2-Naphthylamin


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Strukturformel
Strukturformel 2-Naphthylamin
Allgemeines
Name 2-Naphthylamin
Andere Namen
  • 2-Aminonaphthalin
  • β-Naphthylamin
Summenformel C10H9N
CAS-Nummer 91-59-8
PubChem 7057
Kurzbeschreibung

Weiße, sich an der Luft rötlich verfärbende Kristalle mit unangenehmem Geruch <ref name="GESTIS"/>

Eigenschaften
Molare Masse 143,19 g·mol−1 <ref name="GESTIS">Eintrag zu 2-Naphthylamin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 10. April 2008 (JavaScript erforderlich).</ref>
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,220 g·cm−3 <ref name="GESTIS"/>

Schmelzpunkt

110,2 °C <ref name="GESTIS"/>

Siedepunkt

306,1 °C <ref name="GESTIS"/>

Löslichkeit

schwer löslich in Wasser <ref name="GESTIS"/>

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) <ref> Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 91-59-8 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).</ref>
H- und P-Sätze H: 350​‐​302​‐​411
P: 201​‐​273​‐​308+313 <ref name="Sigma">Datenblatt 2-Naphthylamin bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 6. März 2011 (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Name nicht angegeben</ref>
EU-Gefahrstoffkennzeichnung <ref>Für Stoffe ist seit dem 1. Dezember 2012, für Gemische seit dem 1. Juni 2015 nur noch die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung gültig. Die EU-Gefahrstoffkennzeichnung ist daher nur noch auf Gebinden zulässig, welche vor diesen Daten in Verkehr gebracht wurden.</ref> aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) <ref> Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 91-59-8 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).</ref>
R- und S-Sätze R: 45​‐​22​‐​51/53
S: 53​‐​45​‐​61
Toxikologische Daten

727 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)<ref>Eintrag zu 2-Naphthylamin in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM).</ref>

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

2-Naphthylamin ist ein Derivat des Naphthalins. Es gehört zur Gruppe der aromatischen Aminoverbindungen. Neben dem 2-Naphthylamin gibt es noch das isomere 1-Naphthylamin.

Geschichte

Bereits 1895 wurde von dem Chirurgen Ludwig Rehn ein vermehrtes Auftreten von „Blasengeschwülsten bei Fuchsin-Arbeitern“ berichtet. Rhen vermutete, dass die Krebserkrankungen durch Anilin ausgelöst wurden. Es gilt jedoch mittlerweile als gesichert, dass Anilin nur ein sehr geringes Potenzial zur Ausbildung von Harnblasenkarzinomen hat. Ab 1925 wurden in Deutschland „Erkrankungen durch Nitro- und Aminoverbindungen der aromatischen Reihe“, als Berufskrankheit in der Ersten Berufskrankheitenverordnung anerkannt. 1936 wurde der Titel der Berufskrankheitenverordnung in „Erkrankungen durch Krebs oder andere Neubildungen sowie Schleimhautveränderungen der Harnblase durch aromatische Amine“ geändert, der in dieser Form noch bis heute Bestand hat.<ref name="seidel">T. Seidel: Risikofaktoren von Harnblasenkarzinompatienten aus einer Industrieregion in Sachsen-Anhalt. Dissertation, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2003.</ref>

Interessanterweise konnten bis heute bei den üblichen Versuchstieren Maus und Ratte keine Harnblasentumore durch aromatische Amine ausgelöst werden. 1938 konnte W. C. Hueper und Kollegen bei Versuchen mit Hunden erstmals im Tiermodell mit 2-Naphthylamin Blasenkrebs auslösen.<ref>W. C. Hueper u. a.: Experimental production of bladder tumors in dogs by administration of beta-naphthylamine. In: J Ind Hygiene Toxicol 20, 1938, S. 46–84.</ref> Bis heute sind Hund und Mensch die einzigen bekannten Spezies, die einen durch aromatische Amine induzierten Blasenkrebs ausbilden können. Die Ursache dafür ist, dass Hunde keine Aktivität an dem Enzym N-Acetyltransferase haben, womit eine sichere Entgiftung der aromatischen Amine über die N-Acetylierung möglich wäre.<ref>J. E. Sharer u. a.: Comparisons of phase I and phase II in vitro hepatic enzyme activities of human, dog, rhesus monkey, and cynomolgus monkey. In: Drug Metabolism and Disposition 23, 1995, S. 1231–1241. PMID 8591724.</ref> 1943 wurde in Deutschland die Produktion von 2-Naphthylamin eingestellt. 1972 folgte Japan als letzte Industrienation.<ref name="seidel"/>

Gewinnung und Darstellung

2-Naphthylamin lässt sich durch Umsetzung von 2-Naphthol mit Ammonium-Zinkchlorid bei 200 bis 210 °C herstellen. Wird 2-Naphthol mit Ammoniumacetat auf 270 bis 280 °C erhitzt, bildet sich das Acetyl-Derivat des 2-Naphthylamins.

Toxizität

Die von 2-Naphthylamin hervorgerufenen Tumore bilden sich im Wesentlichen an den ableitenden Harnwegen und dort vor allem an der Harnblase. Die malignen Neoplasien entwickeln sich teilweise erst Jahrzehnte nach dem Kontakt mit 2-Naphthylamin. Typisch sind dabei breitbasige aufsitzende oder gestielte Papillome. Daneben gibt es Indizien, dass auch andere Tumoren durch 2-Naphthylamin erzeugt werden können. Einigen Studien zufolge spielt bei dem Erkrankungsrisiko der individuelle Stoffwechsel (Metabolismus) eine entscheidende Rolle.<ref name="GESTIS"/>

2-Naphthylamin kann offensichtlich durch De-Phenylierung beim Metabolismus von N-Phenyl-2-naphthylamin (PBNA), einem Gummi-Additiv, entstehen.<ref>T. Weiss u. a.: Dephenylation of the rubber chemical N-phenyl-2-naphthylamine to carcinogenic 2-naphthylamine: a classical problem revisited. In: Critical Reviews in Toxicology 37, 2007, S. 553–566. PMID 17674211.</ref>

Im Tabakrauch konnte 2-Naphthylamin nachgewiesen werden.<ref>S. Ohnishi u. a.: Oxidative DNA damage induced by a metabolite of 2-naphthylamine, a smoking-related bladder carcinogen. In: Japanese Journal of Cancer Research 93, 2002, S. 736–743, PMID 12149138.</ref><ref>N. Hauptmann und J. C. Shih: 2-Naphthylamine, a compound found in cigarette smoke, decreases both monoamine oxidase A and B catalytic activity. In: Life Sciences 68, 2001, S. 1231–1241. PMID 11233991.</ref>

Metabolismus

2-Naphthylamin wird mit einer Halbwertszeit von etwa sieben Stunden renal ausgeschieden. Dabei sind zwei unterschiedliche Metabolisierungsschritte möglich: Eine N-Acetylierung oder eine N-Hydroxylierung. Die N-Acetylierung führt zu einer weitgehenden Entgiftung der Substanz, während die N-Hydroxylierung in den Erythrozyten zu N-Nitroso-2-naphthylamin führt. Die Nitrosoverbindung kann an Thiol-Gruppen des Glutathions oder auch des Hämoglobins binden. Ein Teil wird jedoch als Konjugat mit der Glucuronsäure zur Niere abgeleitet und dort im Harn wieder freigesetzt. Dabei entstehen Arylnitrenium-Ionen, die beispielsweise mit den Schleimhäuten der Harnblase reagieren können und dort an Proteine, aber auch DNA und RNA binden können, was letztlich eine karzinogene Wirkung bedeutet.

Personen, bei denen der Metabolismus von 2-Napthylamin bevorzugt über die N-Acetylierung erfolgt, haben in der Folge ein geringeres Risiko einer durch 2-Naphthylamin induzierten Krebserkrankung.

Verwendung

2-Naphthylamin wurde früher zur Herstellung von Azofarbstoffen und als Alterungsschutzmittel (Antioxidans) von Gummi verwendet. Die Substanz darf nach reduktiver Spaltung von Azogruppen nicht von Textilien oder Ledererzeugnissen, die längere Zeit mit der menschlichen Haut direkt in Berührung kommen, freigesetzt werden (Anlage 1 der Bedarfsgegenständeverordnung). Aufgrund seiner beim Menschen nachgewiesenen krebserregenden Wirkung wird es industriell kaum noch verwendet. Es ist weitgehend durch ungefährlichere Stoffe ersetzt worden.

Einzelnachweise

<references/>

Literatur

  • 2-Naphthylamine. In: Rep Carcinog. 10, 2002, S. 161–162. PMID 15326682
  • J. F. Curtis u. a.: Prostaglandin H synthase-catalyzed ring oxygenation of 2-naphthylamine: evidence for two distinct oxidation pathways. In: Chemical Research in Toxicology 8, 1995, S. 875–883. PMID 7492737
  • S. P. Adams u. a.: Phosphatase activity in commercial spleen exonuclease decreases the recovery of benzo[a]pyrene and N-hydroxy-2-naphthylamine DNA adducts by 32P-postlabeling. In: Analytical Biochemistry 219, 1994, S. 121–130. PMID 8059938