Breitmaulnashorn
Breitmaulnashorn | ||||||||||||
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Südliche Breitmaulnashörner in einem Nationalpark in Südafrika
Südliche Breitmaulnashörner in einem Nationalpark in Südafrika | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name der Gattung | ||||||||||||
Ceratotherium | ||||||||||||
Gray, 1868 | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Art | ||||||||||||
Ceratotherium simum | ||||||||||||
Burchell, 1817 |
Das Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum) ist ein Säugetier aus der Familie der Nashörner. Die teilweise gebrauchte Bezeichnung Weißes Nashorn leitet sich vom englischen Trivialnamen White rhinoceros ab. Die Art lebt in den Grassavannen Afrikas und stellt den einzigen noch lebenden Vertreter der Gattung Ceratotherium dar. Zudem ist das Breitmaulnashorn die größte rezente Nashornart.
Inhaltsverzeichnis
Merkmale
Allgemein
Das Breitmaulnashorn ist neben den drei Elefantenarten und dem Flusspferd eines der größten Landsäugetiere und die größte aller heute lebenden Nashornarten. Es weist eine Kopf-Rumpf-Länge von 340 bis 380 cm, eine Schulterhöhe von 150 bis 180 cm und ein Gewicht von 1,8 bis 2 t bei Kühen und von meist 1,8 bis 2,5 t bei Bullen auf. Große Bullen erreichen manchmal auch ein Gewicht von 3,6 t. Der Körper ist massig gebaut, die Gliedmaßen sind sehr breit und kurz. Markant sind der sehr tief hängende Kopf und ein mächtiger Nackenbuckel, der aus Bindegewebe und Muskulatur gebildet wird und der Kopf-Rumpf-Linie eine charakteristische Biegung gibt.<ref name="Groves 1972">Colin P. Groves: Ceratotherium simum Mammalian Species 8, 1972, S. 1–6</ref><ref name="Tomasova">Kristina Tomášová: White rhinoceros. In: R. Fulconis: Save the rhinos: EAZA Rhino Campaign 2005/6. Info Pack, London, 2005, S. 56–60</ref>
Die Körperfarbe des Breitmaulnashorns ist wie die des verwandten, ebenfalls in Afrika verbreiteten Spitzmaulnashorns (Diceros bicornis) schiefergrau. Die Haut ist durchschnittlich 2 cm dick, erreicht am Nackenbuckel aber auch bis zu 4,5 cm und ist sehr dicht.<ref>D. B. Allbrook, A. M. Harthoorn, C. P. Luck und P. G. Wright: Temperature regulation in the white rhinoceros. In: The Journal of Physiology 143, 1958; S. 51–52</ref> Sie weist nur gering ausgeprägte Falten auf, was möglicherweise mit dem dichten Unterhautfettgewebe zusammenhängt. Die meist einzige sichtbare Falte befindet sich an den oberen Enden der vorderen Gliedmaßen.<ref name="Groves 2010">P. Groves, Prithiviraj Fernando und Jan Robovsky: The Sixth Rhino: A Taxonomic Re-Assessment of the Critically Endangered Northern White Rhinoceros. PLOS ONE 5 (4), 2010, S. 1–15</ref> Außer an den Ohrrändern, den Augenlidern und am Schwanzende ist die Nashornart unbehaart. Als weitere Unterscheidungsmerkmale zum Spitzmaulnashorn hat das Breitmaulnashorn große Spitzohren und ein breites, stumpfes Maul ohne Greiffortsatz. Dabei bildet die Unterlippe eine hornige Kante, die die fehlenden Schneidezähne ersetzt und mit deren Hilfe die Tiere die Grasnahrung abreißen. Ein weiteres charakteristisches Merkmal sind die zwei Hörner auf der Nase und der Stirn, wobei das vordere in der Regel größer ist.<ref name="Groves 1972" /><ref name="Tomasova" />
Schädel- und Gebissmerkmale
Der Schädel des Breitmaulnashorns weist eine Länge von 70 bis 85 cm auf.<ref name="Groves 2010" /> Er besitzt ein lang ausgezogenes spitzwinkliges Hinterhauptsbein, was die tiefe Kopfhaltung dieser Nashornart bewirkt.<ref>Friedrich E. Zeuner: Die Beziehungen zwischen Schädelform und Lebensweise bei den rezenten und fossilen Nashörnern. Berichte der Naturforschenden Gesellschaft in Freiburg 34, 1934, S. 21–80</ref> Am Hinterhauptswulst setzt die mächtige Nackenmuskulatur zur Haltung des tiefhängenden Schädels an. Das Nasenbein ist breit und teils nach vorn gebogen.<ref name="Groves 1972" /> Die Stirnlinie weist eine deutliche Einsattelung auf.<ref name="Groves 2010" />
Der Unterkiefer ist sehr massiv, die Symphyse breit und spachtelartig geformt. Aufgrund des Fehlens der vorderen Bezahnung ist die Zahnanzahl deutlich reduziert, die Zahnformel des erwachsenen Tieres lautet: <math>\frac{0.0.3.3.}{0.0.3.3.}</math>. Allerdings sind embryonal noch Schneidezähne nachweisbar. Allgemein weisen die Backenzähne eine sehr hohe Zahnkrone auf hypsodont, der hinterste Molar wird bis zu 13 cm hoch. Der Anteil an Zahnzement ist sehr hoch.<ref name="Groves 1972" />
Hörner
Die beiden Hörner des Breitmaulnashorns bestehen aus Keratin, das aus tausenden langgezogenen Fäden (Filamente) geformt ist und eine hohe Festigkeit besitzt. Sie wachsen ähnlich wie Haare oder Fingernägel während des gesamten Lebens, auch wenn sie beschädigt werden.<ref>Tobin L. Hieronymus, Lawrence M. Witmer and Ryan C. Ridgely: Structure of White Rhinoceros (Ceratotherium simum) Horn Investigated by X-ray Computed Tomography and Histology With Implications for Growth and External Form. Journal of Morphology 267, 2006, S. 1172–1176</ref> Das vordere Horn (Nasalhorn) sitzt auf dem Nasenbein, das hintere (Frontalhorn) auf dem Stirnbein. Beide sind an ihrer Basis nicht verbunden. In der Regel besitzen sie eine konische Form und sind nicht so deutlich nach hinten gebogen wie beim Spitzmaulnashorn. Das vordere Horn ist länger und wird bis zu 100 cm lang, das längste jemals gemessene Horn wies eine Länge von 158 cm auf. Das hintere Horn ist mit 50 cm deutlich kürzer. Kühe haben meist längere und wesentlich schlankere Hörner als Bullen.<ref>Colin B. Groves: Species characters in rhinoceros horns. Zeitschrift für Säugetierkunde 36 (4), 1971, S. 238–252</ref>
Meist dient das Horn als Waffe gegen Raubtiere oder im Dominanzkampf, spielt aber auch bei der Kontaktaufnahme zu anderen Nashörnern eine wichtige Rolle. Bei der Nahrungsaufnahme wird das vordere Horn häufig über den Boden geschleift, wobei sich deutliche Abriebspuren bilden.<ref name="Groves 1972" /><ref name="Tomasova" />
Sinnesleistungen und Lautäußerungen
Der Geruchssinn ist der wichtigste Sinn des Breitmaulnashorns, bei günstiger Windrichtung kann es schon aus einer Entfernung von 730 m Witterung aufnehmen. Auch das Gehör ist extrem gut, und die Ohren sind in ständiger Bewegung. Wie alle anderen Nashornarten hat es aber einen schlechten Sehsinn, der maximal 20 m weit reicht.<ref name="Groves 1972" /><ref name="Tomasova" />
Das Breitmaulnashorn benutzt ein umfangreiches Repertoire an Lauten zur Kommunikation, wobei Bullen allgemein geräuschvoller sind. Sie geben bei Kämpfen untereinander ein Brüllen von sich. Während der Brunft grunzt und schnaubt ein Bulle, um das Interesse einer Kuh zu wecken, und gibt ein den Elefanten ähnelndes Trompeten von sich, wenn sie abgewiesen werden. Kälber quieken, wenn sie von der Mutter getrennt sind.<ref name="Foster">W. E. Foster: The square-lipped rhinoceros. Lammergeyer 1, 1960, S. 25–35</ref> Dabei werden verschiedene Lautgruppen unterschieden, die Ton- (weinen, quieken), Knurr- (knurren, grunzen, meckern, stöhnen) und Pufflaute (schnauben, hecheln), die sich auch teilweise wiederholen können. Einige Laute liegen dabei im Infraschallbereich. Der große Lautreichtum geht auf die engeren sozialen Beziehungen beim Breitmaulnashorn zurück.<ref>Richard Policht, Kristina Tomášová, Dana Holecková und Daniel Frynta: The vocal repertoire in northern white rhinoceros Ceratotherium simum cottoni as recorded in the last surviving herd. Bioacoustics 18 (1), 2008, S 69–96</ref>
Verbreitung und Unterarten
Das Breitmaulnashorn ist ein Bewohner der Lang- und Kurzgrassavannen Afrikas, es bevorzugt aber eher Gebiete mit kurz gewachsener Vegetation sowohl in Hoch- als auch in Tiefländern. Trotz seiner weitgehend grasenden Ernährungsweise und der daraus evolutiv entstandenen Merkmale ist es kein vollständig an offene Landschaften angepasstes Tier. Zum Schutz vor der intensiven Sonneneinstrahlung benötigt es niedriges und hohes Buschwerk, das ihm ausreichend Deckung und Schatten spendet. Das optimale Habitat umfasst Grasländer mit eingestreuten Busch- und Walddickungen oder angrenzenden offenen Waldlandschaften. Dabei zieht es die Nähe von Gewässern vor. Ist diese nicht gegeben, unternimmt es regelmäßige Wanderungen zu geeigneten Wasser- und auch Suhlstellen.<ref name="Tomasova" /><ref name="Schenkel">Rudolf Schenkel und Ernst M. Lang: Das Verhalten der Nashörner. Handbuch für Zoologie 8 (46), 1969, S 1–-56</ref>
Das Breitmaulnashorn war ursprünglich deutlich weiter verbreitet, als es die historischen Vorkommensgebiete im Kolonialzeitalter vermuten lassen. So kam es noch vor etwa 2000 Jahren den Nil hinauf bis ins südliche Ägypten vor und dürfte einen großen Teil Nordwestafrikas besiedelt haben. Felsmalereien und Knochenfunde deuten darauf hin, dass es vor rund 3.500 Jahren sogar den äußersten Norden Afrikas, etwa Marokko und Libyen besiedelt hat. Das neuzeitlich bekannte Verbreitungsgebiet beschränkt sich auf zwei isolierte Vorkommen im südlichen und im zentralen Afrika.<ref name="Nowak, 1999">Ronald M. Nowak: Walker’s mammals of the world. 6. Auflage. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9.</ref>
Bis vor kurzem existierten in freier Wildbahn zwei Unterarten des in afrikanischen Savannen heimischen Breitmaulnashorns:
Südliches Breitmaulnashorn
Das Südliche Breitmaulnashorn (C. s. simum) lebte einst in einem Gürtel, der sich von Angola und Namibia über Botswana und Simbabwe nach Mosambik und KwaZulu-Natal erstreckte, die Nordgrenze in historischer Zeit ist dabei vermutlich der Sambesi gewesen. Möglicherweise kam es allerdings auch im südwestlichen Sambia vor. Das Auftreten des Breitmaulnashorns korrespondierte dabei mit den Bushveld-Regionen des südlichen Afrikas.<ref name="Groves 1972" /><ref name="Groves 2010" /><ref name="Nowak, 1999" /> Heute ist es über zahlreiche Schutzgebiete in der Region fragmentarisch verstreut (Näheres siehe Menschen und Breitmaulnashörner). Im Jahr 2010 wurde der Bestand auf etwa 20.150 Tiere geschätzt; es ist damit die am häufigsten auftretende Nashornart.<ref>International Rhino Foundation: Annual report. White Oak, IRF, 2010, S. 1–21 (PDF)</ref><ref name="Knight 2010">Mike H. Knight: African Rhino Specialist Group Chair report. Pachyderm 49, 2011, S. 6–15 (online)</ref> Der Bestand hatte sich demnach seit den Zählungen 2007<ref name="ZeO2">Magazin für Umwelt, Politik und Neue Wirtschaft, Ausgabe 01/2009, Seite 36–38 (ZeO2)</ref> deutlich erholt. Die Unterart wird von der IUCN als „gering gefährdet“ eingestuft.<ref name="IUCN">Richard Emslie. Ceratotherium simum. In: IUCN: IUCN Red List of Threatened Species. Version 2011.2, abgerufen am 21. November 2011 (</ref>
- Rhinoceros simus Burchell, 1817
- Rhinoceros burchellii Lesson, 1827
- Rhinoceros camus Griffith, 1827
- Rhinoceros oswelli Ellion 1847
- Rhinoceros kiaboaba Murray, 1866
- Rhinoceros simus cottoni Lydekker, 1908
- Rhinoceros scotti Hopwood 1926
- Serengetitherium efficax Dietrich 1945
Der Mensch und das Breitmaulnashorn
Die südliche Unterart des Breitmaulnashorns wurde 1893 für ausgerottet gehalten, ehe eine kleine Restpopulation von zehn Tieren in Natal entdeckt wurde. Von diesen stammen alle Südlichen Breitmaulnashörner unserer Tage ab. Bis in die 1970er wuchs der Bestand im Hluhluwe-Umfolozi-Park auf 1.000 Tiere und verdoppelte sich bis zum Jahr 1980 noch einmal auf 2.000, bis 1990 auf 4.000 und erreichte im Jahr 2001 eine Zahl von 11.000 Tieren. Ende 2013 betrug die Population des Südlichen Breitmaulnashorns rund 20.400 Individuen,<ref>International Rhino Foundation: Rhinos in crisis. [4]</ref> ein großer Teil der frei lebenden Südlichen Breitmaulnashörner ist auf dem Territorium Südafrikas zu Hause; außerdem wurde eine Gruppe in Kenia eingeführt, wo es in historischer Zeit nicht natürlich vorkam. Seit dem Jahr 2010 hat aber die Wilderei im südlichen Afrika wieder massiv zugenommen, was mit der stärkeren Einflussnahme ostasiatischer Wirtschaftsorganisationen zusammenhängt.<ref name="Knight 2010" />
Das Nördliche Breitmaulnashorn wurde erstmals 1908 wissenschaftlich beschrieben. Zu jener Zeit war es noch zahlreich vertreten. Großwildjäger schafften es binnen weniger Jahrzehnte, die Unterart überall auszurotten − mit Ausnahme des Garamba-Nationalparks, wo 1963 1.000 Breitmaulnashörner unter strengem Schutz lebten. In dieser Zeit begann allerdings die starke Nachfrage nach Hörnern wegen ihrer angeblichen Heilkraft in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) sowie wegen der Begehrtheit von Nashorndolchen als Status- und Männlichkeitssymbol bei der Oberschicht Jemens. Die Bereitschaft der Käufer in Ostasien und Jemen, selbst höchste Preise für illegal importierte Hörner zu zahlen, macht die Wilderei trotz aller Risiken staatlicher Verfolgung zu einem lohnenden Geschäft. Während wegen der relativen Stabilität die südlichen Breitmaulnashörner Südafrikas nie in solchem Ausmaß von Wilderei betroffen waren, konnte Zaire (später Demokratische Republik Kongo) keinen vergleichbar wirksamen Schutz liefern. Der Bürgerkrieg im Kongo, der seit 1997 ununterbrochen tobt, erschwerte die Schutzmaßnahmen. Die Schätzung der letzten überlebenden Population im Garamba-Nationalpark ergab im Jahr 2003 noch rund 40 Breitmaulnashörner. Seitdem ist der Bestand durch Wilderei immer weiter gesunken. Eine Bestandserhebung im Jahr 2008 konnte im Garamba-Reservat keine lebenden nördlichen Breitmaulnashörner mehr nachweisen.<ref>Pressemitteilung des VBio vom 21. Mai 2008: Ein Nashorn verschwindet für immer aus der Natur. ([5])</ref> Die Unterart muss damit in freier Wildbahn als höchstwahrscheinlich ausgestorben angesehen werden. Nach dem Tod des Bullen „Suni“ (Ol Pejeta Reservat in Kenia) im Oktober 2014 und des 44-jährigen Bullen „Angaliful“ (San Diego Zoo Safari Park) im Dezember 2014 existierten Ende 2014 weltweit nur noch fünf Tiere der nördlichen Unterart.<ref name="San Diego Zoo, 14.12.2014">San Diego Zoo: Elderly Northern white rhino passes away at San Diego Zoo Safari Park, 16. Dezember 2014</ref><ref name="iflscience.com">iflscience.com: There Are Only Five Northern White Rhinos Left In The World, 16. Dezember 2014</ref> Vier Individuen betreute der tschechische Zoo Dvůr Králové (1 Kuh im Zoo, 1 Bulle und 2 Kühe im Reservat Ol Pejeta in Kenia<ref name="Standard2014" />) und im San Diego Zoo Safari Park bafand sich noch eine Kuh.<ref name="Christian Matschei" /><ref name="OPC" />
Erhaltungszucht des Nördlichen Breitmaulnashorns
Tschechien
Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm für Breitmaulnashörner wurde bis 1996 vom tschechischen Zoo Dvůr Králové geführt und überwacht, seit 1996 führt der Safaripark von Beekse Bergen (Niederlande) das EEP für Breitmaulnashörner. Auf Basis der Zoopopulation wurde versucht ein Erhaltungszuchtprogramm zur Rettung der Unterart aufzubauen. Die Zucht des nördlichen Breitmaulnashorns hat sich dabei als außerordentlich schwierig erwiesen. Nach Christian Matschei<ref name="Christian Matschei" /> wurden „zwischen 1947 und 1973 ... insgesamt 24 Exemplare aus dem natürlichen Verbreitungsgebiet entnommen...“ Hiervon gelangten jedoch nur vier Tiere zur Zucht. In den 1980er-Jahren wurden mehrere Jungtiere in Dvůr Králové geboren, zuletzt das weibliche Jungtier „Najin“ am 11. Juli 1989. Anschließend folgten 11 Jahre ohne jeden Nachwuchs. Aus diesem Grund wurden sowohl die Haltungsbedingungen umgestellt als auch am 5. Juli 1989 der an den Partnerzoo in San Diego ausgeliehene Bulle „Saut“ zurückgeholt. In der Folge wurde als bisher letzter Nachwuchs am 29. Juni 2000 das Kalb „Fatu“ geboren.
Am 23. Januar 2007 wurde im Zoo von Budapest/Ungarn das erste durch künstliche Befruchtung gezeugte Südliche Breitmaulnashorn geboren. Experten erhoffen sich von den Fortschritten auf dem Gebiet der künstlichen Nashornbefruchtung auch eine Chance, die nördliche Unterart des Breitmaulnashorns vor dem Aussterben zu bewahren. Eine Initiative von Reproduktionsmedizinern aus Berlin, die verbleibenden Kühe des nördlichen Breitmaulnashorns mit medizinisch-technischen Methoden zur Fortpflanzung zu bringen, scheiterte zunächst an Bedenken des Tierparks Dvůr Králové.<ref name="ZeO2" /> Seit 2006 werden vom Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin jedoch künstliche Besamungen des nördlichen Breitmaulnashorns durchgeführt, die aber keine Erfolge zeitigten.<ref name="Christian Matschei" /> Ein erster Eingriff zur Entnahme von Eizellen für eine künstliche Befruchtung musste wegen des sich während der Operation verschlechternden Zustandes der Nashornkuh ohne Erfolg abgebrochen werden.<ref>"Rettet die Elefanten!" TV-Doku, Großbritannien, 2007; Ausstrahlung vom 26. März 2010, ARTE.</ref>
Das Northern White Rhino Survival Projekt in Kenia (Ol Pejeta Reservat)
Aufgrund der ausbleibenden Zuchterfolge in Tschechien wurde die weltweit letzte verbliebene Zuchtgruppe des Nördlichen Breitmaulnashorns im Dezember 2009 aus Tschechien nach Afrika in das Ol Pejeta Reservat verlegt.<ref name="OPC" /> Das 90.000 Acre große Ol Pejeta Reservat (OPC) liegt in Kenia zwischen den nördlichen Ausläufern des Mount Kenya und der Aberdares Region. Es wurde 2004 von der Arcus Foundation gegründet. Heute gehört das Reservat der Ol Pejeta Conservancy. The Northern White Rhino Survival Project ist ein gemeinsames Projekt von Flora and Fauna International, Ol Pejeta Conservancy, des Dvůr Králové Zoo und Back to Africa. Weiterhin eingebunden sind Lewa Wildlife Conservancy und die Arcus Foundation sowie lokale Politiker und Naturschutzorganisationen.<ref name="GOALLOVER">Gallover: Northern White Rhino Project, Interview vom 18. März 2010. auf: goallover.org [6]</ref>
Die beteiligten Institutionen erhofften sich von dem neuen Projekt, dass die verbleibende Zuchtpopulation in ihrer ursprünglichen afrikanischen Umgebung wieder zur Fortpflanzung kommt und somit das Nördliche Breitmaulnashorn vom Aussterben bewahrt werden kann. In ähnlicher Lage war, ausgehend von einer kleinen Restpopulation von zehn Tieren, der Arterhalt bereits beim Südlichen Breitmaulnashorn gelungen. Verschiedene entscheidende Aspekte haben zur Entscheidung für Ol Pejeta Reservates als Standort für das Erhaltungszuchtprojekt des Nördlichen Breitmaulnashorns in Afrika geführt: Das Areal liegt nahe am ursprünglichen Verbreitungsgebiet des Nördlichen Breitmaulnashorns und ist vom Habitat her gut für die Tierart geeignet. Eine spätere Wiederansiedelung im ursprünglichen Verbreitungsgebiet sollte dadurch erleichtert werden. Die für das neue Projekt notwendige Infrastruktur, das notwendige Fachwissen und die nötigen personellen Ressourcen waren bereits vorhanden, da das Reservat bereits die damals größte Spitzmaulnashorn-Population Ostafrikas umfasste. Es galt auch als weniger anfällig für Wilderei als vergleichbare Gebiete. Die Auswahl von Ol Pejeta wurde daher auch vom Sekretariat der IUCN/SSC (African Rhino Specialist Group) befürwortet.<ref name="OPC" />
Am 20. Dezember 2009 trafen die vier Nördlichen Breitmaulnashörner, die Bullen „Sudan“ und „Suni“ sowie die Kühe „Najin“ und „Fatu“, nach eintägigem Transport per Flugzeug und LKW im Ol Pejeta Reservat ein. Die Tiere standen für einige Wochen in kleineren Gehegen unter strenger Beobachtung und intensiver Betreuung. Anschließend wurden sie in größere, ebenfalls streng überwachte Gehege mit natürlicher Vegetation entlassen. Zunächst verlief das Northern White Rhino Survival Projekt nach Plan und ohne Zwischenfälle. In der Folge kam es zu regelmäßigen, zyklischen Paarungen zwischen „Suni“ und „Fatu“. Ein Zuchterfolg blieb jedoch aus. Als Weiterentwicklung der Zuchtstrategie wurden am 8. November 2011 jeweils zwei der Nördlichen Breitmaulnashörner in jeweils getrennten Gehegen zu Zuchtpaaren zusammengeführt, einerseits die Kuh „Najin“ und der Bulle „Suni“, andererseits Najins Tochter „Fatu“ und der Bulle „Sudan“. Das Gehege von „Najin“ und „Suni“ umfasste 2,82 km² (700 acres). Mittels Kotproben werden die Hormonspiegel – und damit die Fortpflanzungsbereitschaft – der Tiere fortlaufend analysiert.<ref name="OPC" /><ref name="GOALLOVER" /> Im Sommer 2012 wurde vermeldet, dass es auch zwischen „Suni“ und „Najin“ zu zwei Paarungen (Ende April und Ende Mai) gekommen war. Besondere Bedeutung erhielt diese Meldung, da es für „Najin“ die ersten Paarungen seit über zehn Jahren waren. Damals war es auch zur letzten Geburt eines Nördlichen Breitmaulnashorns gekommen, jener ihrer Tochter „Fatu“. Erwartet wurden nun weitere zyklische Verpaarungen.<ref name="OPC" /> Da es jedoch zu keinem Nachwuchs kam, wurde am 25. Januar 2014 ein Alternativplan gestartet, der vorsieht, die verbliebenen Kühe der nördlichen Unterart mit einem Bullen der südlichen zu paaren, um so zumindest einen Teil der spezifischen Merkmale des Nördlichen Breitmaulnashorns zu erhalten. Zu diesem Zweck wurde ein Bulle des benachbarten Lewis Wildlife Conservancy in das Ol Pejeta Reservat verbracht und in einem Gehege den Kühen „Fatu“ und „Najin“ zugesellt.<ref>Male Southern White Rhino Introduced in Endangered Species Boma. www.olpejetaconservancy.org, 12. Februar 2014</ref><ref>OlPejetaConservancy: Plan B for Breeding is Looking Up! ([7])</ref> Zuletzt galten von den Nördlichen Breitmaulnashörnern nur noch die beiden Kühe „Najin“ (* 11. Juli 1989) und „Fatu“ (* 29. Juni 2000) sowie der 34-jährige Bulle „Suni“ (* 8. Juni 1980) in Ol Pejeta als fortpflanzungsfähig und im reproduktiven Alter.<ref name="Christian Matschei" /> „Suni“ starb im Oktober 2014.<ref name="Standard2014" /><ref>OlPejetaConservancy: Breaking News - Ol Pejeta Conservancy loses one of its northern white rhinos ([8])</ref>
Etymologie
Der deutsche Trivialname bezieht sich auf die breit ausgebildete Maul- und Lippenpartie, die die Nashornart deutlich vom Spitzmaulnashorn absetzt. Die gelegentlich verwendete Bezeichnung „Weißes Nashorn“ für das Breitmaulnashorn leitet sich aus dem Englischen (white rhinoceros) bzw. Afrikaans (witrenoster) her und steht dem Spitzmaulnashorn als „Schwarzes Nashorn“ (black rhinoceros bzw. swartrenoster) gegenüber. Beide Namen beziehen sich auf die Hautfarbe der Nashörner, die Tiere sind anhand dieser aber im Normalfall nicht zu unterscheiden. Die erste Erwähnung des Begriffes „Weißes Nashorn“ erfolgte 1798 durch John Barrow, der sich seit 1797 am Kap der Guten Hoffnung aufhielt und von einer Begegnung mit einem Griqua-Jäger in einer Zeitschrift berichtete, der angeblich drei „Weiße Nashörner“ an einem Tag erlegt hatte. Nur drei Jahre später schossen Jäger einer britischen Expedition erneut ein Breitmaulnashorn, vermerkten aber in ihren Berichten, dass dieses gar nicht weiß sei. Offiziell wurde die Nashornart erst 1812 entdeckt, und William John Burchell benutzte 1817 bei seiner Erstbeschreibung kein englisches Synonym des wissenschaftlichen Namens.<ref name="Rookmaaker" /><ref name="Feely">Jim Feely: Black Rhino, White rhino: what's in a name? Environment 6, 2011, S. 36–37</ref>
Der Ursprung des Begriffes „Weißes Nashorn“ ist unbekannt. Die am häufigsten vertretene Theorie ist die einer Fehldeutung des Afrikaans-Wortes wijd oder wyd (für „breit“) mit dem im Englischen gleichklingenden white seitens der damaligen britischen Jäger. Sprachhistorisch gibt es aber keinen Nachweis für eine Verwendung des Wortes wyd im Zusammenhang mit renoster im Afrikaans oder analog wijd und neushoorn im Niederländischen. Darüber hinaus existieren mindestens neun weitere Theorien zum Ursprung des Begriffes „Weißes Nashorn“, die erste gemeinsame Verwendung mit „Schwarzes Nashorn“ zur Unterscheidung von Breit- und Spitzmaulnashorn erfolgte 1838.<ref name="Rookmaaker" /><ref name="Feely" />
Literatur
- Colin P. Groves: Ceratotherium simum Mammalian Species 8, 1972, S. 1–6
- Das moderne Tierlexikon. Verlagsgruppe Bertelsmann, Band 2, 1981
- Douglas Adams, Mark Carwardine: Die Letzten ihrer Art – Eine Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde. Hoffmann und Campe, Hamburg 1991. ISBN 3-455-08384-6
Einzelnachweise
<references />
Weblinks
- Ceratotherium simum in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2006. Eingestellt von: African Rhino Specialist Group, 2003. Abgerufen am 11. Mai 2006