Giebel
Der Giebel ist die obere abschließende Wandfläche eines Gebäudes im Bereich des Daches. Der Übergang zwischen der Dachfläche in die senkrechte Wand im Giebelbereich ist der Ortgang. Giebel kann auch die Kurzform für Giebelwand sein, die gesamte bis zur Geländeoberfläche reichende Außenwand, die den eigentlichen Giebel trägt.
Das Wort Giebel ist im Deutschen seit dem 10. Jahrhundert belegt (ahd. gibil, mhd. gibel). Die genaue Herkunft gilt als ungesichert. Es werden Zusammenhänge mit „Kopf“ (als Oberstes, Haupt), als auch mit „Gabel“ (als Spitze, Gabelung) vermutet.<ref>Absatz nach Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage, 2002</ref>
Der Giebel ist eines der ältesten und bedeutendsten Elemente der europäischen Architektur. Unter einem Ziergiebel wird nicht nur der geschmückte, verzierte Giebel eines Gebäudes verstanden, sondern auch die verkleinerte Zierform eines Giebels. Portal-, Tür- oder Fenstergiebel beschreibt insofern das Motiv eines Giebels, das zur Bekrönung dieser Bauteile verwendet wird. Bei einem vorspringenden Bauglied wird hier auch von einer Verdachung gesprochen. In der Modernen Architektur, seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, verlor der Giebel diese dekorative Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
Begriffe
Die Form des Giebels hängt von der Dachform und -konstruktion ab. Bei der häufigen Form des Satteldaches entsteht das klassische Giebeldreieck. Bei einem Krüppelwalm entsteht eine trapezförmige Fläche, während ein Gebäude mit einem Walmdach keinen Giebel besitzt. Entsprechend der Dachneigung (steil/spitz bzw. flach) existieren auch die Begriffe Spitzgiebel und Flachgiebel. Ein Knickgiebel passt sich mit mehreren Winkeln der Dachform an. Bei einem Tonnendach können Rundgiebel beziehungsweise Segmentgiebel entstehen. Nimmt die Giebelform keinen Bezug auf die Dachform oder -neigung, spricht man von einem vorgesetzten Blend- oder Scheingiebel.<ref name="Pevsner">Satz nach Nikolaus Pevsner, Hugh Honour, John Fleming: Lexikon der Weltarchitektur, 3. Auflage, München, Prestel, 1992, Lemma Giebel</ref> Ein Zwerchgiebel (heute vielfach Quergiebel) steht zwerch (quer, also rechtwinklig) zum Giebel des Hauptdaches. Ein Giebel über einem Mittelrisalit, einem hervorspringenden Gebäudeteil, wird auch als Frontispiz bezeichnet.<ref name="Pevsner" /> Ein so aus der Gebäudeflucht hervortretender, übergiebelter Risalit wird in Norddeutschland auch als Kapitänsgiebel bezeichnet.
Bei den meisten einfachen Dachkonstruktionen wird die Giebelwand von der Dachfläche überdeckt. Das Dach ragt über den Giebel hinaus, der Giebel folgt der Kontur des Daches. Steht der Giebel vor der Dachfläche (freier Giebel oder Schildgiebel), so schließt das Dach von hinten an den höheren Giebel an. Nur in diesem Fall sind aufwendigere Konstruktionen möglich, bei denen die Giebelränder mit Bauplastiken gestaltet sein können. Ist der Giebel deutlich größer dimensioniert als das dahinter befindliche Dach spricht man auch von einem Scheingiebel.
Uhrengiebel ist eine Bezeichnung, die unabhängig von seiner Form für einen Giebel verwendet wird, der eine in die Fassade integrierte Uhr – meistens eine Turmuhr – übergiebelt.
Bezeichnung | Beschreibung | Abbildung |
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Dreiecksgiebel, auch Tempelgiebel oder Fronton | Der flache Dreiecksgiebel findet sich bereits in der griechischen Architektur der Antike. Er wurde in der Renaissance, im Barock und im Klassizismus aufgegriffen. Dabei findet sich – wie bereits in der Antike – auch die gesprengte und verkröpfte Ausführung. Zahlreiche Variationen tauchen als Bekrönung oder Verdachung über Türen und Fenstern als Ziergiebel auf.<ref>Absatz nach Wilfried Koch: Baustilkunde, 27. Auflage, Gütersloh/München, 2006</ref> | 100px |
Staffelgiebel, auch Treppengiebel oder Stufengiebel | Beim Staffelgiebel ist die Kontur seitlich abgetreppt. Diese Form entstand zunächst aus technischen Gründen, um die einzelnen waagerecht durchgeführten Steinschichten gerade abzuschließen und mit Dachziegeln eindecken zu können.<ref name="Koepf" /> Der Staffelgiebel war dominierend in den Gebieten der Backsteingotik, insbesondere im Nord- und Ostseeraum vom 14. bis zum 17. Jahrhundert.<ref>Satz nach Hans-Joachim Kadatz: Wörterbuch der Architektur, Leipzig, 1988, Lemma Staffelgiebel</ref> Während der Renaissance wurden gestaffelte Giebel mit Obelisken und Voluten geschmückt. Voluten wurden damals als Ornamente verwendet, die zwischen waagerechten und senkrechten Bauteilen vermitteln sollten.<ref>Satz nach Wilfried Koch: Baustilkunde, 27. Auflage, Gütersloh/München, 2006, Stichwortverzeichnis Volute [819]</ref> Insofern wurden die Stufen des Staffelgiebels damit „verschleift“.<ref>nach Wilfried Koch: Baustilkunde, 27. Auflage, Gütersloh/München, 2006, Stichwortverzeichnis Giebel [291]</ref> Es entstand der Volutengiebel. | 100px |
Schweifgiebel | Der Schweifgiebel oder geschweifte Giebel hat einen geschweiften Umriss.<ref>Nikolaus Pevsner, Hugh Honour, John Fleming: Lexikon der Weltarchitektur, München, Prestel, 1971, unter Giebel.</ref> | 100px |
Schweifwerkgiebel | Mit Schweifwerk dekorierter Giebel.<ref>Henry-Russell Hitchcock: Netherlandish scrolled gables of the sixteenth and early seventeenth centuries. New York, University Press, 1978.</ref> | 100px |
Volutengiebel | Der Volutengiebel ist durch seitliche Voluten eingerahmt. Voluten wurden in Renaissance und Barock als Ornamente verwendet, die zwischen waagerechten und senkrechten Bauteilen vermitteln sollten.<ref>Satz nach Wilfried Koch: Baustilkunde, 27. Auflage, Gütersloh/München, 2006, Stichwortverzeichnis Volute [819]</ref> Ausgehend von Italien verbreitete sich diese Giebelform während der Hochrenaissance in vielen Variationen in fast allen Ländern der Renaissance, besonders in den Niederlanden und in Deutschland, und wurde bis in das 18. Jahrhundert hinein verwendet.<ref>Satz nach Hans-Joachim Kadatz: Wörterbuch der Architektur, Leipzig, 1988, Lemma Volutengiebel</ref> | 100px |
Gesprengter Giebel | Die Seiten des Giebels sind nicht bis ganz oben geführt, das Mittelteil ist ausgespart. Dieses Merkmal der Giebelausführung ist immer mit einer konkreten Giebelform kombiniert. | 100px |
Verkröpfter Giebel | Das Mittelteil tritt gegenüber den Seitenteilen vor oder zurück.<ref>Satz nach Nikolaus Pevsner, Hugh Honour, John Fleming: Lexikon der Weltarchitektur, 3. Auflage, München, Prestel, 1992, Lemma Giebel. Vergleichbar auch bei Fritz Baumgart: DuMont's kleines Sachlexikon der Architektur, Köln, 1977, Lemma Giebel</ref> Dieses Merkmal der Giebelausführung ist immer mit einer konkreten Giebelform kombiniert. | 100px |
Diese Giebelformen und -ausführungen wurden im 19. Jahrhundert, in der Architektur des Historismus, wieder aufgegriffen. Bereits vorher wurden sie nicht nur in der Baukunst, sondern auch bei der Gestaltung von Möbeln und anderen Gebrauchsgegenständen benutzt.
Giebelschmuck
In der antiken Architektur, insbesondere dem Tempelbau, ist das Tympanon die dreieckige Giebelfläche, die durch ihre Größe und Frontalität hervorgehoben war und mit figürlichem oder ornamentalem Dekor versehen wurde. Giebelfeld ist eine Eindeutschung von Tympanon, bezeichnet allgemein aber auch ein Giebeldreieck, insbesondere wenn dies von Gesimsen eingefasst und plastisch geschmückt ist.<ref name="Wasmuth">Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst, Berlin, 1929–1932 (4 Bände)</ref>
Das Giebelgesims ist ein Gesims, das den schräg ansteigenden Giebelschenkel begleitet.<ref name="Wasmuth" /> Im Zusammenhang mit der antiken Architektur wird auch der Begriff Schräggeison verwendet.
Als Giebelfuß bezeichnet dabei eine waagerechte untere Begrenzungslinie, beispielsweise als Giebelfußgesims.<ref name="Wasmuth" />
Die Giebelspitze, als der höchste Punkt eines Giebels, wurde besonders betont und gestaltet.
Die Giebelähre ist eine ährenartige Verzierung auf Giebel- und Turmspitzen, die im Mittelalter und während der Renaissance aus Eisen oder gebranntem Ton hergestellt wurde.<ref name="Wasmuth" />
Die Giebelblume ist eine Bezeichnung für eine stilisierte Blume, die, oft mit Figuren, Abzeichen und Symbolen verbunden, insbesondere in der Gotik zur Bekrönung von Giebeln und Dachfirsten diente, beispielsweise in Form einer Kreuzblume.
Der Giebelreiter ist ein Dachreiter, ein Dachaufbau häufig als kleiner Turm, der auf dem Giebel aufsitzt.<ref name="Wasmuth" /> Er gilt als ein Merkmal städtischer Profanbauten, findet sich also beispielsweise bei historischen Rathäusern.<ref name="Koepf">Satz nach Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur, 4. Auflage, Stuttgart, Kröner, 2005</ref>
Der Giebelspieß ist im Holzbau der Schweiz ein über die Giebelspitze hinaus hochgeführter Holzständer.<ref name="Wasmuth" /> In Westfalen, und dort insbesondere im Ravensberger Land wird der Giebelspieß bzw. Giebelpfahl oder Firstpfahl als Geckpfahl bezeichnet.
Die Giebelzinne kann ein Akroterion meinen, ein antikes Architekturelement zur Bekrönung von Giebeln, beziehungsweise dessen Nachbildung in einer späteren Epoche.<ref name="Wasmuth" />
Der Giebelbogen ist eine Bezeichnung für einen Spitzbogen mit geraden Bogenschenkeln, er tritt in der romanischen und angelsächsischen Ornamentik auf.<ref>nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst, Berlin, 1931. Bei Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur, 4. Auflage, Stuttgart, Kröner, 2005, wird darunter eine Bogenkonstruktion verstanden, vgl. Bogen (Architektur)#Giebelbogen</ref>
Das Giebelgebänk ist eine seltene alte Benennung für Wimperg, einen gotischen Ziergiebel.<ref name="Wasmuth" />
Konstruktion
Der Giebel liegt in der Regel an der Schmalseite eines Gebäudes. Da eine Balkenlage als innere Geschossdecke normalerweise über den schmaleren Abstand gespannt ist, liegen deren Balken häufig parallel zum Giebel. Der Giebelbalken (oder Ortbalken) ist derjenige Balken, der unmittelbar neben dem Giebel(mauerwerk) angebracht ist.<ref name="Wasmuth" /> Ein sogenannter Giebelanker verbindet eine Giebelwand mit einer Balkenlage.<ref name="Wasmuth" /> Ziel ist die Rückverankerung und Aussteifung des Mauerwerks. Diese Technik kann als historisch gelten, heute werden dazu in der Regel Stahlbetonbauteile verwendet. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war die Verankerung von Mauerwerk in die Holzbalkendecken der Geschosse mit Hilfe von Metallankern jedoch noch die gängige Methode.
Giebelsparren werden die äußersten an einem Dachgiebel befindlichen Sparren des Daches genannt. Eine andere Bezeichnung ist auch Giebelbinder.<ref name="Wasmuth" /> Die Giebelsäule ist die Säule – als Stütze – eines Dachstuhls, die den Giebel unterstützt, die Last nach unten abträgt.<ref name="Wasmuth" /> Ein Giebelgebinde ist ein Verbund von Dachsparren und Kehlbalken, entweder als (ausgemauerte) Giebelfläche oder unmittelbar hinter einem massiven Giebel (aus Mauerwerk) als Teil des Dachstuhls.<ref name="Wasmuth" /> Die Giebelschwelle ist die Schwelle eines Giebelgebindes, bei Fachwerkhäusern kann auch die Schwelle der gesamten Giebelwand gemeint sein.<ref name="Wasmuth" />
Giebelständig
Giebelständig bezieht sich auf die Orientierung eines Gebäudes in Bezug zu einer erschließenden Straße, oder einem Platz. Bei giebelständiger Bauweise steht die Giebelseite eines Gebäudes zur Straße hin. Der Dachfirst steht quer zu dieser. Ein derartig ausgerichtetes Gebäude wird auch als Giebelhaus bezeichnet.<ref name="Wasmuth" /> Ein Giebeldach ist in diesem Zusammenhang ein Satteldach, dessen Giebel zur Gebäudefront gerichtet ist.<ref name="Wasmuth" /> Giebelständige Bauweise gilt als typisch für die deutschen Straßenbilder der Gotik und der Renaissance. Der Gegenbegriff zu giebelständig in Architektur und Stadtplanung ist traufständig.
Besondere Giebelbauwerke
Ein Giebelturm ist ein Turm mit einem Satteldach, er besitzt insofern zwei Giebel, der doppelte Giebelturm vier.<ref name="Wasmuth" /> Der doppelte Giebelturm ist mit einem Kreuzdach abgedeckt. Andere verwenden den Begriff Giebelturm auch für einen Turm, der auf einem Giebel aufsitzt, vergleichbar einem großen Giebelreiter, und unabhängig von der Dachform des Turmes.<ref name="Koepf" />
Ein Glockengiebel ist ein Giebelaufbau mit einer oder mehreren Öffnungen, in denen Glocken hängen. Der Glockengiebel ist oft selbst mit einem Dreiecksgiebel abgeschlossen. Er findet sich bei kleinen Kirchen oder Kapellen vor allem im Mittelmeerraum.<ref>Absatz nach Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur, 4. Auflage, Stuttgart, Kröner, 2005, Lemma Glockengiebel</ref> Sonderformen sind die stets dreigeteilten Clochers trinitaires genannten Giebel an den Kirchen im baskischen Pays de Soule und die beinahe burgartig wirkenden rechteckigen Glockengiebel (franz. clochers mur) im Raum von Toulouse.
Bereits im Mittelalter erhielten viele romanische Kirchenbauten im Süden und Südwesten Frankreichs (vor allem in der Charente) einen – oft schmucklosen – Rechteckgiebel, der die reale oder symbolische Wehrbereitschaft der Kirche und der Bewohner der jeweiligen Ortschaft im Vorfeld des Hundertjährigen Krieges andeutete.
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Der Alte Turm in Dudweiler ist ein einfacher Giebelturm.
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Protestantische Kirche (Obersülzen). Giebelturm mit Schildgiebeln
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Doppelter Giebelturm (Kreuzgiebel) der Liebfrauenkirche in Ravensburg
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Giebelturm auf dem Giebel der Feldsteinkirche in Gömnigk
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Glockengiebel der Kirche San Salvador in San Salvador de Cantamuda, Provinz Palencia, Spanien
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Clocher trinitaire an der Kirche von Agnos, Baskenland
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Glockengiebel in Villefranche-de-Lauragais, Haute-Garonne
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giebellose Wehrkirche von Rudelle, Lot
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Zinnengiebel an der Église Saint-Pierre-de-Rhèdes in Lamalou-les-Bains, Hérault
Einzelnachweise und Fußnoten
<references />