Kupfersteinzeit
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Als Kupfersteinzeit oder Kupferzeit (Chalkolithikum, Äneolithikum) wird in Ägypten, Südosteuropa und Vorderasien und auch in der deutschsprachigen und skandinavisch-britischen Vorgeschichtswissenschaft, ein Zeitabschnitt zwischen der Jungsteinzeit und der Bronzezeit bezeichnet, in dem der Kupferbergbau und grundlegende Techniken der Metallurgie erfunden wurden.<ref>Johannes Müller: Kupfer, Megalithen und neue Technologien. Universität Kiel, S. 301–332, Auszug, online In: A. Jockenhövel (Hrsg.): WBG Weltgeschichte. Eine globale Geschichte von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert, Band I: Grundlagen der globalen Welt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009</ref>
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kupfer in Vorderasien und Europa
Bis heute gibt es keinen einheitlichen Namen für den Zeithorizont der frühen Kupferverarbeitung, was an der regional chronologisch sehr unterschiedlichen Einführung der Kupferverarbeitung liegt. Der Zugang zum Rohmaterial Kupfer war von örtlichen Vorkommen abhängig. Die Archäologie definiert den Beginn der Kupferzeit vor allem über die wirtschaftliche Bedeutung des Metalls, was meist mit dem Kupferbergbau einhergeht, in Einzelfällen aber auch über die Verarbeitung importierten Kupfers definiert wird. In der mitteleuropäischen Gliederung des Neolithikums von Jens Lüning entsprechen die Unterstufen Jungneolithikum, Spätneolithikum und Endneolithikum der Kupferzeit.<ref>Jens Lüning: Erneute Gedanken zur Benennung der neolithischen Perioden. In: Germania. Bd. 74, 1996, S. 233–247.</ref>
Die Halaf-Kultur war eine chalkolithische Kultur im Norden Mesopotamiens, in Syrien, in Teilen der Türkei und bis an die Grenze zum Iran und darüber hinaus. Sie blühte von etwa 5200 bis 4500 v. Chr.<ref>Zur Chronologie: Matthews: The early prehistory of Mesopotamia, S. 108</ref> Namensgebender Fundort ist Tell Halaf in Syrien. Weitere wichtige Fundorte sind Tell Arpachiyah (Irak) und Yarim Tepe. In ihrer Ausdehnung gehörte sie zu den weitläufigsten Kulturen dieser Zeit, von der viele weitere Fundstätten bekannt sind. Man unterscheidet vier Phasen: Früh, Mittel, Spät und eine Halaf-Obed-Übergangsphase. Innerhalb dieser Phasen ist eine Ausbreitung der Kultur zu beobachten. Das Kerngebiet aber lag am Tigris im nördlichen Irak und im östlichen Syrien.<ref>Roger Matthews: The early prehistory of Mesopotamia, 500,000 to 4,500 B. C. Turnhout: Brepols 2000, S. 108</ref> Die Halaf-Kultur ist heute vor allem durch ihre Keramik gekennzeichnet. Mit dieser schon hochspezialisierten Technik der Keramikherstellung ging die Fertigkeit einher, hohe Brenntemperaturen, bis etwa 1000 °C, im Brennofen zu erzeugen und damit eine Voraussetzung für die Verhüttung von Kupfer.
Frühe Kupferverhüttung ist bereits in der frühen Vinča-Kultur des späten 6. vorchristlichen Jahrtausends nachgewiesen.<ref>Miljana Radivojević, Thilo Rehren, Ernst Pernicka, Dušan Šljivar, Michael Brauns, Dušan Borić: On the origins of extractive metallurgy: new evidence from Europe. In: Journal of Archaeological Science. Bd. 37, Heft 11, 2010, S. 2775–2787, doi:10.1016/j.jas.2010.06.012.</ref> In den letzten Jahren bei Ausgrabungen geborgene Kupferwerkzeuge (Äxte und Meißel) sowie Schlacken der serbischen Fundplätze Pločnik (Okrug Toplica)<ref>7500 Jahre alte Werkzeuge. Nachricht auf n-tv, 22. September 2009 (abgerufen am 3. Januar 2011)</ref><ref>Archäologen rätseln über 7000 Jahre alte Kupferfunde. Spiegel Online vom 27. Dezember 2010 (abgerufen am 3. Januar 2011)</ref> und Belovode (Okrug Braničevo) gelten als die frühesten verhütteten Kupferobjekte in Europa. Der zugehörige Bergbau wurde anhand von spezifischen Blei-Isotopen im Kupfer in der Region um Rudna Glava identifiziert.<ref>Dušan Borić: Absolute Dating of Metallurgical Innovations in the Vinča Culture of the Balkans. In: Tobias L. Kienlin, Ben W. Roberts (Hrsg.): Metals and Societies. Studies in Honour of Barbara S. Ottaway (= Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie. Bd. 169). Habelt, Bonn 2009, ISBN 978-3-7749-3631-7, S. 191–245.</ref> Sie sind bis zu 800 Jahre älter als die Objekte aus Kupfer- und Gold aus dem Gräberfeld von Warna und die wahrscheinlich zugehörige Kupfermine von Ai-Bunar (nördlich von Stara Sagora, Bulgarien).
Schon während des 4. Jahrtausends v. Chr. baute man im Gebiet von Timna im Negev Kupfererz ab. Nach einer Pause von mehr als einem Jahrtausend setzte im 14. Jahrhundert v. Chr. die Kupfergewinnung und -verarbeitung erneut ein. Im 12. Jahrhundert zeigten die Ägypter außerordentliches Interesse an Timna, doch die Minen kamen alsbald unter die Kontrolle der Midianiter, die laut Bibel durch Moses' Heirat mit der Tochter des midianitischen Priesters Jitro Verbindungen zu den Israeliten hatten.
Die ersten Metallkulturen Südosteuropas – dort meist als Äneolithikum bezeichnet – sind neben der Vinča-Kultur (Serbien, Westbulgarien) die Cucuteni-Tripolje-Kultur (Ostrumänien, Ukraine) und die Theiß-Kultur in Ungarn. Im Vorderen Orient reicht das Äneolithikum von der späten Halaf-Zeit bis zur Obed-Zeit. Gegenstände aus kalt geschmiedetem, gediegenem Kupfer sind jedoch bereits aus dem Präkeramischen Neolithikum bekannt. Auf der Iberischen Halbinsel ist die erste Kupferverhüttung in der Siedlung Cerro Virtud (Almería, Südostspanien) belegt. Hier wurden verziegelte Reste der Ofenwandung eines Schmelzofens gefunden, was auf ein Reduktionsverfahren hindeutet.<ref>Arturo Ruiz-Taboada, Ignacio Montero-Ruiz: The oldest metallurgy in western Europe. In: Antiquity. Bd. 73 = Nr. 282, 1999, ISSN 0003-598x, S. 897–903.</ref> Der Befund datiert ins frühe 5. vorchristliche Jahrtausend, ebenso wie die meisten Fundplätze Südosteuropas. Die Los Millares-Kultur führt die metallurgische Tradition in Spanien fort.
In Mitteleuropa kommen erste importierte Gegenstände aus Kupferblech in Gräbern der Rössener Kultur in der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr. vor, die jedoch keine wirtschaftliche Bedeutung haben.<ref>Franz Niquet: Das Gräberfeld von Rössen, Kreis Merseburg (= Veröffentlichungen der Landesanstalt für Volkheitskunde. Bd. 9, ISSN 0138-4627). Gebauer-Schwetschke, Halle (Saale) 1938.</ref> Objekte wie Äxte und Beile treten erst mit der westlichen Lengyel-Kultur in Mähren und Österreich auf, was sich auch in süd- und mitteldeutschen Kulturen (Münchshöfener Kultur, Gaterslebener Kultur, Baalberger Kultur) in Form von Importen niederschlägt. Eigenständige Kupferverarbeitung von importiertem Metall gibt es um 4200 v. Chr. in der schlesisch, böhmisch, mährischen Jordansmühler Kultur, was durch einzelne noch erhaltene Gussformen im Fundplatz Jordansmühl belegt ist.
Der erste nachweisbare Kupferbergbau Mitteleuropas wurde von der Bevölkerung der Mondseekultur (3770–3200 v. Chr.) betrieben, da deren Kupfergegenstände teilweise aus Kupferkiesvorkommen am Mitterberg bei Mühlbach am Hochkönig (Österreich) stammen.
Metallbearbeitung
Die Metallbearbeitung wurde zunächst an gediegenen (elementar vorkommenden) Metallen wie Gold, Silber und Kupfer entwickelt. Die ältesten gediegenen Schmuckplättchen aus Kupfer datieren aus dem 8. Jahrtausend v. Chr. und stammen aus Anatolien, zum Beispiel vom Fundplatz Çayönü.
Der wohl bekannteste Mensch der Kupferzeit ist der als Kältemumie erhaltene Ötzi, der um 3300 v. Chr. lebte. Er trug bei seinem Tode ein fast komplett erhaltenes Kupferbeil mit sich.
Vor der Entwicklung der Bronze waren Metallgegenstände nur begrenzt waffenfähig einsetzbar, da Kupfer in kaltem Zustand verbiegt und schnell abstumpft. Erst das Gießen ermöglichte außerdem die Serienfertigung gleichartiger Objekte.
Während der Kupferzeit wurden Techniken der Prospektion und Gewinnung von Erzen, vornehmlich in offenen Gruben entwickelt. Die Entwicklung der Verhüttung von Kupfer entschärfte den Engpass an gediegenem Kupfer. Auch Blei wurde bereits verhüttet und wird oft im Zusammenhang mit der Gewinnung des Silbers gesehen. Zusammen mit dem Abbau von Zinn legte dies die technische Basis für die nachfolgende Bronzezeit.
Der kupferzeitliche Verhüttungsprozess ging vor allem von oxidischen bzw. karbonatischen Erzen Malachit und Azurit aus. Diese ließen sich in einem einstufigen Prozess unter Erhitzung in einer reduzierenden Atmosphäre verhütten: die Erze entstehen in der Oxidationszone der Erzgänge und können Mächtigkeiten bis zu 30 m aufweisen. Neben oxidischen Erzen wurden teils auch komplexere Erze, wie Chalkopyrit (Kupferkies, CuFeS2) und Chalkosin (Kupferglanz, CuS) verhüttet. Bei ihnen liegt das Kupfer als Sulfid vor und musste zunächst geröstet werden, um den Schwefel in Schwefeldioxid zu überführen.<ref>Kupferherstellung. Diagramm. Copyright: H. Lohninger CC 3.0; Contribution: Collector Image: 1395148122 License: Creative Commons - Attribution-Noncommercial-Share Alike (CC-BY-NC-SA) V.3.0</ref> In einem separaten Prozess erfolgte dann die Reduktion zu Kupfer. Für sie brauchte man Holzkohle und Luft, genauer den atmosphärischen Sauerstoff. Bei der unvollständigen Verbrennung des Kohlenstoffs der Holzkohle bildete sich Kohlenmonoxid, das eigentliche Reduktionsmittel des reduzierenden Gasgemisches. Das Schmelzen für den Kupferguss benötigt ebenfalls Holzkohle, da Kupfer erst bei 1083 °C schmilzt.
Kulturell brachte die Kupferzeit mehrere Veränderungen: Siedlungen in Mitteleuropa wurden tendenziell kleiner, dafür stärker befestigt. Sie lagen vor allem auf Anhöhen. Insbesondere im Mittelmeerraum führte die Entwicklung der Kupferbearbeitung zu einem verstärkten Fernhandel. Kupfer aus dem Balkan wurde zum Teil bis nach Deutschland gehandelt, wie eine am Bodensee gefundene Kupferscheibe beweist.
Wahrscheinlich führte die Nutzbarmachung von Metall zu einem starken sozialen Wandel. Die ersten Oberschichten begannen sich zu bilden – sie kontrollierten den Abbau und die Verhüttung des Metalls. Hierauf weist das Gräberfeld von Warna an der Westküste des Schwarzen Meers in Bulgarien hin, wo eine Oberschicht mit extrem reichen Goldbeigaben (Waffen, Werkzeug, Schmuck, Keramik mit Goldauflage) begraben liegt.
In Südamerika gab es ab dem 1. Jahrhundert eine Parallelentwicklung in der Mochica-Kultur, die im Bereich der Pazifikküste des nördlichen Peru siedelte. Auf einem schmalen, aber rund 600 km langen Streifen in der Küstenwüste betrieben die Mochica einen ertragreichen Bewässerungsfeldbau mit Guanodüngung. Die Keramik war hoch entwickelt, ebenso die Metallverarbeitung. Neben Gold und Silber verarbeiteten die Mochica auch Kupfer und stellten Kupferlegierungen her, vor allem Tumbago. Technologisch bemerkenswert ist überdies ihr Verfahren, Kupfer zu vergolden.
Chemische Abläufe der Kupfergewinnung mit Holzkohle
Durch das Verbrennen der Holzkohle wird eine Hitze von 1000 °C bis 1200 °C und Kohlenstoffmonoxid erzeugt. Ab einer Temperatur von 230 °C reagiert Malachit Cu2[(OH)2|CO3] unter anderem zu Kupfer(II)-oxid, das in der Natur auch als Tenorit vorkommt. Dieses wird vom Kohlenstoffmonoxid reduziert. Das fertige Kupfer fließt auf den Grund des Reaktionsgefäßes und kann nach dem Abkühlen herausgenommen werden.
Kupfer(I)-oxid (Cuprit) kann durch die Reduktion von Kupfer(II)-oxid (Tenorit) mit metallischem Kupfer bei erhöhter Temperatur oder durch die thermische Zersetzung von Kupfer(II)-oxid bei Temperaturen über 800 °C gewonnen werden. Kupfer(I)-oxid bildet sich zusammen mit Kupfer(II)-oxid beim Erhitzen von metallischem Kupfer auf Rotglut. Gleichzeitig entsteht bei der unvollständigen Verbrennung des Kohlenstoffs aus der Holzkohle das Kohlenmonoxid:
- <math>\mathrm{CuO + Cu \longrightarrow Cu_2O}</math>
- <math>\mathrm{4 \ CuO \longrightarrow 2 \ Cu_2O + O_2}</math>
- <math>\mathrm{2 \ C + O_2 \longrightarrow 2 \ CO}</math>
Beide entstandenen Produkte, Kohlenmonoxid und Kupfer(II)-oxid, reagieren zu metallischem Kupfer:
- <math>\mathrm{2 \ Cu_2O + 2 \ CO \longrightarrow 4 \ Cu + 2 \ CO_2}</math>
In einem anderen und vermutlich erst später eingesetzten Verfahren wurde sulfidisches Kupfererz, Chalkopyrit oder Kupferkies (CuFeS2), und Chalkosin oder Kupferglanz (Cu2S) verarbeitet. Solche sulfidischen Erze mussten zuvor geröstet werden, um den Schwefel in Schwefeldioxid SO2 zu überführen. Erst nach der Entfernung des Schwefels konnte eine Reduktion des Kupfererzes erfolgen. Zum Rösten benötigte man ebenfalls Holzkohle, um die hierzu notwendigen Temperaturen zu erreichen. Dabei kommt es zur Bildung von Schlacke, die die Nebenbestandteile (meist Eisensulfid/Eisenoxid und Kieselsäure als Gangart) des Erzes aufnimmt, so dass diese leicht abgetrennt werden können. Typische Temperaturen für die Kupferverhüttung liegen um 1100 bis 1200 °C, genügend um sowohl die Schlacke als auch das Metall zu schmelzen. Die Verwendung von Öfen anstelle von Tiegeln erlaubt es, wesentlich größere Metallmengen zu gewinnen; entsprechend ist die Verhüttung im Tiegel meist an die Anfänge der Kupfergewinnung gebunden. Spätere Tiegel wurden fast ausschließlich für den Guss verwendet.
Beispiele von Fundorten
- Bisamberg (Niederösterreich): Fragment eines Gusslöffels
- Götschenberg bei Bischofshofen (Salzburg): Bergbausiedlung, Kupfererz, Werkstücke aus Kupfer
- Jevišovice-Kultur
- Mitterberg bei Mühlbach am Hochkönig
- Spielberg bei Melk (Österreich): Siedlung
- Arslantepe (Ostanatolien): Siedlung
- Timna (Negev) Negev: Minen
Literatur
- Emanuel Eisenberg; Avi Gopher; Raphael Greenberg: Tel Te’o: a neolithic, chalcolithic, and early bronze age site in the Ḥula Valley. Band 13 von Israel Antiquities Authority Reports Series, Israel Antiquities Authority, 2001, ISBN 978-965-406-142-1.
- Ernst Pernika: Gewinnung und Verarbeitung der Metalle in prähistorischer Zeit. Jahrbuch des Römisch-germanischen Zentralmuseums Mainz, 37. Jahrgang 1990, Teil I, S. 21 ff.
Weblinks
Einzelnachweise
<references/>