Amazonen


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25px Dieser Artikel behandelt das mythische Volk – zu anderen Bedeutungen siehe Amazon (Begriffsklärung).
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Amazone. Von einer Marmor­statue in Dresden (Illustration 1875)

Als Amazonen (altgriechisch Ἀμαζόνες Amazones) werden in griechischen Mythen und Sagen einige Völker bezeichnet, bei denen Frauen „männergleich“ in den Kampf zogen.<ref>Erstmals so beschrieben bei Homer, Ilias 3, 189: ἀντιάνειραι, „Männern gewachsen“.</ref> Antike Autoren verorten Amazonen-Völker in verschiedene Regionen, die am Schwarzen Meer lagen, das noch im 5. nachchristlichen Jahrhundert Amazonenmeer genannt wurde: im oder nördlich des Kaukasusgebiets, vor allem aber im nordanatolischen Teil des Pontosgebiets, in dem ihre Hauptstadt Themiskyra (am Thermodon) gelegen haben soll. Auch in Karien und Lykien sowie in Libyen sollen Amazonen gelebt haben. Es wird von Amazonenköniginnen und Stadtgründerinnen berichtet. Dabei werden Amazonen immer als Normal­sterbliche beschrieben; oft werden sie in Kämpfen besiegt, stellenweise werden ihre Grabstätten genannt.
Zahlreiche Werke der griechischen Kunst stellen bevorzugt auf Vasen ab ca. 550 v. Chr. Amazonen als wagemutige Kämpferinnen und Reiter­kriegerinnen dar. Im 4. vorchristlichen Jahrhundert waren Darstellungen des „Amazonenkampfes“ (Amazonomachie) beliebt. Zwei Waffen sind den Darstellungen von Amazonen ab dem letzten Drittel des 5. Jahrhunderts v. Chr. eigentümlich: die Doppelaxt, auch als Labrys oder Amazonenaxt bezeichnet, sowie ein kleiner, halbmondförmiger Schild, die Pelte. Ihre typische Kleidung besteht aus einem kurzen Chiton, der oft die rechte Brust unbedeckt lässt.<ref name="Imhoof-Blumer 1907-17" />

Griechische Mythologie, Geschichtsschreibung und Dichtung

Eines der ältesten schriftlich festgehaltenen Werke Europas, die Ilias des antiken Dichters Homer (vermutlich 8. Jahrhundert v. Chr.), schildert zwei Ereignisse, die sich vor dem Trojanischen Krieg ereigneten und bei denen Amazonen in Erscheinung traten. Homer setzte die Mythen und Sagen um die Amazonen als bekannt voraus, folglich gab es sie schon vor seiner Zeit:

  1. Im Zusammenhang mit dem Bellerophon-Mythos kämpft der griechische Held Bellerophon, Großvater der vor Troja kämpfenden Brüder Glaukos und Sarpedon, bei seinem Aufenthalt in Lykien unter anderem gegen Amazonen.<ref name="Ilias-6-186" />
  2. Priamos, der König von Troja (Ilion), kämpft in seiner Jugend auf Seiten der Phryger, als diese am Fluss Sangarios von Amazonen angegriffen werden.<ref name="Ilias-3-184" />
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Karte des Kaukasus-Gebirges mit den Sied­lungs­gebieten von Sarmaten und rechts oben der Amazonen (anonymer Kupferstich aus London, um 1770)

Im Epos Aithiopis, das an die Dichtungen Homers anschließt und dessen Original vermutlich von Arktinos von Milet stammt, aber nicht erhalten ist, wird folgendes Ereignis berichtet: Während des Trojanischen Krieges, als die Amazonen bereits nicht mehr so mächtig waren, sollen sie unter ihrer Königin Penthesilea den Trojanern zu Hilfe gekommen sein und die Griechen in arge Bedrängnis gebracht haben. Mit großen Anstrengungen und durch das Eingreifen des Helden Achill siegten die Griechen. Penthesilea fiel im Kampf gegen den beinahe unverwundbaren Achill.<ref name="Kerenyi 1984-273" />

Der Historiker Herodot schrieb im 5. Jahrhundert v. Chr. in seinen Historien, dass die zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer ansässigen Sauromaten (Vorgänger der Sarmaten) aus einer Vermischung von Skythen und Amazonen entstanden seien.<ref name="Herodot 4-21–117" /> Herodot beschrieb auch aus seiner Sicht ungewöhnliche Bräuche der Lykier, die in Südwest-Kleinasien lebten.<ref name="Herodot 1-173" /> Die Lykier benannten sich noch zu Herodots Zeit nach ihren Müttern, hatten also eine matrilineare Abstammungsregel. Außerdem richtete sich der Status eines Kindes nach dem Ansehen seiner Mutter. War sie aus dem Bürgerstand, bekamen automatisch auch ihre Kinder Bürgerrechte, selbst wenn der Vater ein Sklave war. War ihre Mutter hingegen unfrei, so bekamen auch die Kinder keine Bürgerrechte, selbst wenn der Vater ein angesehener Bürger war. Dies deutet auf eine hohe Stellung der Frau in dem Teil Lykiens, den Herodot bereiste. Die mutterrechtlichen Regelungen könnten Herodot auf die Idee gebracht haben, es handele sich hierbei um Nachfahren des mythischen Volkes der Amazonen.

In einer angeblich vom athenischen Logographen Lysias Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. verfassten Grabrede für Gefallene im Korinthischen Krieg heißt es, dass die Amazonen einst Töchter des Mars gewesen seien, am Thermodon lebten und im Gegensatz zu ihren Nachbarvölkern bereits Waffen aus Eisen benutzten. Letzteres sowie der Umstand, dass sie die ersten gewesen seien, die auf Pferden ritten, verschaffte ihnen gegenüber ihren Nachbarvölkern Vorteile, die sie - gepaart mit ihrem heldenhaften Mut, mit dem sie Männern glichen - nutzten, große Gebiete zu unterwerfen. Ein Angriff auf Athen endete jedoch für die Amazonen mit einer Niederlage.<ref>Lysias 2, 4-7.</ref>

In der Argonautensage, deren älteste vollständig erhaltene Version Apollonios von Rhodos im 3. Jahrhundert v. Chr. verfasste, wagen die Argonauten auf dem Weg nach Kolchis nicht, an bestimmten Abschnitten der kleinasiatischen Schwarzmeerküste anzulegen, an denen die Amazonen gelebt haben sollen.

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Amazone in Hosen mit Schild und Köcher (attisches Alabastron, um 470 v. Chr.)

Der Geschichtsschreiber Diodor hielt sich im 1. Jahrhundert v. Chr. längere Zeit in Ägypten auf. Er schrieb über Amazonen in Nordwest-Afrika, die lange vor den kleinasiatischen Amazonen gelebt und unter ihrer Königin Myrina ganz Nordafrika unterworfen haben sollen.<ref name="Diodor 3-52" /> Diese libyschen Amazonen wurden bereits von Herodot erwähnt. In einem späteren Abschnitt seines Werks hielt Diodor die Unterscheidung zwischen kleinasiatischen und libyschen Amazonen nicht aufrecht. So sollen es kleinasiatische Amazonen gewesen sein, die einige Inseln der Ägäis angriffen und später Athen belagerten.

Der Geograph und Historiker Strabon schreibt gegen Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. in seiner Geographie, die Hauptstadt der Amazonen sei Themiskyra am Fluss Thermodon im kleinasiatischen Teil des Pontos-Gebiets gewesen. Er zweifelt dabei insbesondere Schilderungen an, die Amazonen hätten viele Völker unterworfen und sogar Athen angegriffen. Strabon kritisiert ferner, dass die alten Quellen keine oder nur unglaubwürdige Auskünfte darüber gäben, wohin die Amazonen gezogen sind, nachdem sie aus dem Gebiet um den Thermodon vertrieben wurden.<ref>Strabon, Geographie 11, 5, 4.</ref> Auch zweifelt er stark an den Berichten, dass die Amazonenkönigin Thalestris Alexander den Großen aufgesucht haben soll, da sie sich insbesondere bezüglich der Herkunft der Amazonenkönigin widersprächen und die „glaubwürdigsten“ Autoren diese Sage nicht erwähnten<ref>Strabon, Geographie 11, 5, 4.</ref>. An anderer Stelle seines Werks geht Strabon ausführlich auf Amazonen ein, die im nördlichen Kaukasus gelebt haben sollen, nach älteren Quellen, die Strabon zitiert, nördlich der kaukasischen Albaner oder als Nachbarn der Gargarier, in Keraunien.<ref>Strabon, Geographie 11, 5, 1.</ref> Die Amazonen in dieser Region würden die meiste Zeit des Jahres unter sich leben, Ackerbau, Vieh- und Pferdezucht betreiben, auf die Jagd gehen und Kriegsgeschäfte tätigen. An zwei Monaten im Frühling würden sie sich mit den Gargariern auf einem Berg, der beide Gebiete trennt, treffen und mit ihnen bei Dunkelheit Kinder zu zeugen. Waren alle Amazonen schwanger, verließen sie die Garganer. Die aus diesen Verbindungen gezeugten Mädchen zogen die Amazonen selber auf, die Jungen übergaben sie den Gargariern.<ref>Strabon, Geographie 11, 5, 2.</ref> Die Gargarier seien laut ungenannten Quellen, auf die sich Strabon stützt, zusammen mit den Amazonen aus Themiskyra in die Gegend gewandert und anschließend von ihnen abgefallen. Nachdem man einige Zeit gegeneinander Krieg geführt hatte, schlossen sie Frieden miteinander und kamen überein, dass beide Völker für sich leben und man nur gemeinsam Kinder zeugt.<ref>Strabon, Geographie 11, 5, 3.</ref> Das Gebiet der Amazonen, die Strabon beschreibt, durchzog ein Fluss Namens Mermadalis, der im weiteren Verlauf noch andere Regionen durchfloss, bis er ins Asowsche Meer mündete<ref>ebenda</ref>.

Der Geograph Pomponius Mela berichtete um 44 n. Chr., die Amazonen lebten jenseits der Küste des Kaspischen Meeres, wo die Komaren, Massageten, Kadusier, Hyrkanier und Iberer ansässig waren.<ref>Mela, Chorographia 1, 12.</ref>

Griechische Erzählungen erwähnen auch verschiedene Inseln, auf denen zeitweise Frauen ohne Männer gelebt haben sollen. Dort hätten die Frauen nur zu bestimmten Zeiten mit Männern benachbarter Siedlungen Kontakt, um von ihnen geschwängert zu werden. Diese Frauengemeinschaften werden aber nicht durchgängig als Amazonen bezeichnet. So sollen beispielsweise die Mittelmeerinseln Lesbos und Lemnos,<ref name="Kerenyi 1984-202" /> zeitweise solche „Fraueninseln“ gewesen sein. Über die Frauen von Lemnos wurde gesagt, sie hätten sich gegen ihre Männer erhoben und im Lemnischen Frevel alle gleichzeitig ermordet.

Herakles-Mythos

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Zwei Amazonen im Kampf mit einem Griechen (Relief aus Athen, 4. Jahrhundert v. Chr.)

Im dorischen Herakles-Mythos wird die Amazonenkönigin Hippolyte von Herakles erschlagen, der ins Amazonenland aufgebrochen war, um den Zaubergürtel (oder Waffengurt) der Königin zu erlangen. Obwohl beide Seiten keine kriegerischen Absichten hatten, kam es durch ein Missverständnis zum Kampf. In dessen Verlauf tötete Herakles die Königin und einige weitere Amazonen. Aus Ehrfurcht vor dem starken Helden händigten die Amazonen Herakles den Gürtel daraufhin aus.<ref name="Kerenyi 1984-130" /> In einer anderen Version tötet Herakles sie nicht, sondern tauscht ihre gefangengenommene Schwester Melanippe gegen den Gürtel.<ref name="Stoll 1868-124" />

Theseus-Mythos

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Kampf zwischen Griechen und Amazonen (Relief auf einem Sarkophag aus Thessaloniki, 2. Jahrhundert n. Chr.)

Im ionischen Theseus-Mythos entführte Theseus, König von Athen, die Hippolyte, nahm sie mit zurück nach Athen und machte sie dort zu seiner Frau (in manchen Versionen heißt die Entführte Antiope und ist die Schwester von Hippolyte). Aus Rache drangen die Amazonen daraufhin in Griechenland ein, plünderten einige Städte an der Küste und belagerten Athen. Bei den Kämpfen wurde Hippolyte getötet. Allerdings ist eine Belagerung Athens durch kleinasiatische Stämme nicht nachgewiesen. Doch lässt ein solcher Mythos Athen in hellerem Licht erstrahlen: Es klingt ehrenvoll, in grauer Vorzeit einem Volk standgehalten zu haben, vor dem selbst die großen Heroen Respekt hatten.

Stadtgründerinnen

Es gibt eine Reihe von Gründungsmythen, in denen Amazonen eine Rolle spielen: So gründeten sie die Städte Kyme auf der Insel Euböa und Myrina auf der Insel Lemnos.<ref name="Imhoof-Blumer 1907-17" /> Die Amazone Smyrna gründete an der kleinasiatischen Küste die gleichnamige Stadt (heute Izmir) und die Amazone Anaia ihre Stadt etwa 100 Kilometer südlich, nahe der heutigen türkischen Küstenstadt Kuşadası. Der naheliegende Tempel der Artemis in Ephesos soll ursprünglich von der Amazonenkönigin Otrere erbaut worden sein.

Es war in der Antike üblich, sich bedeutungsvolle Götter, Personen, Gruppen oder Völker aus der Mythenwelt als Ahnen zu wählen, um die eigene Bedeutung zu erhöhen (Ursprungsmythen). Solche „fiktivenStammbäume (Genealogien) beriefen sich auf eine ältere Vergangenheit, als es der Wirklichkeit entsprach, ohne dadurch mit tatsächlichen historischen Personen oder Volksgruppen in Konflikt zu geraten.

Amazonenköniginnen

Verschiedene Erzählungen erwähnen Amazonen ausdrücklich als Königinnen ihres Volkes, sogar als Herrscher­dynastie; sie regieren ohne männlichen Begleiter und treten in Begleitung ihrer Kriegerinnen auf. Die berühmtesten Amazonen­königinnen sind:

  • Otrere, Geliebte des olympischen Kriegsgottes Ares, von ihm die Mutter der Hippolyte und der Penthesileia, erbaut den Tempel der Artemis in Ephesos
  • Hippolyte, Tochter von Otrere und Ares, Teil des Theseus- und des Herakles-Mythos, dort ist Antiope ihre Schwester und zu ihrem Gefolge gehört Alkippe, die einzige erwähnte Amazone mit abgelegtem Keuschheitsschwur
  • Penthesilea, tötet ihre Schwester Hippolyte bei einem Jagdunfall, kommt den schwer bedrängten Trojanern mit ihren Kriegerinnen zu Hilfe, wird von Achill besiegt, der sich in die Sterbende verliebt
  • Myrina, Leiterin einer militärischen Expedition in Libyen, besiegt die Atlanter, schließt ein Bündnis mit dem Herrscher Ägyptens und erobert weitere Städte und Inseln
  • Thalestris, die letzte namentlich genannte Amazonenkönigin, trifft 330 v. Chr. einigen Sagen nach den griechischen Eroberer Alexander den Großen; ihr Gebiet liegt am Thermodon, anderen Versionen zufolge am Kaspischen Meer

Römische und altägyptische Erzählungen

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Kämpfende Amazone (Fußboden-Mosaik aus Daphne, heutige Türkei, 4. Jahrhundert)

Kämpfe zwischen Amazonen und Griechen waren in der Kaiserzeit und der Spätantike ein beliebtes Motiv auf römischen Sarkophagen.<ref>Dazu Christian Russenberger: Der Tod und die Mädchen. Amazonen auf römischen Sarkophagen (= Image & Context. Band 13). de Gruyter, Berlin u. a. 2015, ISBN 978-3-11-029839-0 (zugleich Dissertation, Universität Zürich 2010).</ref> Der Dichter Vergil erwähnte die Amazonen und ihre Königin Penthesilea um 20 v. Chr. in seinem Epos Aeneis.<ref name="Aeneis 1-490" /> Der Biograph Sueton ließ um 110 n. Chr. Gaius Iulius Caesar in seinen Kaiserviten sagen, dass die Amazonen „einst einen großen Teil Asiens beherrschten“.<ref>Sueton, Divus Iulius 22,2.</ref>

Die altägyptische Erzählung Ägypter und Amazonen ist als Unterhaltungsroman in zwei bruchstückhaften Fassungen aus römischer Zeit auf Papyrus erhalten. Die Geschichte handelt von historischen Personen aus dem 7. Jahrhundert v. Chr.: Der ägyptische Fürst Petechonsis führte gemeinsam mit assyrischen Truppen einen Kriegszug in das „Land der Frauen“, das im Vorderen Orient lag und bis an die Grenzen Indiens gereicht haben soll. Petechonsis bekämpfte anfänglich die dortigen Amazonen, verliebte sich dann aber in ihre Königin Sarpot und unterstützte sie in einem Bündnis gegen die einfallende indische Armee. Diese Erzählung soll in Ägypten unabhängig von griechischen Einflüssen entstanden sein.<ref name="Hoffmann 2007" />

Archäologische Funde

Georgien

1927 wurde in Semo-Awtschala, nahe Tiflis in Georgien, das Grab einer 30 bis 40 Jahre alten Frau entdeckt, in dem sich neben anderen Grabbeigaben ein bronzenes Schwert, eine Speerspitze aus Eisen sowie Überreste eines Pferdekopfs befanden.<ref name="Museum-Amazonen" /> Da sich am Schädel der Verstorbenen die Spuren einer schweren Hieb- oder Stichverletzung zeigten (welche die Frau offenbar zunächst überlebt hatte), wird vom Grab einer Kriegerin ausgegangen, die womöglich auch zu Pferde kämpfte. Das Grab wird auf den Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. datiert und wäre damit das älteste bisher bekannte Grab einer Kriegerin.<ref name="Museum-Amazonen" /> Da der Fundort südlich des Kaukasus nur wenige hundert Kilometer vom angeblichen Kernland der Amazonen der griechischen Mythen entfernt ist, könnte ein Zusammenhang mit diesen bestehen.

Südrussland und Ukraine

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Verwundete Amazone, römische Kopie nach einem griechischen Original aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.

Es wird für möglich gehalten, dass die realen Vorbilder für die Amazonen bei den Griechen Stämme der Skythen und Sarmaten waren.

Der US-amerikanische Anthropologe David Anthony schreibt 2007, dass rund 20 Prozent der skythischen oder sarmatischen „Kriegergräber“ am unteren Don und der unteren Wolga weibliche Skelette enthielten, deren Kleidung der männlicher Krieger entsprach.<ref name="Anthony 2007" />

Der russische Archäologe Leonid Jablonskij und die US-amerikanische Archäologin Jeannine Davis-Kimball konnten belegen, dass es zwischen dem 6. und 3. Jahrhundert v. Chr. in Südrussland, der Ukraine und in Kasachstan Völker gab, bei denen Frauen eine gesellschaftlich hohe Stellung einnahmen und mit Waffen kämpften. Sie fanden in Südrussland und der Ukraine zahlreiche Kurgane skythischer und sarmatischer Frauen, die mit Waffen und Rüstungen begraben wurden. Ein wichtiger Fundort ist eine Nekropole bei Pokrovka. Zwischen etwa 600 und 300 v. Chr. wurden hier den weiblichen Gräbern mehr Waffenbeigaben als den männlichen beigefügt. Im letzten Drittel der Belegungsphase wurde die Gräberstadt von Sarmaten benutzt. Einige Waffen weisen Gebrauchsspuren auf, sind also wahrscheinlich benutzt worden. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Nekropole in Pokrovka um die Gräber der von Herodot genannten Sauromaten.

In weiteren Gräbern wurden 2500 Jahre alte Frauenskelette entdeckt, die anatomisch auffällig waren. Ihre Oberschenkelknochen waren gebogen und ihre Steißbeine gestaucht, sie waren also wahrscheinlich schon in jungen Jahren viel geritten; Kriegsverletzungen wurden aber an den Skeletten nicht nachgewiesen. Unter den Grabbeigaben wurden Waffen gefunden. In einem Grab fanden sich nicht nur Schmuckstücke, wie Dutzende von Goldperlen, Goldbroschen und ein Ohrring, sondern auch mehr als 110 Pfeilspitzen; die Menge der Spitzen lässt Forscher vermuten, dass es sich bei der Toten um eine berittene Kriegerin handelte.

Davis-Kimball bringt die Amazonen als Motiv in der griechischen Vasenmalerei ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. damit in Verbindung, dass die Griechen zu jener Zeit von den Skythen und Sarmaten erfuhren. Daher seien die Amazonen ähnlich den Skythen (oder auch Parthern) dargestellt worden, müssen deshalb aber nicht mit ihnen identisch sein. Es sei in der griechischen Kunst üblich gewesen, alte oder mythische Völker so darzustellen, wie zeitgenössische Völker aus ungefähr derselben Gegend bekleidet und bewaffnet waren.

Ethnologische und genetische Untersuchungen von Davis-Kimball haben ergeben, dass sich die Spuren der Amazonen möglicherweise bis in die Mongolei nachweisen lassen, wo es nach Davis-Kimballs Forschungen genetische Nachfahren der Sarmaten und Skythen geben soll.

Theorien zu Amazonenvölkern

Um den realen Kern in den Amazonenmythen ausmachen zu können, fehlen ausführliche zeitgenössische Schriftquellen. Homer erwähnt die Amazonen nur in wenigen Sätzen, assyrische Quellen liefern keinerlei Hinweise auf Amazonen.

Hethiter

Walther Leonhard stellte 1911 die These auf, die Amazonen seien mit dem Volk der Hethiter in Anatolien gleichzusetzen, da bei diesen die Frauen rechtlich den Männern gleichgestellt waren, für indogermanische Völker sehr ungewöhnlich.<ref>Walther Leonhard: Hettiter und Amazonen. Die griechische Tradition über die „Chatti“ und ein Versuch zu ihrer historischen Verwertung. Teubner, Leipzig 1911.</ref> Mit dieser Gleichsetzung wollte er zwei Probleme lösen: Einerseits waren die Hethiter ein mächtiges reales Volk, das jedoch in griechischen Quellen nicht erwähnt wird – andererseits spielten die Amazonen eine große Rolle in Schrifttum und Kunst der Griechen, sind aber weder archäologisch noch in zeitgenössischen, beispielsweise hethitischen oder assyrischen Quellen nachweisbar.

Gegen die Gleichsetzung der Amazonen mit den Hethitern spricht vor allem, dass das Kerngebiet der Hethiter eindeutig in Zentral-Anatolien lag und nicht im Pontos-Gebiet am Schwarzen Meer, außerdem zogen hethitische Frauen nachweislich nicht mit in den Kampf. Die Theorie Leonhards gilt daher als nicht haltbar. Außerdem finden sich in hethitischen Originaltexten aus den Archiven ihrer Hauptstadt Hattuša und der Hafenstadt Ugarit keinerlei Hinweise auf Amazonen oder auf Kriegerinnen. Diese Texte werden aber ins 15. bis 13. Jahrhundert v. Chr. datiert, in jene Zeit, in der die meisten griechischen Mythen spielen dürften. In hethitischen Quellen wird Kleinasien nur selten erwähnt, und es bleibt bisher ungeklärt, welche Völker dort in der späten Bronzezeit siedelten. Hethitische Texte beinhalten insgesamt nur wenige Angaben zu Sitten und Gesellschaftsstrukturen von Nachbarvölkern.

Matriarchale Völker in Kleinasien

Einige Forscher gehen davon aus, dass die Amazonenmythen auf Erinnerungen an frühere Ereignisse gründen, bei denen Griechen im kleinasiatischen Raum auf mutterrechtlich organisierte und von Frauen regierte Völker getroffen seien und in Kämpfe verwickelt wurden.<ref name="Meyer 1902" /> Solche Kontakte müssten vor dem 8. vorchristlichen Jahrhundert stattgefunden haben, da dem Dichter Homer zu jener Zeit bereits frühere Erzählungen über Amazonen bekannt sind. Ab etwa 600 v. Chr. wurde die kleinasiatische Schwarzmeerküste von den Griechen besiedelt, wobei sie auch älteren Völkern begegneten, die ihre Erbfolge über Mütter an Töchter regelten (Matri-Linearität) und bei denen der familiäre Wohnsitz bei der Frau lag (Matri-Lokalität).

Neuzeitliche Rezeption

Der große südamerikanische Amazonenstrom soll von den europäischen Entdeckern nach dortigen Amazonen-Völkern benannt worden sein (siehe Name des Amazonas).

Von den Amazonen als geschickten Reiterinnen ist das Amazonenspringen als Pferdesport von Springreiterinnen abgeleitet; Teilnehmerinnen an diesen nur Frauen vorbehaltenen Springprüfungen werden Amazone genannt (siehe auch das Berliner Bronzestandbild Amazone zu Pferde sowie die Amazone zu Pferde auf der Museumsinsel).

Von den mutigen Kriegerinnen ist die Ehrenbezeichnung Amazonen für Frauen abgeleitet, die kämpferisch und selbstbewusst für ihre Angelegenheiten eintreten oder in früheren Zeiten eingetreten sind, teilweise auch als Anführerinnen (siehe auch Gaddafis Amazonen-Garde).

Von den Sagen über Frauenherrschaft abgeleitet, wird die Bezeichnung Amazonen auch auf soziale Gruppen, Organisationen oder Gesellschaften übertragen, an denen nur Frauen teilnehmen oder in denen Frauen die alleinige Entscheidungsmacht besitzen (siehe dazu Matrifokalität, Matriarchat, Gynozentrismus).

Auch in die bildende Kunst des 20. Jahrhunderts fanden die Amazonen Eingang. Ihre Rolle in der Geschichte der Frauen machte die feministische Künstlerin Judy Chicago deutlich: In ihrer Arbeit The Dinner Party widmete sie den Amazonen eines der 39 Gedecke am Tisch.<ref>Seite des Brooklyn Museums zum Kunstwerk, abgerufen am 15. April 2014.</ref>

Siehe auch

Literatur

Nach Erscheinungsdatum:

Nacherzählungen:

Dokumentarfilme

Ausstellungen

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Amazonen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

<references> <ref name="Imhoof-Blumer 1907-17"> Friedrich Imhoof-Blumer: Die Amazonen auf griechischen Münzen. In: Hans von Fritze, Hugo Gaebler (Hrsg.): Nomisma. Untersuchungen auf dem Gebiet der antiken Münzkunde. Band 1, Olms, Darmstadt 1974, ISBN 3-487-05385-3, S. 1–18, hier S. 17–18 (Neuauflage, erstveröffentlicht 1907): „[…] der den Amazonen eigentümliche Schild, die Pelta […] Wie aus dieser Zusammenstellung der Amazonentypen auf Münzen hervorgeht, bilden die der aiolisch-ionischen Städte, die alle ihre Namen von Amazonen ableiteten, die vornehmste Gruppe. Es sind Pitane, Kyma, Myrina, Aigai, Ephesos und Smyrna, wozu noch Phokaia kommt. Unter diesen ist Kyme die einzige, die das Bild der eponymen Amazone schon in hellenistischer Zeit führte, und Smyrna diejenige, die den Typus in beinahe ununterbrochener Folge von Domitians bis Gallienus Zeit am häufigsten varriierte. […] Von den gewöhnlichen Kennzeichen der Amazonen, kurzer Chiton, der die rechte Brust nackt läßt, Doppelaxt und Pelta […] Die Turmkrone […] bildet in römischer Zeit den ständigen Kopfschmuck der Amazonen; er kennzeichnet die Trägerin nicht als Stadtgöttin, sondern als Repräsentantin der Stadt […]“. </ref> <ref name="Herodot 4-21–117"> Herodot: Historien. Buch 4, Verse 21–117. </ref> <ref name="Herodot 1-173"> Herodot: Historien. Buch 1, Vers 173. </ref> <ref name="Diodor 3-52"> Diodorus Siculus: Buch 3, Verse 52–56 (online auf myrine.at). </ref> <ref name="Ilias-6-186"> Homer: Ilias. Buch 6, Vers 186 (online bei Projekt Gutenberg-DE). </ref> <ref name="Ilias-3-184"> Homer: Ilias. Buch 3, Vers 184 (online bei Projekt Gutenberg-DE). </ref> <ref name="Kerenyi 1984-273"> Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen. Band 2: Die Heroen-Geschichten. dtv, München 1984, ISBN 3-423-01346-X, S. 273–274. </ref> <ref name="Kerenyi 1984-130"> Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen. Band 2: Die Heroen-Geschichten. dtv, München 1984, ISBN 3-423-01346-X, S. 130–131. </ref> <ref name="Kerenyi 1984-202"> Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen. Band 2: Die Heroen-Geschichten. dtv, München 1984, ISBN 3-423-01346-X, S. 202–203. </ref> <ref name="Stoll 1868-124"> Heinrich Wilhelm Stoll: Die Sagen des classischen Alterthums. Erzählungen aus der alten Welt. Teubner, Leipzig 1868, S. 124–125 (Seitenansicht in der Google-Buchsuche). </ref> <ref name="Aeneis 1-490"> Vergil: Aeneis. Buch 1, Verse 490–493 (Übersetzung von Edith und Gerhard Binder): „Den Zug der Amazonen […] führt die rasende Penthesilea, lodert inmitten Tausender; […] eine Kriegerin, und es wagt die Jungfrau, sich mit Männern im Kampf zu messen.“ </ref> <ref name="Hoffmann 2007"> Friedhelm Hoffmann, Joachim Friedrich Quack: Anthologie der demotischen Literatur (= Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie. Band 4). Lit, Berlin 2007, ISBN 3-8258-0762-2, S. 9–10 und 107. </ref> <ref name="Museum-Amazonen"> Historisches Museum der Pfalz (Hrsg.): Amazonen. Geheimnisvolle Krieger. Begleitbuch zur Ausstellung Speyer 2010/11. München 2010, S. 11. </ref> <ref name="Anthony 2007"> David W. Anthony: The Horse, the Wheel, and Language. How Bronze-Age Riders from the Eurasian Steppes Shaped the Modern World. Princeton University Press, Princeton 2007, ISBN 0-691-05887-3, S. 329 (Zitatansicht in der Google-Buchsuche). </ref> <ref name="Meyer 1902"> So beispielsweise Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Band 1,1: Einleitung. Elemente der Anthropologie. 1884, Kapitel 20: Die Frauen und Kinder. Der Rat der Alten. Soziale Gliederung. (Nachdruck von 1965 auf zeno.org): „Kriegerische Organisationen der Frauen sind aus dem Altertum überliefert […] Gleichartige Sitten müssen in Kleinasien in alter Zeit vorgekommen sein und zu den dort lokalisierten Amazonensagen, sowie zu der Sage von dem Kampf mit Athen Anlaß gegeben haben.“ </ref> <ref name="Ausstellungsinfo"> Zur Ausstellung in Speyer 2010–2011: Museumsinfo; Besprechung in der Badischen Zeitung; Historisches Museum der Pfalz (Hrsg.): Amazonen. Geheimnisvolle Kriegerinnen. Begleitbuch zur Ausstellung Speyer 2010/11. Minerva, München 2010, ISBN 978-3-938832-62-2. </ref> </references>