Grabert Verlag
Der Grabert Verlag und sein Tochterunternehmen, der Hohenrain Verlag, sind große Verlage des deutschen Rechtsextremismus. Sie gingen aus dem Verlag der deutschen Hochschullehrer-Zeitung hervor, den Herbert Grabert 1953 in Tübingen gründete. Dessen Sohn Wigbert Grabert übernahm 1972 die Verlagsleitung und wurde nach dem Tod seines Vaters 1978 auch Verlagseigentümer. Anfang 2013 übergab er die Leitung des Verlags seinem Sohn Bernhard Grabert.<ref>Anton Maegerle: Braune Festschrift für altgedienten Jubilar. In: Kontext (Wochenzeitung), Ausgabe 187 vom 29. Oktober 2014.</ref>
Der Verlagskomplex verbreitet seit seiner Gründung vor allem dem Geschichtsrevisionismus zugeordnete Literatur. Mehrfach wurden Bücher aus den Verlagsprogrammen wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung Verstorbener eingezogen und/oder von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert.<ref name="vs-bw"/> Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zählte den Grabert Verlag 2012 zu den ältesten und „bedeutendsten organisationsunabhängigen rechtsextremistischen Verlagen in Deutschland“.<ref>Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Verfassungsschutzbericht 2011 (PDF, S. 106)</ref>
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Herbert Grabert betätigte sich nach 1945 zunächst als Lobbyist für Hochschullehrer, die aufgrund ihres NS-Engagements entlassen worden waren.<ref name="Junginger_2009">Horst Junginger: Paganismus und Indo-Germanentum als Identifikationselemente der Neuen Rechten. In: Uwe Puschner, G. Ulrich Großmann: Völkisch und national. Darmstadt 2009, S. 284</ref> 1953 gründete er den Verlag der deutschen Hochschullehrer-Zeitung, der in den 1950er Jahren zu den wichtigen damals gegründeten Vertriebsorganen rechtsextremer Strategien und Theorien gehörte und den Nationalsozialismus verharmloste.<ref name="pfahl-traughber1">Armin Pfahl-Traughber: Der organisierte Rechtsextremismus in Deutschland nach 1945. in: Wilfried Schubarth, Richard Stöss (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz. Schriftenreihe Band 368 der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000, S. 75 ff.</ref>
1961 veröffentlichte Herbert Grabert das von ihm ins Deutsche übersetzte Buch Der erzwungene Krieg – Die Ursachen und Urheber des Zweiten Weltkriegs, dessen US-Autor David L. Hoggan Polen und Großbritannien als Verursacher des Zweiten Weltkriegs gegenüber einem angeblich friedenswilligen Adolf Hitler darstellte.<ref>Armin Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik., München 1999, S. 42</ref> Damit begann Grabert rechtsextremen Geschichtsrevisionismus zu verbreiten. Hoggans Bestseller trug erheblich zum ökonomischen Erfolg seines Verlags bei.<ref>Juliane Wetzel: Der Geschichtsrevisionismus und der Grabert Verlag. In: Martin Finkenberger, Horst Junginger (Hrsg.): Im Dienste der Lügen. Herbert Grabert (1901–1978) und seine Verlage. Aschaffenburg 2004, S. 144.</ref>
1974 benannte er diesen in Grabert Verlag um.<ref name="vs-bw">Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Organisationsunabhängige rechtsextremistische Verlage in Baden-Württemberg: „Grabert-Verlag“/„Hohenrain-Verlag“</ref> Zeitweiliger Verlagsleiter war Karl Epting, der in der Zeit des Nationalsozialismus von 1940 bis 1945 die Kulturabteilung der Deutschen Botschaft in Paris und das dortige Deutsche Institut geleitet hatte.
Als Wigbert Grabert den Verlag 1978 übernahm, änderte er dessen Ausrichtung auch aufgrund ökonomischer Überlegungen „von der Programmatik der alten zur Ideologie der neuen Rechten“. Er gehörte von 1980 bis 1983 zum Thule-Seminar, das er und seine Frau mitgründeten, und veröffentlichte dessen programmatische Schrift Das unvergängliche Erbe: Alternativen zum Prinzip der Gleichheit (Herausgeber: Pierre Krebs; Mitautor: Armin Mohler). Graberts Zusammenarbeit mit Pierre Krebs und Alain de Benoist in den 1980er Jahren hatte jedoch keinen dominierenden Einfluss auf das Verlagsprogramm, da die Berufung auf einen im Indogermanentum wurzelnden nichtchristlich-paganen Traditionsstrang in Deutschland keine größere Bedeutung erlangte und sich solche Publikationen nur schlecht verkaufen ließen.<ref name="Junginger_2009"/> Jedoch wurden der Grabert Verlag und die zugehörige Zeitschrift Deutschland in Geschichte und Gegenwart (DGG) in den 1980er Jahren wichtige Publikationsorgane der Neuen Rechten und der französischen Nouvelle Droite.
Tochterunternehmen und organisatorische Verbindungen
Für die Schriften der dem Thuleseminar nahestehenden Stiftung Kulturkreis 2000 gründete Grabert 1985 als Tochterunternehmen des Grabert Verlags den Hohenrain Verlag (Tübingen, Zürich, Paris) mit. Dieser vertritt ein ähnliches Autoren- und Themenspektrum. Zum Grabert-Verlagskomplex gehören die GIE German International Editions GmbH (gegründet 1978) und das Versandunternehmen Media-Service (gegründet 1998), die von Wigbert Graberts Sohn geleitet wird, sowie die nach David L. Hoggan benannte Hoggan-Stiftung und das Institut für deutsche Nachkriegsgeschichte (IdN), das der rechtsextreme Multifunktionär Rolf Kosiek leitet. Zudem besitzt der Grabert Verlag die Versandbuchhandlung Grabert, die auch Bücher anderer rechtsextremer Verlage anbietet. Wigbert Grabert gehört auch der Deutsche Buchkreis. Dessen Mitglieder können die Veröffentlichungen der beiden Verlage unter bestimmten Bedingungen ermäßigt beziehen.<ref name="vs-bw"/> Seit 1990 erscheint der Euro-Kurier, in dem Verlagsneuheiten präsentiert werden.
Herbert Grabert war, Wigbert Grabert, Rolf Kosiek und Walter Staffa sind Mitglieder des rechtsextremen Witikobundes. Wigbert Grabert und Rolf Kosiek sind Mitglieder der Gesellschaft für freie Publizistik. Diese zeichnete Wigbert Grabert 2003 mit der Ulrich-von-Hutten-Medaille aus. Rolf Kosiek und Walter Staffa sind Mitglieder im Deutschen Seminar und der Deutschen Studiengemeinschaft.
Im Grabert Verlag erscheint auch die geschichtsrevisionistische Vierteljahreszeitschrift Deutschland in Geschichte und Gegenwart (DGG). Sie entstand in den 1950er Jahren als nur vierseitiges Mitteilungsblatt für den 131er-Hochschullehrer im Auftrag des Verbandes der nichtamtierenden (amtsverdrängten) Hochschullehrer und der Forschungshilfe e. V. und erschien im Verlag der deutschen Hochschullehrer-Zeitung. Sie entwickelte sich zu einem Forum nationalsozialistischer Wissenschaftler, denen nach 1945 die Tätigkeit an bundesdeutschen Hochschulen verwehrt blieb, in dem sie zum Teil um ihre Rehabilitierung rangen, zumeist aber die alten Ideen weiterverfolgten.
Wigbert Grabert gab die Zeitschrift seit 1972 aufgrund der erweiterten Themenbreite und des größeren Umfangs vierteljährlich heraus und gab ihr ihren heutigen Namen. Bis 1983 diente sie als Mitteilungsorgan des 1980 gegründeten Thule-Seminars. Sie erscheint zwar in pseudo-wissenschaftlicher Aufmachung, bedient jedoch in ihren Einzelbeiträgen dieselben Themenfelder und ideologischen Deutungsmuster wie die Bücher des Grabert- und des Hohenrainverlages. Das Autorenspektrum der DGG reicht von dem Geschichtsrevisionisten Walter Staffa über Albrecht Jebens und Hans Filbinger bis zu Claus Nordbruch. Auch Verlagsleiter Rolf Kosiek verfasste als Dauerautor unter dem Pseudonym Rudolf Künast in DGG zahlreiche Artikel. 1991 veröffentlichte DGG anlässlich seines 10. Jubiläums erneut das Heidelberger Manifest. Die Ausgabe 1/2006 der DGG wurde eingezogen.
Verlagsprogramm
Thematischer Schwerpunkt des Grabert- und Hohenrain-Verlags ist seit der Gründung der rechtsextreme Geschichtsrevisionismus zur Verharmlosung des Nationalsozialismus, etwa durch Leugnung oder Relativierung des Holocaust, der Schuld des NS-Regimes am Zweiten Weltkrieg und anderer NS-Verbrechen.
Zu den Autoren des Verlags gehören verurteilte Holocaustleugner wie Wilhelm Stäglich, Germar Rudolf (hier meist unter dem Pseudonym „Ernst Gauss“) und David Irving sowie Rechtsextremisten wie Rolf Kosiek, Sigrid Hunke, Hellmut Diwald, Bernard Willms, Richard Eichler, Johann Braun und Ingrid Weckert.
Auch mit scheinbar nur biografischer und lexikalischer Literatur verteidigt der Verlag den Nationalsozialismus: etwa mit dem 1986 erschienenen Buch des Rechtsextremisten Karl Höffkes, Hitlers politische Generale. Die Gauleiter des 3. Reiches. Ein biographisches Nachschlagewerk oder mit dem 1994 erschienenen geschichtsfälschenden Volkslexikon Drittes Reich.
Viele Verlagspublikationen richten sich gegen die Globalisierung, den europäischen Einigungsprozess, eine Political Correctness, die Einwanderung nach Deutschland, die Frankfurter Schule und gegen das politische System Deutschlands und dessen Repräsentanten. Das Buch Der Angriff. Eine Staats- und Gesellschaftskritik an der 'Berliner Republik‘ (2003) von Claus Nordbruch etwa propagiert offen die Beseitigung der demokratischen Verfassung Deutschlands.
Ein weiterer Themenschwerpunkt sind pseudowissenschaftliche Veröffentlichungen zur Ur- und Frühgeschichte und Archäologie, mit denen längst widerlegte Thesen aus der völkischen Bewegung des 19. Jahrhunderts erneuert oder verlängert werden: zum Beispiel Schriften des ehemaligen SS-Angehörigen Jacques de Mahieu mit dessen These von Wikingern in Südamerika, Schriften von Helmut Schröcke oder Jochen Wittmann, die gemäß der Slawenlegende Slawen als Ostgermanen darstellen, und Schriften von Jürgen Spanuth und anderen, die die rassistische Theorie Ex septentrione lux (‚Das Licht aus dem Norden‘) vertreten und eine „urzeitliche Sendung des Nordens“ als Forschungsergebnis ausgeben, um die tatsächliche Lehrmeinung ‚Ex oriente lux’ als Geschichtslüge darzustellen. Dazu gehört oft antichristliche oder antisemitische Polemik, die in „verschwörungstheoretischen Unterstellungen mündet“.<ref>Ingo Wiwjorra: „Ex oriente lux“ – „Ex septentrione lux“. Über den Widerstreit zweier Identitätsmythen. In: Achim Leube / Morton Hegewisch (Hrsg.): Prähistorie und Nationalsozialismus. Die mittel- und osteuropäische Ur- und Frühgeschichtsforschung in den Jahren 1933–1945. Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 2 (Heidelberg 2002) 73–106. ISBN 3935025084.</ref> Zu diesem Angebot gehören auch neuere Schriften aus dem Umfeld der pseudowissenschaftlichen Chronologiekritik, etwa von Uwe Topper.
Indizierungen und Verurteilungen
Der Bundesgerichtshof verurteilte den Verlagsgründer Herbert Grabert 1960 wegen der Verbreitung der verfassungsfeindlichen Schrift Volk ohne Führung von David L. Hoggan und Staatsbeschimpfung in verfassungsfeindlicher Absicht zu neun Monaten auf Bewährung.
Wigbert Grabert hatte 1979 die holocaustleugnende Schrift Der Auschwitz-Mythos von Wilhelm Stäglich veröffentlicht. Stäglich wurde daraufhin der Doktortitel entzogen. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien setzte sein Buch 1982 auf ihren Verbotsindex.<ref name="Mitläufer">Blick nach Rechts, 4. November 1998: Ein Mitläufer des NS-Regimes</ref> Sie verbot 1981 auch das im Grabert Verlag erschienene Buch Feuerzeichen – Die „Reichskristallnacht“ von Ingrid Weckert, in dem sie Juden als Anstifter der Reichspogromnacht am 9. November 1938 dargestellt und damit eine antisemitische Täter-Opfer-Umkehr betrieben hatte.
Das Amtsgericht Tübingen verurteilte Wigbert Grabert im September 1989 wegen der von ihm verlegten Schrift Wie die beiden Weltkriege gemacht wurden von Wolfgang Seegers zu einer Geldstrafe von 10.000 DM. Im Januar 1995 verurteilte es Grabert zu einer Geldstrafe von 10.500 DM, weil er mit dem Verlegen und Verkauf von Carl Friedrich Bergs Buch Wolfsgesellschaft ausländerfeindliche und volksverhetzende Äußerungen zugelassen und damit seine Sorgfaltspflicht als Verleger verletzt habe. Im Juni 1998 ließ das Amtsgericht das von Grabert vertriebene Buch Hellmut Diwalds Vermächtnis für Deutschland. Sein Mut zur Geschichte einziehen. Im Juli 1998 verurteilte das Amtsgericht Tübingen Grabert für das im Hohenrain-Verlag erschienene Buch In Sachen Deutschland von Carl-Friedrich Berg zu einer Geldstrafe von 3.000 DM. Grabert musste sich bis 1998 wegen Inhalten von Veröffentlichungen seiner Verlage zwölfmal vor Gericht verantworten.<ref name="Mitläufer"/> Für die Herausgabe der Sammlung Grundlagen der Zeitgeschichte des Holocaustleugners Germar Rudolf erhielt er eine weitere hohe Geldstrafe.<ref>Tagblatt, 29. April 2010: Blick nach rechts: Der Grabert-Verlag im Vortrags-Visier</ref>
2007 verurteilte das Amtsgericht Tübingen Grabert wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe von drei Monaten,<ref>redok 7. Februar 2007: Rechtsextremisten / Vor Gericht: Haftstrafe für rechten Verleger</ref> die das Landgericht nach einer Berufung Graberts 2009 auf acht Monate erhöhte und auf drei Jahre zur Bewährung aussetzte. Grabert musste zudem 3000 Euro an die SOS-Kinderdörfer zahlen. Grund war unter anderem das Verbreiten einer Holocaustleugnung des österreichischen Anwalts Herbert Schaller in einem Artikel der Zeitschrift Deutschland in Geschichte und Gegenwart.<ref>Schwäbisches Tagblatt, 23. Dezember 2009: Landgericht macht Tübinger Rechtsaußen-Verleger für zwei Hetz-Artikel verantwortlich</ref>
Anfang März 2013 verurteilte das Amtsgericht Tübingen Grabert wegen Volksverhetzung zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und zur Zahlung von 5000 Euro für den Förderverein krebskranker Kinder: Er hatte ein geschichtsrevisionistisches Buch des rechtsextremen Publizisten Helmut Schröcke über den Zweiten Weltkrieg, in dem die Ermordung von 33.000 Juden bei Babyn Jar 1941 geleugnet wird, verlegt. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hatte das Buch 2011 als jugendgefährdend eingestuft und indiziert. Den bisherigen Erlös des Verlags aus dem Verkauf dieses Buchs von über 30.000 Euro zog das Gericht ein.<ref>Anton Maegerle (Blick nach Rechts, 8. März 2013): Knastfrei auf Bewährung; Raimund Weible (Südwest Presse, 7. März 2013): Verleger wegen Volksverhetzung verurteilt.</ref>
Literatur
- Martin Finkenberger, Horst Junginger (Hrsg.): Im Dienste der Lügen. Herbert Grabert (1901–1978) und seine Verlage. Alibri, Aschaffenburg 2004, ISBN 3-932710-76-2. Darin:
- Martin Finkenerger: „Verfolgt“ und „Entrechtet“. Vom Interessenvertreter amtsenthobener Hochschullehrer zum rechtsextremen Geschichtsrevisionisten. S. 69–94.
- Martin Finkenberger: Geschichtsrevisionisten vor Gericht. S. 125–142.
- Martin Finkenberger: Herbert Grabert und der „deutsche Bauernglaube“ im Nationalsozialismus. In: Jahrbuch für Volkskunde 2000. Würzburg 2000, S. 51–76.
- Martin Finkenberger: Herbert Grabert. Religionswissenschaftler, Revisionist, Rechtsextremist. In: Bausteine zur Geschichte der Universität Tübingen. Band 9, Universitätsarchiv Tübingen 1999, S. 55–100.
Weblinks
Einzelbelege
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