Anerkannte Religionsgemeinschaften in Österreich


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Die Vielzahl der Religionsgemeinschaften in Österreich wird rechtlich – als Rechtsperson – in drei Kategorien unterteilt, mit denen jeweils unterschiedliche Rechte und Pflichten verbunden sind. Es handelt sich um folgende Kategorien (gereiht gemäß abnehmendem rechtlichem Status):

  1. gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften
  2. eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften
  3. religiöse Vereine

Die Anerkennung trifft keinerlei Aussagen über die „Legitimität“ oder gar „Zulässigkeit“ einer Glaubensrichtung: In Österreich herrscht volle private wie öffentliche Religionsfreiheit (Freiheit des Glaubens), Bekenntnisfreiheit (die Freiheit, den Glauben öffentlich zu machen oder nicht), weitreichender Schutz vor religiös motivierter Diskriminierung und auch strenge Trennung von Kirche und Staat. Die Anerkennung regelt einzig einige spezielle öffentlich-rechtliche Vor- und Schutzrechte und Finanzvorteile, die Eintragung stellt eine Vorstufe dar, inwieferne die staatlichen Bedingungen für die Erteilung dieser Rechte erfüllt sind. Vereine müssen alleine allgemeine Bedingungen wie Gesetzeskonformität und Nicht-Gewinnorientierung erfüllen.

Andererseits herrscht im mehrheitlich christlichen und mehrheitlich katholischen Österreich auch eine – bis auf einige europaweite Vorreiterfälle – durchwegs zögerliche Haltung gegenüber der Vielfalt der Religionen und Bekenntnissen dieser Welt, ein moderner Umgang entwickelt sich erst im Laufe des beginnenden 21. Jahrhunderts, und ist noch immer von Vorsicht und Ringen um breiten gesellschaftlichen Konsens geprägt.

Anerkannte religiöse Gemeinschaften

Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften

Basisdaten
Titel: Gesetz vom 20. Mai 1874, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften
Abkürzung: Anerkennungsgesetz , aus denen sich Inhalt und Praxis des Religionsbekenntnisses ergeben (§ 3 Z.2)
  • der Nachweis zu erbringen, dass mindestens 300 Personen mit Wohnsitz in Österreich der Bekenntnisgemeinschaft angehören (§ 3 Z.3)
  • Grundveraussetzung ist weiters, dass keine „gesetzwidrige Störung“ des Verhältnisses zu anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften vorliegt. Daher haben auch die religiösen Vereine Parteistellung im Verfahren (§ 3 Z.4).

     Nach einer etwa 10-jährigen Wartefrist und dem Erfüllen weiterer notwendiger Kriterien (§ 11) kann einer eingetragenen Bekenntnisgemeinschaft vom Kultusamt (derzeit im Bundeskanzleramt<ref>Das Kultusamt bka.gv.at</ref> angesiedelt) der Status einer anerkannten Religionsgemeinschaft zuerkannt werden. Die erste religiöse Bekenntnisgemeinschaft, die nach diesen Vorgaben von 1998 die staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft erlangt haben, sind die Zeugen Jehovas.

    Liste der eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften

    Die Jahreszahl bezieht sich auf das Jahr der Eintragung,<ref>Staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften auf der Website des BMUKK, eingesehen am 12. Juni 2013</ref> in Klammern die Zahl derer, die bei der Volkszählung 2001 jenes Bekenntnis angaben. Stand der Liste 6/2015.

    Religiöse Vereine

    Glaubensgemeinschaften, die weder die gesetzlichen Bedingungen von anerkannten Religionsgemeinschaften noch die von eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften erfüllen, haben jetzt die Möglichkeit, sich als Vereine im Sinne des Vereinsrechts zu konstituieren. Sogar diese eigentlich einfache Möglichkeit blieb den nicht anerkannten Religionsgemeinschaften lange Zeit verwehrt.

    Das im Jahr 1867 erlassene Vereinsgesetz war laut § 3a nicht auf „Religionsgesellschaften“ anwendbar, d.h. solche durften sich nicht als Verein konstituieren.<ref>Graf-Stuhlhofer: Frisches Wasser auf dürres Land. 2005, S. 210.</ref> Diese Bestimmung wurde seit dem Friedensvertrag von St. Germain 1919 lockerer gehandhabt, so dass Religionsgemeinschaften einen so genannten „Hilfsverein“ gründen konnten – die Baptisten z.B. gründeten einen solchen 1921. Dieser Hilfsverein war dann nicht für die religiöse Aktivität zuständig, sondern bloß für wirtschaftliche und rechtliche Aktionen (z.B. Kauf einer Immobilie).

    Auch das Vereinsgesetz von 1951 wurde – jedenfalls gemäß gängiger österreichischen Verwaltungspraxis – so ausgelegt, dass es nicht auf Religionsgemeinschaften anwendbar sei.<ref>Johann Hirnsperger: Das neue Gesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften. Bemerkungen zu Anlaß, Zielen und Inhalten. In: Hirnsperger: Wege zum Heil?. 2001, S. 153–171, dort 155 zum Vereinsrecht: Gesetz vom 15. Nov. 1867, RGBl. Nr. 134, wiederverlautbart BGBl. Nr. 233/1951.</ref> Erst das Vereinsgesetz von 2002 erlaubt Religionsgemeinschaften die Konstituierung als Verein.<ref>Graf-Stuhlhofer: Frisches Wasser auf dürres Land. 2005, S. 210.</ref>

    Durchsetzbarkeit der staatlichen Anerkennung

    Die historische Entwicklung

    Im 19. Jahrhundert galten in Österreich neben der Katholischen Kirche die durch das Josephinische Toleranzpatent von 1781 tolerierten Evangelischen Kirchen, die Griechisch-Orthodoxe Kirche sowie die Israelitische Religionsgesellschaft als anerkannt. Anlässlich der Bildung der Altkatholischen Kirche wurde im Anerkennungsgesetz 1874 gesetzlich festgelegt, wie eine nicht anerkannte Religionsgemeinschaft den Status einer anerkannten Religionsgemeinschaft erwerben konnte. Das Anerkennungsgesetz wurde vom für die Anerkennung zuständigen Kultusamt (damals beim BMUK) ebenso wie vom Verwaltungsgerichtshof so ausgelegt, dass kein Anspruch auf Anerkennung bestand. Viele Anträge auf Anerkennung wurden von den Behörden verschleppt, so wie der 1906 von den Baptisten eingebrachte Antrag: Er wurde erst 3 Jahre später abgelehnt.<ref>Graf-Stuhlhofer: Frisches Wasser auf dürres Land. 2005, S. 211.</ref> Die Behörden waren aber nicht verpflichtet, überhaupt irgendeine Antwort zu geben. Die Religionsgemeinschaften hatten bei dieser Rechtslage keine Möglichkeit, eine staatliche Anerkennung durchzusetzen.

    Einzelne Religionsgemeinschaften wurden durch spezielle Gesetze anerkannt. Einigen Anträgen auf Anerkennung wurde stattgegeben, indem die Kultusbehörde per Verordnung die Anerkennung der entsprechenden Religionsgemeinschaft aussprach.

    Verfassungsgerichtshof forderte Durchsetzbarkeit

    1988 stellte der Verfassungsgerichtshof jedoch fest, dass gegen die Unterscheidung von anerkannten und nicht anerkannten Religionen nur dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden, „wenn diese Unterscheidung sachlich begründbar ist und wenn ferner die Anerkennung nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt und … auch durchsetzbar ist.“ 1992 konkretisierte der Verfassungsgerichtshof seine Rechtsauffassung: „Der zuständige Bundesminister hat, wenn er das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen verneint, über den Antrag bescheidgemäß negativ abzusprechen“; käme er jedoch zum Ergebnis, die Voraussetzungen für eine Anerkennung wären erfüllt, dann müsste eine solche auch erfolgen (VfSlg 13.134/1992). 1997 war es auf Druck des Verfassungsgerichtshofes so weit, dass sich auch der Verwaltungsgerichtshof und das Kultusamt der Rechtsmeinung anschlossen, dass ein Anspruch auf Anerkennung besteht; das heißt, dass Anträge auf Anerkennung zu prüfen sind, und dass je nach Ergebnis der Prüfung entweder eine Anerkennung auszusprechen oder ein abschlägiger Bescheid zu erlassen sei.

    Bevor der Gesetzgeber auf diese Änderung der Rechtsmeinung reagieren konnte, bestand daher 1997 während weniger Monate theoretisch ein durchsetzbarer Anspruch auf Anerkennung. In der Praxis wurde jedoch der einzige in diesem Zeitraum von der Kultusbehörde behandelte Anerkennungsantrag durch einen Bescheid abgewiesen, der - wie der Verfassungsgerichtshof 1998 feststellte - den Gleichheitsgrundsatz verletzte: die Ablehnung des Antrages war willkürlich und unsachlich begründet (VfSlg 15124/1998).

    1998 bis 2008 keine Anerkennung möglich

    Mit dem 1997 beschlossenen Bekenntnisgemeinschaftengesetz wurden zusätzliche Anerkennungsvoraussetzungen festgelegt, unter anderem muss eine Religionsgemeinschaft vor der Anerkennung „mindestens 10 Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft“ bestehen. Da es erst seit 11. Juli 1998 die Möglichkeit gibt, als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft zu bestehen, bestand während der darauf folgenden zehn Jahre keine Möglichkeit zur Anerkennung einer Religionsgemeinschaft. Diese Frist wurde jedoch bei der Koptisch-orthodoxen Kirche nicht eingehalten.

    Diese 1998 beginnende 10-Jahres-Frist trifft laut Bekenntnisgemeinschaftengesetz auch jene Religionsgemeinschaften, die schon Jahre oder Jahrzehnte zuvor Anträge auf Anerkennung einbrachten, deren Anträge aber mit der vom Verfassungsgerichtshof gerügten Vorgehensweise vom zuständigen Kultusamt einfach ignoriert wurden oder abgelehnt worden waren, ohne dass die Ablehnung korrekt begründet wurde.

    Ab 2008

    Eine der 1997 beschlossenen zusätzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz ist: „Anzahl der Angehörigen in der Höhe von mindestens 2 von Tausend der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung.“ Das bedeutet, dass sich derzeit über 16.000 Personen bei der Volkszählung zu einer bestimmten Bekenntnisgemeinschaft bekennen müssten, damit diese zukünftig die Möglichkeit hat, den Status einer anerkannten Religionsgemeinschaft zu erlangen. Damit ist selbst nach Ablauf der oben erwähnten 10-Jahres-Frist im Jahr 2008 eine Anerkennung für fast alle Anerkennungswerber unmöglich. Die geforderte Zahl von 16.000 Anhängern erscheint zahlreichen Experten insbesondere deshalb als willkürlich gewählt, da

    a) sieben der zwölf Religionsgemeinschaften, die 1997 bereits anerkannt waren, deutlich weniger Mitglieder haben als 16.000 und
    b) der Gesetzgeber auch noch nach 1997 eine Religionsgemeinschaft anerkannte (nämlich die Koptische Kirche, 2003), die bei der letzten Volkszählung nur 1.633 Mitglieder hatte, also nur ein Zehntel der für eine Anerkennung geforderten Mitgliederzahl. Während andere Anerkennungswerber auf die im Bekenntnisgemeinschaftengesetz vorgeschriebene 10-Jahres-Frist verwiesen wurden, ermöglichte der Gesetzgeber die Anerkennung der Koptischen Kirche durch ein 2003 eigens beschlossenes „Orientalisch-Orthodoxes Kirchengesetz“, durch das in diesem speziellen Fall die Einhaltung der von anderen Religionsgemeinschaften verlangten Anerkennungsvoraussetzungen nicht notwendig war.

    Der Verfassungsgerichtshof rechtfertigt die bestehende Ungleichbehandlung von nicht anerkannten Religionen und ihren Anhängern nach wie vor damit, dass die Unterscheidung zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften in Österreich „sachlich begründbar ist“ und dass „ferner die Anerkennung nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt und … auch durchsetzbar ist.“ Die Position des Gesetzgebers bezüglich der Anerkennung kleiner Glaubensgemeinschaften war, dass das Anerkennungsgesetz nur regelt, unter welchen Bedingen der zuständige Minister die Anerkennung auf jeden Fall auszusprechen hat. Eine einzelgesetzliche Anerkennung, die die Mehrheit in der Volksvertretung gewinnt, also den gesellschaftlichen Willen ausdrückt, ist davon unbenommen und höherwertig anzusehen.

    Ende Juli 2008 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass das österreichische Religionsrecht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.<ref>Urteil des Europ. Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle der Zeugen Jehovas</ref><ref>Die Presse am 31. Juli 2008</ref> Unter anderem wurde bemängelt, dass die lange Wartezeit gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstößt. Das Kultusamt zögerte jedoch die Anerkennungsverfahren weiter hinaus; erst nachdem die Zeugen Jehovas im Frühjahr 2009 neuerlich eine Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht hatten und zusätzlich den Europarat informierten, dass die Republik Österreich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht umsetzte, wurden die Zeugen Jehovas am 7. Mai 2009 als Religionsgemeinschaft anerkannt.

    Derzeit kann keine der nicht anerkannten Religionen anerkannt werden, da alle Anerkennungswerber an der seit 1998 geforderten Mindestmitgliederzahl scheitern.

    Probleme der Vertretung

    Einige muslimische und jüdische Gruppen sehen sich nicht von den staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften vertreten.

    Die stark sunnitisch geprägte, staatlich anerkannte Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) sollte auch Schiiten vertreten. Erst seit 2013 gibt es eine eingetragene schiitische Bekenntnisgemeinschaft. Auch die Aleviten Österreichs bezeichnen sich als Muslime, wurden jedoch von der IGGÖ nicht vertreten. Seit Mai 2013 gibt es eine eigene alevitische anerkannte Religionsgemeinschaft, doch auch von dieser fühlen sich nicht alle Aleviten vertreten<ref name="aleviten2010">Michael Weiß: Österreichs Aleviten sind selbstständig, religion.orf.at, 17. Dezember 2010</ref><ref name="aleviten2013">Verordnung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend die Anerkennung der Anhänger der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft als Religionsgesellschaft (BGBl. II Nr. 133/2013)</ref>

    Es gibt mehrere jüdische Gemeinschaften, die sich von der staatlich anerkannten Kultusgemeinde nicht vertreten fühlen, darunter die orthodoxe Gemeinde von Rabbiner Jacob Biderman (Chabad), die um Anerkennung als eigene Religionsgemeinschaft ansuchte; ebenso die liberale Gemeinde Or Chadasch.

    Literatur

    • Religionen in Österreich (kostenlose Broschüre des Bundespressedienstes). 2004
    • Franz Graf-Stuhlhofer (Hrsg.): Frisches Wasser auf dürres Land. Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Bundes der Baptistengemeinden in Österreich (= Baptismus-Studien; 7). Kassel 2005, S. 207-212 (Kap. Glaubensfreiheit).
    • Johann Hirnsperger u.a. (Hrsg.): Wege zum Heil? Religiöse Bekenntnisgemeinschaften in Österreich. Selbstdarstellung und theologische Reflexion (= Theologie im kulturellen Dialog; 7). Styria, Graz u.a. 2001; Johann Hirnsperger u. a. (Hrsg.): Wege zum Heil? Religiöse Bekenntnisgemeinschaften in Österreich: Verfassungen und Statuten (= Theologie im kulturellen Dialog; 7a). Styria Graz 2002; Johann Hirnsperger u. a. (Hrsg.): Wege zum Heil? Religiöse Bekenntnisgemeinschaften in Österreich: Pfingstkirche Gemeinde Gottes und Mennonitische Freikirche. Ökumenische und interreligiöse Perspektiven (= Theologie im kulturellen Dialog; 7b). Tyrolia Innsbruck 2005; Johann Hirnsperger u. a. (Hrsg.): Wege zum Heil? Religiöse Bekenntnisgemeinschaften in Österreich: Elaia Christengemeinden (ECG) und Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IAGÖ). Mit Beiträgen aus anderen Religionsgemeinschaften (= Theologie im kulturellen Dialog, 7c). Tyrolia Innsbruck 2014.
    • Herbert Kalb: Die Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich. In: Richard Potz, Reinhard Kohlhofer: Die „Anerkennung“ von Religionsgemeinschaften. Verlag Österreich, Wien 2002. ISBN 3-7046-3719-X
    • Karl Vocelka: Multikonfessionelles Österreich. Religionen in Geschichte und Gegenwart. Styria, Wien u.a. 2013.

    Weblinks

    Die Institutionen

    <references group="L"/>

    Einzelnachweise

    <references />bn:অস্ট্রিয়া#ধর্মবিশ্বাস