  • Farbe: orange
  • Symbol: Nymphe
  • Technik: Erzählung (erwachsen)
  • Korrespondenzen:
    • Calypso: die Nymphe
    • Dlugacz: der Widerruf
    • Zion: Ithaca

5. Kapitel – Lotophagen

Bloom beginnt seine Wanderung durch Dublin. In diesem Kapitel, das Joyce dem Narzissmus zugeordnet hat, sind Körperpflege und -geruch die vorherrschenden Themen, das Motiv der Blume (Lotos) durchzieht den Text. Auf Umwegen geht Bloom zum Postamt und holt einen Brief ab. Wir erfahren, dass er unter dem Pseudonym „Henry Flower“ mit einer gewissen Martha korrespondiert, wodurch diese Konnotation seines Namens verstärkt wird. Der Brief enthält eine zerdrückte gelbe Blume: „Er riß mit Ernst die Blume aus der Nadelheftung, roch ihren fast gar keinen Ruch und brachte sie an seiner Herztasche an. Blumensprache. Die mögen sie, weil keiner sie hören kann.“ Das Postskriptum des Briefes („PS: Sag mir doch, was für ein Parfum benutzt Deine Frau.“) beschäftigt ihn den ganzen Tag.

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Sweny’s Drogerie im Mai 2007

In Sweny’s Drogerie kauft Bloom die berühmte Zitronenseife („Süßes zitroniges Wachs“), deren Duft ihn ebenfalls den ganzen Tag – und somit den ganzen Roman – begleiten wird. Sogar der Körpergeruch des Drogisten spielt während des Kaufes in Blooms Gedanken eine Rolle: „Der Drogist blätterte Seite um Seite zurück. Sandgelb verschrumpelt, so riecht er scheints auch.“ Danach trifft Bloom auf einen flüchtigen Bekannten („Bantam Lyons’ schwarznägelige Finger entrollten den Stab. Braucht auch mal ne Waschung. Daß wenigstens der gröbste Dreck runterkommt.“). Durch ein Missverständnis meint dieser, Bloom hätte ihm einen Tipp für das nachmittägliche Pferderennen gegeben.

Das Kapitel endet mit der Vorfreude auf sein Bad in einer öffentlichen Badeanstalt, einer beruhigten narzisstischen Betrachtung seines Körpers im Wasser: „Er sah im Geiste seinen bleichen Leib darin ruhen, lang ausgestreckt und nackt erblickten ein Ruderboot, das . Die wächserne Blässe ihres Gesichts wirkte fast vergeistigt in ihrer elfenbeingleichen Reinheit, obschon ihr Rosenknospenmund ein echter Amorsbogen war, griechisch vollkommen.“ Sie setzt sich auf einen Stein, hebt ihre Röcke, um Bloom zu erregen. Dabei stilisiert sie diese Anmache zu einer romantisch-wilden großen Liebe: „Sie hätte gerne nach ihm, erstickend fast, hätte gern die schneeigen Arme ausgestreckt nach ihm, daß er käme, daß sie seine Lippen auf ihrer weißen Stirn fühlte, eines jungen Mädchens Liebesschrei.“

Bloom, aus dessen Sicht der zweite Teil des Kapitels geschildert ist, war an den Strand gekommen, um etwas Ruhe zu finden. Er geht auf die Anmache ein, wobei das junge Mädchen in seinen Gedanken – um sich aufzugeilen – zum „durchtriebenen Luder“ wird: „Teufelinnen sind sie, wenns über sie kommt. Dunkles teuflisches Aussehen.“ – Er masturbiert in der Hosentasche, wobei ihm – wie bewusst, lässt sich wie so oft in diesem Roman auch hier schwerlich sagen – Assoziationen an Molly und ihren Liebhaber durch den Sinn gehen: „War das vielleicht grad der Moment, wo er, sie?/ Oh, er hats. In ihr. Sie hats. Geschafft/ Ah!/ Mr. Bloom zog sich mit sorgsamer Hand das nasse Hemd zurecht. Meingott, dieser kleine hinkende Teufel. Fühlt sich langsam doch kalt an und klamm. Die Nachwirkung nicht gerade angenehm. Trotzdem, irgendwie muß mans ja loswerden.“ Blooms Orgasmus wird durch die Beschreibung des gleichzeitig stattfindenden Feuerwerks geschildert.

Gegen Ende des Kapitels beschäftigt Bloom sich noch mit dem Brief von Martha, der somit – zusammen mit seinem voyeuristischen Erlebnis am Strand – den Status einer kleinen Rache an seiner ihn ständig betrügenden Frau erhält.

  • Ort: The Rocks
  • Uhrzeit: 8 Uhr abends
  • Organ: Auge, Nase
  • Wissenschaft: Malerei
  • Farbe: grau, blau
  • Symbol: Jungfrau
  • Technik: Anschwellen, Abschwellen
  • Korrespondenzen:

14. Kapitel – Die Rinder des Sonnengottes

Im Frauenspital von Dublin liegt Mina Purefroy, eine Bekannte Blooms, in den Wehen. Bloom möchte sie besuchen, wird jedoch nicht zu ihr vorgelassen. Stattdessen begibt er sich in den Aufenthaltsraum der Ärzte und trifft dort auf Stephen, der mit Buck Mulligan und anderen Medizinstudenten ein Saufgelage abhält. Später ziehen alle los, um in einem Pub weiterzutrinken, und danach weiter zum Bordell der Bella Cohen.

Dieses ist das berühmte Kapitel, in dem die Entwicklung des Sprachstils und der Sprache selbst vom Altenglischen bis zum zeitgenössischen Dubliner Slang den Wachstum des Embryos im Mutterleib widerspiegelt. Dabei imitiert Joyce den Prosastil verschiedener Epochen und entwirft passende Szenarien. Die Helden unseres Romans agieren abschnittweise wie typische Figuren dieser Texte. So macht beispielsweise unser Protagonist im Laufe des Kapitels folgende Metamorphose durch:

  • „Ein man aldo stant der ein farensman waz an des hvs tor da nacht nider nu kam. Von Jisraels volc dise man waz vn haert gewandelet vil vnde gefaren vf erden.“
  • „Unde Childe Leopold offent sin helmevenster umb daz er ihm gevellic seie und tat er ein lützel zoc under ougen uz vriuntschaft danne er niemer sunsten nit tranc iender ein met“,
  • „Aber Sir Leopold war arg duster nun […] vnd er gedaht an sein gut frauwe Marion die jm ein einzicht menlich kint geboren welchs war am seim eilfften lebens tag gestorben vnt kont nit gerett werden vonne keins menschenkunzt also dunkel ist das schicksal.“
  • „Leop. Bloom dort wegens einem schwechzufall den er hett, fühlte sich jetzund aber beßer, nemblich hett ein wunderlich gesicht gehabt dießen abend von seiner dame Mrs. Moll mit rothen pantoffelen und türckischen kniehosen welches von kennern wird für ein zeichen deß wechsels gehalten.“
  • „Um nun zu Mr. Bloom zurückzukehren, so hatte dieser gleich bei seinem Eintritt wol so mancherley schamloses Gespötte bemerkt, dasselbe jedoch als die Früchte jenes Alters ertragen, welches gemeinhin dafür gilt, daß es kein Mitleid kennet. Die jungen Spunte steckten, das ist wahr, so voller Streiche als wie große Kinder: die Worte ihrer lärmenden Debatten waren nur schwer zu verstehen und oftmalen nicht eben lieblich.“
  • „[So] brach bald ein lebhafter Zank der Zungen aus […] und im beiderseitigen Konsens wurde die schwierige Frage dem Herrn Inseratensammler Bloom mit dem Auftrage vorgelegt, sie alshald dem Herrn Koadjutor Diakon Dedalus zu submittiren. Bisher schweigsam, ob aus dem Grunde, durch übernatürlichen Ernst nur um so besser jene wunderliche Würde des Gehabens zu entfalten, welche ihm eigen war, oder aus Gehorsam gegen eine innere Stimme, zitierte er kurz und, wie einige meinten, recht obenhin die geistliche Regel, welche dem Menschen zu scheiden verbietet, was Gott zusammengefügt.“
  • „Nicht länger mehr ist Leopold, wie er dort sitzt, sinnierend, das Futter der Erinnerung wiederkäuend, jener nüchterne Werbeagent und Inhaber eines bescheidenen Päckleins Obligationen. Er ist der junge Leopold, wie in retrospektivem Arrangement, ein Spiegel in einem Spiegel (he, presto!), er betrachtet sich selbst.“
  • „[J]ener wachsame Wanderer […], welch letzterer noch bedeckt war vom Reise- und Kampfesstaub und befleckt vom Kote einer untilgbaren Schändlichkeit, aus dessen standhaftem und beständigem Herzen jedoch nicht Lockung noch Gefahr noch Drohung noch Erniedrigung je konnte das Bild einer wollüstigen Lieblichkeit reißen, welches der begnadete Stift Lafayettes für alle künftigen Zeiten aufgezeichnet hat.“
  • „Hinaus stürzt unser Herr Stephen mit einem Schrei, und Krethi und Plethi hinter ihm her, der ganze Verein, Draufgänger, Maulaffen, Wettschwindler, Pillendoktor, Bloom der Pünktliche ihnen auf den Fersen, unter allgemeinem Gegrapsche nach Kopfbedeckung, Eschenstöcken, Degen, Panamahüten und Degenscheiden, Zermatt-Alpenstöcken und was nicht sonst noch allem.“
  • „Bravo, Isaacs, man immer wech mit ihnen aus dem Scheißrampenlicht. Komm' Se mit, Verehrtester? Aber woher denn aufdringlich, im Leben nich. Bloom is sich serr gute Mann.“
  • „Wohnt nicht weit vom Mater. geht auch im süßen Joch der Ehe. Kennst seine Holde? Jau, klar doch, det tu ick. Janz flottet Pflänzken. Hab sie mal im Näcklischee jesehn. Also da kommt janz schön wat raus, wenn die Pelle runter jeht.“
  • „Von wem hast du den Tip gehabt eigentlich, für das Füllen? […] Von Meister Iste, ihrem vertrauten Manne. Kein Schmu, von dem ollen Leo. […] So ein Dreckskerl von einem scheinheiligen Lügner. […] Ja, also, sag ich, wenn das nich die typisch jiddsche mloche is, ja, dann will ich ne missemeschune haben. […] Was? Wein für den Schleimer Bloom. Was hör ich, was redst du da von Zwiebeln? Bloo? Schnorrt sich Anzeigen zusammen? Von der Photographin das Pappilein, schau mal einer an!“
  • Ort: Krankenhaus
  • Uhrzeit: 10 Uhr abends
  • Organ: Bauch
  • Wissenschaft: Medizin
  • Farbe: weiß
  • Symbol: Mütter
  • Technik: Embryonale Entwicklung
  • Korrespondenzen:
    • Krankenhaus: Trinacria
    • Krankenschwestern: Lampetie und Phaetusa
    • Horne: Helios
    • Rinder: Fruchtbarkeit
    • Verbrechen: Betrug

15. Kapitel – Circe

In diesem Kapitel, dessen Inhalt einer einzigen phantastischen Halluzination gleicht, besuchen sowohl Bloom als auch Stephen – noch von der Gegenwart des anderen nichts ahnend – Bella Cohens Bordell im Red-light district Dublins. In einer Art „Traumspiel“ greift Joyce das Thema der Vaterschaft erneut auf und parodiert es in extremer Weise, indem er Bloom zur Frau und schwanger werden sowie gebären lässt. In einer sado-masochistischen Sequenz wird er von der Domina Bella zur gegenseitigen Lust gequält: Wie Circe die Gefährten des Odysseus in der Odyssee in Schweine verwandelt, werden hier durch die Macht der Puffmutter die untersten, dreckigsten Seelenschichten der beteiligten Personen nach oben gekehrt. Am Ende flieht Stephen, von Bloom begleitet, aus dem Bordell. Nachdem Stephen draußen von einem Soldaten niedergeschlagen wird, kümmert sich Bloom – hier nun wieder in einer fürsorglichen Vaterrolle – um den Bewusstlosen.

Um dieses Kapitel zu interpretieren, wurden häufig psychoanalytische Vergleiche gezogen. Da Circe schon im antiken Mythos als Zauberin dargestellt wird, schien es ebenfalls nahezuliegen, den Themenbereich „Hexe“, „Hölle“ und „Teufel“ hinzuzunehmen: So ist dies Kapitel als „Satansmesse des freigesetzten Unbewussten“ bzw. als „tiefenpsychologische Walpurgisnacht“ beschrieben worden.

Dies ist das längste Kapitel des Ulysses und in Form eines Dramas geschrieben. Inhalt und Stil erinnern auch an Antonin Artauds surreales Theater.

  • Ort: Bordell
  • Uhrzeit: Mitternacht
  • Organ: Bewegungsapparat
  • Wissenschaft: Magie
  • Farbe: –
  • Symbol: Hure
  • Technik: Halluzination
  • Korrespondenzen:
    • Circe: Bellâ

Nostos

16. Kapitel – Eumaeus

Bloom und Stephen gehen ins Cabman’s Shelter, um etwas zu essen, und treffen dort unter anderem auf einen betrunkenen Matrosen, der von seinen Seefahrten berichtet. Bloom – auch hier in der Vaterrolle – kümmert sich um den betrunkenen Stephen, und nach und nach wächst seine Sympathie für den jungen Dedalus. Am Ende des Kapitels bietet Bloom Stephen an, die Nacht bei ihm zu verbringen.

  • Ort: Der Schuppen
  • Uhrzeit: 1 Uhr morgens
  • Organ: Nerven
  • Wissenschaft: Navigation
  • Farbe: –
  • Symbol: Seeleute
  • Technik: Erzählung (alt)
  • Korrespondenzen:
    • Skin the Goat: Eumaeus
    • Seemann: Ulysses Pseudangelos
    • Corley: Melanthius (der Ziegenhirt der Odyssee, der den als Bettler verkleideten Odysseus verspottet und dafür kastriert und ermordet wird)

17. Kapitel – Ithaka

Es ist etwa zwei Uhr in der Nacht. Bloom nimmt Stephen mit zu sich nach Hause. Bloom hat seinen Schlüssel vergessen. Er klettert durch ein Fenster ins Haus und schließt dem wartenden Stephen die Tür von innen auf. Bloom bietet Stephen an, in der Eccles Street 7 zu übernachten.

„Wurde der Vorschlag der Asylgewährung angenommen?“
„Er wurde prompt, unerklärlicherweise, auf liebenswürdige Art, mit Dank abgelehnt.

Sie urinieren gemeinsam im Hof gegen den Zaun und Stephen geht. Bloom verrichtet noch die eine oder andere Handlung und geht dann zu Bett.

War das Kapitel, in dem Vater und Sohn – auf die Odyssee bezogen: Odysseus und Telemach – sich trafen, so greift „Ithaka“ die Episode auf, in der Odysseus sich seinem Sohn zu erkennen gibt. Die Themen dieses Kapitels sind entsprechend einerseits Erkennen und Erkenntnisprozesse, andererseits Vater-Sohn-Beziehungen. Die Handlung wird – mühsam und umständlich – in Form von pseudo-wissenschaftlichen Fragen und Antworten erzählt. Joyce greift dabei auf den Katechismus zurück. Diese Technik, durch die die Szenen eher aufgelöst als dargestellt werden, steht in ironischer Distanz zu dem warmen, freundschaftlichen Gefühl, das zwischen den beiden Männern entsteht. Dass Bloom seinen Schlüssel vergaß, klingt so:

„Welche Handlung führte Bloom beim Eintreffen an ihrem Bestimmungsort aus?“
„Auf der Haustreppe der 4. der äquidifferenten ungeraden Nummern, Eccles Street Nummer 7, führte er mechanisch die Hand in die Gesäßtasche seiner Hose, um den Wohnungsschlüssel herauszuholen.“
„Befand dieser sich dort?“
„Er befand sich in der entsprechenden Tasche der Hose, welche er am vorvorangegangenen Tage getragen hatte.“
„Warum wurde er hierdurch doppelt zum Zorn gereizt?“
„Weil er vergessen hatte und weil ihm einfiel, daß er sich zweimal gemahnt hatte, nicht zu vergessen.“
„Welche Alternativen boten sich nunmehr dem vorsätzlich und (respektive) schlüssellosen Paar?“
„Rein oder Nichtrein. Klopfen oder Nichtklopfen.“

Die genaue Analyse der Situation als Fragespiel verweist ebenfalls auf das psychoanalytische Verfahren nach Sigmund Freud, bei dem eine – wie es ja Stephens psychischer Lage entspricht – fehlende Vaterfigur evoziert werden kann, indem der Psychoanalytiker in Form von Fragen und Antworten eine therapeutische Beziehung zu seinem Patienten aufbaut.

  • Ort: Zuhause
  • Uhrzeit: 2 Uhr morgens
  • Organ: Skelett
  • Wissenschaft: Wissenschaft
  • Farbe: –
  • Symbol: Kometen
  • Technik: Katechismus (unpersönlich)
  • Korrespondenzen:
    • Eurymachus (der zweite Hauptfreier Penelopes): Boylan
    • Freier: Skrupel
    • Bow: Vernunft

18. Kapitel – Penelope

Es ist Nacht in Dublin. Leopold Bloom hat sich zu Mollys Füßen ins Bett gelegt. Diese erwacht nur halb aus dem Schlaf, ihre Gedanken strömen frei. Der Tag mit allen seinen Eindrücken, Erlebnissen, Geräuschen spielt sich wieder in ihrem Bewusstsein ab. Wie im Traum oder Halbschlaf spielen Erinnerungen und Assoziationen in den Gedankenstrom hinein. Kindheitserinnerungen, erotische Gedanken, Erinnerungen an ihre Jugend in Gibraltar, Gedanken an die Kinder und ihren Mann Leopold, an frühere Wohnorte strömen in acht langen Sätzen ohne Punkt und Komma durch Mollys und der Leser Hirn.

Im Einschlafen denkt Molly daran, wie sie Leopold Bloom schließlich als Partner akzeptierte: „und ich hab gedacht na schön er so gut wie jeder andere und hab ihn mit den Augen gebeten er soll doch nochmal fragen ja und dann hat er mich gefragt ob ich will ja sag ja meine Bergblume und ich hab ihm zuerst die Arme um den Hals gelegt und ihn zu mir niedergezogen daß er meine Brüste fühlen konnte wie sie dufteten und das Herz ging ihm wie verrückt und ich hab ja gesagt ja ich will Ja.“

Mollys „Ja“ beschließt den Roman. Ulysses/Odysseus ist nach langer Irrfahrt zu Hause angekommen. Der Tag ist abgeschlossen, der Held ruht wieder bei seiner Frau. Das große Werk eines alltäglichen Lebenstages ist getan, „und siehe, es war sehr gut.“

Homer
„Aber Eurynome führte den König und seine Gemahlin
zu dem bereiteten Lager und trug die leuchtende Fackel;
Als sie die Kammer erreicht, enteilte sie. Jene bestiegen
Freudig ihr altes Lager, der keuschen Liebe geheiligt.“
  • Ort: Bett
  • Uhrzeit: –
  • Organ: Fleisch
  • Wissenschaft: –
  • Farbe: –
  • Symbol: Erde
  • Technik: Monolog (weiblich)
  • Korrespondenzen:
    • Penelope: Erde
    • Netz: Bewegung

Rezeptionsgeschichte

Datei:Paris Rue de l Odeon 12 plaque.jpg
Gedenktafel in der Rue de l’Odéon in Paris

Einzelne Episoden aus Ulysses wurden ab 1918 in einer amerikanischen und ab 1919 in einer britischen Zeitschrift publiziert. Wegen seiner damals so empfundenen Obszönität wurde das Werk sowohl in Großbritannien als auch in den U.S.A. verboten. Erstmals herausgegeben wurde der Roman am 2. Februar 1922 (dem 40. Geburtstag des Autors) von Sylvia Beach in Paris. Die erste von James Joyce autorisierte deutsche Übersetzung des Romans lieferte 1927 Georg Goyert. In den 1930er Jahren erschien der Roman dann auch in den U.S.A. und in Großbritannien.

Goyerts Übersetzung soll den deutschen Schriftsteller Alfred Döblin inspiriert haben, der damals an seinem Großstadtroman Berlin Alexanderplatz – erschienen 1929 – arbeitete. Tatsächlich gibt es in der Modernität der Erzähltechnik auffällige Parallelen zwischen den beiden Romanen. Döblin bestritt allerdings stets, etwas von Joyce übernommen zu haben.

Die Idee, einen Roman sich über einen einzigen Tag erstrecken zu lassen, hat in der Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts einige Nachahmer gefunden, zum Beispiel Malcolm Lowrys Unter dem Vulkan, Don DeLillos Cosmopolis oder Saturday von Ian McEwan.

Kurt Tucholsky, der in der Weltbühne eine noch sehr fehlerhafte Übersetzung zu rezensieren hatte, verglich den Roman mit Fleischextrakt: Man kann es nicht essen. Aber es werden noch viele Suppen damit zubereitet werden.

Virginia Woolf bezeichnete den Roman despektierlich als die Arbeit eines überempfindlichen Studenten, der sich seine Pickel kratzt. Dennoch bleibt ihr Werk nicht unbeeinflusst von Technik und Stil des Ulysses, was insbesondere in ihrem „experimentellen“ Roman Mrs. Dalloway zum Ausdruck kommt. Auch Woolfs Roman The Waves bedient sich des Bewusstseinsstroms.

Seit 1954 wird der 16. Juni von Schriftstellern, Literaturwissenschaftlern und Lesern als Bloomsday gefeiert.

Ulysses wurde in die ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher aufgenommen. Das Buch wurde sowohl von der französischen Le Monde als auch von der britischen BBC zu den 100 wichtigsten Werken der Weltliteratur des zwanzigsten Jahrhunderts gezählt. In der 100 besten englischsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts der Modern Library steht Ulysses auf Rang 1.<ref>100 best novels</ref>

Textausgaben

Englisches Original

Deutsche Übersetzungen

  • Ulysses. Vom Verfasser autorisierte deutsche Übersetzung von Georg Goyert (1927). Rhein-Verlag, Basel (revidierte Ausgabe 1977, Suhrkamp, Frankfurt am Main)
  • Ulysses. Deutsche Übersetzung von Hans Wollschläger (1975). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-39051-1
Datei:Ausschnitt Ulysses.ogg
Hans Wollschläger liest einen Ausschnitt aus dem Ulysses – Kapitel "Oxen of the Sun – Rinder des Sonnengottes" in seiner Übersetzung
  • Penelope. Das letzte Kapitel des ‚Ulysses‘. Engl.-Dtsch. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-11106-X (Enthält den Molly-Monolog auf Englisch und in der deutschen Übersetzung sowohl von Goyert als auch von Wollschläger.)
  • Ulysses. Kommentierte Ausgabe mit Karten und Personenregister, in der deutschen Übersetzung von Hans Wollschläger. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-41585-9

Siehe auch

Sekundärliteratur

  • Frank Budgen: James Joyce und die Entstehung des Ulysses. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-37252-1
  • Richard Ellmann: Ulysses on the Liffey. Faber and Faber, London 1972; deutsch: Odysseus in Dublin. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-518-02726-3
  • Therese Fischer-Seidel (Hrsg.): James Joyce Ulysses – Neuere deutsche Aufsätze. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-00826-9
  • Hugh Kenner: Ulysses. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-11104-3
  • Don Gifford: Ulysses Annotated. University of California Press, Berkeley 1989, ISBN 0-520-06745-2
  • Stuart Gilbert: Das Rätsel Ulysses. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-36867-2
  • Frank Zumbach: Joyce’s Ulysses. Piper, München 2000, ISBN 3-492-23138-1
  • Fritz Senn: Nichts gegen Joyce. Aufsätze 1959–1983. Haffmans, Zürich 2002, ISBN 3-251-00023-3
  • Fritz Senn: Nicht nur nichts gegen Joyce. Haffmans, Zürich 2001, ISBN 3-251-00427-1
  • Anthony Burgess: Joyce für Jedermann (dt.) Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-45608-3. Englisch: Re Joyce. Norton & Co., New York 1968, ISBN 0-393-00445-7
  • Artikel Ulysses in: Kindlers neues Literaturlexikon. Hg. von Walter Jens. Bd. 8 (Ho–Jz). München 1996, S. 914ff.
  • Ulysses. Die unausweichliche Modalität des Sichtbaren. Mit einer Einführung in alle achtzehn Kapitel. Brandstätter, Wien 2004, ISBN 3-85498-378-6
  • Axel Schmitt: Ulyssism. James Joyce und der „Welt-Alltag einer Epoche“ am 16. Juni 1904. Rezensionsforum Literaturkritik.de
  • Stefan Zweig: Anmerkung zu Joyce’s „Ulysses“, in: Rezensionen 1902–1939. Begegnungen mit Büchern. 1983 (E-Text)

Andere Medien

Hörbücher

  • Ulysses. 22 Audio-CDs. Englisch. Naxos Audiobooks. ISBN 962-634-309-5
  • Ulysses. 3 mp3-CDs. Englisch. RTÉ Radio Drama Production. www.rte.ie/radio1 mit www.lannan.org

Hörspiel

Hauptartikel: Ulysses (Hörspiel)

Illustrationen

  • Richard Hamilton: Imaging Ulysses wurde um 1995 vollendet und 2002 im British Museum London erstmals gezeigt.<ref name=Pierce>Beispiele vgl. David Pierce James Joyce Irland. Bruckner & Thünker, Köln, Basel, 1996, ISBN 3-905208-26-1.</ref>:58,133,143
  • Saul Field und Morton P. Levitt: Bloomsday – An Interpretation of James Joyce’s Ulysses. New York Graphic Society, 1972.<ref name=Pierce/>:97,140,142
  • Viktor Nono: Ulysses – Eine grafische Interpretation. Klaus Noack, Wegberg 2010, ISBN 978-3-00-030213-8.
  • Robert Berry: Ulysses „seen“. Der Roman als Graphic Novel auf der Webseite des James Joyce Center Dublin. Projektbeginn war 2012, die geschätzte Fertigstellung ist 2022.<ref>Ulysses "Seen"</ref>

Verfilmungen

Musikalische Auseinandersetzung

  • Luciano Berio: Thema (Omaggio a Joyce) für Mezzosopran und Tonband (1958). Verarbeitung von Textpassagen aus dem Sirenen-Kapitel.
  • Hans Zender: Stephen Climax, Oper (1979-84, Uraufführung 1986).
  • Michael Heisch: Brouillage/Bruitage, Zyklus von instrumentalen und vokalen Solokompositionen mit Bezug auf einzelne Kapitel des Romans (1999, work in progress). Bislang wurden realisiert: Proteus für Kontrabass (1999, revidiert 2002), Hades für Klavier (2000, revidiert 2003), Eumäus für SchauspielerIn (2002), Penelope für Altflöte (2003) und Scylla und Charibdis für Akkordeon (2008).

Landkarten zum „Ulysses“

Weblinks

Wikisource Wikisource: Ulysses – Quellen und Volltexte (english)

Einzelnachweise

<references />