Braunkohlebergbau
Unter Braunkohlebergbau versteht man den Abbau von Braunkohle. Dieser erfolgt meist im Tagebau mit Hilfe von Braunkohlebaggern und Förderbrücken und ist mit schwerwiegenden Eingriffen in die Umwelt verbunden.
Inhaltsverzeichnis
Deutschland
Braunkohle dient in Deutschland vor allem der Stromerzeugung. Der Flächenverbrauch der deutschen Braunkohletagebauten beträgt ca. 2400 km²<ref>Braunkohle im Visier der Umweltschützer. Goethe-Institut. Abgerufen am 9. Mai 2013.</ref>, was der vierfachen Fläche des Bodensees bzw. nahezu der Fläche des Saarlandes entspricht. Deutschlandweit waren 2013 ca. 16.410 Menschen im Braunkohlebergbau beschäftigt, etwa 1,5 % weniger als 2012.<ref>Deutschland ‒ Rohstoffsituation 2013. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Abgerufen am 6. Februar 2015.</ref>
Geschichte
Ab dem 16. Jahrhundert wurde eine Holznot (ein bevorstehender oder bereits akut anzutreffender Mangel am Rohstoff Holz) als gesellschaftliches Problem wahrgenommen. Um 1800 waren weite Teile Europas entwaldet; viele der restlichen Wälder waren übernutzt. Vielerorts gab es jeden Winter einen akuten Mangel an Brennholz und anderen Heizstoffen; (siehe auch Geschichte des Waldes in Mitteleuropa).
Vielerorts wurden Schächte gegraben bzw. gebohrt mit dem Ziel, neue Kohlereviere und andere Bodenschätze zu finden („Mutungsbohrungen“).
Im ausgehenden 17. Jahrhundert entdeckte man, dass die nasse, unbrauchbare Schicht, die bei der Tongewinnung für die Keramik-Industrie im Raum von Brühl (zwischen Köln und Bonn) und Frechen (zwischen Köln und Aachen) über der Tonschicht lagerte und abgeräumt werden musste, brennbar war, nachdem man sie mittels Sonne und Luft getrocknet hatte. Diese torfähnliche Substanz (Turf) ließen die jeweiligen Grundherren nun in kleinen Gruben von Kleinbauern und Tagelöhnern mit Hacke und Spaten abgraben. Er wurde in Töpfen zu Klütten (von niederdeutsch Kluit = Klumpen) verdichtet und im Sommer an der Luft getrocknet. Die Klütten hatten nur einen geringen Heizwert. Sie wurden vor Ort genutzt oder in umliegenden Siedlungen an arme Leute verkauft. Solche Gruben bestanden noch bis in die 1920er Jahre.
1698 begann man bei Mücheln/Braunsbedra nach Braunkohle zu graben. Die gilt als die „Geburtsstunde“ des Mitteldeutschen Braunkohlereviers. Dessen Anfänge datierte der Geographieprofessor Eckhard Oelke (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) hingegen in das Jahr 1382, in welchem eine kolgrube in Lieskau bei Halle (Saale) in einer Urkunde erwähnt wird.<ref>Zusammenfassung der Forschungsergebnisse Oelkes für den mitteldeutschen Raum, abgerufen am 17. Oktober 2015.</ref>
Im späteren Westrevier des Rheinischen Braunkohlereviers (Tagebau Zukunft und Tagebau Inden) stieß man 1819 beim Brunnenbau in der Ortschaft Lucherberg bei Inden auf Braunkohle. 1826 begann der Grundherr Karl von Goldstein mit dem Abbau eines 7,5 Meter mächtigen Flözes.
1830 bis 1924 wurde die Grube Astrea betrieben (Rheinland) – teils im Tage- und teils im Untertagebau.
Lausitzer Braunkohlerevier: Das 1. Lausitzer Flöz im Raum Welzow wurde ab dem 19. Jahrhundert abgebaut, in der Regel im Tiefbau in kleinen Gruben, darunter auch in unangemeldeten Gruben. Grube Clara I Welzow begann den Braunkohlenabbau auf der Welzower Hochfläche im Jahr 1866.<ref>Wolfgang Schossig u. a.: Bergbau in der Niederlausitz. Cottbus 2007. S. 27.</ref>
1856 begann man, bei Nachterstedt/Schadeleben (Mitteldeutsches Braunkohlerevier) Braunkohle abzubauen (bis 1991, heute Concordiasee).
Im Zuge der Industrialisierung kam es in allen Ländern Europas im 19. Jahrhundert zu einem starken Bevölkerungswachstum (siehe z. B. Demografie Deutschlands). Es gab eine Verstädterung. Zahlreiche technische Erfindungen ermöglichten Neuerungen. Wohnbevölkerung, Handwerk, Gewerbe und Industrie brauchten Brennstoff zum Heizen und zum Betreiben von Dampfmaschinen. Das im 19. Jahrhundert entstandene Eisenbahnnetz sowie neue Kanäle (Liste hier) machten den Transport von Massengütern über längere Strecken möglich sowie erschwinglich.
1859 verband die erste Eisenbahnbrücke in Köln das westliche Rheinland mit dem Ruhrgebiet. Vorübergehend ging der Braunkohle-Absatz durch die Konkurrenz der billigen Steinkohle aus dem Ruhrbergbau zurück; 1876 erreichte er einen kurzen Tiefstand.
Unternehmer in Brühl machten 1877 (Gewerkschaft Roddergrube) und 1878 (Gewerkschaft Brühl) die Kohlegewinnung durch dampfbetriebene Entwässerungspumpen konkurrenzfähig und revolutionierten die Herstellung von Briketts durch maschinelle Pressen. Solche Pressen waren 1872 im mitteldeutschen Revier entwickelt worden. In rascher Folge wurden weitere Brikettfabriken gegründet. Überregionale Eisenbahnlinien sowie die lokalen Bahnen Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn von 1893, Bergheimer Kreisbahn 1897/1899 und Hürth-Kalscheuren–Hürth-Knapsack von 1901 verbanden Orte in der Ville, erschlossen weitere Kohlefelder oder banden Gruben an die Nachfrageräume an.
Die erste Brikettfabrik im Westen wurde 1888 durch die Gewerkschaft Maria Theresia zu Herzogenrath (bei Aachen) errichtet. 1913 wurde im Westrevier die Braunkohle-Industrie AG Zukunft als Zusammenschluss verschiedener kleiner Gewerkschaften mit dem Ziel gegründet, ein Braunkohlekraftwerk zu bauen. 1914 gingen der Tagebau Zukunft und das erste Kraftwerk Weisweiler in Betrieb.
Die Mechanisierung machte weitere Fortschritte: 1895 wurde der erste Abraumbagger, der für den Bau des Nord-Ostsee-Kanals gebaut worden war, in der Grube Donatus bei Liblar eingesetzt.<ref>Baumaschinen - 1.) ERDBAU auf ak190x.de</ref> Der erste Schrämbagger zum Kohleabbau kam 1907 im Brühler Gruhlwerk zum Einsatz und erhielt den Namen „Eiserner Mann“.<ref>Arno Kleinebeckel: Unternehmen Braunkohle. Geschichte eines Rohstoffs, eines Reviers, einer Industrie im Rheinland. Köln 1986. S. 117 ff. u. S. 155.</ref> 1909 arbeiteten bereits vier Kohlebagger in den 29 Gruben; 1913 hatten nur drei Gruben keine Bagger. Die Förderung stieg von fünf Millionen Tonnen 1905 auf 17,4 Millionen Tonnen im Jahr 1913. Der Vertrieb war gegenüber der traditionellen Steinkohle schwierig. Die Gruben machten sich untereinander Konkurrenz. 1899 schlossen sich 19 Gruben zu einem Verkaufssyndikat zusammen, um Briketts als Markenartikel unter dem Namen Union-Brikett mit einheitlichen Standards zu vertreiben.
Im Nordrevier wurde 1907 zwischen Neurath und Garzweiler durch den Aufschluss des Feldes Rheingold mit dem kommerziellen Abbau begonnen, zuerst noch mit Hacken und Loren. Ein Jahr später wurde der erste Kratzbagger eingesetzt. Heute sind die Grubenfelder im Tagebau Garzweiler zusammengefasst.
Die DDR baute die Braunkohle praktisch ohne Rücksicht auf Umweltbelange ab. Seit der ersten Ölkrise hatte die Sowjetunion (die führende Macht im Ostblock bzw. im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) der DDR die Preise für Rohöllieferungen erhöht; seitdem (und aus Devisenmangel) nutzte die DDR die Braunkohle in noch stärkerem Maße.
Leistungszahlen
Stand 2006:<ref>Rolf Dieter Stoll, Christian Niemann-Delius, Carsten Drebenstedt, Klaus Müllensiefen (Hrsg.): Der Braunkohlentagebau. Bedeutung, Planung, Betrieb, Technik, Umwelt. 1. Auflage. Springer, 2009, ISBN 978-3-540-78400-5, S. 48.</ref>
Revier | Abraumbewegung in 1000 m3 | Braunkohlengewinnung in 1000t | Abraum-Kohleverhältnis (A/K) m3/t | Heizwert in kJ/kg |
---|---|---|---|---|
Rheinland | 415.798 | 96.178 | 4,3 : 1 | 8.896 |
Lausitz | 426.594 | 57.955 | 7,4 : 1 | 8.638 |
Mitteldeutschland | 73.650 | 20.353 | 3,6 : 1 | 10.486 |
Helmstedt | 13.561 | 1.804 | 7,5 : 1 | 10.797 |
Insgesamt | 929.603 | 176.321 | 5,3 : 1 | 9.014 |
Reviere in Deutschland
Braunkohlebergbau fand oder findet in Deutschland vor allem in den folgenden Bergbaurevieren im Tagebau statt:
- Rheinisches Braunkohlerevier in der Region Aachen - Ville (Rheinland)
- Mitteldeutsches Braunkohlerevier in der Region Halle-Leipzig-Altenburg-Quedlinburg
- Lausitzer Braunkohlerevier und Oberlausitzer Braunkohlerevier in der Lausitz (Lausitzer Seenland) um Cottbus, Hoyerswerda, Zittau
- Südlich und östlich von Berlin in Brandenburg im Raum Finkenheerd-Frankfurt (Oder)<ref>www.schoenfliess-nl.de</ref><ref>www.viademica.de</ref>
- Fläming bei Coswig, Sachsen-Anhalt<ref>www.coswiganhalt.de (Memento vom 29. April 2007 im Internet Archive)</ref>
- Oberpfälzer Braunkohlerevier in der Oberpfalz (Schwandorf, Oberpfälzer Seenland)
- Helmstedter Braunkohlerevier in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt<ref name="spiegel-43062363">Schüsse bei Helmstedt. In: Der Spiegel. Nr. 22, 1956 (online).</ref><ref>www.helmstedt.de</ref>
- Weserbergland bei Hameln in Niedersachsen<ref>www.salzhemmendorf.de (Memento vom 2. November 2009 im Internet Archive)</ref> neben Steinkohle: Osterwald (Salzhemmendorf)
- Niederhessisches Braunkohlerevier: mit Borkener Braunkohlerevier, Hirschberg bei Großalmerode, Hoher Meißner
- Westerwälder Braunkohlerevier<ref>www.alt-breitscheid.de</ref>
- Wetterauer Braunkohlerevier in Hessen
- Griese Gegend in Mecklenburg und Prignitz in Brandenburg<ref name="Plettner">F. Plettner: Die Braunkohle in des Mark Brandenburg: ihre Verbreitung und Lagerung., 1852 Volltext in der Google-Buchsuche</ref>
- Oderhänge zwischen Frankfurt (Oder) und Stettin in der Neumark und Pommern<ref name="Plettner" /><ref>W. Pflug, 1998. Braunkohlentagebau und Rekultivierung. Landschaftsökologie-Folgenutzung-Naturschutz.</ref>
- in der heutigen UNESCO-Weltnaturerbestätte Grube Messel bei Darmstadt in Hessen wurde u.a. Braunkohle und Ölschiefer abgebaut
In späterer Zeit eher selten erfolgte die Braunkohlenförderung auch untertägig, z. B. in
- Schachtanlage Union 103 in Morschenich
- Schachtanlage Stolzenbach bei Borken
- Griese Gegend in Mecklenburg<ref>www.bergamt-mv.de</ref>
- Altmark bei Arendsee, Sachsen-Anhalt
- Bergwerk Robertshall in Hamburg-Harburg<ref>www.geschichtsspuren.de</ref><ref>www.hamburg.de</ref>
- Mittenwalde, Schenkendorf<ref>www.lr-online.de</ref>
- Region um Staßfurt und Barby (Grube Alfred)<ref>www.kanonenbahn.de (Memento vom 15. August 2002 im Internet Archive)</ref>
- Mansfelder Land<ref>www.mansfelder-seen.de</ref>
Umweltauswirkungen
Grundwasserabsenkung
Die Braunkohle liegt wegen ihres Entstehungsalters regelmäßig unter grundwasserführenden Schichten. Zum Beispiel liegen die Flöze im rheinischen Braunkohlerevier in einer Tiefe von bis zu 450 Metern.
Damit die Tagebau-Grube nicht vollläuft, muss in der gesamten Region das Grundwasser aufwändig abgesenkt werden. Diese sogenannte Sümpfung ist ein großer Eingriff in den Wasserhaushalt der umliegenden Gebiete, Fließgewässer und stehenden Gewässer und„“
Braunkohle kann nur trocken abgebaut werden. Das Grundwasser rund um den Tagebau muss deshalb bis unter die tiefste Abbaustufe gesenkt werden. Hunderte großer Pumpen bilden mehrere Ringe um die Gruben. Die äußeren Pumpen saugen das Oberflächenwasser ab. Je näher sie am Bagger stehen, desto größer ist die Strecke, die das Wasser hochgepumpt werden muss. Im Tagebau Garzweiler pumpt man bis zu 230 Metern hoch; im Tagebau Hambach bis zu 450 Meter. Die dort eingesetzten Tauchpumpen können pro Minute 32.000 Liter Wasser fördern. Im Garzweiler werden jedes Jahr weit über 100 Millionen Kubikmeter Wasser abgepumpt. Dies entspricht etwa dem sechsfachen Wasserbedarf der Großstadt Mönchengladbach.<ref name="wdr" />
Im Lausitzer Braunkohlerevier pumpte der aktive Braunkohlenbergbau 2009 etwa 230 Mio. Kubikmeter Grundwasser ab - mehr als alle anderen Nutzer zusammen: Industrie, Landwirtschaft und Trinkwasserwerke kommen zusammen auf 160 Mio. m³ im Bundesland Brandenburg.<ref>http://www.lausitzer-braunkohle.de/</ref>
Folge des Abpumpens ist stets ein sogenannter Sümpfungstrichter, der im weiten Umkreis des Tagebaus die Grundwasserstände beeinflusst. Ein abgesenkter Grundwasserspiegel unter einer Bebauung kann Bergschäden an der Bebauung verursachen. Ein abgesenkter Grundwasserspiegel unter einem Wald kann dazu führen, dass der Wald bei Trockenheit Schäden erleidet (speziell tiefwurzelnde Bäume: Tiefwurzler treiben ihre Pfahlwurzel in Richtung Grundwasser). siehe auch (Bergschäden#Bergschäden durch Braunkohleabbau; Rechtslage)
Risiken der Grundwasserabsenkung
Die Grundwasserabsenkungen, die mit dem Braunkohleabbau einhergehen, können in Gebäuden für Risse und Brüche verantwortlich sein.
Ausgewählte Reviere außerhalb Deutschlands
Österreich
- Steiermärkisches Braunkohlerevier um Köflach-Voitsberg, Österreich
- Hausruckviertel in Oberösterreich im Hausruck
- Salzach-Braunkohlerevier in Oberösterreich
- Braunkohlerevier Langau-Riegersburg, Waldviertel in Niederösterreich
- Lignitkohle im Raum Neufeld an der Leitha, Steinbrunn, Zillingdorf; Industrieviertel Niederösterreich und angrenzendes nördliches Burgenland
Andere Länder Mitteleuropas
- Geologisch zusammenhängende Teile des Oberlausitzer Braunkohlerevieres werden auch im angrenzenden Polen (Bogatynia) und wurden in Tschechien (Kristýna in Hrádek nad Nisou) abgebaut. Der polnische Tagebau Turów beliefert das 1962 in Betrieb genommene Kraftwerk Turów, das mit 1900 MWel das drittgrößte Polens ist. Riesige Kohlefunde im Raum Legnica sichern die Existenz der Anlage auf Jahrzehnte.
- Nordböhmisches Braunkohlerevier im Nordböhmischen Becken um Chomutov-Sokolov-Most
- Bornholm (Dänemark), um Hasle<ref>www.lejrskole-bornholm.dk</ref>
- Nordungarisches Braunkohlerevier um Visonta und Bükkábrány
- Zentrales Polen um Bełchatów, Konin, Gubin
- Limburger Braunkohlerevier um Eygelshoven, Hoensbroek, Geleen in den Niederlanden<ref>www.citg.tudelft.nl</ref>
weltweiter Braunkohlebergbau
siehe Kohle/Tabellen und Grafiken
Siehe auch
Weblinks
- Braunkohlebergbau in der Lausitz
- Kritische Seite der Grünen Liga Brandenburg zum Lausitzer Revier
- Braunkohlebergbau in Österreich
Einzelnachweise
<references />