Kairouan


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25px Dieser Artikel behandelt die Stadt. Zum Gouvernement siehe Gouvernement Kairouan.
Kairuan/Qairawān
القيروان
Verwaltung
Staat TunesienTunesien Tunesien
Gouvernement Kairouan
Postleitzahl 3100
Website www.commune-kairouan.gov.tn
Demographie
Bevölkerung 117.903 Einw. (2004<ref name="ins">Institut National de la Statistique - Tunisie: Volkszählung 2004. (französisch)</ref>)
Geographie

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Kairuan/Qairawān
Koordinaten 10,101148|primary dim= globe= name=Kairuan/Qairawān region=TN-41 type=city
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Kairouan, seltener Kairuan (arabisch ‏القيروان‎, DMG al-Qairawān), ist eine Stadt in Tunesien mit etwa 120.000 Einwohnern.<ref name="ins" /> Sie liegt 150 Kilometer südwestlich von Tunis, 50 Kilometer westlich von Sousse und ist Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements Kairouan.

Bis zum 11. Jahrhundert war die Stadt ein wichtiges Zentrum der islamischen Gelehrsamkeit in Nordafrika (Ifrīqiya).

Mit der Altstadt und ihren gemäß orientalischer Tradition nach Zünften geordneten Märkten, mit ihren Moscheen und anderen Sakralbauten steht Kairouan seit 1988 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Gemäß Beschluss der Islamischen Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (ISESCO), einer Unterorganisation der Islamischen Weltliga, war Kairouan „Hauptstadt der islamischen Kultur 2009“.

Nach der Revolution in Tunesien 2010/2011 hat sich Kairouan zu einer Hochburg der Salafisten entwickelt. Vielen Tunesiern gilt die Stadt als abschreckendes Beispiel.<ref>spiegel.de: Vormarsch der Extremisten: Salafisten unterwerfen Tunesiens heilige Stadt (7. August 2013)</ref>

Geschichte

Datei:Hauptmoschee-Kairouan.jpg
Das Minarett der Hauptmoschee: Wahrzeichen der Stadt. Historische Postkarte um 1900

Die Stadt wurde um 670 von den muslimischen Arabern unter ʿUqba ibn Nāfiʿ gegründet. Da die byzantinische Flotte das Mittelmeer beherrschte, erfolgte die Gründung im sicheren Landesinneren. Kairouan entwickelte sich nach dem 8. Jahrhundert zum Zentrum der arabischen Kultur und der islamischen Rechtswissenschaft in Nordafrika. Die Stadt spielte auch bei der Arabisierung der Berber und der Lateinsprecher im Maghreb eine bedeutende Rolle.

Kairouan war Hauptsitz der arabischen Statthalter von Ifrīqiya und später die Hauptstadt der Aghlabiden. Im Jahr 909 übernahmen die Fatimiden, ismailitische Schiiten, unter Führung von Abu Abd Allah asch-Schiʿi die Macht in Ifriqiya und machten Kairouan zur Residenz. Die religiös-ethnischen Spannungen mit der streng sunnitischen Bevölkerung der Stadt zwangen sie allerdings, ihre Machtposition in der von ihnen gegründeten Hauptstadt al-Mahdiya an der östlichen Meeresküste auszubauen; gegen 973 verlagerten sie das Zentrum ihres Kalifats nach Kairo (al-Qāhira = „die Siegreiche“).

In diese Zeit fällt die Eroberung Kairouans durch den Ibaditen Abu Yazid, der zwischen 944 und 946 mit Unterstützung der sunnitischen Bevölkerung der Stadt die Hegemonie der Fatimiden kurz unterbrechen konnte. Mitte des 10. Jahrhunderts hatte Kairouan mehr als hunderttausend Einwohner. Die aus den umliegenden Bergen abgeführten Kanäle mit zahlreichen Zisternen in der Stadt und unter der Hauptmoschee sicherten die Wasserversorgung. Die großen Wasserreservoirs aus der Aghlabidenzeit sind heute noch erhalten. Nach dem endgültigen Abzug der Fatimiden übernahm die fatimidische Vasallendynastie der Ziriden die Macht über Ifriqiya. Unter ihrem bekanntesten Herrscher Al-Muʿizz ibn Bādīs az-Zīrī (1016–1062), der sich um die Gunst der sunnitischen Bevölkerung bemühte, erlebte die Stadt ihre letzte Blüte.

Al-Muʿizz distanzierte sich von den Fatimiden und huldigte nicht nur den abbasidischen Herrschern in Bagdad, sondern erklärte die Malikiten von Kairouan als Vertreter der einzig geltenden Rechtsrichtung des Landes. Um seiner politischen Gesinnung Nachdruck zu verleihen, stiftete er im Jahr 1033 zugunsten der Hauptmoschee ein Exemplar des wichtigsten Werkes der Malikiten: die Mudawwana des Kairouaner Gelehrten Sahnūn ibn Saʿīd.<ref>Roy und Poinssot (1950), Bd. 1. S. 36-37; Ḥ. Ḥ. ʿAbdalwahhāb: Waraqāt. Bd. 1, S. 347. Tunis 1965</ref> Seine politische Position gegenüber den Fatimiden unterstrich er mit seinem Stiftungsvermerk auf einem prachtvollen Koranexemplar auf Pergament, in dem er die Fatimiden als die Feinde Gottes verfluchte:

„Der ergebene Diener Gottes, der Seine Religion stärkt, sagt: ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer dem einzigen Gott, daß Mohammed, Gott segne ihn, der Gesandte Gottes ist und daß der vorzüglichste Mensch nach dem Gesandten Gottes Abū Bakr ist, dann ʿUmar, dann ʿUthmān und dann ʿAlī<ref>Gemeint sind die sog. rechtgeleiteten Kalifen in der Chronologie ihrer Herrschaft nach dem Tode Mohammeds</ref> - möge Gott an ihnen Wohlgefallen haben. Herr! Ich verfluche die Banū ʿUbaid<ref>d. h. die Fatimiden</ref>, Deine Feinde und Feinde Deines Propheten. Möge Gott unseren Hass auf sie uns nur zum Nutzen wenden. Ich habe diesen Koran der Großmoschee von al-Qairawān zu Ehren des gütigen und erhabenen Gottes gestiftet.“

al-Muʿizz ibn Bādis: Roy und Poinssot (1950), Bd.1, S. 37-38 und S. 39 mit Abbildung des Originals

Die Reaktion der Fatimiden in Kairo ließ nicht lange auf sich warten. Im Jahr 1054 überfielen die Beduinenstämme der Banū Hilāl und Banu Sulaim<ref>Über diesen Stamm siehe die Monographie von Michael Lecker: The Banū Sulaym. A contribution to the study of early Islam. The Max Schloessinger Memorial Series. Monographs IV. Jerusalem 1989</ref> in einer Strafexpedition gegen die abtrünnigen Ziriden im Auftrag der Fatimiden die Stadt und zerstörten sie nahezu vollständig.<ref>Gerald Schuster: Die Beduinen in der Vorgeschichte Tunesiens: die "Invasion" der Banū Hilāl und ihre Folgen. Berlin 2006. S. 96ff.</ref> 1057 floh al-Muʿizz nach al-Mahdiya und gab Kairouan und seine Umgebung der Plünderung frei. Die bis dahin rege Gelehrtentätigkeit der Malikiten kam allmählich zum Erliegen. Auch die Besucher, vor allem aus dem islamischen Westen, die auf ihren Studienreisen in der Stadt verweilten, blieben aus. Viele Kairouaner wanderten nach al-Andalus aus. Waren sie gelehrte Männer in den islamischen Wissenschaftsdisziplinen, fanden sie in die andalusischen Gelehrtenbiographien Eingang, in denen man sie in einem eigens dafür geschaffenen „Kapitel der Fremden“ (al-ghurabāʾ) nannte; die meisten von ihnen ließen sich in Almeria nieder.<ref>Muranyi (1997), S. 316-319 und dort Anm. 4</ref>

Durch den Aufstieg der Küstenstädte, vor allem Tunis, unter den Hafsiden verlor die Stadt immer mehr an Bedeutung.

Bauwerke

Hauptmoschee

Datei:GreatMosqueofKairouanTunisia.jpg
Große Moschee von Kairouan, August 2008
Datei:Plan grande mosquee kairouan vect.svg
Plan der Hauptmoschee nach Henri Saladin. Rechts: Betsaal, Mitte:Arkadenhof, Links Minarett
Datei:Prayer hall of Great Mosque of Kairouan, Tunisia 1900.jpg
Mihrab und Minbar in der Hauptmoschee. Historische Postkarte um 1900

Die Hauptmoschee (auch: Die große Moschee von Kairouan), al-Dschāmiʿ al-kabīr, Dschāmiʿ ʿUqba ibn Nāfiʿ / ‏ الجامع الكبير , جامع عقبة بن نافع‎ / al-Ǧāmiʿ al-kabīr, Ǧāmiʿ ʿUqba b. Nāfiʿ, im Volksmund kurz „Sīdī ʿOqba“, heute noch das Wahrzeichen der Stadt, ist bereits gegen 670 vom Eroberer Nordafrikas ʿUqba ibn Nāfiʿ neben dem Lagerplatz des muslimischen Heeres gegründet worden. Das Gründungsdatum ist unbekannt und ein solches wird auch von den nordafrikanischen Lokalhistorikern nicht genannt. Legendenhaften Berichten zufolge soll ʿUqba b. Nāfiʿ in der Nähe des heutigen Mihrabs ein Gebiet „abgesteckt“ (ichtaṭṭa)<ref>The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 5, S. 23 (Khiṭṭa)</ref> und nach einem Traum die Gebetsrichtung auf dem Lagerplatz bestimmt haben.<ref>The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 4, S. 824; Zusammenfassung der Bautätigkeiten bei: Henri Saladin (1908), S. 110–118; Paul Sebag (1965), S. 22 ff. Eine Variante dieser legendenhaften Erzählungen ist bei Paul Sebag (1965), S. 19 nachzulesen.</ref>

Nach der Eroberung von Karthago (697–698) durch die Araber ließ der Feldherr Ḥassān ibn an-Nuʿmān<ref>Die Datierung seiner Aktivitäten in Nordafrika ist unsicher. Er soll bereits gegen 699/700 im Kampf gegen Byzanz gefallen sein: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 3, S. 271.</ref> die ʿUqba-Moschee mit Spolien aus Karthago wieder aufbauen.<ref>Christian Ewert und Jens-Peter Wisshak (1981), S. 31, Anm. 151 mit Hinweis auf die Überlegungen von Saladin und Marçais</ref> Der Lokalhistoriker Abū Bakr al-Mālikī<ref>Fuat Sezgin:Geschichte des arabischen Schrifttums. Brill, Leiden 1967. Bd. 1, S. 360</ref> datiert den Beginn der Arbeiten auf Oktober 703.<ref>Riyāḍ an-nufūs fī ṭabaqāt ʿulamāʾ al-Qairawān wa-Ifrīqīya. (Hrsg. Baschīr Bakkūsch). Beirut 1983. Bd. 1, S. 56. – Über das Werk siehe Fuat Sezgin (1967), S. 360.</ref> Die wesentlichsten Erweiterungen fanden mit Rückgriff auf das antike Baumaterial unter den Aghlabiden statt, wodurch die gegenwärtige Struktur, die Säulenhierarchie und Farbenschemen der Spolien im Betsaal bestimmt wurden.<ref>Christian Ewert und Jens-Peter Wisshak (1981), passim und die Abbildungen 19–23</ref>

Der Betsaal wird von zwei Rippenkuppeln gekrönt: Eine ist über dem mihrab an der qibla-Wand, am ältesten baulichen Teil überhaupt, angeordnet, die andere weist zum großen Innenhof hin, die bei der Erweiterung der Moschee über einer Galerie mit Hufeisenbögen geschaffen wurde. Der Betsaal besteht aus siebzehn Längsschiffen, sieben Nischen und einem Querschiff. Das mittlere Längsschiff führt zum Mihrab, der die Form einer halb-zylindrischen Nische hat. Am Mittelschiff und in den Querbogenreihen dominieren die runden, ungebrochenen Hufeisenbögen.<ref>Christian Ewert und Jens-Peter Wisshak (1981), S. 31.</ref>

Datei:Mihrab Qairawan.JPG
Mihrab (Ausschnitt)

Unmittelbar neben dem Mihrab steht das wohl älteste, im Original erhaltene minbar, die elfstufige Kanzel der Moschee. Die Seitenwände sind in den Jahren 862 und 863 mit kunstvollen Schnitzereien aus importiertem Zedernholz in Kassettenform gestaltet worden. Unter den Aghlabiden wird die Erweiterung der Moschee vor allem Ziyadat Allah I. (817–838) und Abu Ibrahim Ahmad (856–863) zugeschrieben.<ref>Paul Sebag (1965), S. 39 f.</ref> Ibn Nadschi († 1433),<ref>Carl Brockelmann: Geschichte der arabischen Litteratur. Zweite den Supplementbänden angepasste Auflage. Bd. 2, S. 310 f. Brill, Leiden 1949</ref> der in seiner Zeit bekannteste Lokalhistoriker und Prediger (Chatīb), berichtet, dass der Mihrab seine endgültige Form unter Abū Ibrāhīm erhielt.<ref>Paul Sebag (1965), S. 40; Henri Saladin (1908), S. 124 nennt Ziyādat Allāh als Erneuerer des Mihrab.</ref> In der Mitte der mit Marmor verkleideten Gebetsnische verläuft in kufischer Schrift die Koransure Al-Ichlas mit anschließender Nennung des Propheten: Mohammed „ist der Gesandte Gottes“ nebst Eulogie – ganz wie die Inneninschrift am Felsendom von Jerusalem.<ref>B. Roy, P. Poinssot (1950), Bd. 1, S. 15. Nr. 3.</ref> Die Festlegung der Gebetsrichtung geht auf das 7. Jahrhundert zurück und weicht von der geographisch korrekten Richtung um 31 Grad ab. Durch die kunstvolle Marmorverkleidung durch Lüsterkeramik der Originalnische aus der Zeit des ʿUqba ibn Nāfiʿ unter den Aghlabiden hat man die ursprüngliche Gebetsrichtung nicht verändert.<ref>Paul Sebag (1965), S. 19 und 43 f.</ref> Der Frontbogen der Vormihrabkuppel mit seinen Stützen aus rotem Porphyr wirkt wie ein Triumphbogen; dieses Material war „in der Antike Ausdruck herrscherlicher Macht und Würde.“<ref>Christian Ewert und Jens-Peter Wisshak (1981), S. 35.</ref>

Auch die Erweiterung des Betsaals um ein weiteres Schiff mit einer neuen Kuppel in Richtung Innenhof wird Abū Ibrāhīm Aḥmad zugeschrieben.

Datei:Eingang des Herrschers.JPG
Eingang zur Maqsūra: Bāb al-Imām

Unmittelbar neben dem Minbar errichtete dann der oben genannte Ziridenherrscher Al-Muʿizz ibn Bādis az-Zīrī (regiert von 1016 bis 1062) die Maqsura, den Sitz des Herrschers in der Moschee, mit einem Sonderzugang an der Qiblawand, genannt Bāb al-Imām. Die dekorative Holzkonstruktion mit der Gründungsinschrift<ref>B. Roy, P. Poinssot (1950), Bd. 1, S. 18–21. Nr. 6.</ref> gehört zu den schönsten Zeugnissen der islamischen Kunst.<ref>Paul Sebag (1965), S. 50 und 105.</ref> Sie ist, gemäß einer weiteren Inschrift, im Jahr 1624 renoviert worden.<ref>B. Roy, P. Poinssot (1950), Bd. 1, S. 23. Nr. 8; H. Saladin (1908), S. 130.</ref>

Das massive, zweimal erweiterte, nunmehr dreistöckige Minarett steht gegenüber dem Betsaal an der Nordwand des Moscheehofes und erinnert seiner Form nach an einen Wehrturm mit Schießscharten. Ursprünglich hatte die Moschee kein Minarett; seine erste Bauphase datiert aus der Regierungszeit des Umayyaden-Kalifen Hischam ibn Abd al-Malik (regiert von 724 bis 743). Somit ist es um hundert Jahre vor dem Ausbau des gegenüberliegenden Betsaals unter Ziyadat Allah entstanden.<ref>Paul Sebag (1965), S. 39 und 101; H. Saladin (1908), S. 119 f.</ref> Diese nach Norden ausgerichtete Erweiterung der Anlage beschreibt der wohl wichtigste Geograph seiner Zeit Abū ʿUbaid al-Bakrī († 1094) mit Wirkungskreis Sevilla und Córdoba im 11. Jahrhundert<ref>The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill. Leiden. Bd. 1, S. 155.</ref> und datiert die ersten Arbeiten auf die Zeit eines Statthalters des Kalifen Hischam.<ref>Paul Sebag (1965), S. 25 verbindet den Bericht mit dem Namen von Bišr ibn Ṣafwān, der im Auftrag des Kalifen Hischam das Gelände von der Lokalbevölkerung aufgekauft haben soll. al-Bakrī und die Lokalhistoriker Qairawāns nennen seinen Namen allerdings nicht.</ref> Im Jahr 774, unter dem Statthalter der Abbasiden Yazīd ibn Ḥātim,<ref>The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill. Leiden. Bd. 7, S. 358. Nr. IV</ref> ist die Anlage mit Ausnahme des Minaretts und des Mihrabs zerstört und neu errichtet worden.<ref>Paul Sebag (1965), S. 30</ref>

Datei:Bab Lalla Rihana Osttor der Grossmoschee.JPG
Osttor: Bab Lalla Rihana; Eingang zum Moscheehof vom Osten

Eine umfangreiche Renovierung des Sakralbaus unternahmen die Hafsiden im Jahr 1294, wobei die Portale neu abgestützt wurden und die seitlichen Galerien neue Bögen mit Säulenpaaren – ebenfalls Spolien – erhielten. In jener Zeit entstanden auch neue Tore an der Ostwand, die in originalen Bauinschriften dokumentiert sind: das Tor Lalla Rīḥāna, benannt nach einer Lokalpatronin, und das Bāb al-Māʾ (Wassertor)<ref>Roy und Poinssot (1959), S. 52-60. Nr. 16-22; P. Sebag, S. 53-56</ref> Das erstere ist 1316 nach aghlabidischem Vorbild mit einer von antiken Säulen getragenen Rippenkuppel versehen worden.<ref>P. Sebag, S. 56</ref>

Trotz mehrfacher Umbauten zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert ist der alte Kern der Hauptmoschee aus der Zeit der Aghlabiden in seiner ursprünglichen Form heute noch erhalten. Der zentral angelegte Haupteingang aus Holz zum Betsaal, genannt Bāb al-bahū, abgeleitet aus al-bāb al-bahīy, das prächtige Tor, ist 1828–1829 erneuert worden. Die Arbeiten sind am oberen Fries schriftlich dokumentiert und das Datum in einem Chronogramm festgehalten. Der Text beginnt nach der Basmala mit einem Koranzitat; (Sure 22, Vers 77)<ref>Roy und Poinssot (1959), S. 57-59. Nr. 21. Die Angabe der Koranstelle auf S. 58, Fußnote 5 (XII, 76) ist zu korrigieren</ref> im Text wird die Moschee als Dschāmiʿ der Gefährten des Propheten Mohammed genannt.<ref>P. Sebag, S. 59</ref>

Datei:Tunesien-qairawan-raqqada.jpg
Spolie in der Hauptmoschee am Westtor mit dem Glaubensbekenntnis لا اله الا الله محمد رسول الله
Datei:Q.islamisierte Säule.JPG
„Islamisierte“ antike Säule, datiert auf das Jahr 1011 in der westlichen Seitenarkade

Heute misst die Moschee im Süden 173 Fuß und 8 Zoll, an der Westseite 219 Fuß und 10 Zoll, an der Nordseite 164 Fuß und 10 Zoll, an der Ostseite 220 Fuß und 1 Zoll.<ref>Angaben nach: Paul Sebag (1965), S. 90</ref> Sie gehört architektonisch zum Typ der Hofmoschee und gilt als frühestes Beispiel des T-Typs (Betsaal mit gegenüber stehendem Minarett) in der Moscheearchitektur.<ref>Christian Ewert und Jens-Peter Wisshak (1981), S. 18-20; S. 31; Richard Ettinghausen, Oleg Grabar, Marilyn Jenkins-Madina: Islamic Art and Architecture 650-1250. Yake University Press 2001. S. 30-33</ref>

Die Spolien byzantinischen und römischen Ursprungs, die bei der Erweiterung des Innenhofes durch zwei Seitenarkaden verwendet wurden, sind durch Koranzitate und das islamische Glaubensbekenntnis (siehe Abbildung) „islamisiert“ worden. Einige davon stammen aus der Zeit der Ziriden in spätem kufischem Duktus.<ref>Georges Marçais (1937), S. 54 aus dem Jahr 1011 (siehe zweite Abbildung in situ)</ref> Andere Spolien tragen nur die Inschrift: „Muḥammad rasūlu ʾllāh“: Mohammed ist der Gesandte Gottes.<ref>Paul Sebag (1965), S. 52</ref>

Der asymmetrische Innenhof war bis ins 19. Jahrhundert hinein mit Keramikfliesen ausgelegt; die heutige Bodenbedeckung aus gelben und weißen, nur grob geschliffenen Marmorquadern entstand am Ende des 19. Jahrhunderts.<ref>Paul Sebag (1965), S. 90</ref> Unter dieser Abdeckung befinden sich mehrere Zisternen, die vor allem vom Dach der Galerien mit Regenwasser gespeist werden. Ein Randstein mit Seilspuren, hergestellt aus einem antiken Kapitell, dient als Öffnung zum Wasserreservoir.<ref>Paul Sebag (1965), S. 90 und S. 117, Abbildung 10. Siehe auch: Bildergalerie: Kairouan um 1900; Foto Nr. 6</ref>

Nach der Vermessung der Spolienanordnung des Betsaales durch den Bauforscher und Kunsthistoriker Christian Ewert und nach der Entschlüsselung der Kontraste der Farben und Materialien der Säulen am Mittelschiff und an den angrenzenden Seitenschiffen ist festgestellt worden, dass die Verbindungen der miteinander verwandten Säulen in diesem zentralen Vormihrabbereich die geometrische Grundrissfigur eines exzentrischen Achtecks ergeben.<ref>Christian Ewert und Jens-Peter Wisshak (1981), S. 49 und die farbigen Abbildungen 20 und 22</ref> Nur fünf Jahre vor dieser ersten Bauphase unter den Aghlabiden – im Jahr 831 – schenkte der Abbasiden-Kalif al-Ma'mun dem Felsendom besondere Aufmerksamkeit: in der äußeren Umgangsarkade ließ er das Baudatum ändern und den Namen des Bauherrn Abd al-Malik ibn Marwan löschen und durch seinen eigenen Namen ersetzen. Das ursprüngliche Baudatum in der umlaufenden Hauptinschrift blieb erhalten.

Christian Ewert neigt dazu, in dieser Säulenhierarchie der Hauptmoschee eine verschlüsselte Einbeziehung des achteckigen Felsendoms durch die Aghlabiden zu sehen, die in Nordafrika zwar politisch weitgehend unabhängig regierten, ihre Bindungen an das Kalifat von Bagdad jedoch nicht vernachlässigten. Hierfür spricht die Tatsache, dass die Gründungsinschrift an der Vormihrabkuppel der Hauptmoschee von Tunis den Namen des Abbasidenkalifen al-Musta'in bi-llah, nicht aber den Namen des aghlabidischen Erbauers nennt.<ref>Christian Ewert und Jens-Peter Wisshak (1981), S. 50; Richard Ettinghausen, Oleg Grabar, Marilyn Jenkins-Madina: Islamic Art and Architecture 650-1250. Yale University Press 2001. S. 33-35</ref>

„So wie der Felsendom durch Übernahme des frühchristlich-byzantinischen Zentralbautyps die geistige Landnahme im ehemals christlichen Osten vor Augen rückt, könnte Kairouan, die erste bedeutende Stätte des Westislam, sich nun bei der anspruchsvollen Neufassung in der geistigen-religiösen Blütezeit der Aġlabiden dieses bereits hochberühmte ostislamische Wallfahrtsziel mit gleicher oder vergleichbarer Absicht abbildend angeeignet haben.“

Christian Ewert und Jens-Peter Wisshak: Forschungen zur almohadischen Moschee. Lief. 1, Vorstufen: hierarchische Gliederungen westislamischer Betsäle des 8. bis 11. Jahrhunderts. 2. 1. 1 Die aġlabidischen Hauptmoscheen von Qairawān und Tunis. S. 52

Moschee des Muhammad ibn Chairun

Die „Drei-Tore-Moschee“ ‏مسجد ثلاثة أبواب ‎ / masǧid ṯalāṯati abwāb, im Volksmund: „talat biban“ in der Altstadt, zwischen dem Markt der Wollhändler und der südlichen Stadtmauer, von Lokalhistorikern und in Reiseberichten ursprünglich als die „Moschee des Mohammed ibn Khairun“, ‏ مسجد محمد بن خيرون‎ / masǧid Muḥammad b. Ḫairūn genannt<ref>Zu weiteren Namensgebungen und ihren Varianten siehe Gisela Kircher (1970), S. 144-145, Anm. 38</ref>, ist mit ihrer dekorativen Fassade eines der schönsten Beispiele islamischer Baukunst.<ref>H.Saladin (1908), S. 132</ref>

Datei:Drei-Tore-Moschee-Kairouan.jpg
Drei-Tore-Moschee; Historische Postkarte um 1905
Datei:Fassade mit Schriftfries.jpg
1 Zeile: Koran; 2. Zeile:Gründungsinschrift; 3. Zeile: Dokumentation der Renovierung

Der Historiker und Geograph Ibn 'Idhari († nach 1313)<ref>The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 3, S. 805; al-Bayān al-muġrib fī aḫbār al-Andalus wal-Maġrib. Ed. G. S. Colin & É. Lévi-Provençal. Brill, Leiden 1948. Band 1. S. 114</ref> berichtet in seiner Geschichte des Maghrib im 14. Jahrhundert über die Moscheegründung wie folgt:

„Im Jahre 252 der Hidschra (= 866) errichtete Muhammad b. Chairūn al-Andalusī al-Maʿāfirī in Qairawān die nach ihm benannte ehrwürdige Moschee, erbaut aus gebrannten Ziegeln, Gips und Marmor, und ließ in ihr Zisternen anlegen.“

Die Fassade mit rund sieben Metern Höhe wird von drei Inschriften <ref>Gisela Kircher (1970), S. 156–159</ref> verziert, von denen die erste ein Koranzitat ist (Sure 33, Vers 70–71)<ref>Gisela Kircher (1970), S. 157</ref>:

„Im Namen des barmherzigen und gütigen Gottes. Ihr Gläubigen! Fürchtet Gott und sagt, was recht ist, dann lässt er euch auch eure Werke gedeihen und vergibt euch eure Schuld! Wer Gott gehorcht (und seinem Gesandten, erhält paradiesischen Lohn und) hat damit großes Glück gewonnen.“

Der obige Korantext erscheint auch auf dem Zwischengesims im Erweiterungsbau von al-Hakam II. (regiert 962–966) in Córdoba in der Hauptmoschee.<ref>Christian Ewert: Spanisch-islamische Systeme sich kreuzender Bögen. Bd. 1. Córdoba. Madrid 1968. S. 15-17</ref> Es ist denkbar, dass die Anbringung dieses Koranverses an der Hauptmoschee von Córdoba auf die Kairouaner Fassade als Muster zurückzuführen ist.<ref>Gisela Kircher (1970), S. 159. Anm. 128</ref>

Im zweiten Schriftfries steht die Gründungsinschrift:

„Im Namen des barmherzigen und gütigen Gottes. Gott allein steht die Entscheidung zu. So war es von jeher und so wird es immer sein. Muhammed b. Khairūn al-Maʿāfirī al-Andalusī ordnete den Bau dieser Moschee an, um Gottes Huld zu erlangen und in der Hoffnung auf seine Vergebung und Barmherzigkeit, im Jahre zweihundertzweiundfünfzig.“

Die Stiftung von Moscheen gilt im Islam als ein sehr verdienstvolles Werk – lässt man doch den Propheten in den großen Hadithsammlungen wie folgt sprechen<ref>Gisela Kircher(1970), S. 166 mit weiteren Quellen nach al-Buchari u. a.</ref>:

„Wer eine Moschee baut, dem baut Gott ein Haus im Paradies.“

Die dritte Inschrift informiert über die Renovierung der Moschee:

„Preis sei Gott für Seine Wohltaten. Möge Gott unseren Herrn Muhammad segnen. Das Gebäude dieser gesegneten Moschee wurde erneuert im Jahre achthundertvierundvierzig (~ 1440–1441). Wir preisen Gott und wir beten für unseren Herrn Muhammad und seiner Familie.<ref>Die Übersetzung der Inschriften: Gisela Kircher,op. cit; siehe auch: B. Roy, P. Poinssot (1950), Bd. 1, S. 61-64</ref>“

Ursprünglich hatte die Moschee kein Minarett. Wahrscheinlich während der Restaurierungsarbeiten unter den Hafsiden hat man neben der Ostarkade der Fassade ein kleines Minarett im Stil der Zeit hinzugefügt, wodurch die letzten Buchstaben der ersten beiden Inschriften (auf dem Foto links) beschädigt worden sind. Auf das Minarett gelangt man vom Betsaal aus über eine schmale Treppe, die die Symmetrie des Innenraumes unterbricht. Es ist in drei Geschosse mit Lichtöffnungen gegliedert und hat eine Gesamthöhe von nur 11,5 m.<ref>Gisela Kircher (1970), S. 153-154</ref>

Der Betsaal mit drei Schiffen parallel zur Qibla-Wand, den man durch drei nebeneinander angereihte Tore betreten kann, ist nur 9 x 8,60 m groß, wobei die Decke von vier Stützen aus Marmor mit antiken Kapitellen getragen wird. Der Mihrabbogen wird von einem Hufeisenbogen mit einer Scheitelhöhe von insg. 2,60 m gebildet. Die Zisterne, ein Randstein mit Seilspuren und einem gewölbten Abstellplatz für den Tonkrug, befindet sich neben der von zwei Säulen flankierten Gebetsnische. Sie wird vom Moscheedach mit Regenwasser gespeist.<ref>Gisela Kircher (1970), S. 148; Ibrāhīm Šabbūḥ: Masǧid Ibn Ḫairūn. In: al-Qairawān.Centre des Études Islamiques. Qairawān. Tunis 1990. S. 56-62; bes. 59-60</ref>

Die Moschee hat weder eine Kanzel (minbar) noch einen Hof. Man nimmt allerdings an, dass der reich geschmückten Fassade eine Musalla angegliedert war – wie dies bei der kleinen Bu Fatata-Moschee in Sousse der Fall ist.<ref>Gisela Kircher (1970), S. 164-165 und ebd. Anm. 175</ref>

Die Fassade nimmt mit ihrer alten, aus der Aghlabidenzeit stammenden Ornamentik und mit ihren frühen Inschriften eine besondere Stellung in der islamischen Baukunst ein. Die gesamte Anlage ist wahrscheinlich als Familienstiftung für private Zwecke errichten worden. Vom Moscheegründer Muhammad ibn Chairūn al-Maʿāfirī al-Andalusī ist nichts bekannt. Er kam wahrscheinlich als Kaufmann aus dem islamischen Spanien in der Aghlabiden-Zeit nach Kairouan, wo man Grabsteine mehrerer Familienangehörigen gefunden hat.<ref>Gisela Kircher (1970), S. 144 und ebd. Anm. 31; Ibrāhīm Šabbūḥ (Brahim Chabouh): Masǧid Ibn Ḫairūn. In: al-Qairawān. Centre des Études Islamiques Kairouan. Tunis 1990. S. 56-57</ref> Den Sohn des Stifters, den Rechtsgelehrten (Faqih) Muhammad ibn Muhammad ibn Khairūn nennen die nordafrikanischen Lokalhistoriker unter den „Märtyrern des Glaubens“.<ref>Heinz Halm: Nachrichten zu Bauten der Aġlabiden und Fatimiden in Libyen und Tunesien. In: Die Welt des Orients (WdI), 23 (1992), S. 145</ref> Er hat sich in Kairouan durch die Verbreitung der Lehre der Zahiriten einen Namen gemacht.<ref>Muranyi (1997), S. 154-155</ref> Im Jahr 914, unter der Herrschaft der Fatimiden, wurde er wegen seines Widerstandes gegen die Schia auf Befehl des fatimidischen Stadtpräfekten von schwarzen Sklaven zu Tode getrampelt.<ref>Gisela Kircher (1970), S. 165.</ref> Sein Grabstein ist bekannt.<ref>B. Roy, P. Poinssot (1950), Bd. 1, S. 184-185. Nr. 93</ref> Zwei weitere Nachkommen dieser bekannten Familie sind ebenfalls in Kairouan beigesetzt worden: Abū Ǧaʿfar starb im Jahre 922;<ref>B. Roy, P. Poinssot (1950), Bd. 1, S. 216-218</ref> das letzte schriftlich dokumentierte Mitglied, Abū Muḥammad, starb im Jahre 959.<ref>B. Roy, P. Poinssot (1950), Bd. 1, S. 254-256; Naṣr al-Ḥanzūlī: Baʿḍ al-ʿāʾilāt al-qairawānīya min ḫilāl an-naqāʾiš ilā nihāyat al-ʿaṣr az-zīrī (Einige Kairouaner Familien anhand von Inschriften bis Ende der Ziridenzeit).In: Naǧm ad-Dīn al-Hintātī (hrsg.): al-Qairawān ʿāṣima ḥaḍārīya fī taʾrīḫ al-maġrib al-islāmī. S. 80-90. Tunis 2006</ref>

Grab des Prophetengefährten

Datei:Grabanlage-des-Prophetengefährten.jpg
Fotografie einer alten Postkarte zu Beginn des 20. Jahrhunderts; im Hintergrund die Grabanlage des Prophetengefährten

Die Grabanlage ‏مقام أبي زمعة البلوي ‎ / maqām Abī Zamʿa al-Balawī liegt außerhalb der Stadtmauer im Stadtteil al-Balawiya, wo der Lokalheilige Kairouans, ein gewisser Abū Zamʿa al-Balawī, ein Gefährte des Propheten Mohammed, verehrt wird. Der Legende nach soll er drei Barthaare des Propheten bei sich getragen haben; daher die, allerdings nur in europäischen Reiseführern dokumentierte Bezeichnung der Anlage als „Barbiermoschee“. Er soll bereits während des Kalifats von ʿUthmān ibn ʿAffān an den ersten arabischen Feldzügen in Nordafrika teilgenommen haben, im Jahr 654-655 in einer näher nicht identifizierbaren Schlacht gefallen und in der Region von Kairouan, die erst Jahrzehnte später besiedelt wurde, beigesetzt worden sein.<ref>Chālid Maudūd: al-maʿālim al-islāmiyya bi-ʿāṣimat al-aġāliba. (Die islamischen Denkmäler in der Hauptstadt der Aghlabiden). In: al-Qairawān.Centre des Études Islamiques. Qairawān. Tunis 1990. S. 30</ref>

Bereits im 10. Jahrhundert berichten Lokalhistoriker der Stadt darüber, dass Bewohner der Stadt an dieser Stelle ein Grab mit einem unversehrten Leichnam gefunden haben sollen. Die Stelle wird wohl als Produkt des islamischen Volksglaubens zu betrachten sein.

In der Stadtgeschichte von Kairouan verbindet man diesen Prophetengefährten mit einem angeblichen Spruch des Propheten, den u.a. at-Tirmidhī überliefert. Der Prophet soll vorausgesagt haben:

„Jeder meiner Gefährten, der in einem Land stirbt, wird am Tage der Auferstehung als Anführer und Licht für die Menschen (jenes Landes) (von Gott) gesandt.<ref>Muranyi (1973) S.155-156.</ref>“

Zum Grab (maqām) gelangt man durch einen großen Innenhof und einen mit Wandfliesen reich geschmückten Korridor im türkischen Stil. Erst im 17. Jahrhundert ließ man den Innenhof mit einer kleinen Koranschule und mit Räumlichkeiten (ṣaumaʿa) für die Grabbesucher erweitern.<ref>Chālid Maudūd: al-maʿālim al-islāmiyya bi-ʿāṣimat al-aġāliba. (Die islamischen Denkmäler in der Hauptstadt der Aghlabiden). In: al-Qairawān. Centre des Études Islamiques. Qairawān. Tunis 1990. S. 30; Henri Saladin (1908), S. 135-140; Georges Marçais (1937), S. 68-69</ref> Über dem Eingang der angeschlossenen Madrasa sind Baubeginn und Bauabschluss in einer Gründungsinschrift der Anlage dokumentiert. Die Arbeiten fanden zwischen 1681 und 1685 statt.<ref>N. Hentati (2009), S. 80-81; Roy / Poinssot (1950), Bd. 2, S. 65</ref> Die Kuppel über dem Grab selbst ist eine spätere bauliche Zutat; gemäß der Inneninschrift ist sie im Jahr 1787 errichtet worden.<ref>N. Hentati (2009), S. 82; Roy & Poinssot (1950), Bd. 2, S. 73</ref> Die Koranschule und der Betsaal sind zu Beginn der 1990er Jahre renoviert worden und sind heute auch für Touristen zugänglich.

Andere islamische Bauten

Im alten Stadtkern sind mehrere Moscheen, auch ohne Minarette, als Betsäle erhalten, die von den Einwohnern der jeweiligen Quartiere aufgesucht werden.<ref>Chālid Maudūd: al-maʿālim al-islāmiyya bi-ʿāṣimat al-aġāliba. (Die islamischen Denkmäler in der Hauptstadt der Aghlabiden). In: al-Qairawān. Centre des Études Islamiques. Qairawān. Tunis 1990. S. 32-33</ref>

  • Die älteste Moschee ist wahrscheinlich die Moschee der Al-Ansar, ‏ مسجد الأنصار‎ / masǧid al-anṣār die, der Lokalgeschichte Kairouans zufolge, der Prophetengefährte Ruwaifiʿ ibn Thābit al-Anṣārī im Jahr 667 gegründet haben soll. Die Gründung dieser kleinen Hofmoschee mit einem offenen Betsaal und archaischem Mihrab konnte durch archäologische Funde bisher nicht bestätigt werden. Die Anlage ist im Jahr 1650 renoviert worden.<ref>H. Saladin (1908), S. 131</ref> Wahrscheinlich während dieser Arbeiten ist an der Innenfassade des Betsaales ein Epitaph auf einer kleinen Marmorplatte angebracht worden, die ursprünglich zu einem Grab auf einem der Friedhöfe außerhalb der Stadtmauer gehören dürfte. Die Grabinschrift ist auf den 3. September 1043 datiert.<ref>Roy & Poinssot (1958), Bd. 2. S. 538-539. Nr. 399</ref> Der Lokalhistoriker ad-Dabbagh (†1296)<ref>Carl Brockelmann: Geschichte der arabischen Litteratur. Supplementband 2, S. 337. Brill, Leiden 1938</ref> berichtet, dass die Moschee unter den segensuchenden Muslimen sehr beliebt war; Händeabdrücke aus Lehm an der weißen Außenmauer bestätigen diesen im Volksislam üblichen Kult bis in die Gegenwart hinein.<ref>Muranyi (1973), S. 160</ref>
  • Die Zaitūna-Moschee ‏مسجد الزيتونة ‎ / masǧid az-zaitūna / „Olivenbaum-Moschee“. Der Überlieferung nach soll Ismāʿīl ibn ʿUbaid von den medinensischen Ansār diese Moschee im Jahr 710 gegründet haben. Der bereits genannte Lokalhistoriker Kairouans, Abū Bakr al-Mālikī, berichtet, dass er neben der Moschee auch einen Markt – Sūq Ismāʿīl – errichten ließ; wegen seiner Freigebigkeit und Unterstützung der Armen nannte man ihn „Kaufmann Gottes“ (tāǧir Allāh).<ref>Riyāḍ an-nufūs fī ṭabaqāt ʿulamāʾ al-Qairawān wa-Ifrīqīya. (Hrsg. Baschīr Bakkūsch. Beirut 1983), Bd. 1, S. 106-107; Ḥ. Ḥ. ʿAbd al-Wahhāb: Waraqāt ʿan al-ḥaḍāra al-ʿarabiyya bi-Ifrīqiya at-tūnisiyya. (Feuillets. Études sur certains aspects de la civilisation arabe en Ifrikia / Tunisie). Tunis 1972. Bd. 1, S. 327; Bd. 3, S. 37-38</ref> Die Einheimischen benutzten die Moschee während Umbauarbeiten in der Hauptmoschee.<ref>Chālid Maudūd (1990), S. 33</ref> Während nicht datierbarer Umbauarbeiten der Moschee sind auch hier - wie in der Moschee der al-Anṣār - alte Grabsteine mit Inschriften verwendet worden, die von Friedhöfen außerhalb der Stadtmauer stammen. Sie sind datiert auf den 25. Oktober 1033,<ref>Roy & Poinssot (1950), Bd. 1. S.418-419. Nr. 290</ref> auf den 19. August 1037 und auf den 8. März 1044 an der Fassade der Moschee.<ref>Roy & Poinssot (1958), Bd. 2. S. 463-464. Nr. 328 und S. 554-555. Nr. 412</ref>
  • Die Moschee von al-Ḥubulī ‏مسجد الحبلي ‎ / masǧid al-Ḥubulī. Sie befindet sich in der Nähe des Nordtors der Stadt (Bāb Tūnis) und trägt den Namen ihres Gründers Abū ʿAbd ar-Raḥmān al-Ḥubulī († 718),<ref>Muranyi: Die Prophetengenossen in der frühislamischen Geschichte. Bonn 1973. S. 157</ref> der angeblich auf dem Friedhof der Quraisch in Kairouan beigesetzt wurde.<ref>Chālid Maudūd (1990), S. 33; Muranyi (1973), S. 157</ref> Der Lokalhistoriker Abū Bakr al-Mālikī, der die Zerstörung der Stadt im Jahr 1057 durch die Banū Hilāl erlebte, berichtet, dass al-Ḥubulī im Auftrag von ʿUmar ibn ʿAbd al-ʿAzīz nach Nordafrika kam und dass sein Grab in der Nähe vom Bāb Tūnis noch zu seiner Zeit bekannt war.<ref>Riyāḍ an-nufūs fī ṭabaqāt ʿulamāʾ al-Qairawān wa-Ifrīqīya. Bd. 1, S. 100</ref>
  • Die Grabanlage von Sīdī ʿUmar ʿAbbāda ‏ مقام سيدي عمر عبادة‎ / maqām Sīdī ʿUmar ʿAbbāda, im Volksmund: Āmor Abbāda. Die mit sieben Kuppeln gekrönte Grabanlage außerhalb der Stadtmauer ist im Jahr 1872 fertiggestellt worden. Sie ist dem Kairouaner Schmied ʿUmar ibn Sālim ibn ʿUmar al-ʿAyyārī († 1855–1856) gewidmet, dessen Haus, in dem er beigesetzt wurde, nach seinem Tod erweitert und als Museum mit Exponaten aus seinem Besitz, darunter Werkzeuge, Waffen und Haushaltsgegenstände, eingerichtet wurde. Im islamischen Volksglauben gilt er bis in die Gegenwart hinein als Heilbringer, dessen Grab über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt ist und besucht wird.<ref>Chālid Maudūd (1990), S. 32</ref>
  • Der Rūṭa-Brunnen ‏ بئر روطة , بئر بروطة‎ / biʾr Rūṭa, biʾr Barrūṭa. Der Brunnen befindet sich in einem mit Kuppeln verzierten Haus in der Altstadt. Er gilt zwar als die älteste Brunnenanlage der Stadt, wird aber erst im frühen 11. Jahrhundert in Schriften der Lokalhistoriker genannt. Die Anlage soll Harthama ibn Aʿyan (hingerichtet im Juni 816),<ref>The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 3, S. 231</ref> der Statthalter der Abbasiden in Nordafrika, gegen 796 in der Nähe des heute noch bestehenden Sonntagsmarktes (sūq al-aḥad) errichtet haben. Gemäß einer Inschrift ist die Anlage im Jahr 1690 erneuert worden.<ref>Chālid Maudūd (1990), S. 31-32; Georges Marçais (1937), S. 12-13. Zur Inschrift siehe Roy und Poinssot (1950), Bd. 1, S. 85-86, Nr. 41 mit der Namensvariante: Biʾr ʾAutaʾ (sic)</ref>

Die Stadtmauer

Die erste Befestigung der Stadt mit einer Mauer aus Lehmziegeln erfolgte auf Anordnung des Abbasidenkalifen al-Manṣūr zwischen 762 und 763. Der andalusische Geograph Abū ʿUbaid al-Bakrī nennt sechs Tore, von denen das Tunis-Tor (Bāb Tūnis) an der Nordmauer heute noch erhalten ist.<ref name="cm27">Chālid Maudūd (1990), S. 27</ref>

Während der Invasion der Charidschiten und Ibaditen zwischen 771 und 772 ist ein Großteil der Mauer zerstört und die Stadttore niedergebrannt worden. Die Aghlabidenemire Ibrahim I. ibn al-Aghlab und sein Nachfolger Ziyādat Allāh ibn Ibrāhīm ließen die gesamte Stadtmauer abreißen - als Strafmaßnahme gegen die Zivilbevölkerung der Stadt, die die anti-aghlabidischen Bewegungen zwischen 810 und 824 unterstützte.<ref>Chālid Maudūd (1990), S. 27; The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 4, S. 825</ref>

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Bāb Tūnis. Historische Postkarte um 1900

Eine weitere Befestigung der Stadt erfolgte unter Al-Muʿizz ibn Bādīs az-Zīrī, die jedoch durch die Hilāl-Invasion bald zerstört wurde. Eine auf Juli 1045 datierte fragmentarisch erhaltene Inschrift über dem Tunis-Tor überdauerte die Zerstörung und dokumentiert die Bauarbeiten unter dem Ziridenherrscher.<ref>B. Roy & P. Poinssot (1950), S. 88</ref>

Erst zwischen 1756 und 1772 erhielt die Stadtmauer ihre gegenwärtige Form mit einer Länge von 3800 und einer Höhe zwischen vier und acht Metern.<ref name="cm27" /> Aus dieser Zeit stammen die Inschriften, die den Wiederaufbau dokumentieren: am Bāb al-Dschallādīn (Tor der Lederhändler - heute: Bāb asch-schuhadāʾ: Tor der Märtyrer) an der Südmauer, am al-Bāb al-Dschadīd (das Neutor) im Nordwesten und am im Volksmund als Bāb al-Chaucha genannten Tor im Südosten,<ref>B. Roy & P. Poinssot (1950), S. 94; 98; 100</ref> das in den Inschriften Bāb an-naṣr (Siegestor) und Bāb al-Dschāmiʿ (Tor (zur) Hauptmoschee) bezeichnet wird.<ref>B. Roy & P. Poinssot (1950), S. 100, Anm. 48</ref>

Die Märkte

Datei:Arcades in Medina of Kairouan, Tunisia 2007.jpg
Eine der überwölbten Gassen der Teppichhändler

Die Gründung der heute noch vorhandenen Märkte in der Altstadt geht auf den bereits genannten Yazīd ibn Ḥātim zurück, der um die gleiche Zeit, gegen 774, auch die Hauptmoschee neu errichten ließ. Der bereits genannte Geograph Ibn ʿIdhārī aus Marrakesch berichtet, wohl nach älteren Quellen Kairouaner Lokalhistoriker,<ref>Ḥ. Ḥ. ʿAbdalwahhāb: Waraqāt. Bd. 1, S. 57-58</ref> dass der genannte Statthalter „den Markt nach den Zünften“ angeordnet errichten ließ. Der Lokalhistoriker Abū Bakr al-Mālikī nennt in seiner Gelehrtengeschichte von Kairouan zwölf Märkte, die zum Teil nach den Zünften benannt waren: Markt der Stoffhändler, Markt der Schneider, Markt der Gerber, Markt der Weber usw.<ref>Riyāḍ an-nufūs, Bd. 3 (Index), S. 98. Beirut 1984</ref> Der von ihm genannte Sonntagsmarkt (sūq al-aḥad) existiert heute noch. Ein jüdischer Markt (sūq al-yahūd)<ref>Ḥ. Ḥ. ʿAbdalwahhāb: Waraqāt. Bd. 2, S. 53</ref> befand sich im Ḥārat Ḫaibar, im von Juden bewohnten Ḫaibar-Viertel am Stadtrand. Dieser Name erscheint in einer Kairouaner (Kauf)urkunde (waṯīqa) auf Pergament, die heute zum Bestand der ehemaligen Moscheebibliothek gehört.<ref>Die Bezeichnung der Juden als Ḫaibarī (einer aus Ḫaibar) war ebenfalls bekannt. Der Bezug zu der ursprünglich jüdischen Siedlung Chaibar zur Zeit Mohammeds ist offensichtlich: Ḥ. Ḥ. ʿAbdalwahhāb: Waraqāt. Bd. 3, S. 255 und Anmerkung 2</ref> Mehrere Lokalhistoriker berichten darüber, dass sowohl die Juden als auch die Christen der Stadt bestimmte Kleidungsvorschriften befolgen mussten, die die muslimischen Qādīs im 9. Jahrhundert erlassen haben. In entsprechenden Rechtsgutachten wird die Ignorierung solcher Vorschriften noch im 12. Jahrhundert - kurz vor der Zerstörung der Stadt - unter Strafe gestellt. An den Wohnhäusern von Juden und Christen waren Schilder mit Abbildungen von Affen bzw. Schweinen befestigt, ihre aus Lehm errichteten Gebetshäuser durften durch Ziegel nicht befestigt werden.<ref>ʿAbd al-Ḥamīd al-Baḥrūnī (2006), S. 60-61</ref> Die jüdischen Bewohner dieses Stadtteils beschäftigten sich im 10. Jahrhundert und danach vor allem mit Geldverleih und anderen Geldgeschäften.<ref>Naǧāt Pacha (Bāšā): Le commerce au Maghreb de XIe au XIV siècles. Tunis 1976. S. 67-68</ref>

Sowohl die nordafrikanischen Lokalhistoriker als auch arabische Geographen erwähnen Märkte, die bis in das 11. Jahrhundert in der Stadt, oft in der Nähe der Hauptmoschee, bekannt waren.

  • Der Markt (Haus) der Stickereien (dār aṭ-ṭirāz) befand sich in der Nähe der Verwaltungseinheiten der Stadt; deshalb trug er den Namen „Haus“ und nicht Markt (sūq). Hier sind vornehme Kleidungsstücke mit aufwendigen Stickereien geschmückt und an wohlhabende Bürger verkauft worden. Der Grabstein eines Handwerkers dieser Zunft (ṭarrāz), der 1056 starb, ist erhalten.<ref>Roy & Poinssot (1983), S. 50; ʿAbd al-Ḥamīd al-Baḥrūnī (2006), S. 46-47</ref>
  • Der Markt der Stoff- und Tuchhändler (sūq al-bazzāzīn) befand sich wegen seiner Bedeutung in der Stadtmitte. Einige Vertreter dieser Zunft sind bereits im frühen 9. und 10. Jahrhundert auf ihren Grabsteinen identifiziert worden.<ref>Roy & Poinssot (1950), Band 1, S. 173; 178-179; ʿAbd al-Ḥamīd al-Baḥrūnī (2006), S. 48</ref>
  • Der Geflügelmarkt, eig. Hühnermarkt (sūq ad-daǧāǧ) befand sich in der Nähe vom Tunis-Tor und war als Wochenmarkt bekannt. Im 10. Jahrhundert bezeichnete man ein Tor der Hauptmoschee als „Tor des Donnerstagsmarktes (bāb sūq al-ḫamīs)“, in dessen Nähe der Geflügelmarkt lag.<ref>ʿAbd al-Ḥamīd al-Baḥrūnī (2006), S. 49</ref> In der Nähe der Gemüsehändler waren die Metzger und die Verkäufer von Fleischprodukten angesiedelt. Ein ḥānūt kaftaǧī Koftaladen im Marktbereich ist in einer Kairouaner Lokalbiografie aus dem 19. Jahrhundert dokumentiert.<ref>al-Kinānī: Takmīl aṣ-ṣulaḥāʾ wal-aʿyān. (Ed. ʿAbd al-Maǧīd Ḫayālī. Beirut 2005), S. 189</ref>
  • Der Markt der Papierhersteller (sūq al-warrāqīn) entstand bereits im 8. Jahrhundert. Hier sind auch das in seiner Herstellung aufwendige, aus tierischen Häuten gefertigte Pergament (raqq / riqq) und andere Schreibmaterialien verkauft worden. Das grobe, oft aus Stoffresten hergestellte Papier (kāġaz) fand seinen Weg aus Bagdad über Ägypten nach Kairouan.<ref>Ḥasan Ḥusnī ʿAbd al-Wahhāb, Waraqāt, Band 1, S. 207</ref> Der arabische Geograph al-Muqaddasi hebt in seinem Bericht über Nordafrika hervor, daß dort sowohl Koranexemplare als auch literarische Handschriften vor allem auf Pergament geschrieben worden sind. Die Richtigkeit dieser Angabe wird durch den gegenwärtigen Bestand der Moscheebibliothek bestätigt.<ref>ʿAbd al-Ḥamīd al-Baḥrūnī (2006), S. 50</ref>
  • Der Markt der Stoffhändler (sūq ar-rahādira /rahādina)<ref>Zum Begriff siehe: R. Dozy: Supplément aux dictionnaires arabes. Leiden, Paris 1967. Band 1. S. 562</ref> ist einer der ältesten Märkte der Stadt gewesen. Lokalberichten zufolge existierte dieser Markt bereits in den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts. Eines der Tore der Hauptmoschee hieß im 11. Jahrhundert bāb ar-rahādina; dies lässt darauf schließen, dass dieser Markt sich ebenfalls in der Nähe der Hauptmoschee befand.<ref>ʿAbd al-Ḥamīd al-Baḥrūnī (2006), S. 53</ref> Auf mehreren Grabstelen sind die Beinamen der Verstorbenen als „Rahdār“ genannt.<ref>Roy & Poinssot (1950), Band 1. S. 280; Band 2, S. 443; 591; Band 3, S. 35</ref>
  • Der Mark der Färber (sūq aṣ-ṣabbāġīn) befand sich in der Nähe der Märkte der Stoff- und Tuchhändler und der Hersteller von aller Art Textilien. Bis in das 11. Jahrhundert werden auf Grabstelen Namen mit dieser Berufsbezeichnung genannt.<ref>Roy & Poinssot (1950), Band 1, S. 246; ʿAbd al-Ḥamīd al-Baḥrūnī (2006), S. 51</ref>
  • Der Markt der Stopfer und Näher (sūq ar-raffāʾīn) befand sich in der Nähe der Stoffhändler; in ihren Nähstuben sind Kleidungen ausgebessert und überholt worden.<ref name="Baḥrūnī 2006">ʿAbd al-Ḥamīd al-Baḥrūnī (2006), S. 54</ref>
  • Der Markt der Lanzen- und Speerhersteller (sūq ar-rammāḥīn) befand sich gemäß al-Muqaddasī in der Nähe der Hauptmoschee; hier fanden sowohl die Herstellung als auch der Verkauf von Speeren und möglicherweise auch anderen Waffen statt. Einige Qairawāner Familien tragen bis heute den Namen ar-Rammāḥ, der noch im 14. Jahrhundert als Beiname eines Waffenherstellers bei den Lokalhistorikern dokumentiert ist.<ref name="Baḥrūnī 2006"/>
  • Der Dattelmarkt /Markt der Dattelhändler (sūq at-tammārīn). al-Maqdīsī nennt im 10. Jahrhundert das „Tor der Dattenhändler“ der Hauptmoschee, was darauf schließen lässt, dass auch dieser Markt sich in der Nähe der Moschee befunden hat. Bereits im letzten Viertel des 8. Jahrhunderts wird über einen „Dattelplatz“ (raḥbat at-tamr) an der Hauptmoschee berichtet.<ref>ʿAbd al-Ḥamīd al-Baḥrūnī (2006), S. 55</ref> Auf dem alten Friedhof am Tunis-Tor ist der Grabstein eines Dattelhändlers (at-Tammār) identifiziert worden. Das Todesjahr ist nicht mehr erhalten.<ref>Roy & Poinssot (1983), Band 3, S. 77: „Das ist das Grab von ʿAbd ar-Raḥmān ibn Abū (sic) Bakr at-Tammār. Er starb am Montag am 18. Šaʿbān des Jahres [......].“</ref>

Der heutige Markt besteht, ebenfalls nach Zünften geordnet, aus überwölbten Gassen mit Lüftungsschächten und unüberdachten Gassenzügen. Der zentrale Marktbereich kann durch sechzehn Tore geschlossen werden.<ref>Eugen Wirth: Zum Problem des Basars. Versuch einer Begriffsbestimmung und Theorie des traditionellen Wirtschaftszentrums der orientalisch-islamischen Stadt. In: Der Islam 52 (1975) S. 6-46; hier: S. 32. Fig. 24: Bazar Kairouan</ref> Dieser Kernbereich des Marktes liegt allerdings nicht in der Nähe der Hauptmoschee, wie dies als Charakteristikum der orientalisch-islamischen Stadt angenommen wird, sondern orientiert sich an der Stärke der „Passantenströme“. Die Auffassung, dass sich der Standort orientalischer Märkte nach der Nähe der Hauptmoscheen richtete, kann empirisch nicht nachgewiesen werden.<ref>Eugen Wirth: Zum Problem des Basars. Versuch einer Begriffsbestimmung und Theorie des traditionellen Wirtschaftszentrums der orientalisch-islamischen Stadt. In: Der Islam 51 (1974) S. 242</ref>

Islamische Grabinschriften

Außerhalb der Stadtmauer befinden sich mehrere Friedhöfe, deren Geschichte bis in das 9. Jahrhundert zurückreicht.<ref>Nejmeddine Hentati (Hrsg.): Études d'histoire kairouanaise. Publications du Centre des Études Islamiques de Kairouan. 2009. S. 117-124</ref> Die dort gesichteten Grabsteine mit datierten Inschriften gehören zu den reichhaltigsten Funden von Epitaphen in Nordafrika.<ref>Chālid Maudūd (1990), S. 70-71</ref> Das Material ist überwiegend Marmor in Form von runden Stelen oder Tafeln, letztere oft mit Randabschlüssen als filigrane Ornamente der arabischen nicht figurativen Steinmetztechnik.<ref>Nejmeddine Hentati (Hrsg.): Études d'histoire kairouanaise. Publications du Centre des Études Islamiques de Kairouan. 2009. S. 143-164</ref>

Die älteste, heute bekannte Grabinschrift ist auf den 11. März 850,<ref>B. Roy & P. Poinssot (1950), S. 104-110, Anm. 48</ref> die späteste auf den 19. April 1580 datiert.<ref>B. Roy & P. Poinssot (Tunis 1983), Bd. 3, S. 149</ref> Die frühesten Inschriften sind durchgehend in kufischem Duktus geschrieben, der allmählich von der dekorativen Nasḫī-Schrift verdrängt wurde. Der etwas modifizierte Kufi-Duktus ist aber noch gegen Ende des 14. Jahrhunderts auf Grabsteinen dokumentiert.<ref>B. Roy & P. Poinssot (Tunis 1983), Bd. 3, S. 123</ref>

Der inhaltliche Aufbau<ref>N. Hentati (2009), S. 151-152</ref> der Inschriften variiert nur geringfügig; zur Gestaltung ihrer Inhalte gehören folgende Elemente:

  • Sure al-Ichlās
  • das ist das Grab von...(Name), sehr oft mit Angabe des Berufes, oder der Zugehörigkeit zu einer Zunft in der Stadt
  • Das Glaubensbekenntnis in seiner abgewandelten Form: „er bezeugt, dass es keinen Gott außer Gott, der keinen Teilhaber (an der Macht hat - siehe z. B. Sure 6, Vers 163), gibt und dass Mohammed sein Diener und sein Gesandter ist“
  • er bezeugt, dass das Paradies, die Hölle (an-nār) und der Tag der Auferstehung Wirklichkeit sind...
  • Segenswünsche für diejenigen, die für den Toten eine Fürbitte einlegen
  • Todesdatum

Der Inhalt der Grabinschriften lässt sowohl auf die soziale Struktur der Stadtbewohner, auf ihre Stammeszugehörigkeit, auf die in der Stadt ausgeübten Berufe<ref>Chālid Maudūd (1990), S. 71-72</ref> als auch auf politische und religiöse Positionen von Verstorbenen schließen. Auf dem Epitaph des Kairouaner Richters Abū ʾl-ʿAbbās Ibn ʿAbdūn, der am 20. Februar 910 starb, ist in dem üblichen Glaubensbekenntnis auch die theologische Position des Verstorbenen dokumentiert; in der Aufzählung einiger Attribute Gottes steht auch: „Es gibt nichts, was ihm gleichkommen würde. Er ist der, der (alles) hört und sieht (Sure 42, Vers 11), die Blicke (der Menschen) erreichen ihn nicht, werden aber von ihm erreicht (Sure 6, Vers 103)...“ <ref>B. Roy & P. Poinssot, Bd. 1, S. 171-173, Nr. 89</ref> Als Hanafit stand Ibn ʿAbdūn der Lehre der Muʿtazila nahe, was hier durch die Leugnung der Gottesschau (infāʾ ar-ruʾya) durch das Heranziehen des letzteren Koranverses in seinem Epitaph dokumentiert wird.<ref>M. Muranyi (1997), S. 167, Anm. 1</ref>

Die anti-mu'tazilitische Position des Verstorbenen ist auf einer Stele vom 27. Dezember 899 festgehalten: als letzter Satz auf einer Stele steht:„der Koran ist das Wort Gottes und ist nicht erschaffen (laisa bi-machlūq).<ref>B. Roy & P. Poinssot, Bd. 1, S. 153, Nr. 77</ref> Dies ist der erste schriftlich dokumentierte Ausdruck der Opposition gegenüber der Lehre der Mu'tazila in Qairawān. Eine weitere Grabinschrift mit identischem Inhalt stammt aus Januar 905; auf das Glaubensbekenntnis folgt die Formel über die Unerschaffenheit des Korans mit dem Zusatz: „mit diesem Bekenntnis lebte und starb er.“<ref>B. Roy & P. Poinssot, Bd. 1, S. 160-161, Nr. 83</ref>

Inhaltlich vergleichbar ist die Grabinschrift vom 13. Juli 1002:„...der Koran ist das Wort Gottes und ist nicht erschaffen. Gott wird am Tage der Auferstehung zu erblicken sein...“ <ref>B. Roy & P. Poinssot, Bd. 1, S. 296, Nr. Nr. 170; siehe auch S. 152-153, Nr. 77</ref> Auf einem Grabstein vom 3. August 1043, der in der Nähe vom Bāb Tunis, hinter der Nordmauer der Stadt aufgefunden wurde, wird neben dem Glauben an die Gottesschau am Tage der Auferstehung auch die politische Position des Verstorbenen demonstriert: „er ist von Haß gegen die Banū ʿUbaid,<ref>d. i. die Fatimiden</ref> gegen die Feinde Gottes erfüllt und verflucht sie.“<ref>B. Roy & P. Poinssot, Bd. 2, S. 536-537, Nr. 397; M. Muranyi (1997), S. 144, Anm. 2-3. Im islamischen Osten, in Mosul, ist eine Stele mit ähnlichem Inhalt, mit der Zurückweisung der mu'tazilitischen Lehre, erhalten. Siehe Josef van Ess:Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert der Hidschra. Bd. 3, S. 474</ref>

Die französischen Orientalisten Bernard Roy und Paule Poinssot haben in ihren Publikationen (siehe: Literatur) zwischen 1950 und 1983 insgesamt 559 Grabsteine auf Kairouaner Friedhöfen erfasst, beschrieben und ihre Inschriften dokumentiert. Einige Exemplare sind im Museum des Instituts Centre d'Études de la Civilisation et des Arts Islamiques in Raqqāda bei Kairouan ausgestellt; die anderen Grabsteine sind dort eingelagert.

Friedhof der Awlād Farḥān

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Der Friedhof der Awlād Farḥān. Im Hintergrund:die Hauptmoschee
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Das Grab eines Schutzpatrons der Awlād Farḥān

An der nordwestlichen Stadtmauer, hinter dem Minarett der Hauptmoschee, befindet sich der Friedhof der nur wenig bekannten tunesischen Sippe der Awlād Farḥān ‏مقبرة أولاد فرحان ‎ / maqbarat Awlād Farḥān, der Nachkommen von Farḥān, mit zum Teil bizarren, für islamische Friedhöfe ungewöhnlichen Grabanlagen. Einige von ihnen sind als Doppelgräber mit einer niedrigen Mauer umrandet und sind die Ruhestätten von Schutzpatronen der Sippe. An der Grabsteinspitze ist „Allah“ aus Lehm aufgetragen.

Die Sippenmitglieder leben heute in verschiedenen Regionen Tunesiens, bestatten aber ihre Verstorbenen auf diesem Friedhof an der Stadtmauer. Am Todestag von Angehörigen und an bestimmten Feiertagen werden in den kleinen, in die Grabsteine eingelassenen Nischen Kerzen angezündet.

Moscheebibliothek

Die französischen Orientalisten Octave Houdas und René Basset erwähnten in ihrem Bericht über ihre Mission scientifique en Tunisie in der Zeitschrift Bulletin de Correspondance Africaine (Bd. 1) im Jahr 1882 eine Handschriftensammlung in der Hauptmoschee von Qairawān, die sie in einem geschlossenen Raum neben dem mihrab gesehen haben. Im Jahr 1897 berichtete der tunesische Ministerialbeamte Muhammad Bek Bayram vor der Ägyptischen Geographischen Gesellschaft über seine Reise nach Kairouan und gab genauere Informationen über die Handschriftensammlung, die damals in der von Al-Muʿizz b. Bādīs az-Zīrī errichteten maqsūra der Hauptmoschee aufbewahrt war. Sein Bericht ist in arabischer Übersetzung in der ägyptischen Zeitschrift al-Muqtaṭaf erschienen.<ref>Bd. 21 (4. April 1897. S. 241-246; über die Bibliothek: S. 243-244</ref> Erst 1956 ist dann das auf das Jahr 1293–1294 datierte Inventar vom tunesischen Forscher Brahim (Ibrahim) Chabbouh in der Zeitschrift Revue de l'Institute des Manucrits Arabes (Kairo) publiziert worden, dessen Inhalt dem heute tatsächlich vorliegenden Bestand allerdings nicht mehr entspricht.<ref>E.Voguel, S. 533-534</ref>

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Die Maqsura: hinter dieser Wand befand sich die Handschriftensammlung

Der deutsche Orientalist Joseph Schacht, der 1963 und 1964 einige Handschriften aus dieser unkatalogisierten Sammlung vor Ort untersucht hatte, veröffentlichte in der islamwissenschaftlichen Zeitschrift Arabica im Jahr 1967 eine erste wissenschaftliche Bestandsaufnahme über die wichtigsten Dokumente dieser Bibliothek.<ref>Arabica 14 (1967), S. 226ff.</ref> In jener Zeit verfasste der tunesische Gelehrte Muḥammad al-Buhlī al-Nayyāl eine Kurzstudie über einige Unikate der Bibliothek und publizierte erstmals Faksimiles aus dem bis dahin weitgehend unbekannten Bestand.<ref>Al-maktaba al-aṯariyya bil-Qairawān. ʿArḍ wa-dalīl. (Die alte Bibliothek von Qairawān. Darstellung und Wegweiser). Tunis 1963</ref>

Erst in der Mitte der 1980er Jahre hat man damit begonnen, den heute vorliegenden Handschriftenbestand – überwiegend auf Pergament geschrieben – nach Gattungen, Verfassern und Titeln zu sortieren. Aus den Mitteln des Auswärtigen Amtes sind Räumlichkeiten für die Aufbewahrung der Handschriften, ferner Foto- und Restaurierungslabors in der ehemaligen Sommerresidenz des Präsidenten Habib Bourguiba im zwölf km von Kairouan entfernten Raqqada geschaffen worden. Hier befindet sich auch das Centre d'Études de la Civilisation et des Arts Islamiques, dem ein kleines Museum mit Exponaten aus der Zeit der Aghlabiden und Ziriden angeschlossen ist.

Die meisten Handschriften sind dem islamischen Recht zuzuordnen und sind weltweit die ältesten Materialien zur Rechtsliteratur der Malikiten im 9. Jahrhundert. Einige Exemplare sind in der Schaffungsperiode der Malikiten zwischen der Entstehung des Muwattaʾ von Mālik ibn Anas (bis 795) und der Mudawwana des Sahnūn ibn Saʿīd (bis 854) verfasst worden. Den gegenwärtigen Forschungsstand (1997) stellen die bio-bibliographischen Studien des Orientalisten Miklos Muranyi über die Kairouaner Gelehrsamkeit dar.<ref>Muranyi (1997), passim</ref>

Ferner besitzt die Bibliothek eine der reichhaltigsten Sammlungen an alten Korancodices, darunter Fragmente aus dem „Blauen Koran“ in der archaischen Kufi-Schrift ohne diakritische Punkte aus dem späten 9. und 10. Jahrhundert. Schon im Inventar der Bibliothek aus dem Jahr 1293–94 werden mehrere Teile des Blauen Korans angeführt; einige Blätter befinden sich heute in Privatsammlungen. Der Ursprung dieser Codices liegt gegenwärtig zwar im Dunkeln, dennoch geht man heute davon aus, dass die Herstellung der blauen Pergamentbögen und ihre Beschreibung in Gold in Kairouan zu lokalisieren ist. Ein hebräisches Dokument aus der Kairoer Geniza aus dem 10. Jahrhundert – der Entstehungszeit des blauen Korans – berichtet über den Export von Indigo aus Ägypten nach Tunesien. Dieses Material war der Grundstoff für die Färbung der tierischen Häute bei der Herstellung des Pergaments.<ref>Über die Pergamentherstellung in Qairawān siehe: Nejmeddine Hentati (Hrsg.): Contributions scientifiques et apports techniques de Kairouan. Tunis 2011. S. 175ff (Ṣināʿat al-ǧild bil-Qairawān) in arabischer Sprache.</ref> Der Auftraggeber, auf dessen Anordnung diese Prachtexemplare entstanden sind, ist unbekannt.

Einige Koranblätter aus unterschiedlichen Epochen sind im genannten Museum ausgestellt.<ref>Richard Ettinghausen, Oleg Grabar, Marilyn Jenkins-Madina: Islamic Art and Architecture 650-1250. Yake University Press 2001. S. 98-100</ref>

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Der blaue Koran; Pergament. 10.–11. Jahrhundert: Sure Fāṭir, 1-4

Das hier abgebildete Blatt aus dem blauen Koran beginnt mit der Sure 35 (Fāṭir), Vers 1 und endet in Zeile 14 mit dem Anfang von Vers 4 fragmentarisch mit: wa-i(n) وا ‎. Charakteristisch für Codices dieser Zeit ist die später im Arabischen unübliche Worttrennung, hier am Ende der Zeile 3: ‏ ر - سلا ‎ / ru-sulan und am Ende der Zeile 10: ‏ اذ - كروا‎ / ʾḏ-kurū. Es ist hervorzuheben, dass der Kopist in der Mitte der dritten Zeile ein Verb ‏ جعل ‎ / ǧaʿala und nicht das im Druck verzeichnete Partizip desselben Verbs ‏ جاعل ‎, DMG ǧāʿili geschrieben hat; dies ist ein im kufischen Duktus, in dem man die Vokallängen nicht kennzeichnet, zwar kein seltenes Phänomen, jedoch erlaubt die Variante an dieser Stelle eine andere als die im Druck vorliegende Lesart des Verses.

Kairouan in der europäischen Literatur

Der französische Schriftsteller Guy de Maupassant beschrieb die Hauptmoschee mit folgenden Worten<ref>Guy de Maupassant: Unterwegs nach Kairouan. Nordafrikanische Impressionen. Aus dem Reisebuch La vie errante ausgewählt und übertragen von Erik Maschat. E. Piper & Co Verlag, München 1957. S. 56</ref>:

Ich kenne auf der ganzen Welt nur drei religiöse Gebäude, die mir einen so überraschenden und überwältigenden Eindruck gemacht haben wie dieses barbarische, verblüffende Bauwerk: der Mont-Saint-Michel, San Marco in Venedig und die Palatinische Kapelle in Palermo. (...) Hier ist es ganz anders. Ein umherirrendes Volk von Fanatikern, das kaum fähig ist, Mauern zu bauen, das in ein mit Ruinen der Vorgänger bedecktes Land gekommen ist, hat hier alles zusammengeschleppt, was ihm am schönsten erschien und - von einer sublimen Eingebung getrieben - nun seinerseits aus diesen Trümmern in gleichem Stil und gleicher Anordnung eine Wohnung für seinen Gott errichtet, eine Behausung aus Stücken zusammengebaut, die einstürzenden Städten entrissen wurden, aber genauso vollkommen und prächtig wie die reinsten Entwürfe der größten Steinmetze.

Vor uns ragt ein Tempel von riesenhaften Ausmaßen wie ein heiliger Wald, denn hundertachtzig Säulen aus Onyx, Porphyr und Marmor tragen die Gewölbe von siebzehn Schiffen, die zu den siebzehn Toren gehören.

Am 21. Dezember 1910 schrieb Rilke folgende Zeilen aus Qairawān an seine Schwester Clara:

Ich bin für einen Tag herübergefahren in die ‚heilige Stadt‘ Kairouan, nächst Mekka der große Pilgerort des Islam, den Sidi Okba, ein Gefährte des Propheten, aufgerichtet hat in den großen Ebenen und der sich aus seinen Zerstörungen immer wieder erhoben hat um die ungeheuere Moschee herum, in der Hunderte von Säulen aus Karthago und allen römischen Küstenkolonien zusammengekommen sind, um die dunklen zedernen Decken zu tragen und die weißen Kuppeln zu unterstützen, die heute so blendend vor den grauen, nur da und dort aufreißenden Himmeln stehn, aus denen der Regen fällt, nach dem man seit drei Tagen geschrieen hat. Wie eine Vision liegt die flache weiße Stadt da in ihren rundzinnigen Wällen, mit nichts als Ebene und Gräbern um sich, wie belagert von ihren Toten, die überall vor den Mauern liegen und sich nicht rühren und immer mehr werden.Wunderbar empfindet man hier die Einfachheit und Lebendigkeit dieser Religion, der Prophet ist wie gestern, und die Stadt ist sein wie ein Reich … <ref>Rainer Maria Rilke:Briefe. Herausgegeben vom Rilke-Archiv in Weimar in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke besorgt durch Karl Altheim. Insel Verlag. Bd. I. S. 273</ref>“

Söhne und Töchter der Stadt

Bildergalerie

Literatur

  • ʿAbd al-Ḥamīd al-Baḥrūnī: aswāq madīnat al-Qairawān fī ʾl-ʿaṣr al-wasīṭ min ḫilāl al-maṣādir wa-ʾl-āṯār (Die Märkte von Qairawān im Mittelalter nach den Quellen und Denkmälern). In: Naǧm ad-Dīn al-Hintātī (Hrsg.): al-Qairawān ʿāṣima ḥaḍārīya fī taʾrīḫ al-maġrib al-islāmī. Tunis 2006, S. 45-77
  •  Jonathan Bloom: The Blue Koran. An Early Fatimid Kufic Manuscript from the Maghrib. In: Les Manuscrits de Moyen-Orient. Institut Français d'Ètudes Anatoliennes d'Istanbul, Istanbul 1989.
  •  K.A.C. Creswell: Early Muslim Architecture. Bd. II, Oxford 1940.
  •  François Déroche: The Abbasid Tradition; Qur'ans of the 8th to the 10th centuries AD. In: The Nassir D. Khalil Collection of Islamic Art. Bd. 1, New York 1992.
  • Richard Ettinghausen, Oleg Grabar, Marilyn Jenkins-Madina: Islamic Art and Architecture 650-1250. Yale University Press, New Haven 2001. S. 33-36
  •  Christian Ewert, Jens-Peter Wisshak: Forschungen zur almohadischen Moschee. Lief. 1, Vorstufen: hierarchische Gliederungen westislamischer Betsäle des 8. bis 11. Jahrhunderts: die Hauptmoscheen von Qairawan und Córdoba und ihr Bannkreis. 2. 1. 1 Die aġlabidischen Hauptmoscheen von Qairawān und Tunis. Madrider Beiträge, Bd. 9. Mainz 1981. S. 31ff..
  •  Noureddine Harrazi: Chapiteaux de la grande Mosquée de Kairouan. Institute National d'Archéologie et d'Art, Tunis 1982 (Bibliothèque Archéologique, Bd. IV).
  • Nejmeddine Hentati (Hrsg.): Études d'histoire kairouanaise. Publications du Centre des Études Islamiques de Kairouan. 2009 (Dirāsāt fī taʾrīḫ al-Qairawān)
  •  Gisela Kircher: Die Moschee des Muhammad b. Hairun ("Drei-Tore-Moschee") in Qairawân/ Tunesien. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Abteilung Kairo. Bd. 26, 1970, S. 141–167.
  • Miklos Muranyi: Die Prophetengenossen in der frühislamischen Geschichte. Bonn 1973.
  • Miklos Muranyi: Beiträge zur Geschichte der Ḥadīṯ- und Rechtsgelehrsamkeit der Mālikiyya in Nordafrika bis zum 5. Jh. d.H. Bio-bibliographische Notizen aus der Moscheebibliothek von Qairawān. Harrassowitz, Wiesbaden 1997. ISBN 3-447-03925-6.
  •  Georges Marçais: Tunis et Kairouan. Paris 1937.
  • Georges Marçais, Louis Poinssot: Objets kairouanais. IXe au XIIe siècle. (= Notes & Documents 11, 1-2). Tunis 1948–1952
  •  Guy de Maupassant: Unterwegs nach Kairouan. Nordafrikanische Impressionen. R. Piper & Co, München 1957.
  •  Bernard Roy, Paule Poinssot: Inscriptions arabes de Kairouan. Bd. 1. Paris 1950.. Bd. 2 (Paris 1958). Bd. 3 (Tunis 1983)
  • Henri Saladin: Tunis et Kairouan. Paris 1908
  •  Joseph Schacht: On some manuscripts in the libraries of Kairouan and Tunis. In: Arabica. 14, 1967, S. 226–258.
  • Paul Sebag: The Great Mosque of Kairouan. London / New York 1965
  •  Elise Voguet: L'inventaire des manuscrits de la Bibliotheque de la Grande Mosque de Kairouan (693/1293-4). In: Arabica. 50, 2003, S. 532–544. (Volltext)
  • Ḥasan Ḥusnī ʿAbdalwahhāb: Waraqāt ʿan al-ḥaḍāra al-ʿarabiyya bi-Ifrīqiya al-tūnisiyya (‏حسن حسني عبد الوهاب : ورقات عن الحضارة العربية بافريقية التونسية‎) (Dokumente über die arabische Zivilisation im tunesischen Nordafrika). Bd. I. Tunis 1965

Weblinks

Commons Commons: Kairouan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />