Abraham Lincoln
Abraham Lincoln Ich glaube, daß diese Regierung auf Dauer nicht überleben kann, indem sie halb für die Sklaverei ist und halb für die Freiheit. Ich erwarte nicht, daß die Union aufgelöst wird; ich erwarte nicht, daß das Haus einstürzt; aber ich erwarte, daß es aufhören wird, geteilt zu sein. Es wird entweder ganz das eine oder ganz das andere sein.“
Die Senatswahl verlor Lincoln zwar erneut, aber er hatte sich nun als gemäßigter Gegner der Sklaverei im ganzen Land einen Namen gemacht und galt als möglicher Kandidat der Republikaner für die nächsten Präsidentschaftswahlen.
Präsidentschaftswahl von 1860
Lincoln hatte bis zu diesem Zeitpunkt nie ein hohes Staatsamt bekleidet und seine Erfahrungen in Washington beschränkten sich auf die wenigen Jahre als Kongressabgeordneter. Zwar unternahm er 1859 Vortragsreisen durch die Nordstaaten, um sich der Bevölkerung und seinen Parteifreunden vorzustellen und weiter für seinen gemäßigten Standpunkt zu werben. Aber trotz seiner wachsenden Bekanntheit galt er noch zu Beginn des Nominierungsparteitags der Republikaner, der im Mai 1860 in Chicago stattfand, als Außenseiter im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur. Hoher Favorit war der Senator und frühere Gouverneur von New York, William H. Seward. Auch den Kandidaten Salmon P. Chase aus Ohio und Edward Bates aus Missouri wurden allgemein größere Chancen eingeräumt als Lincoln.
Auf der Convention in Chicago konnte er sich uneingeschränkt nur auf die Delegation seines Heimatstaats Illinois verlassen. Deren Mitglieder aber überzeugten zahlreiche Delegierte anderer Staaten davon, für Lincoln als Kompromisskandidaten zu stimmen, falls sich ihr erster Favorit nicht durchsetzen ließe.<ref>Doris Kearns Goodwin: Team of Rivals. The Political Genius of Abraham Lincoln. London 2013, S. 10.</ref> Da sich die Vertreter der als radikal geltenden Sklavereigegner Seward und Chase und die eher konservativen Gruppierungen um Bates bei den Abstimmungen gegenseitig blockierten, bestimmten die Republikaner am 18. Mai 1860 schließlich Abraham Lincoln zu ihrem Spitzenkandidaten für den Kampf ums Weiße Haus. Seine Gegner nahm er später alle in sein Kabinett auf. Damit zwang er die Führer der verschiedenen innerparteilichen Gruppierungen, zusammen statt gegeneinander zu arbeiten.
Während des Wahlkampfs kam Lincoln seine hohe rhetorische Begabung zustatten. Er galt als einer der größten Redner seiner Zeit und viele der von ihm geprägten Aussprüche und Aphorismen gehören in den USA bis heute zum allgemeinen Bildungsgut. Vor allem verstand er es, komplizierte Fragen mit einfachen Worten auf den Punkt zu bringen. Sätze wie „Nichts ist geregelt, was nicht gerecht geregelt ist“, „Die Wahlversprechen von heute sind die Steuern von morgen“ oder „Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie nicht für sich selbst“ überzeugten viele Wähler. Das Wahlkampflied, das sein Programm prägnant zusammenfasste, war der noch heute populäre Song Lincoln and Liberty.
Die Präsidentschaftswahl fand im Herbst statt. Eine Grundlage für seinen Sieg hatte Lincoln schon zwei Jahre zuvor in den Debatten mit Stephen A. Douglas gelegt. Er hatte damals seinen Gegner, der die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten anstrebte, zu Äußerungen über die Sklaverei gedrängt, die ihn für die Demokraten des Südens unwählbar machten. Wie die Whigs sechs Jahre zuvor, so hatte sich nun auch die Demokratische Partei gespalten.
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Abraham Lincoln,
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Stephen A. Douglas,
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John C. Breckinridge,
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John Bell,
Constitutional Union
Die Nord-Demokraten nominierten Douglas, die Süd-Demokraten den eindeutigen Sklavereibefürworter John C. Breckinridge aus Kentucky, zu diesem Zeitpunkt noch amtierender Vizepräsident. Beide zusammen gewannen 2,2 Millionen Wähler, John Bell aus Tennessee, der für die von den Whigs abgespaltene Constitutional Union Party antrat, weitere 0,6 Millionen; Lincoln aber wurde mit fast 1,9 Millionen Stimmen der stärkste Einzelkandidat. Er siegte in keinem einzigen der Wahlbezirke des Südens – in den meisten stand er nicht einmal auf dem Stimmzettel –, erhielt aber fast alle Wahlmännerstimmen des Nordens (180) und damit eine klare Mehrheit: Mit 40 % der Wählerstimmen gewannen er und sein Vizepräsidentschaftskandidat Hannibal Hamlin 59 % aller Wahlmänner. Am 6. November 1860 wurde Abraham Lincoln gewählt; am 4. März 1861 sollte er den Amtseid ablegen. In diesen vier Monaten aber wurden Tatsachen geschaffen, die Lincolns gesamte Regierungszeit bestimmen sollten.
Lincoln als Präsident
Während seiner gesamten Amtszeit als US-Präsident sah sich Abraham Lincoln gezwungen, einen Bürgerkrieg zur Wiederherstellung der Union zu führen. Dabei stand er im Wesentlichen vor vier großen Aufgaben: Er musste den Krieg militärisch gewinnen, bei der Bevölkerung des Nordens die Kampfbereitschaft aufrechterhalten, die Einmischung europäischer Mächte zugunsten der Konföderierten verhindern und schließlich die Abschaffung der Sklaverei betreiben, um die Ursache des Konflikts ein für alle Mal zu beseitigen.
Amtsantritt und Kriegsbeginn
Die Wahl Abraham Lincolns war nicht die Ursache, aber der Anlass der Sezession. Bereits seit etwa 1850 hatten sich in den Südstaaten die Stimmen gemehrt, die für einen Austritt aus der Union eintraten. Die im Norden geübte Kritik an der Sklaverei wurde als Bedrohung der eigenen Lebensart und Kultur betrachtet und jeder Versuch, sie zu beschränken, als Eingriff in die Rechte der Einzelstaaten und in das Eigentumsrecht ihrer Bürger. Aufgrund dieser Sichtweise machten die Verfechter der Sezession keinen Unterschied zwischen der kompromissbereiten Haltung Lincolns und den Zielen der Abolitionisten.
Die Aussicht, Lincoln ins Weiße Haus einziehen zu sehen, gab den Extremisten im Süden den letzten entscheidenden Auftrieb. Noch bevor der neue Präsident sein Amt antreten konnte, gab South Carolina am 20. Dezember 1860 als erster Staat seinen Austritt aus der Union bekannt. Innerhalb weniger Wochen folgten alle Staaten des tiefen Südens: Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana und am 2. März 1861 Texas. In Montgomery, der Hauptstadt Alabamas, hatte sich am 4. Februar 1861 ein Provisorischer Kongress aus Vertretern der bis dahin ausgetretenen Staaten konstituiert. Dieser wählte am 9. Februar den Senator von Mississippi und früheren Kriegsminister Jefferson Davis, der wie Lincoln aus Kentucky stammte, zum provisorischen Präsidenten der Konföderierten Staaten von Amerika. Der scheidende US-Präsident James Buchanan bestritt den Einzelstaaten zwar das Recht, die Union zu verlassen, tat in seinen letzten Wochen im Amt aber nichts, um die Sezession zu verhindern.
In der Rede zu seiner Amtseinführung am 4. März 1861 schlug Lincoln gegenüber dem Süden versöhnliche Töne an. Er versprach, nicht als erster zu Gewaltmaßnahmen zu greifen, machte aber zugleich deutlich, dass sein Amtseid ihn verpflichte, einer Spaltung der Union auf jeden Fall entgegenzutreten:
„In euren Händen, meine unzufriedenen Landsleute, nicht in den meinen, liegt die folgenschwere Entscheidung über einen Bürgerkrieg. Die Regierung wird euch nicht angreifen. Ihr könnt keinen Konflikt haben, ohne selbst die Angreifer zu sein.“<ref>Abraham Lincoln: First Inaugural Address. In: Bartleby.com. 2013, abgerufen am 19. Juli 2013 (Rede zur ersten Amtseinführung). </ref>
Alle Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung zerschlugen sich jedoch am 12. April 1861. An diesem Tag begannen konföderierte Truppen mit der Beschießung des von unionstreuen Einheiten gehaltenen Forts Sumter, das in der Hafeneinfahrt von Charleston lag, der alten Hauptstadt von South Carolina. Der Süden, der die Garnison von Fort Sumter als Besatzungstruppe betrachtete, hatte also trotz des angebotenen Gewaltverzichts zu den Waffen gegriffen – und trotz der Tatsache, dass Lincolns Regierung bis dahin keine Verfassung irgendeines Einzelstaats verletzt hatte und dies erklärtermaßen auch nicht plante. Dieser Umstand und der erzwungene Abzug der Garnison von Fort Sumter am 14. April erzeugten nun auch im Norden eine Kriegsstimmung. Die Öffentlichkeit verlangte energische Schritte gegen die „Rebellen“. Wie es soweit kommen konnte, erklärte Lincoln vier Jahre später in der Rede zu seiner zweiten Amtseinführung so:
„Beide Parteien missbilligten den Krieg, aber eine von ihnen war eher bereit, Krieg zu führen, als die Nation überleben zu lassen, und die andere war eher bereit, den Krieg zu akzeptieren, als die Nation untergehen zu lassen. Und der Krieg kam.“<ref>Abraham Lincoln: Second Inaugural Address. In: Bartleby.com. 2010, abgerufen am 23. November 2010 (Rede zur zweiten Amtseinführung). </ref>
Der Beginn der Kampfhandlungen bewog Virginia und drei weitere Staaten des oberen Südens – North Carolina, Tennessee und Arkansas – die Union nun ebenfalls zu verlassen. Die Konföderierten verlegten daraufhin ihre Hauptstadt nach Richmond, Virginia. Von diesem Staat wiederum trennten sich die westlichen Landesteile ab, die in der Union bleiben wollten. Sie bildeten später den neuen Bundesstaat West Virginia. Um die Hauptstadt Washington halten zu können, war es für den Norden von entscheidender Bedeutung, die sklavenhaltenden Grenzstaaten Delaware, Maryland, Kentucky und Missouri zum Verbleib in der Union zu bewegen. Zu diesem Problem ist der Ausspruch Lincolns überliefert: „In diesem Krieg hoffe ich Gott auf meiner Seite zu haben. Kentucky aber muss ich auf meiner Seite haben.“ Alle vier Staaten blieben schließlich loyal – teils freiwillig, teils unter militärischem Druck.
Lincolns Politik im Krieg
Die US-Armee zählte zu Kriegsbeginn nur etwas mehr als 16.000 Soldaten, die zudem überwiegend in den Indianergebieten des Westens stationiert waren. Am 15. April, einen Tag nach dem Fall von Fort Sumter, berief Lincoln daher 75.000 auf 90 Tage verpflichtete Milizsoldaten ein, um der Rebellion, wie die Abspaltung der Südstaaten im Norden genannt wurde, nunmehr militärisch ein Ende zu bereiten. Als weitere Sofortmaßnahme verfügte er eine Seeblockade aller konföderierten Häfen und vergrößerte die US-Streitkräfte bis zum Frühsommer durch weitere Anwerbungen auf rund 174.000 Soldaten und Matrosen.
Da der Kongress erst im Juli wieder tagen sollte, geschahen diese Truppenaushebungen ohne dessen Ermächtigung. Dasselbe traf auf die Einschränkung einiger Grundrechte, etwa der Pressefreiheit oder des Habeas-Corpus-Gesetzes, zu. So ließ Lincoln Personen, die der Spionage für die Südstaaten verdächtigt wurden, ohne gesetzliche Grundlage verhaften. All dies brachte ihm bei Sympathisanten des Südens – zum Teil bis heute – den Ruf eines Diktators ein. Als aber im Juli die Vertreter der in der Union verbliebenen Staaten zum Kongress zusammentraten, stimmten sie allen Notstandsmaßnahmen des Präsidenten nachträglich zu. Aus ihrer Sicht verfuhr Lincoln mit den Unterstützern der Konföderierten nicht anders, als es mit Angehörigen einer fremden, mit den USA im Krieg befindlichen Macht üblich war – und genau dies beanspruchte die Konföderation ja zu sein.
Doch selbst die angegebenen energischen Maßnahmen Lincolns reichten nicht aus. Die erste Niederlage der Unionstruppen in der Schlacht am Bull Run am 21. Juli 1861 machte deutlich, dass der Konflikt militärisch nicht schnell zu lösen war. Die Union musste sich auf einen langwierigen Eroberungskrieg einstellen. Dies war mit einer kleinen Berufsarmee und einer dreimonatigen Dienstpflicht nicht zu erreichen. Auch die Verlängerung auf neun Monate reichte nicht aus. Schließlich führte Lincolns Regierung erstmals in der Geschichte der USA die allgemeine Wehrpflicht ein, eine Maßnahme, die Anfang Juli 1863 zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen in New York führte, den sogenannten Einberufungskrawallen. In der Stadt gab es zeitweilig sogar Bestrebungen, sich ebenfalls von der Union loszusagen und einen souveränen Staat zu bilden.
Der Bürgerkrieg zog sich auch deshalb in die Länge, weil Lincoln lange Zeit keinen geeigneten Oberbefehlshaber für die Potomac-Armee fand, die die Hauptlast der Kämpfe im Grenzgebiet von Virginia, zwischen Washington, D.C. und Richmond, zu tragen hatte. General George B. McClellan erwies sich zwar als hervorragender Organisator, aber als zögerlicher Heerführer. Er vergab – etwa im Halbinsel-Feldzug vom Frühjahr 1862 – gleich mehrere Chancen, dem Krieg durch schon greifbare Siege ein frühes Ende zu bereiten. Andere Befehlshaber wie Ambrose E. Burnside und Joseph Hooker erlitten katastrophale Niederlagen gegen die zahlenmäßig unterlegene Nord-Virginia-Armee des konföderierten Generals Robert E. Lee.
Abraham Lincoln, der zwischen seiner Funktion als Kompaniechef im Indianerkrieg und der als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte nie mehr einen soldatischen Rang bekleidet hatte, unterzog sich nun auch einem Selbststudium in Militärfragen und wurde bald zum Experten. Mit den auf dem westlichen Kriegsschauplatz siegreichen Generalen Ulysses S. Grant und William T. Sherman fand er schließlich zwei Kommandeure, die mit ihren Truppen – der eine von Norden, der andere von Westen – die Konföderierten in langen, blutigen Kämpfen niederrangen.
Kriegsziele und Kriegsgründe
Am 22. August 1862 schrieb Lincoln in einem offenen Brief an die New York Tribune, die Zeitung des bekannten New Yorker Abolitionisten Horace Greeley:
„Mein oberstes Ziel in diesem Krieg ist es, die Union zu retten; es ist nicht, die Sklaverei zu retten oder zu zerstören. Könnte ich die Union retten, ohne auch nur einen Sklaven zu befreien, so würde ich es tun; könnte ich sie retten, indem ich alle Sklaven befreite, so würde ich es tun; und könnte ich die Union retten, indem ich einige Sklaven befreite und andere nicht, so würde ich auch das tun. Alles, was ich in Bezug auf die Sklaverei und die Schwarzen tue, geschieht, weil ich glaube, dass es hilft, die Union zu retten.“
In der Tat ging es im Bürgerkrieg vordergründig um den nationalen Zusammenhalt der Vereinigten Staaten. Die Frage, an der sich der Kampf entzündet hatte, lautete: Hat ein einzelner Bundesstaat der USA das Recht, jederzeit aus der gemeinsamen Union auszutreten? Der Süden bejahte dies, mit dem Argument, man sei dem Bund schließlich freiwillig beigetreten. Die Konföderierten kämpften also nach eigenem Selbstverständnis für die Rechte der Einzelstaaten. Der Norden wies dagegen darauf hin, dass keines der Einzelstaatenrechte bis dahin verletzt worden und dass nach der Unabhängigkeitserklärung von 1776 eine Revolution nur nach fortgesetzten schweren Rechtsverletzungen gerechtfertigt sei.
Den tieferen Grund des Konflikts aber berührte Abraham Lincoln in der Gettysburg Address von 1863. In dieser Rede, seiner berühmtesten, sagte er, der Krieg werde um die Frage geführt, ob ein Staat, der sich auf Demokratie und individuelle Freiheit gründe, überhaupt auf Dauer bestehen könne. Diese Frage stellte sich mit umso größerer Berechtigung in einer Zeit, als eine „Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk“ – wie Lincoln es in der Rede formulierte – international noch die große Ausnahme darstellte. Lincoln gab damit seiner Überzeugung Ausdruck, dass eine Demokratie zerbrechen müsse, wenn eine Minderheit (wie die Südstaatler) eine demokratische Entscheidung der Mehrheit (wie Lincolns Wahl zum Präsidenten) jederzeit verwerfen oder sogar mit Gewalt beantworten dürfe.
Hinter der Frage der Einzelstaatenrechte stand aber immer unübersehbar die Sklavenfrage. An ihr – und nur an ihr – hatte sich der Streit um diese Rechte überhaupt erst entzündet. Ohne sie hätte sich das Problem der Einzelstaatenrechte nie in dieser Schärfe gestellt. So erwähnt beispielsweise die Erklärung zum Sezessionsbeschluss des Staates Texas vom 2. Februar 1861 den Dissens in der Frage der Sklaverei 21-mal, die Frage der Einzelstaatenrechte aber nur sechsmal.<ref>Declaration of causes: February 2, 1861. A declaration of the causes which impel the State of Texas to secede from the Federal Union. In: Texas State Library and Archives Commission. 25. August 2011.</ref> Lincoln verneinte aus wahltaktischen Gründen lange, dass die Abschaffung der Sklaverei zu seinen Kriegszielen gehörte. Denn zu Beginn des Konfliktes bildeten die Abolitionisten auch im Norden noch immer eine Minderheit, und kaum jemand wäre bereit gewesen, für die Befreiung der Sklaven in den Kampf zu ziehen. Doch ebendiese hatte Lincoln bereits in die Wege geleitet, als er den zitierten Brief an Greeley schrieb.
Sklavenbefreiung
Über Lincolns Haltung zur Sklavenbefreiung bemerkte der afroamerikanische Schriftsteller und Abolitionist Frederick Douglass 1876:
„“
Indem sie aber von sich aus zur Gewalt gegriffen hatten, waren die Südstaaten nach Lincolns Auffassung selbst vom Weg des Rechtes und der Verfassung abgekommen. Je länger der Krieg dauerte, je mehr Opfer er forderte und je mehr Widerhall die Proteste der Abolitionisten fanden, desto stärker wurde Lincolns Überzeugung, dass die Sklaverei als Quelle allen Übels endgültig abgeschafft werden müsse. Dazu kam, dass er die Sklavenbefreiung mehr und mehr als Mittel begriff, den Süden wirtschaftlich und militärisch zu treffen. Kongress und Senat hatten bereits 1861 und 1862 sogenannte Confiscation Acts verabschiedet, durch die unter anderem die Sklaven konföderierter Soldaten für frei erklärt wurden. Dies sollte das Militär der Südstaaten schwächen.<ref>Confiscation Acts. In: mrlincolnandfreedom.org. Abgerufen am 9. Juli 2010.</ref> Am 22. Juli 1862 informierte Lincoln sein Kabinett über die geplante Proklamation zur Sklavenbefreiung. Da auch sie als Kriegsmaßnahme gedacht war, gab Außenminister Seward zu bedenken, dass die Erklärung nach der Reihe schwerer Niederlagen, die die Union bis dahin erlitten hatte, als Zeichen der Schwäche missdeutet werden könne. Daher gab Lincoln die Proklamation erst im September bekannt, nach dem Unionssieg in der Schlacht am Antietam.
Am 1. Januar 1863 trat die Emanzipations-Proklamation schließlich in Kraft. Ihr entscheidender Passus besagte:
„Dass vom 1. Tag des Januar im Jahre des Herrn 1863 an alle Personen, die in einem Staat oder dem bestimmten Teil eines Staates, dessen Bevölkerung sich zu diesem Zeitpunkt in Rebellion gegen die Vereinigten Staaten befindet, als Sklaven gehalten werden, fortan und für immer frei sein sollen.“
Die Proklamation galt also vorerst nur für die Gebiete der Konföderierten, um die loyal gebliebenen Sklavenstaaten nicht zu verprellen. Aber die Befreiung der Sklaven war nun ein offizielles Kriegsziel der Union. Dessen moralisches Gewicht machte es England und Frankreich, die aus wirtschaftlichen und machtpolitischen Gründen die Sache der Konföderation unterstützten, unmöglich, aktiv auf deren Seite in den Krieg einzugreifen. Vollständig abgeschafft wurde die Sklaverei 1865.
Indianerpolitik
Als Befürworter der Free-Soil-Bewegung unterzeichnete Lincoln 1862 den Homestead Act, der 1863 in Kraft trat. Dieses Gesetz erlaubte es jedem Erwachsenen, sich auf unbesiedeltem Land niederzulassen und sich ein 160 Acre (etwa 64 ha) großes Areal anzueignen. Nach fünfjähriger Bewirtschaftung – oder bei Zahlung von 200 Dollar bereits nach einem halben Jahr – wurde er automatisch zum Eigentümer. Einerseits schuf dieses Gesetz, das bereits bestehende einzelstaatliche Regelungen ergänzte und vereinheitlichte, Rechtssicherheit für die Siedler. Andererseits ermöglichte es die Enteignung der Indianergebiete, indem es unterstellte, diese würden nicht bewirtschaftet. Vor allem nomadisch lebende Gruppen wurden nun verstärkt in Reservate abgedrängt. Das Heimstätten-Gesetz leistete dem Betrug Vorschub und führte zu zahllosen Konflikten zwischen Indianern und Siedlern, in denen die Gerichte meist zugunsten der letzteren entschieden.<ref>Zum Thema Lincoln und die Indianerpolitik der Vereinigten Staaten vgl. David A. Nichols: Lincoln and the Indians: Civil War Policy and Politics. University of Missouri Press, Columbia 1978; und Thomas J. DiLorenzo: Lincoln Unmasked: What You’re Not Supposed to Know about Dishonest Abe. Crown Forum, New York 2006.</ref>
Im Sommer 1862, noch vor Inkrafttreten des Homestead Act und dreißig Jahre nach seiner Teilnahme am Krieg gegen die Sauk, sah sich Lincoln erneut einem Konflikt mit Indianern gegenüber. Nachdem vertraglich zugesicherte, staatliche Geldzahlungen an die Santee-Sioux in Minnesota ausgeblieben waren, gingen hungernde Mitglieder des Stammes gewaltsam gegen die örtliche Indianerbehörde und weiße Siedler vor. Kriegsminister Stanton beauftragte im September Generalmajor John Pope mit der Niederschlagung des Sioux-Aufstands. Pope, der für die kurz zuvor erlittene Niederlage der Unionstruppen in der 2. Schlacht am Bull Run verantwortlich gemacht wurde, hatte sich für den Einsatz freiwillig gemeldet, um seiner Absetzung als Befehlshaber der Virginia-Armee zuvorzukommen. In einem Befehl an den Kommandeur der Expedition, Oberst H. H. Sibley, schrieb er: „Es ist meine Absicht, die Sioux vollständig auszurotten. […] Sie müssen behandelt werden wie Wahnsinnige oder wilde Tiere und auf keinen Fall wie Menschen, mit denen man Verträge oder Kompromisse schließen kann.“<ref>The War of the Rebellion: Original Records of the Civil War. In: The Ohio State University. Abgerufen am 16. Oktober 2014 (Pope am 28. September 1862 an Sibley). </ref> Nach der Niederschlagung des Aufstands wurden mehrere Hundert Sioux vor Militärgerichte gestellt und in Verfahren, die im Schnitt 10 bis 15 Minuten dauerten, zum Tode verurteilt.<ref>David A. Nichols: Lincoln and the Indians: Civil War Policy and Politics. University of Missouri Press, Columbia 1978, S. 99 f.</ref> Pope wollte schließlich 303 Verurteilte hinrichten lassen, doch Lincolns Regierung fürchtete den ungünstigen Eindruck einer solchen Massenexekution auf die europäischen Regierungen, deren Einmischung in den Sezessionskrieg sie fürchtete. Andererseits forderten zahlreiche Siedler in Minnesota die Hinrichtung. 200 von ihnen griffen sogar das Gefangenenlager in Mankato an. Dennoch reduzierten Anwälte im Auftrag Lincolns die Zahl der Todesurteile drastisch. So wurden schließlich „nur“ 38 Männer gehängt, einer davon, Chaska, trotz seiner Begnadigung.<ref>Robert K. Elder: Execution 150 Years Ago Spurs Calls for Pardon. In: New York Times. 13. Dezember 2010.</ref> Dies war die größte Massenhinrichtung in der amerikanischen Geschichte. Im Gegenzug sagte Lincoln, der sich massiven politischen Drucks zu erwehren hatte, die spätere Vertreibung der Indianer aus dem Bundesstaat zu sowie zwei Millionen Dollar Schadensersatz. Lincoln begründete die Hinrichtung damit, dass er nicht durch zu große Gnade einen weiteren Aufstand provozieren, aber auch nicht grausam sein wollte.<ref>2010 entstand ein Film zu dem Ereignis unter dem Titel Dakota 38 (s. a. Dakota38).</ref> In Minnesota wurde die hohe Anzahl der Begnadigungen eher schlecht aufgenommen: Bei der Präsidentschaftswahl 1864 gewann Lincoln zwar eine Mehrheit im Staat, doch fiel diese deutlich geringer aus als 1860. Darauf angesprochen, dass eine härtere Gangart dies hätte verhindern können, sagte Lincoln: „Ich konnte es mir nicht erlauben, Männer für Stimmen aufzuhängen.“<ref>David A. Nichols: Lincoln and the Indians: Civil War Policy and Politics. Nachdruck der Ausgabe von 1978, Illini Books, 2000, S. 117 f.</ref>
In Lincolns Amtszeit fiel auch das Sand-Creek-Massaker im Osten des damaligen Territoriums Colorado. Dabei töteten Soldaten unter dem Kommando von Oberst John Chivington am 29. November 1864 273 friedliche Cheyenne und Arapaho.<ref>S. L. A. Marshall: Crimsoned Prairie: The Indian Wars, Da Capo Press, New York 1972, S. 37.</ref> Wesentlich beigetragen zur indianerfeindlichen Stimmung in dem Territorium hatte dessen Gouverneur John Evans, ein Mitbegründer der Republikanischen Partei und persönlicher Freund Lincolns. Evans, der Chivington für seine Tat ausgezeichnet und die wahren Umstände des Massakers verschleiert hatte, sah sich bald massiver Kritik ausgesetzt. Lincoln, der Evans eingesetzt hatte, stärkte ihm noch bis Anfang 1865 den Rücken,<ref>Richard W. Etulain (Hg.): Lincoln Looks West. From the Mississippi to the Pacific. Southern Illinois University 2010, S. 43.</ref> erst sein Nachfolger als Präsident, Andrew Johnson, enthob den Gouverneur im Sommer 1865 seines Amtes.
Wiederwahl 1864
Nach ihrer Niederlage in der Schlacht von Gettysburg vom 1. bis 3. Juli 1863 waren die Konföderierten nicht mehr in der Lage, den Krieg aus eigener Kraft zu gewinnen. Ihre einzige Chance bestand darin, den Krieg so lange und für den Norden so verlustreich weiterzuführen, dass Abraham Lincoln die Präsidentschaftswahlen von 1864 verlieren und durch einen neuen, verhandlungsbereiten Präsidenten ersetzt würde.
Diese Chance war durchaus real. Der unerwartet lange und blutige Stellungskrieg, den General Grant seit dem Frühjahr 1864 im Norden Virginias führte, kostete die Regierung Lincoln weitgehend das Vertrauen der Bevölkerung. Der Präsident war im Sommer des Wahljahrs so unpopulär, dass er selbst mit einer Niederlage rechnete. In einem Memorandum vom 23. August 1864 schrieb er: „Die Wiederwahl dieser Regierung erscheint heute, wie seit einigen Tagen, als überaus unwahrscheinlich.“ Sein Gegenkandidat von den Demokraten war sein früherer Oberbefehlshaber McClellan, der grundsätzlich zu einem Verhandlungsfrieden mit dem Süden und zur Anerkennung seiner Unabhängigkeit bereit war.
Erst in den letzten Wochen vor der Wahl wendete sich das Blatt, als die Ergebnisse des für den Norden äußerst erfolgreichen Atlanta-Feldzuges bekannt wurden: Die Truppen General Shermans hatten am 2. September 1864 Atlanta, die Hauptstadt des Rebellenstaates Georgia, erobert. Zwischen ihnen und Virginia standen nur noch schwache Kräfte des Südens. Zudem besiegte Generalmajor Philip Sheridan am 19. Oktober im Shenandoah-Tal ein konföderiertes Korps, das zeitweilig sogar Washington bedroht hatte. Das Kriegsende schien jetzt nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Die Republikaner setzten im Wahlkampf auf den von Lincoln geprägten Slogan „Mitten im Fluss soll man nicht die Pferde wechseln“ und bezeichneten die Positionen der Demokraten als landesverräterisch. Als Kandidat für die Vizepräsidentschaft ersetzte Lincoln den bisherigen Amtsinhaber, den weitgehend einflusslosen Nordstaatler Hannibal Hamlin, durch Andrew Johnson. Dieser gehörte der Demokratischen Partei an, stammte aus dem Konföderiertenstaat North Carolina und war 1857 von Tennessee in den Senat entsandt worden, hatte sich aber für die Union ausgesprochen. Seine Kandidatur sollte den Südstaatlern die Bereitschaft des Nordens signalisieren, sie nach dem Krieg gleichberechtigt in die wiederhergestellte Union zu integrieren. Gemeinsam mit Johnson kandidierte Lincoln im Rahmen der National Union Party, einer Wahlplattform aus Republikanern und einem Teil der Demokraten. Am 8. November gewann Lincoln die Wahl mit einem Erdrutschsieg: 55 Prozent der Wähler stimmten für ihn, und er erhielt sogar 212 von 233 Wahlmännerstimmen. Als erster Präsident seit 32 Jahren war er für eine zweite Amtszeit bestätigt worden.
Seine Wähler entstammten vor allem der Bauern- und Arbeiterschaft sowie den städtischen Mittelschichten. Ihre geografischen Hochburgen waren Neuengland und die Staaten mit einem starken Anteil deutscher Einwanderer wie Wisconsin oder Illinois. Für den Präsidenten war es besonders bedeutsam, dass auch die Soldaten der Unionsarmee zu mehr als zwei Dritteln für ihn gestimmt hatten, obwohl sie sich von einem Sieg McClellans ein rascheres Ende der Kampfhandlungen erhoffen konnten. Vor der Wahl hatte Lincoln geäußert, es sei ihm lieber, mit der Mehrheit der Soldatenstimmen besiegt als ohne diese Mehrheit Präsident zu werden.
In der Zeit bis zu seinem zweiten Amtsantritt setzte sich Lincoln energisch für die Verabschiedung des 13. Zusatzartikels zur US-Verfassung ein, der die Sklaverei auf dem Territorium der USA ein für alle Mal verbieten sollte. Nach dem Senat konnte er – nach einem vergeblichen Anlauf – am 31. Januar 1865 auch die nötige Zweidrittelmehrheit des Repräsentantenhauses zur Zustimmung bewegen. Um dem Sklavereiverbot endgültig Verfassungsrang zu verleihen, musste es jetzt nur noch von den Einzelstaaten ratifiziert werden.
Ein weiteres, drängendes Problem war die Wiedereingliederung der Südstaaten in die Union. Am 4. März 1865 – anlässlich seiner zweiten Vereidigung als Präsident – versprach Lincoln, „Groll gegen niemanden“ und „Nächstenliebe gegen alle“ walten zu lassen. Er fasste bereits die Nachkriegsordnung ins Auge und hatte vor, den Südstaatlern milde Friedensbedingungen zu stellen. Die Rückkehr in die Union sollte ihnen so leicht wie möglich fallen. Gegen Widerstände aus der eigenen Partei setzte Lincoln den Grundsatz durch, dass ein abtrünniger Staat wieder gleichberechtigt in die Union aufgenommen werden sollte, sobald ein Zehntel seiner Bürger ihr den Treueid geleistet hätten.
Sieg und Tod
Der Krieg ging nun einem raschen Ende entgegen. Am 3. April eroberten Grants Truppen die Konföderiertenhauptstadt Richmond, und Lincoln besichtigte zwei Tage später das Amtszimmer seines Kontrahenten Jefferson Davis. Am 9. April 1865 kapitulierten die Reste von Lees Armee vor General Grant bei Appomattox Court House, Virginia. Die konföderierten Truppen unter General Joseph E. Johnston ergaben sich am 26. April General Sherman bei Durham, North Carolina.
Den endgültigen Sieg hat Abraham Lincoln jedoch nicht mehr erlebt: Am Abend des Karfreitags 1865 besuchte er mit seiner Frau Mary und einem befreundeten Ehepaar eine Komödie im Ford’s Theatre in Washington, D.C. Während der Vorstellung verschaffte sich der Schauspieler John Wilkes Booth, ein fanatischer Sympathisant der Südstaaten, Zutritt zur Loge des Präsidenten und schoss ihm aus nächster Distanz mit einer Pistole von hinten in den Kopf. Ärzte aus dem Publikum waren sofort zur Stelle, aber die Kugel ließ sich nicht entfernen. Da der Präsident nicht transportfähig war, wurde er in das Petersen House gebracht, ein Privathaus direkt gegenüber dem Theater. Dort starb Lincoln am folgenden Tag, dem 15. April, um 7.22 Uhr morgens, ohne das Bewusstsein noch einmal wiedererlangt zu haben. Andrew Johnson, seit März Lincolns Vizepräsident, legte noch am selben Tag den Amtseid als sein Nachfolger ab.
Das Attentat war Teil einer größeren Verschwörung: Eine Gruppe von Südstaaten-Anhängern um Booth hatte geplant, neben Lincoln weitere Regierungsmitglieder zu ermorden. So verletzte Lewis Powell bei einem Mordanschlag Außenminister Seward schwer, ebenso dessen Sohn und weitere Mitglieder seines Haushalts. Der deutschstämmige George Atzerodt, der auf Vizepräsident Andrew Johnson angesetzt war, schreckte im letzten Moment vor dem Mord zurück. Booth, der sich nach dem Mord beim Sprung aus der Präsidentenloge das Bein verletzt hatte, gelang mit Hilfe eines weiteren Komplizen, David Herold, die Flucht nach Virginia. Dort wurde er am 26. April auf einer abgelegenen Farm gestellt und bei einem Schusswechsel getötet. Ein Militärgericht verurteilte Ende Juni Powell, Atzerodt, Herold und Booths Zimmerwirtin Mary Surratt, die der Mitwisserschaft verdächtigt wurde, zum Tode. Sie wurden am 7. Juli 1865 im Fort Lesley J. McNair in Washington durch Hängen hingerichtet.
Lincolns Sarg wurde mit der Eisenbahn auf demselben Weg nach Springfield überführt, auf dem der neugewählte Präsident 1860 nach Washington gereist war. In allen größeren Städten wie New York und Chicago fanden Trauerprozessionen und -gottesdienste mit dem aufgebahrten Leichnam statt. Am 5. Mai 1865 wurde Abraham Lincoln auf dem Friedhof Oak Ridge Cemetery in seiner Heimatstadt Springfield beigesetzt. Am 23. Juni kapitulierten bei Fort Towson im Indianer-Territorium die letzten Truppen der Konföderation. Lincolns Vermächtnis, der 13. Verfassungszusatz, trat nach der Ratifizierung durch sämtliche Bundesstaaten am 18. Dezember 1865 in Kraft.
Nachleben
Als der Dichter Walt Whitman von Lincolns Tod erfuhr, widmete er ihm das Gedicht O Captain! My Captain! Es spricht von einem Kapitän, der sein Schiff durch große Gefahren sicher in den Hafen steuert, das Ziel aber selbst nicht lebend erreicht. Später verglich Whitman den Präsidenten, der an einem Karfreitag tödlich verwundet worden war, mit Jesus Christus. Dies sind nur zwei von vielen Beispielen für die bis zur Verklärung reichende Verehrung, die Abraham Lincoln bereits unmittelbar nach seiner Ermordung zuteilwurde. Mehr als die nüchterne Beurteilung seiner Präsidentschaft trugen dazu die Art seines Todes und der Vergleich mit den eher glanzlosen Regierungszeiten seiner ersten Amtsnachfolger bei. Zunächst nur in den Nordstaaten, mit wachsendem zeitlichem Abstand zum Bürgerkrieg aber in den ganzen USA, setzte sich das Bild von Lincoln als einem der bedeutendsten Präsidenten der US-Geschichte durch.
Während die weißen Amerikaner in ihm den Bewahrer der Union sahen, betrachteten ihn die Afroamerikaner vor allem als den Sklavenbefreier. Auch ihr Bild von Lincoln war von religiöser Metaphorik geprägt. Schon bei seinem Besuch in Richmond kurz vor Kriegsende wurde Lincoln von den Schwarzen als „Vater Abraham“ begrüßt. Später verglichen sie ihn mit Moses, der sie ins gelobte Land geführt habe, ohne es selbst zu betreten. Auch eher zurückhaltende Beobachter wie Frederick Douglass, der Lincoln während seiner Präsidentschaft unablässig wegen seiner zögerlichen Haltung in der Sklavenfrage kritisiert hatte, äußerten sich im Rückblick voller Respekt:
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Heute wird der Mitbegründer der Republikanischen Partei von Angehörigen aller ethnischen Gruppen verehrt, von Konservativen und Liberalen ebenso wie von Linken. In Umfragen unter Historikern und der US-Bevölkerung wird er gemeinsam mit George Washington und Franklin D. Roosevelt stets als einer der drei besten US-Präsidenten bewertet. Die Freiwilligenverbände aus den USA, die im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republik gegen die Putschisten unter General Franco kämpften, nannten sich Abraham-Lincoln-Brigade. Zahlreiche Orte in den USA wurden nach dem Präsidenten benannt, von kleinen wie Fort Abraham Lincoln in North Dakota bis zu großen wie der Hauptstadt Nebraskas.<ref>Mark S. Reinhart: Abraham Lincoln on Screen: Fictional and Documentary Portrayals on Film and Television. McFarland, 2008, ISBN 978-0-7864-3536-4, S. 94.</ref> Die US Navy taufte mehrere Schiffe auf den Namen des Präsidenten, u. a. den Flugzeugträger USS Abraham Lincoln und das strategische Atom-U-Boot SSBN Abraham Lincoln. Auch die Automarke Lincoln wurde 1917 von deren Begründer Henry M. Leland nach ihm benannt.
Als Forschungsstätte wurde 1889 in Springfield die Illinois State Historical Library ins Leben gerufen, die – um ein Museum und weitere Einrichtungen erweitert – am 16. April 2005 als The Abraham Lincoln Presidential Library and Museum neu eröffnet wurde. Das Wohnhaus von Abraham Lincoln im historischen Zentrum Springfields steht unter der Obhut des U.S. National Park Service und ist heute ebenso ein Museum wie Lincolns Geburtsstätte in Kentucky, der Ort des Attentats – Ford’s Theatre – und das dem Theater gegenüberliegende Sterbehaus in Washington. Lincolns Bild ziert den 5-Dollar-Schein sowie die 1-Cent-Münze. In 10 US-Bundesstaaten wird Lincolns Geburtstag als offizieller Feiertag begangen. Zu seinen und George Washingtons Ehren wurde der nationale Feiertag „Presidents Day“ eingeführt. Und neben den Köpfen George Washingtons, Thomas Jeffersons und Theodore Roosevelts wurde auch der Lincolns in die Felsen von Mount Rushmore in South Dakota gemeißelt. Der Komponist Aaron Copland schrieb 1942 das Tongedicht Lincoln Portrait mit einem gesprochenen Begleittext zu Ehren des 16. US-Präsidenten.
Bereits 1922 war am Ufer des Potomac in Washington das Lincoln Memorial eingeweiht worden. Der klassizistische Tempelbau und das Kapitol markieren die beiden Enden der National Mall, der zentralen Achse der amerikanischen Hauptstadt. Die Gedenkstätte birgt eine Kolossalstatue Abraham Lincolns, die der Zeusstatue von Olympia nachempfunden ist. In ihre Südwand ist der Text der Gettysburg Address, in die Nordwand Lincolns zweite Amtsantrittsrede eingemeißelt. Seit ihrer Entstehung ist sie Schauplatz vieler großer Bürgerrechtsdemonstrationen gewesen. Martin Luther King hielt 1963 seine berühmte Rede I Have a Dream von den Stufen des Lincoln Memorials herab.
In Lincolns 200. Geburtsjahr trat der erste afroamerikanische Präsident der USA sein Amt an. Barack Obama hatte seine Bewerbung als Präsidentschaftskandidat am 10. Februar 2007 vor dem alten Parlamentsgebäude in Springfield bekannt gegeben, in dem Lincoln 1858 seine bis heute nachwirkende House Divided Speech gehalten hatte. Sowohl bei seiner ersten als auch bei seiner zweiten Amtseinführung in den Jahren 2009 und 2013 legte der 44. Präsident der Vereinigten Staaten seinen Eid auf Lincolns Bibel ab.<ref>USA: Barack Obama schwört Eid auf Lincolns Bibel. In: Focus. 23. Dezember 2008 (zu Obamas Vereidigung).</ref>
Werke
- Collected Works of Abraham Lincoln. 8 Bände. Hg. von Roy Prentice Basler im Auftrag der Abraham Lincoln Association, Rutgers University Press, New Brunswick 1953 (Korrespondenz, Reden und andere Schriften), ISBN 978-0813501727
- Speeches and Letters by Abraham Lincoln. Hg. von Merwin Roe, J. M. Dent, London 1909, 1936, 1949 (Auswahlband)
Literatur
- David Herbert Donald: Lincoln. Simon & Schuster, New York 1995, ISBN 0-684-80846-3.
- Shelby Foote: The Civil War. A Narrative. Bd. 1–3. New York 1974, Pimlico, London 1992–2001, ISBN 0-7126-9812-4.
- Henry Louis Gates, Jr., Donald Yacovone: Lincoln on Race & Slavery. Princeton University Press, Princeton 2009, ISBN 978-0-691-14234-0.
- Ronald D. Gerste: Abraham Lincoln. Begründer des modernen Amerika. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2008, ISBN 978-3-7917-2130-9.
- Doris Kearns Goodwin: Team of Rivals. The Political Genius of Abraham Lincoln. Penguin Books, London 2013, ISBN 978-0-241-96608-2.
- Austin Augustus King (Hg.): Lincoln letters. Bibliophile Society, Boston 1913 (Digitalisat).
- Jürgen Kuczynski: Abraham Lincoln. Akademie Verlag, Berlin/Köln 1985, ISBN 3-7609-0971-X.
- James M. McPherson: Für die Freiheit sterben – Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs. List, München/Leipzig 1988, 1995, ISBN 3-471-78178-1.
- James M. McPherson: Abraham Lincoln. Oxford University Press, New York 2009, ISBN 978-0-19-537452-0.
- Jörg Nagler: Abraham Lincoln (1861–1865). Bewahrung der Republik und Wiedergeburt der amerikanischen Nation. In: Die amerikanischen Präsidenten. 41 historische Portraits von George Washington bis Bill Clinton. Hg. v. Jürgen Heideking und Christoph Mauch, C. H. Beck, München 1995, S. 176–193, 2005, ISBN 3-406-39804-9, ISBN 3-406-53147-4.
- Jörg Nagler: Abraham Lincoln. Amerikas großer Präsident. Eine Biographie. C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58747-4.
- David Allen Nichols: Lincoln and the Indians. Civil War Policy and Politics. University of Missouri Press 1978, Nachdruck 2000.
- Stephen B. Oates: With Malice Toward None. A Life Of Abraham Lincoln. Harper & Raw, New York 1977, 1996, ISBN 0-06-013283-3.
- Bill O’Reilly, Martin Dugard: Killing Lincoln. Henry Holt & Company, New York 2011, ISBN 978-0-8050-9307-0.
- Philip Shaw Paludan: The Presidency of Abraham Lincoln. Univ. Press of Kansas, Lawrence 1994, ISBN 0-7006-0671-8.
- William Armstrong Percy: The Intimate World of Abraham Lincoln. Free Press, 2005 (gemeinschaftlich mit Lewis Gannett).
- James G. Randall: Lincoln the President. 4 Bände. Dodd Mead, New York 1945 bis 1955 (vollendet durch Richard Current), University of Illinois Press, 2000.
- Carl Sandburg: Abraham Lincoln. Das Leben eines Unsterblichen. Paul Zsolnay, Hamburg/Wien 1958, Heyne, München 1984, ISBN 3-453-55118-4.
- Peter Schäfer, Ulrike Skorsetz: Die Präsidenten der USA in Lebensbildern. Von George Washington bis George W. Bush. Komet, Köln 2005, ISBN 3-89836-450-X.
- James L. Swanson: Manhunt. The 12-Day Chase for Lincoln’s Killer. Harper Perennial, ISBN 978-0-06-051849-3.
- Gore Vidal: Lincoln. Goldmann, München 2002, ISBN 3-442-72912-2 (Roman).
- Abraham Lincoln, by some men who knew him: being personal recollections of Judge Owen T. Reeves, Hon. James S. Ewing, Col. Richard P. Morgan, Judge Franklin Blades, John W. Bunn. Pantagraph Printing & Stationery Co., Bloomington 1910.
Verfilmungen
Seit 1911 ist Abraham Lincoln in fast 350 Filmen und Fernsehsendungen von Schauspielern dargestellt worden, unter anderem von Henry Fonda, Raymond Massey, Hal Holbrook, Daniel Day-Lewis und besonders häufig – zehn Mal – von Frank McGlynn senior. Day-Lewis erhielt für seine Hauptrolle in Steven Spielbergs Film Lincoln einen Oscar.
Die wichtigsten Spiel- und Dokumentarfilme mit und über Lincoln sind:
- D. W. Griffith: Abraham Lincoln, 1930, Spielfilm
- John Ford: Der junge Mr. Lincoln, 1939, Spielfilm
- John Cromwell: Abe Lincoln in Illinois, 1940, Spielfilm
- George Schaefer: Lincoln, 1974, Fernsehserie
- Lamont Johnson: Lincoln, 1988, Miniserie
- Peter W. Kunhardt: Lincoln, 1992, Fernsehfilm
- Ken Burns: The Civil War. Der Amerikanische Bürgerkrieg. WDR/CS Associates, 1996, Dokumentarserie
- John Gray: Abraham Lincoln – Die Ermordung des Präsidenten (The Day Lincoln Was Shot), 1998, Fernsehfilm
- Robert Redford: Die Lincoln Verschwörung, 2010, Spielfilm
- Steven Spielberg: Lincoln, 2012, Spielfilm
Weblinks
- Literatur von und über Abraham Lincoln im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Abraham Lincoln im Biographical Directory of the United States Congress (englisch)
- Abraham Lincoln Papers at the Library of Congress
- Mr. Lincoln’s White House (englisch)
- Mr. Lincoln and Freedom (engl.)
- Abraham Lincoln Research Site (engl.)
- Abraham Lincoln Assassination (engl.)
- Mr. Lincoln and Friends (engl.)
- Mr. Lincoln and New York (engl.)
- Biografie auf der Website des Weißen Hauses (engl.)
- Lincoln’s death too sad to describe (The Guardian, 14. April 1865, Originalbericht)
- Abraham Lincoln online (engl.)
- The Lincoln Institute (engl.)
- Lincoln Home National Historic Site Springfield, Illinois (engl.)
- Lincoln Memorial Washington, D.C. (engl.)
- The Alfred Whital Stern Collection of Lincolniana, American Memory (engl.)
- Abraham Lincoln in der Datenbank von Find a Grave (englisch)
- Joseph Kay: Eine Präsidentenfamilie in Kriegszeiten. In: World Socialist Web Site. 5. Mai 2001.
- Ronald D. Gerste: Vor 150 Jahren: Verzweiflungsangriff auf Washington. In: NZZ. 8. Juli 2014.
Einzelnachweise
<references />
Washington | J. Adams | Jefferson | Madison | Monroe | J.Q. Adams | Jackson | Van Buren | W. Harrison | Tyler | Polk | Taylor | Fillmore | Pierce | Buchanan | Lincoln | A. Johnson | Grant | Hayes | Garfield | Arthur | Cleveland | B. Harrison | Cleveland | McKinley | T. Roosevelt | Taft | Wilson | Harding | Coolidge | Hoover | F. Roosevelt | Truman | Eisenhower | Kennedy | L. Johnson | Nixon | Ford | Carter | Reagan | G. Bush | Clinton | G. W. Bush | Obama
Personendaten | |
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NAME | Lincoln, Abraham |
KURZBESCHREIBUNG | 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika |
GEBURTSDATUM | 12. Februar 1809 |
GEBURTSORT | bei Hodgenville, Kentucky |
STERBEDATUM | 15. April 1865 |
STERBEORT | Washington, D.C. |