Ärzte ohne Grenzen


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Ärzte ohne Grenzen
Logo
Gründer zwölf Ärzte und Journalisten
Gründung 1971
Sitz international
Ursprung Frankreich
Aktionsraum weltweit
Schwerpunkt medizinische Hilfe
Methode Aufklärung, Einsatz, Hilfe
Angestellte weltweit in den Projekten 2010: 27.650, davon 91 Prozent lokale Mitarbeiter
Website www.msf.org
www.aerzte-ohne-grenzen.de
www.aerzte-ohne-grenzen.at
www.msf.ch

Ärzte ohne Grenzen ist die deutsche Übersetzung des Namens der 1971 gegründeten größten<ref>Hans Harald Bräutigam: Freibeuter der Hilfe. In: Die Zeit, 6. Mai 1994, Nr. 19</ref><ref>Médecins Sans Frontières. In: spendenplattform.ch</ref><ref>Médecins Sans Frontières – Kurz-Portrait. In: Ev.-Ref. Kirche des Kantons Luzern</ref><ref>Links zu Nonprofit-Organisationen. In: swissfundraising.org</ref> internationalen Organisation für medizinische Nothilfe Médecins Sans Frontières.

Die private, unabhängige Hilfsorganisation leistet medizinische Nothilfe in Krisen- und Kriegsgebieten. Hierfür wurde ihr 1999 der Friedensnobelpreis verliehen. Für 2015 wurde ihr der Lasker~Bloomberg Public Service Award zugesprochen.

Alle Sektionen auf internationaler Ebene wie auch die deutsche Sektion nutzen die französische Bezeichnung Médecins Sans Frontières, deren Abkürzung MSF und die Übersetzung in ihre jeweilige Sprache, zum Beispiel Englisch Doctors Without Borders.

Organisation

Ärzte ohne Grenzen ist ein Netzwerk mit Sektionen in 19 Ländern. Ein internationales Büro in Genf hat koordinierende Funktionen und unterstützt die Zusammenarbeit im Netzwerk. Jährlich werden für Projekte der Organisation etwa 3.000 Ärzte, Psychologen, Krankenschwestern, Hebammen und Logistiker rekrutiert. Mitarbeiter in 19 Sektionen sind dauerhaft damit beschäftigt, Freiwillige anzuwerben, die Finanzen zu verwalten und Beziehungen zu den Medien zu pflegen. Die Mitarbeiter sind unter anderem Ärzte, Pflegekräfte, Psychologen, Hebammen, Logistiker und Administratoren. Zu etwa 90 % finanziert sich Ärzte ohne Grenzen aus Privatspenden; staatliche Gelder und sonstige Einnahmen erbringen die restlichen 10 %. Die Organisation verfügt über ein jährliches Budget von mehr als 600 Millionen Euro.

In mehr als 60 Ländern unterhält MSF medizinische Hilfsprojekte und bildet auch teilweise Mitarbeiter im Land fort. Die Hilfsprojekte sind unterschiedlich und reichen von medizinischer Nothilfe über Bereitstellung von sauberem Wasser und Latrinen bis zur medizinischen Aufklärung der Bevölkerung. Die Organisation weist, wie im Falle Tschetscheniens oder des Kosovo, auf Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts hin. Erst ein einziges Mal seit ihrer Gründung hat die Organisation auf militärisches Eingreifen gesetzt, nämlich 1994 im Falle des Völkermordes in Ruanda.

Die humanitäre Arbeit von MSF für die Opfer von Not und Gewalt wurde 1999 durch die Verleihung des Friedensnobelpreises besonders geehrt.

„Das norwegische Nobel-Komitee hat entschieden, den Friedensnobelpreis 1999 an Ärzte ohne Grenzen zu vergeben, in Anerkennung der bahnbrechenden humanitären Arbeit dieser Organisation auf mehreren Kontinenten.“

The Nobel Foundation

Grundsätze

Ärzte ohne Grenzen arbeitet unabhängig, unparteiisch und, abhängig von der konkreten Einsatzsituation, so neutral wie möglich. Nur das ermöglicht es nach Auffassung der Organisation, in Krisenregionen wirkungsvoll humanitäre Hilfe zu leisten.

MSF sieht auch das Witnessing („Zeuge sein“) im Rahmen der medizinischen Nothilfe als eine wichtige Aufgabe. Witnessing bedeutet, auf Völker in Not aufmerksam zu machen. Berichtet wird über das, was Mitarbeiter vor Ort sehen. Mögliche Aktionen sind: Gespräche mit Verantwortlichen, Lobbying oder öffentliche Aufklärungskampagnen, im schlimmsten Falle sogar Rückzug aus einem Einsatzgebiet. Nach Meinung von MSF ist zwischen Witnessing und Neutralität in der praktischen humanitären Arbeit unter Umständen eine Abwägung notwendig, die im Einzelfall eine Aufgabe der Neutralität notwendig macht. Diese Auffassung zur Neutralität unterscheidet MSF von der strikt praktizierten Neutralität des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), aus dessen Einsatzerfahrungen MSF entstand. MSF ist, nach den Worten des Mitbegründers Bernard Kouchner, stets unparteiisch, aber nicht immer neutral.

Deutsche Sektion

Ärzte ohne Grenzen e. V., gegründet 1993 als Verein, ist die deutsche Sektion der Organisation. Seit 2003 gibt es zudem eine Ärzte ohne Grenzen Stiftung.<ref>Ärzte ohne Grenzen Stiftung.</ref>

Zusammen mit den Sektionen aus Großbritannien und den Niederlanden bildet die deutsche Sektion das Operational Centre Amsterdam. Dieses ist eines von fünf Zentren, welche relativ eigenständig Einsätze planen und durchführen.<ref>The MSF Movement. (engl.)</ref>

Die Organisation ist seit 1998 Träger des DZI-Spendensiegels.<ref>Ärzte ohne Grenzen. Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI)</ref> Im Jahr 2010 waren durchschnittlich 104 Mitarbeiter in den deutschen Büros beschäftigt. 289 Mitarbeiter wurden in Projektländer entsandt. Die Sektion hatte ein Mittelaufkommen von 78.486.000 €.<ref>Jahresbericht 2010, PDF-Datei</ref> Anfang Mai 2015 wählte die Mitgliederversammlung den Berliner Arzt Dr. Volker Westerbarkey an die Spitze der Hilfsorganisation.

Österreichische Sektion

In Österreich ist Ärzte ohne Grenzen als Verein eingetragen und besteht seit 1994. Als Präsident fungiert seit 2006 Reinhard Dörflinger, der auch Mitglied der Wiener Ärztekammer ist. Von 2008 bis 2011 war er stellvertretender Präsident der internationalen Organisation von Ärzte ohne Grenzen.

Der Verein trägt auch das Österreichische Spendengütesiegel mit der Nummer 5103. Seit 2009 sind Spenden auch für Privatpersonen von der Einkommen- und Lohnsteuer absetzbar. Das Spendenaufkommen betrug 2010 ca. 17,4 Millionen Euro.<ref>Die Spendenbilanz 2010. Ärzte ohne Grenzen, 2011, archiviert vom Original am 16. Mai 2012, abgerufen am 25. Januar 2013 (PDF; 442 kB).</ref>

Schweizer Sektion

Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen Schweiz wurde im Juli 1981 als Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB gegründet und untersteht dem schweizerischen Zivilgesetz. Geschäftssitz ist Genf; in Zürich wird eine Geschäftsstelle betrieben.

Seit der Gründung durch eine Handvoll Freiwilliger ist die Schweizer Sektion stark gewachsen. Mehr als hundert Angestellte stellen heute zusammen mit vielen Freiwilligen das Funktionieren des Einsatzzentrums sicher. Im Jahr 2010 führte MSF Schweiz 59 Projekte in 26 Ländern durch und hat 158 Mitarbeiter (Vollzeitstellen) in der Schweiz beschäftigt.

MSF Schweiz ist gemäss Art. 9, erster Absatz, Buchstabe f) des Gesetzes zur Besteuerung der juristischen Personen von der Gewinn- und Kapitalsteuer befreit und geniesst eine Steuerbefreiung auf Schenkungen unter Lebenden und von Todes wegen (ausschliesslich der Eintragungsgebühren für Immobiliengeschäfte). Die kantonale Steuerbefreiung wurde Anfang 2011 für einen Zeitraum von 5 Jahren verlängert. Die Befreiung von der direkten Bundessteuer gemäss Artikel 16 Ziffer 3 des Beschlusses über die direkte Bundessteuer (BdBSt) ist unbefristet gültig. Sie wurde durch eine Entscheidung vom 25. März 1991 gewährt.

Der aktuelle Vorstand von MSF Schweiz besteht aus neun für die gesamte Dauer eines Mandats gewählten Mitgliedern. Die gewählten Mitglieder sind zurzeit:

  • Abiy Tamrat, Präsident
  • Thomas Nierle, Vizepräsident
  • Manica Balasegaram, Sekretärin
  • Gilles Carbonnier, Kassier
  • Joanne Liu
  • Karin Hartmann
  • Gaëlle Fedida
  • Olivier Antonin
  • Vicken Cheterian

MSF Schweiz ist eine gemeinnützige Organisation, und Spenden für MSF Schweiz können von den Steuern abgezogen werden. 

Geschichte

Vorgeschichte

Während des Biafra-Krieges (1967–1970) verhängte das nigerianische Militär eine Blockade der ehemals unabhängigen Region Biafra im Südosten des Landes. Zu diesem Zeitpunkt war Frankreich das einzige Land, das die Bevölkerung von Biafra unterstützte. Großbritannien, die USA und die Sowjetunion hatten für die nigerianische Regierung Partei ergriffen. Die Lage der Bevölkerung innerhalb der Blockade war der restlichen Welt unbekannt. Eine Reihe französischer Ärzte, darunter auch Bernard Kouchner, meldeten sich zusammen mit dem Französischen Roten Kreuz freiwillig, um in Krankenhäusern und Nahrungsversorgungszentren im belagerten Biafra zu arbeiten. Das Rote Kreuz verlangte von seinen Freiwilligen jedoch die Unterzeichnung einer Erklärung, die eine Neutralität unter allen Umständen vorsah. Kouchner und einige andere französische Ärzte sahen darin zwar eine Verschwiegenheitsverpflichtung, unterschrieben dennoch die Erklärung.

Im Land angekommen, waren die Freiwilligen, einschließlich der Beschäftigten in der Gesundheitsvorsorge und der Krankenhausmitarbeiter den Angriffen der nigerianischen Armee ausgesetzt. Dabei wurden sie Zeugen, wie Zivilisten ermordet wurden oder verhungerten. Auch Kouchner war Augenzeuge dieser Ereignisse. Er sah sehr viele Kinder, die infolge der Hungersnot sterben mussten. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich kritisierte er die nigerianische Regierung, aber auch das Rote Kreuz, indem er deren Verhalten als Mittäterschaft bezeichnete. Er rief auf, Verantwortung auf internationaler Ebene für die Situation zu übernehmen. Kouchner und andere Ärzte waren überzeugt, dass eine Hilfsorganisation nötig war, die dem Wohlergehen der Opfer Vorrang gegenüber politischen und religiösen Interessen einzuräumen bereit war.

Gründung

Datei:Bernard Kouchner, Université de Fribourg, 2006 (1489).jpg
Bernard Kouchner, Gründungsmitglied und erster Vorsitzender von Ärzte ohne Grenzen

Die Groupe d’Intervention Médicale et Chirurgicale en Urgence (deutsch „Gruppe für medizinisches und chirurgisches Eingreifen in Notfällen“) wurde 1970 von französischen Ärzten gebildet, die in Biafra gearbeitet hatten, um Hilfe zu leisten und um die Priorität der Opferrechte über die Neutralität zu betonen.

Der Herausgeber der medizinischen Fachzeitschrift TONUS, Raymond Borel, hatte als Reaktion auf den Bhola-Wirbelsturm in Bangladesch von 1970, bei dem etwa 500.000 Menschen starben, eine Organisation mit dem Namen Secours Médical Français (deutsch „französische medizinische Katastrophenhilfe“) gegründet. Borel suchte Ärzte, die den Opfern von Naturkatastrophen Hilfe leisten sollten. Am 20. Dezember 1971 vereinigten Borel, Kouchner und ihre Kollegen die beiden Gruppen zu Médecins Sans Frontières.

Der erste Einsatz der neuen Organisation betraf Managua, die Hauptstadt von Nicaragua. Dort hatte ein Erdbeben am 23. Dezember 1972 den größten Teil der Stadt zerstört und mehr als 10.000 Todesopfer gefordert. MSF brauchte drei Tage mehr als das Rote Kreuz, um seinen Einsatz zu beginnen. Am 18. und 19. September 1974 verursachte der Hurrikan Fifi schwere Zerstörungen in Honduras mit mehreren Tausend Toten. Hierbei richtete Ärzte ohne Grenzen den ersten länger dauernden Einsatz für Katastrophenhilfe ein.

Nachdem Südvietnam an Nordvietnam gefallen war, emigrierten Millionen Kambodschaner zwischen 1975 und 1979 nach Thailand, um den Roten Khmer zu entkommen. Als Reaktion darauf richtete Ärzte ohne Grenzen in Thailand zum ersten Mal ein Flüchtlingslager ein. Als Vietnam sich 1989 aus Kambodscha zurückzog, startete die Hilfsorganisation langfristige Einsätze für Katastrophenhilfe, um den Überlebenden der „Killing Fields“ zu helfen und die Gesundheitsversorgung des Landes wieder aufzubauen. Obwohl die Einsätze in Thailand darauf abzielten, Kriegsopfern zu helfen, wird die Operation in Südostasien als erster Kriegseinsatz von MSF angesehen. Thailand galt als Kriegszone, da MSF 1976 feindlichem Feuer gegenüberstand. Während des Bürgerkrieges von 1976 bis 1984 half Ärzte ohne Grenzen in Krankenhäusern des Libanon bei chirurgischen Einsätzen.

Führungswechsel und Aufspaltung

1977 wurde Claude Malhuret zum neuen Vorsitzenden von Ärzte ohne Grenzen gewählt. In der Folgezeit begann die Diskussion über die Zukunft der Organisation. Malhuret und seine Unterstützer lehnten das Konzept der témoignage („Zeuge sein“ oder witnessing) ab oder spielten es herunter. Sie waren der Auffassung, dass die Organisation Kritik an den Regierungen der jeweiligen Staaten, in denen sie tätig waren, vermeiden solle, während Kouchner glaubte, dass die Dokumentation des Elends, das in einem Land herrscht, die beste Möglichkeit sei, ein Problem zu lösen. Die Frage der Zeugenschaft, also der Veröffentlichung von Verbrechen in Krisenregionen durch Hilfsorganisationen, spaltete die MSF.

Nach den Ereignissen in Südvietnam im Jahr 1979, im Zuge derer Menschen auch auf Schiffen flüchteten (sog. „Boatpeople“), gehörte Kouchner zu den Unterzeichnern eines Appells, den französische Intellektuelle in der linksliberalen Zeitung Le Monde veröffentlichten. Sie unterstützten das Projekt „Ein Boot für Vietnam“ mit dem Ziel, den Flüchtlingen medizinische Hilfe zu leisten. Die meisten Mitglieder von Ärzte ohne Grenzen unterstützten das Projekt nicht. Dennoch charterte Kouchner ein Boot namens L’Île de Lumière (deutsch „Die Insel des Lichtes“), reiste zusammen mit anderen Ärzten, Journalisten und Fotografen zum Südchinesischen Meer und half tausenden Patienten medizinisch. Obwohl der Einsatz ein Erfolg war, unterstützte Ärzte ohne Grenzen Kouchner weiter kaum – woraufhin er im März 1980 mit rund 15 weiteren Ärzten eine neue Organisation namens Médecins du Monde („Ärzte der Welt“) gründete. Kouchners neue Hilfsorganisation ist Ärzte ohne Grenzen sehr ähnlich, und so führen oft beide Organisationen in denselben Ländern Feldeinsätze durch.

Im Jahre 1982 gelang es Malhuret und Rony Brauman, die finanzielle Situation der Organisation zu verbessern, indem sie Wohlfahrtsbriefmarken bei der Post einführten. Dies erleichterte die Spendenbeschaffung. Brauman wurde im selben Jahr neuer Vorsitzender von Ärzte ohne Grenzen. In den achtziger Jahren entstanden operative Sektionen der Organisation in anderen Ländern: In Belgien wurde 1980 die zweite Sektion gegründet, die Schweizer Sektion mit Sitz in Genf bildete sich 1981. Weitere Sektionen folgten 1984 in den Niederlanden und 1986 in Spanien. Im gleichen Jahr wurde in Luxemburg die erste unterstützende Sektion gegründet. Malhuret und Brauman führten nach Kouchners Abgang auch zahlreiche Veränderungen an der Organisation durch. Nachdem die sowjetische Armee im Dezember 1979 in Afghanistan einmarschiert war, wurden sofort Feldeinsätze durchgeführt, um den Mudschahid-Kämpfern medizinische Hilfe zu ermöglichen.

Im Februar 1980 prangerte die Organisation die Roten Khmer öffentlich an.

Während der Hungersnot in Äthiopien 1984–1985 führte sie Ernährungsprogramme im Land durch, wurde aber 1985 ausgewiesen, nachdem sie die Unterschlagung internationaler Hilfeleistungen und die durch das Mengistu-Regime durchgeführten Zwangsumsiedlungen angeprangert hatte. Aufgrund des Drucks der internationalen Öffentlichkeit sowie der Androhung einer Sperre von Geldern durch die wichtigsten Geberländer lenkte das Regime ein. Nachdem San Salvador, die Hauptstadt von El Salvador, am 10. Oktober 1986 von einem Erdbeben heimgesucht worden war, stellte sie der dortigen Bevölkerung Ausrüstung zur Verfügung, um sauberes Trinkwasser herstellen zu können. Im Jahre 1993 erhielt die Organisation vom UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge die Nansen-Medaille.

Frühe neunziger Jahre

In den frühen 1990er Jahren entstanden die meisten anderen unterstützenden Sektionen: Griechenland und die USA folgten 1990, Kanada 1991, Japan 1992, Großbritannien, Italien, der deutsche Ableger Ärzte ohne Grenzen e. V. 1993 und Australien sowie der österreichische Ableger, dessen Sitz in Wien ist, folgten im Jahr 1994. Auch in Dänemark, Schweden, Norwegen und Hongkong bildeten sich MSF-Gruppen, später kam auch noch eine in den Vereinigten Arabischen Emiraten hinzu.

Einsätze

Ärzte ohne Grenzen ist zurzeit in 81 Ländern aktiv.<ref>Unsere Arbeit. In: aerzte-ohne-grenzen.de, Stand 12/2011</ref>

Im Jahre 1990 wurde in Afghanistan ein MSF-Logistiker ermordet. Die Organisation unterbrach daraufhin die Aktivitäten im Land bis 1992. Im selben Jahr traf Ärzte ohne Grenzen in Liberia ein, um Zivilisten und Flüchtlingen im liberianischen Bürgerkrieg zu helfen. Die andauernden Kämpfe während der neunziger Jahre und der zweite liberianische Bürgerkrieg führten dazu, dass die Mitglieder aktive Unterstützung bei der Nahrungsversorgung und beim Aufbau eines Gesundheitssystems leisteten sowie Impfkampagnen durchführten. Außerdem sprachen sie sich gegen Angriffe auf Krankenhäuser und Nahrungsversorgungsstationen aus, die insbesondere in der Hauptstadt Monrovia stattgefunden hatten.

Weitere Hilfsmissionen wurden durchgeführt, um Katastrophenhilfe für kurdische Flüchtlinge leisten zu können, die vor der Anfal-Operation des Iraks flüchten mussten. Dafür wurden 1991 auch Beweise für die dortigen Gräueltaten gesammelt. 1993 stellte die Organisation die Aktivität im irakischen Kurdistan nach der Ermordung eines Handicap International-Mitarbeiters ein.

Ihre Arbeit in Srebrenica (Bosnien und Herzegowina) nahm die Organisation im Jahr 1993, ein Jahr nachdem der Bosnienkrieg begonnen hatte, als Teil eines UN-Konvois auf. Die Stadt war von der Vojska Republike Srpske, die etwa 60.000 Bosniaken enthielt, umzingelt gewesen, und war dadurch zu einer Enklave geworden, die von einer UN-Schutztruppe bewacht worden war. Ärzte ohne Grenzen war die einzige Organisation, die den eingeschlossenen Zivilisten medizinische Versorgung leistete.

Somalia

1991 begann der Bürgerkrieg in Somalia und mit ihm weit verbreitete Hungersnot und Krankheiten, auf die MSF ab 1992 mit Hilfseinsätzen reagierte. 1993 kam es zu einer scharfen Verurteilung der Vorgehensweise der Vereinten Nationen in Somalia, da humanitäre Prinzipien verletzt wurden; allerdings stellten Freiwillige weiterhin Gesundheits- und Nahrungsversorgung zur Verfügung. Aber auch nach dem Rückzug der UN-Mission UNOSOM II (1995) setzte sich die Gewalt in Somalia ungehindert fort, und Ärzte ohne Grenzen gehörte zu den wenigen Organisationen, die Zivilisten, welche Kampfhandlungen zum Opfer fallen, helfen, indem sie Kliniken und Krankenhäuser betreiben. Nach 22 Jahren gab die Organisation im August 2013 den Rückzug aus dem Bürgerkriegsland bekannt, nachdem ihre Mitarbeiter wiederholt zum Ziel von Anschlägen und Entführungen geworden waren.<ref>Nicolas Kulish: „Doctors Without Borders to Pull Out of Somalia“ NYT vom 14. August 2013, gesichtet am 14. August 2013</ref>

Sudan

Im Jahre 1979 führte Ärzte ohne Grenzen Einsätze im Süden des Sudan durch, um Zivilisten zu helfen, die dem Verhungern nahe waren oder an anderen Folgen des dortigen Bürgerkrieges litten. Freiwillige Helfer der Organisation berichteten mehrfach von Folter, Massenhinrichtungen, Kannibalismus und schwere Hungersnot.

Im Jahr 1989 kamen bei einem Abschuss eines Piloten ohne Grenzen-Flugzeugs mit einer Rakete neben anderen Opfern zwei Mitarbeiter ums Leben. Die Organisation verließ daraufhin den Südsudan bis 1992. Allerdings hat sie innerhalb der letzten 25 Jahre dem Sudan trotzdem weiterhin Katastrophenhilfe geboten, obwohl einige freiwillige Helfer verhaftet wurden und es immer wieder Massaker gab, auch von Seiten der Zivilisten.

Ruanda

1994 mussten Delegierte von MSF in Ruanda in die dort tätige Delegation des IKRK aufgenommen werden, um sie vor der Bedrohung durch Hutu-Extremisten im Rahmen des beginnenden Völkermordes zu schützen. Die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen trugen dabei das Emblem des Roten Kreuzes und erklärten sich bereit, nach den Einsatzregeln des Roten Kreuzes tätig zu sein, da dies im Rahmen der örtlichen Gegebenheiten der einzige effektive Schutz vor einer möglichen Ermordung war. Die Vorgehensweise von MSF, Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu thematisieren und humanitäre Hilfe dadurch effektiver zu gestalten, war in diesem Einsatz an ihre Grenzen gestoßen.

Beide Organisationen konnten erreichen, dass alle wichtigen Krankenhäuser im ruandischen Kigali während der schlimmsten Phase des Völkermordes betriebsfähig blieben. Zusammen mit insgesamt 37 anderen humanitären Organisationen wurde Ärzte ohne Grenzen ein Jahr später aus Ruanda ausgewiesen, obwohl viele Freiwillige von Ärzte ohne Grenzen und des Roten Kreuzes zusammen unter den Einsatzregeln des Roten Kreuzes arbeiteten, die besagen, dass Neutralität oberste Priorität haben solle. Allerdings hatte Ärzte ohne Grenzen zuvor das Blutbad durch ruandische Truppen im Vertriebenenlager Kibeho kritisiert. Diese Ereignisse führten innerhalb der Organisation zu einer Debatte über den Widerspruch, einerseits für humanitäre Hilfe zuständig zu sein und auf der anderen Seite die Rolle des Augenzeugen zu übernehmen.

Als Reaktion auf den Einsatz in Ruanda näherte sich die Position der Organisation bezüglich der Neutralität an die des Roten Kreuzes an. Dies war eine bemerkenswerte Entwicklung angesichts des Anlasses und der Umstände, die zur Gründung von MSF geführt hatten.

Das Rote Kreuz verlor 56 Mitarbeiter, und Ärzte ohne Grenzen fast hundert ihrer jeweiligen lokalen Belegschaften in Ruanda, woraufhin die französische Sektion beschloss, ihr Team aus dem Land zu schaffen. Dabei war die lokale Belegschaft gezwungen, im Land zu bleiben. Allerdings gab sie die Morde bekannt und verlangte, dass ein Eingreifen der französischen Streitkräfte den Völkermord stoppen solle. Ebenso gab sie in den Medien die Parole „Man kann mit Ärzten allein keinen Völkermord verhindern“ bekannt.

Nicht einmal einen Monat später folgte die umstrittene Opération Turquoise. Dieses Eingreifen resultierte entweder direkt oder indirekt aus den Wanderungen der ruandischen Flüchtlinge nach Zaire und Tansania, die auch als „Flüchtlingskrise in der Region der großen Seen“ bekannt wurden und später Cholera-Epidemien, Hungertode und andere Formen des Massensterbens zur Folge hatten.

Kasachstan/Usbekistan, Nigeria, Afghanistan und Sierra Leone

In den späten neunziger Jahren führte die Organisation Einsätze im Gebiet des Aralsees durch. Dort litten viele Menschen unter Tuberkulose, Cholera, AIDS, Anämie, drogenbedingten Krankheiten und Unterernährung.

Während einer Meningitis-Epidemie, die im Jahr 1996 25.000 Tote forderte, impfte MSF insgesamt drei Millionen Nigerianer. 2009 sollen in ihrem bisher größten Impfprogramm acht Millionen Menschen vor der endemisch in der Sahelzone auftretenden Krankheit geschützt worden sein.<ref>Dominic Johnson: Epidemie ohne Aufmerksamkeit. In: taz, 4. Mai 2009.</ref>

1997 prangerte sie die Weigerung der Taliban an, eine Gesundheitsvorsorge für Frauen einzuführen.

Ein bedeutender Feldeinsatz von Ärzte ohne Grenzen in den späten neunziger Jahren war in Sierra Leone, wo 1991 bis 2002 Bürgerkrieg herrschte. 1998 begannen Freiwillige, bei chirurgischen Eingriffen in Freetown zu helfen, um der wachsenden Anzahl der Amputationen Abhilfe zu schaffen, und Statistiken über Zivilisten (Männer, Frauen, Kinder) zu sammeln, die für sich in Anspruch nahmen, die ECOWAS Monitoring Group zu vertreten. In Sierra Leone reisten marodierende Gruppen von den RUF-Rebellen zwischen den Dörfern umher und hackten systematisch den Bewohnern Gliedmaßen ab, vergewaltigten Frauen, schossen Familien nieder, zerstörten Häuser und zwangen Überlebende, die Region zu verlassen. Langfristige Projekte, die nach dem Ende des Bürgerkriegs folgten, sahen unter anderem die Behandlung von Phantomschmerzen nach den gewaltsamen Amputationen vor.

Kosovo

Obwohl Ärzte ohne Grenzen seit 1993 in der Region Kosovo gearbeitet hatte, verursachte der Beginn des Kosovo-Krieges einen Flüchtlingsstrom, dessen Anzahl an Flüchtlingen im fünfstelligen Bereich lag, und ebenso einen Rückgang angemessener Lebensbedingungen. Ärzte ohne Grenzen stellte den Opfern der NATO-Bombardierung Unterkünfte, Wasser und Gesundheitsversorgung zur Verfügung. Während des Einsatzes im Kosovo kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der MSF-Zentrale und der griechischen Sektion der Organisation. Grund dafür war ein Hilfseinsatz der griechischen Sektion mit Unterstützung der griechischen Regierung, bei dem auch serbische Flüchtlinge versorgt wurden. Für diesen Einsatz hatte die griechische Sektion der serbischen Regierung gegenüber Garantien gegeben, die der Dachverband nicht mittragen wollte, da sie den Prinzipien der Organisation zuwiderliefen.<ref>Hellenic Link – Midwest (PDF-Datei; 117 kB)</ref> Am 12. Juni 1999 wurde die griechische Sektion deswegen aus der Organisation ausgeschlossen.<ref>Serbische Tageszeitung: Kažnjeni zbog Srba (Bestraft wegen der Serben). In: Glas javnosti, 21. Oktober 1999, Übersetzung von Google</ref><ref>Anfrage im Europäischen Parlament wegen des Ausschlusses der griechischen Sektion aus MSF, 17. Dezember 1999</ref> Erst 2005 wurde der griechische Verband wieder in die Organisation aufgenommen.

Afrika

Die Organisation ist seit Jahrzehnten in Afrika aktiv. Manchmal war sie alleiniger Garant für eine Gesundheitsvorsorge, Nahrungs- und Wasserversorgung. Sie hat ständig versucht, die Berichterstattung in den Medien über die dortige Situation aufzuklären, um dadurch schließlich die internationale Unterstützung zu erhöhen. Dennoch sind weiterhin langfristige Feldeinsätze notwendig. In vielen Projekten behandelt Ärzte ohne Grenzen zudem Menschen mit HIV/Aids, da nach wie vor viele Infizierte keinen Zugang zu den lebensverlängernden antiretroviralen Medikamenten haben. Ärzte ohne Grenzen kämpft zudem dafür, dass kostengünstige Generika dieser Medikamente zugänglich gemacht werden. Nähere Informationen siehe Aids in Afrika.

Die Hilfsorganisation ist seit 1985 auch in der afrikanischen Kongo-Region aktiv. Sowohl der erste als auch der Zweite Kongokrieg führte zu einer erhöhten Gewalt und Instabilität in der dortigen Region. Ärzte ohne Grenzen musste die Teams aus Bunia, der Hauptstadt der Provinz Ituri, während der dort eskalierenden Gewalt wegschaffen. Allerdings setzt sie ihre Arbeit in anderen Gebieten fort, um Zehntausenden vertriebener Zivilisten Essen zur Verfügung zu stellen sowie um Überlebende von Massenvergewaltigungen und weit verbreiteter Kämpfe zu behandeln. Die Behandlungen und die möglichen Schutzimpfungen gegen Krankheiten wie Cholera, Masern, Kinderlähmung, Marburgfieber, Schlafkrankheit, Aids und die Pest sind auch wichtig, um Epidemien vorzubeugen oder sie zumindest einzudämmen.

Ärzte ohne Grenzen ist seit 1980 in Uganda tätig und leistete Zivilisten Katastrophenhilfe während des Guerilla-Krieges, der während der zweiten Amtszeit von Milton Obote tobte. Aber die Bildung der Lord’s Resistance Army war der Anfang eines langen Feldzuges von Gewalt, der den Norden Ugandas und den Süden des Sudan in Mitleidenschaft zog. Zivilisten waren hierbei Massenhinrichtungen, -vergewaltigungen, Folter und Kindesentführungen ausgesetzt. Die entführten Kinder sollten später entweder als Sexsklaven oder als Kindersoldaten dienen. Während man sich 1,5 Millionen Menschen gegenübersah, die aus ihren Häusern vertrieben wurden, führte Ärzte ohne Grenzen Hilfsprogramme für Lager durch, in denen Opfern interner Vertreibungen sauberes Wasser, Essen und sanitäre Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden.

Asien und Amerika

Im Jahre 2001 wurden zwei Mitarbeiter entführt. Einer von ihnen wurde nach sechsmonatiger Entführung in Kolumbien unversehrt wieder freigelassen, ein weiterer Mitarbeiter in Tschetschenien kam nach einem Monat wieder frei. 2002 wurde in Dagestan der MSF-Mitarbeiter Arjan Erkel entführt und im Mai 2004 nach 20 Monaten freigelassen.

Afghanistan

Ärzte ohne Grenzen war ab 1980 in Afghanistan tätig.<ref name="">Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatVorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-FormatMitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen in Kundus getötet. 3. Oktober 2015, abgerufen am 8. Oktober 2015.</ref> Ärzte ohne Grenzen unterstützt das Gesundheitsministerium im Ahmad-Shah-Baba-Krankenhaus im Osten Kabuls, in der Frauenklinik Dasht-e-Barchi im Westen Kabuls und im Boost-Krankenhaus in Lashkar Gah in der Provinz Helmand. In Khost im Osten des Landes betreibt Ärzte ohne Grenzen eine eigene Mutter-Kind-Klinik. Ärzte ohne Grenzen verwendet für seine Arbeit in Afghanistan ausschließlich private Mittel und nimmt keinerlei Gelder von Regierungen an.

Am 2. Juni 2004 wurden in Afghanistan fünf Mitarbeiter (eine Belgierin, ein Norweger, ein Niederländer und zwei Afghanen) durch einen Angriff der Taliban getötet. MSF sieht eine der Ursachen für dieses Attentat in der bereits davor kritisierten Instrumentalisierung und dem Missbrauch humanitärer Hilfe für politische Zwecke durch die Koalitionstruppen unter US-amerikanischer Führung. So wurden zum Beispiel Afghanen mittels Flugblättern dazu aufgefordert, Informationen über die Taliban und Al-Qaida zu liefern, um weiterhin humanitäre Hilfe zu erhalten. Wegen dieses Vorfalls und des trotzdem anhaltenden Missbrauchs durch die Koalitionstruppen stellte die Organisation die Arbeit in Afghanistan am 28. Juli 2004 nach 24-jähriger Tätigkeit ein.

Im August 2011 wurde die Klinik von Ärzte ohne Grenzen in Kundus mit 55 Betten eröffnet, die bis 2015 über mehr als 90 Betten verfügte. Rund 400 afghanische und zehn internationale Mitarbeiter arbeiteten dort. Zu der Klinik kamen Patienten aus allen umliegenden Provinzen. Nachdem die Taliban die als befreit geltende Stadt Kundus Anfang Oktober 2015 wieder eingenommen hatten, versuchte die afghanische Armee, die Stadt wieder freizukämpfen. Diese Kämpfe wurden von US-Luftangriffen unterstützt. Am 3. Oktober 2015 wurden bei mehreren gezielten Luftangriffe der Streitkräfte der USA auf die Kundus-Klinik 22 Personen getötet und mehr als 30 zum Teil schwer verletzt. MSF nannte den Vorfall einen „schweren Bruch des Völkerrechts“ und forderte eine unabhängige Untersuchung. MSF-Sprecherin Christiane Winje teilte mit, es handelt sich um zwölf MSF-Mitarbeiter und zehn Patienten, darunter drei Kinder.<ref>Ärzte ohne Grenzen spricht von Kriegsverbrechen. In: spiegel.de. 4. Oktober 2015, abgerufen am 5. Oktober 2015.</ref>

Weitere Einsätze

Im Jahr 1999 sprach MSF über den Mangel an humanitärer Hilfe im Kosovo und in Tschetschenien, nachdem sie Feldeinsätze durchgeführt hatte, um denjenigen Zivilisten zu helfen, die unter der jeweiligen politischen Situation zu leiden hatten. In beiden Regionen war die jeweilige Bevölkerung in großem Maße gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen, wodurch sie unter gesundheitsschädlichen Bedingungen und unter den Gewalttaten des Kosovo-Krieges beziehungsweise des Zweiten Tschetschenienkrieges zu leiden hatte.

Ein anderes Land, in dem der Krieg die Zivilisten direkt betroffen hatte, war Kolumbien, wo die Organisation 1985 mit der Durchführung ihrer ersten Programme begann. Da fast die ganze Zeit über Kämpfe zwischen Streitkräften der Regierung, Guerilla-Gruppen wie der FARC und paramilitärischen Gruppen wie der Autodefensas Unidas de Colombia tobten, wurden Millionen von Zivilisten aus ihrer Heimat vertrieben und häusliche Gewalt und Entführungen waren weit verbreitet. Ärzte ohne Grenzen stellte aktive Beratung für Menschen zur Verfügung, die durch Gewalttaten in Bedrängnis geraten waren. Ebenso errichtete sie Anlagen zur Gesundheitsversorgung für die großen Gruppen der Vertriebenen. Mobile Kliniken dienten der Unterstützung von isolierten Gruppen.

Seit 1991 ist die Organisation in Haiti tätig. Aber seitdem der ehemalige Präsident Jean-Bertrand Aristide gestürzt worden war, gab es eine Zunahme gewalttätiger Übergriffe ebenso wie von Vergewaltigungen durch bewaffnete Gruppierungen. MSF leistete medizinische und psychologische Hilfe in den vorhandenen Krankenhäusern, wobei es aber nur eine einzige freie Praxis in der Hauptstadt Port-au-Prince gab. Ebenso kümmerte sie sich um die Opfer des Hurrikans Jeanne und versorgte Patienten, die an AIDS oder an Malaria litten. Nach dem verheerenden Erdbeben im Januar 2010 behandelte Ärzte ohne Grenzen in dem bis dahin umfangreichsten Einsatz der Geschichte Zigtausende Verletzte. Als wenige Monate später in dem zerstörten Land die Cholera ausbrach, versorgte die Organisation den Großteil aller Erkrankten in eigens dafür errichteten Cholera-Behandlungs-Zentren.

Im Jahr 2005 kritisierte Ärzte ohne Grenzen die Vereinten Nationen scharf: Man habe die Hungerkatastrophe im Niger zu spät an die Öffentlichkeit getragen. Bis heute sind Hunderttausende von der Dürre betroffen.

Struktur der Feldeinsätze

Bevor in einem Land ein Feldeinsatz durchgeführt wird, besucht ein Team von Ärzte ohne Grenzen vorab die Gegend, um die Gegebenheiten des humanitären Notfalls, den dortigen Sicherheitsgrad und die Art benötigter Hilfe zu ermitteln. Medizinische Hilfe ist das Hauptziel der meisten Einsätze, obwohl einige Einsätze vorrangig der Reinigung von Wasser und der Nahrungsversorgung dienen.

Feldeinsatz-Mannschaft

Ein Hilfseinsatz besteht gewöhnlich aus einer kleinen Anzahl von Koordinatoren, die jeden Bestandteil eines Feldeinsatzes leiten sollen, und einem Leiter der Mission. Dieser ist von allen Mitgliedern gewöhnlich der Erfahrenste, und es ist seine beziehungsweise ihre Aufgabe, mit den Medien, den Regierungen der jeweiligen Länder oder anderen humanitären Organisationen zu verhandeln.

Unter den Freiwilligen in der medizinischen Versorgung sind Ärzte, Krankenschwestern und zahlreiche andere Fachleute. Bei den meisten Einsätzen setzt sich das Team aus lokalen und internationalen Mitarbeitern zusammen.

Obwohl diese Freiwilligen in der medizinischen Versorgung fast immer die meiste Aufmerksamkeit in den Medien erhalten, wenn die Welt von den Feldeinsätzen von Ärzte ohne Grenzen erfährt, gibt es eine Reihe Freiwilliger außerhalb der medizinischen Versorgung, die dafür sorgen, dass der Feldeinsatz funktionsfähig bleibt. Die Logistiker sind oft die wichtigsten Mitglieder einer Mannschaft. Sie sind für alles verantwortlich, was von der medizinischen Ausrüstung, die im Einsatz benötigt wird, von der Auswahl von Sicherheitstechnik und Fahrzeugen bis zur Nahrungs- und Elektrizitätsversorgung reicht. Sie können als Ingenieure oder Vorarbeiter tätig sein, aber gewöhnlich helfen sie dabei mit, Behandlungszentren aufzubauen oder lokale Belegschaften zu beaufsichtigen. Andere Gruppen außerhalb der medizinischen Belegschaft sind Fachleute für Wasser und Hygiene (meist erfahrene Ingenieure im Bereich Wasser) und Finanz- oder Verwaltungsexperten, die bei Feldeinsätzen eingesetzt werden.

Medizinische Bestandteile

Impfkampagnen sind ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung der Einsätze von Ärzte ohne Grenzen. Krankheiten wie Diphtherie, Masern, Meningitis, Tetanus, Pertussis, Gelbfieber, Kinderlähmung und Cholera, die in wohlhabenden Staaten selten sind, kann man durch Impfungen vorbeugen.

Einige dieser Krankheiten wie Cholera und Masern breiten sich bei hoher Bevölkerungsdichte, etwa in Flüchtlingslagern, rasch aus. Die dort untergebrachten Menschen müssen zu Hunderten oder gar Tausenden innerhalb kürzester Zeit geimpft werden.

Ein weiterer Teil der medizinischen Versorgung während der Einsätze besteht in der Behandlung von Menschen mit HIV/Aids. Für viele Länder in Afrika, deren Einwohner weltweit die Mehrheit der mit HIV Infizierten bilden, ist Ärzte ohne Grenzen oft die einzige Anlaufstelle für die Behandlung von HIV/Aids.

In den meisten Ländern fördert Ärzte ohne Grenzen außerdem lokale Krankenhäuser, indem zum Beispiel die Hygiene verbessert wird, zusätzliche Ausstattung und Medikamente zur Verfügung gestellt werden und die lokalen Belegschaften der Krankenhäuser fortgebildet werden. Wenn die lokale Belegschaft mit den Patienten zahlenmäßig überfordert ist, ist Ärzte ohne Grenzen in der Lage, neue Fachkliniken zur Behandlung endemischer Krankheiten oder für chirurgische Eingriffe bei Kriegsopfern zu errichten. Eröffnet werden diese Kliniken zwar mit ausländischen Mitarbeitern, Ärzte ohne Grenzen bemüht sich jedoch, durch entsprechende Anleitung und Weiterbildungsmaßnahmen den Betrieb dieser Kliniken in zunehmendem Maße in die Hände von lokalen Mitarbeitern zu geben.

In einigen Ländern wie Nicaragua bietet die Organisation öffentliche Aufklärung an, um das Bewusstsein über Gesundheitsvorsorge und die Verbreitung sexuell übertragbarer Erkrankungen zu erhöhen.

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Kind im Biafra-Krieg, das an Kwashiorkor leidet, einer Krankheit, die infolge von Unterernährung entsteht

Ernährung

Wenn Ärzte ohne Grenzen einen Einsatz durchführt, gibt es oft Situationen, in denen zumindest in Teilen oder sogar in sehr starkem Maße Mangelernährung als Folge von Krieg, Dürre oder schlechter Verwaltung von Seiten der Regierung herrscht. Während eines Krieges wird absichtliches Herbeiführen von Hunger manchmal auch als Waffe verwendet, und zusätzlich zur Essensversorgung ruft die Organisation die jeweilige Situation in das Bewusstsein der Menschen und besteht auf dem Eingreifen ausländischer Regierungen. Ansteckende Krankheiten und Durchfall, die beide Gewichtsverlust und die Schwächung eines menschlichen Körpers, besonders bei Kindern, verursachen, müssen mit Medikamenten und angemessener Ernährung behandelt werden, um weiteren Infektionen und Gewichtsverlusten vorzubeugen. Eine Kombination der oben genannten Szenarien, also wenn ein Bürgerkrieg in Dürrezeiten tobt und ansteckende Krankheiten ausbrechen, kann zur Hungersnot führen.

In Notfallsituationen, in denen Mangel an nährstoffreichem Essen, aber trotzdem keine wirkliche Hungersnot herrscht, ist eine Protein-Unterernährung unter jungen Kindern am geläufigsten.

  • Marasmus, eine Form von Kalorienmangel, ist die häufigste Form von Unterernährung während der Kindheit und zeichnet sich durch eine erhebliche und oft auch verhängnisvolle Schwächung des Immunsystem aus.
  • Kwashiorkor, eine Form von Energie- und Proteinmangel, ist eine wesentlich gefährlichere Art von Unterernährung. Sie tritt vor allem bei jungen Kindern auf und kann schlimme Auswirkungen auf die körperliche Entwicklung haben.

Beide Arten von Unterernährung können dazu führen, dass sich mögliche Infektionen fatal auswirken.

Zur Behandlung von Marasmus und Kwashiorkor gibt es zwei Methoden: die stationäre Behandlung des Patienten im therapeutischen Ernährungszentrum oder die Behandlung im Haus der Familie, die sogenannte häusliche Pflege. Letztere ist eine Neuerung in der Behandlung von schwerer Unterernährung, die gegenüber den bislang üblichen Ernährungszentren entscheidende Vorteile für die Patienten und deren Familien hat. Im therapeutischen Ernährungszentrum wird durch die schrittweise Einführung spezieller Diäten auf Milchbasis (F75, F100) sowie einer Standardmedikation die Unterernährung behandelt, wodurch die gewünschte Gewichtszunahme eintritt. Die Behandlung wird dabei in zwei Phasen unterteilt:

  • Die erste Phase diente der medizinischen Stabilisierung des Patienten und der Wiedererlangung des Appetits und dauert meist ein bis zwei Tage. In dieser Zeit werden alle drei Stunden Milchmahlzeiten (F75) gereicht.
  • In der zweiten Phase von zwei bis vier Wochen wird die rasche Gewichtszunahme zum Normalgewicht durch Einsatz einer zweiten therapeutischen Milch (F100) erreicht. Für die gesamte Behandlung ist neben dem Patienten auch immer die Mutter oder ein anderes Familienmitglied zur Pflege anwesend.

Durch die Entwicklung einer mit Nährstoffen angereicherten therapeutischen Fertignahrung, die sofort verzehrfähig ist kann die Behandlung von schwerer Unterernährung bei den meisten Patienten auch zu Hause durchgeführt werden. Nach der Aufnahme ins Programm wird wöchentlich bei einem ambulanten medizinischen Check-up der Gewichtszuwachs bewertet und eine in verzehrfähiges Tütenformat verpackte Ration Erdnusspaste für die nächste Woche ausgehändigt. Bei medizinischen Komplikationen erfolgt zur Stabilisierung ein Krankenhausaufenthalt (Ernährungszentrum) mit dem Ziel schnellstmöglicher Entlassung in häusliche Pflege. Die Behandlung in häuslicher Pflege dauert in der Regel länger (total ca. sechs bis acht Wochen) als im therapeutischen Ernährungszentrum. Sie kann jedoch problemlos in den Arbeitsalltag der Familie integriert werden und zerstört nicht die Familienstrukturen.

Um den Ernährungszustand einer großen Menschengruppe schnell feststellen zu können, wird häufig der so genannte MUAC-Test angewendet.

Wasser und Hygiene

Sauberes Wasser ist die Grundlage für Hygiene, zur Verwendung als Trinkwasser und für Ernährungsprogramme, zum Beispiel zur Zubereitung von therapeutischer Trockenmilch und Haferbrei, sowie zur Vermeidung der Ausbreitung von Krankheiten, die durch unsauberes Wasser entstehen. Deshalb mussten Wasseringenieure und Freiwillige von Ärzte ohne Grenzen einen Weg finden, um sauberes Wasser zu produzieren. Dies wird gewöhnlich durch die Reinigung sowie den Um- und Ausbau bestehender Brunnen erreicht. Die Reinigung von Wasser erfolgt in solchen Situationen oftmals durch Lagerung zur Sedimentation und eine anschließende Filtration und Behandlung mit Chlor. Der tatsächliche Ablauf ist jedoch von den entsprechenden Umständen und vorhandenen Mitteln abgängig.

Hygiene ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil von Feldeinsätzen. Deshalb wird eine lokale medizinische Belegschaft hin und wieder über richtige Sterilisationsverfahren, Errichtung von Kläranlagen, und richtige Abfallwirtschaft unterrichtet. Ebenso wird die Bevölkerung über körperliche Hygiene informiert. Korrekte Reinigung von Abwasser und Wasserhygiene haben sich als die effektivsten Möglichkeiten erwiesen, bestimmte Infektionskrankheiten zu vermeiden. Einfache Abwassersysteme können durch Freiwillige installiert werden, um Trinkwasser vor der Verunreinigung zu bewahren. Abfallbeseitigung kann dadurch ermöglicht werden, dass Löcher für normalen Abfall gegraben werden und medizinischer Abfall verbrannt wird. Das wichtigste Augenmerk bei der Hygiene besteht aber darin, die lokalen Bewohner darüber zu unterrichten, mit Abfall und Wasser richtig umzugehen. Dadurch wird die Bevölkerung in die Lage versetzt, auch nach dem Abzug von MSF weiterhin eigenverantwortlich die entsprechenden Tätigkeiten durchzuführen.

Statistiken

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Länder, in denen Ärzte ohne Grenzen Missionen unterhält

Um dem Rest der Welt und den Regierungspersonen den Zustand eines humanitären Notfalls genau zu dokumentieren, werden während eines jeden Feldeinsatzes Daten gesammelt. Die Rate der unterernährten Kinder wird verwendet, um die Größenordnung der Unterernährten in der Bevölkerung zu ermitteln und um auf diese Weise herauszufinden, ob Ernährungszentren benötigt werden. Verschiedene Typen von Sterberaten werden verwendet, um den Ernst eines humanitären Notfalls zu dokumentieren; eine gebräuchliche Methode, um die Sterblichkeitsrate in der Bevölkerung zu messen, besteht darin, dass eine Belegschaft die Anzahl der Beerdigungen auf Friedhöfen ständig beobachtet. Indem Daten über die Häufigkeit von Krankheiten in Krankenhäusern erstellt werden, kann die Organisation die vermehrten Vorfälle von Epidemien zurückverfolgen und lokalisieren sowie Vorräte an Impfstoffen und anderen Medikamenten anlegen. So wurde der sogenannte Meningitis-Gürtel in Afrika südlich der Sahara geortet, da dort während der Meningitis-Saison von Dezember bis Juni weltweit die meisten Fälle von Meningitis auftreten. Verlagerungen dieses Gürtels und das Eintreffen der entsprechenden Saison können vorausgesagt werden, indem die gesamten Daten, die über viele Jahre gesammelt wurden, benutzt werden.

Zusätzlich zu den Statistiken über Epidemien führt Ärzte ohne Grenzen Volksbefragungen durch, um die Gewaltrate in verschiedenen Regionen zu ermitteln. Indem man das Ausmaß potentieller Massaker abschätzt und die Rate der Entführungen, Vergewaltigungen und Tötungen ermittelt, hat man eine empirische Basis für psychosoziale Programme zur Senkung der Selbstmordrate und zur Stärkung des Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung. Größere Migrantenströme, übermäßige zivile Todesfälle und Massaker können mengenmäßig durch Befragungen erfasst werden. Die Ergebnisse kann die Organisation z. B. dazu verwenden, Druck auf die Regierungen auszuüben, damit diese Hilfe zur Verfügung stellen.

Gefahren, denen die Mitarbeiter ausgesetzt sind

Angriffe auf Mitarbeiter, Entführungen und Verhaftungen

Neben Verletzungen und Tod, die gelegentlich durch Kugeln, Minen und epidemische Krankheiten entstehen, werden Helfer von Ärzte ohne Grenzen aus politischen Gründen manchmal angegriffen oder entführt. Da humanitäre Hilfsorganisationen in einigen Ländern während eines Bürgerkriegs arbeiten, laufen sie häufig Gefahr, als „Helfer des Feindes“ betrachtet zu werden, wenn ein Hilfseinsatz ausschließlich für Opfer einer Seite des Konflikts initiiert wurde. Auch der „Krieg gegen den Terror“ hat in einigen Ländern, die von den USA besetzt werden, die Haltung hervorgebracht, dass Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen mit der „Koalition der Willigen“ verbündet sind oder gar für sie arbeiten. Seitdem die USA ihre Kriegseinsätze als „humanitäre Aktionen“ bezeichnen, waren einige unabhängige Hilfsorganisation gezwungen, ihre Position zu verteidigen oder sogar ihr Personal abzuziehen.

Die Sicherheitssituation in einigen Städten Afghanistans und im Irak hat sich seit dem Einmarsch der USA in diesen Ländern stetig verschlechtert. Daraufhin hatte Ärzte ohne Grenzen für sich festgestellt, dass ihnen Hilfeleistungen in diesen Ländern zu gefährlich sind. Die Organisation sah sich am 28. Juli 2004 gezwungen, ihre Missionen aus Afghanistan zu entfernen, nachdem zuvor am 2. Juni bei Khair Khana in der Provinz Badghis fünf ihrer Mitarbeiter (die Afghanen Fasil Ahmad und Besmillah, die Belgierin Helene de Beir, der Norweger Egil Tynæs und der Niederländer Willem Kwint) von Unbekannten aus dem Hinterhalt getötet wurden.

Verhaftungen und Entführungen von Mitarbeitern sind in politisch instabilen Regionen möglich. In einigen Fällen sind Missionen von MSF ganz aus dem Land verwiesen worden. Arjan Erkel, der Anführer des Einsatzes in Dagestan im Nordkaukasus, wurde entführt und an einem unbekannten Ort von unbekannten Entführern vom 12. August 2002 bis zum 11. April 2004 als Geisel gehalten.

Paul Foreman, Leiter der Sektion in den Niederlanden, wurde im Mai 2005 im Sudan verhaftet. Er hatte die Herausgabe von Dokumenten abgelehnt, die benutzt werden sollten, um einen Bericht über Vergewaltigungen durch die regierungsfreundlichen Milizen der Dschandschawid zu erstellen (siehe Konflikt in Darfur). Foreman führte die Privatsphäre der betroffenen Frauen an. Ärzte ohne Grenzen war überzeugt, dass die sudanesische Regierung ihn verhaftet hatte, weil ihr die schlechte Publicity durch diesen Bericht missfiel.

Angriffe auf Krankenhäuser und auf Transporte

In Krisen- und Kriegsregionen sind die Mitarbeiter der Hilfsorganisation durch Angriffe auf Krankenhäuser und medizinische Transporte gefährdet. Das belegen die folgenden Zwischenfälle von 2015.

Am 3. Oktober 2015 bombardierte die U.S. Air Force das Krankenhaus der Ärzte ohne Grenzen in Kundus, dabei wurden mindestens 19 Menschen, darunter 7 Patienten, getötet. Drei der Toten waren noch Kinder. Die UNO verurteilte den Angriff scharf, er stelle möglicherweise ein Kriegsverbrechen dar.<ref>19 Tote bei US-Angriff auf Klinik in Afghanistan. In: sueddeutsche.de. Abgerufen am 4. Oktober 2015.</ref> Die genaue Lage des Krankenhauses war den Kombattanten bekannt.<ref>US-Luftangriff auf Klinik in Kundus. Zahl der Todesopfer steigt auf 16. In: focus.de. 3. Oktober 2015, abgerufen am 4. Oktober 2015: „…sei die genaue Lage der Klinik mit GPS-Koordinaten an alle Konfliktparteien kommuniziert worden, auch an Kabul und Washington…“</ref>

In August 2015 wurden nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen im Nordwesten Syriens im Verlauf von vier Tagen Luftangriffe auf neun Krankenhäuser geführt, darunter drei von ihrer Organisation unterstützte Krankenhäuser, wodurch es zu elf toten Zivilisten und 31 Verletzten gekommen sei.<ref>Bürgerkrieg: Dutzende Tote bei Luftangriffen auf Krankenhäuser in Syrien. Spiegel online, 29. Oktober 2015, abgerufen am 3. November 2015.</ref><ref>Syria: Airstrikes on nine hospitals in Idlib province, 11 civilians killed and 31 wounded. MSF, 14. August 2015, abgerufen am 3. November 2015.</ref> Zwischen Ende September 2015 und Ende Oktober 2015 hätten Luftangriffe auf zwölf Krankenhäuser im Norden Syriens, darunter sechs durch Ärzte ohne Grenzen unterstützte Einrichtungen, mindestens 35 syrische Patienten und medizinisches Personal getötet und 72 Personen verletzt.<ref>Syria: Massive displacement in Northern Syria as violence escalates and intensifies. MSF, 29. Oktober 2015, abgerufen am 3. November 2015.</ref>

Am Abend des 26. Oktober 2015 sei ihre Klinik in Sa'da im Norden des Jemen bei mehreren Luftangriffen getroffen worden, während etliche Mitarbeiter und Patienten in dem Gebäude waren. Auch diesen Vorfall verurteilte die UNO. Laut westlichen Medienberichten geht man davon aus, dass diese Angriffe von der arabischen Militärkoalition durchgeführt wurden.<ref>UN-Generalsekretär verurteilt Luftangriff auf Klinik im Jemen. Die Welt, 28. Oktober 2015, abgerufen am 2. November 2015.</ref>

Kampagne für den Zugang zu unentbehrlichen Arzneimitteln

Die Kampagne für den Zugang zu unentbehrlichen Arzneimitteln (Campaign for access to essential Medicins) wurde 1999 in die Wege geleitet, um den Zugang zu lebensnotwendiger Medizin in Entwicklungsländern zu verbessern. Jährlich starben damals 15 Millionen Menschen an behandelbaren Infektionskrankheiten<ref>Medikamente – Ein Recht für alle. In: aerzte-ohne-grenzen.at</ref><ref>Hermann Lueer: Warum verhungern täglich 100.000 Menschen?: Argumente gegen die Marktwirtschaft. MV-Verlag, 2007, ISBN 3-86582-517-6, S. 17.</ref> (Heute sterben daran jährlich 17 Millionen.<ref>Pharmakonzerne und „Dritte Welt“. In: tropenwaldnetzwerk-brasilien.de</ref>) Als unentbehrliche Arzneimittel werden diejenigen Medikamente bezeichnet, die benötigt werden, um die dringlichsten Bedürfnisse der Bevölkerung zur medizinischen Versorgung zu befriedigen. Allerdings sind viele Krankheiten, die in Entwicklungsländern häufig auftreten, in den wohlhabenden Ländern fast ausgestorben; daher halten die Pharmaunternehmen die Herstellung dieser Medikamente oft für unrentabel und erhöhen dementsprechend die Preise, entwickeln die Medikamente nicht mehr weiter oder stellen zum Teil die Produktion dieser Präparate ganz ein. Für andere Krankheiten wie z. B. HIV/AIDS die auch in Industrieländern wichtig sind, gibt es oft wirkungsvolle Medikamente, die aber aufgrund des internationalen Patentrechts für Menschen in Entwicklungsländern oft unbezahlbar sind. Der Organisation Ärzte ohne Grenzen haben während der Feldeinsätze daher oft wirksame und bezahlbare Medikamente gefehlt, so dass diese Kampagne gestartet wurde, um auf Regierungen und Pharmaunternehmen Druck auszuüben, damit eine angemessene Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Medikamenten finanziert werden kann.

Schiffe

Für die Rettung von Schiffbrüchigen charterte MSF mehrere Schiffe. Seit 2015 ist die Bourbon Argos im Mittelmeer in Einsatz. Mit dem Schiff Phoenix der Organisation Migrant Offshore Aid Station (MOAS) bestanden enge Kontakte. An Bord des Schiffes war auch ein Team von Ärzte ohne Grenzen. Der Einsatz des Schiffes wurde gemeinsam mit MOAS durchgeführt und finanziert. Im September 2015 beendeten MOAS den Einsatz des Schiffes im Mittelmeer, um in Südostasien Menschen aus Seenot zu retten.

Literatur

  • Elliott Leyton, Greg Locke: Touched By Fire: Doctors Without Borders in a Third World Crisis. McClelland & Stewart, Toronto 1998, ISBN 0-7710-5305-3.
  • Dan Bortolotti: Hope in Hell: Inside the World of Doctors Without Borders. Firefly Books Ltd, Richmond Hill 2006, ISBN 1-55407-142-9.
  • David Morley: Healing Our World: Inside Doctors Without Borders. Fitzhenry & Whiteside Limited, Calgary 2006, ISBN 1-55041-565-4.
  • Petra Meyer (Hrsg.): Schmerzgrenzen: Unterwegs mit Ärzte ohne Grenzen. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2008, ISBN 3-579-06979-9.
  • Kimberly S. Greenberg: Humanitarianism in the Post-Colonial Era: The History of Médecins Sans Frontières. In: The Concord Review. Vol: 13:2 (2002), The Concord Review Inc., Sudbury MA, S. 57–92.

Film

  • Mit offenen Karten. Ärzte ohne Grenzen: Vom Handeln zum Reden. Dokumentarfilm, Frankreich, 2011, 12 Min., Regie: Frédéric Lernoud, Moderation: Jean-Christophe Victor, Produktion: arte France, Filminformationen von ZDFneo.

Weblinks

Commons Commons: Ärzte ohne Grenzen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />

24px Dieser Artikel wurde am 17. September 2006 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.
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