Porträt
Ein Porträt (von französisch portrait; früher auch Portrait geschrieben)<ref>Die Schreibweise Portrait ist gelegentlich anzutreffen. Nach dem amtlichen Regelwerk, das im angehängten Wörterzeichnis nur Porträt angibt, gilt sie als nicht korrekt (wie auch schon vor der Rechtschreibreform). Duden bezeichnet Portrait als „frühere Schreibung“.</ref> oder Bildnis ist ein Gemälde, eine Fotografie, eine Plastik oder eine andere Darstellung einer Person.<ref>Vgl. Duden online: Porträt und Bildnis</ref> Das Porträt zeigt in der Regel das Gesicht der Person. Bei der Darstellung mehrerer Personen spricht man von einem Doppelporträt beziehungsweise Familienporträt oder Gruppenporträt.<ref>Duden online: Doppelporträt</ref> Porträtieren ist die Anfertigung eines Porträts.<ref>Duden online: porträtieren</ref>
Im engeren Sinn versteht man unter einem Porträt ein künstlerisches Bildnis. Ein porträtierender Künstler wird als Porträtist bezeichnet.<ref>Duden online: Porträtist</ref> Ein Porträtist versucht in der Regel, die Person nicht nur äußerlich abzubilden, sondern auch ihr Wesen bzw. ihre Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen.
Zahlreiche namhafte Maler, Grafiker und Bildhauer haben sich intensiv mit Porträts befasst und dadurch zur Entwicklung einer großen Darstellungsvielfalt beigetragen. Die Porträtmalerei hat seit dem 17. Jahrhundert sehr stark an Bedeutung gewonnen. Seit dem 19. Jahrhundert hat die Porträtfotografie die Porträtmalerei ergänzt und ist auch in die Filmkunst als szenisches Element eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
Klassifizierung von Porträts
Die Darstellungsformen werden nach verschiedenen Aspekten bezeichnet: nach der Anzahl der dargestellten Personen sowie – besonders bei Einzelporträts – nach dem Ausschnitt der Figur und nach der Kopfhaltung im Verhältnis zum Betrachter. Überdies werden Bildnisse auch nach ihrer Funktion differenziert (z. B. Herrscherporträt) oder nach der thematischen Ausrichtung (z. B. Kostümbildnis).
Nach der Anzahl der Personen
- Einzelporträt: Eine einzelne Person wird dargestellt. Dies ist der häufigste Typ des Porträts.
- Doppelporträt: Bei einem Doppelporträt werden zwei Personen in einem Bild dargestellt. Das Gemälde Oberbürgermeister von Guaita und Tochter, 1817 von Johann Baptist Joseph Bastiné angefertigt, gilt als das einzige „monumentale Doppelbildnis zu dieser Zeit im Rheinland.“<ref>Felix Kuetgens: Johann Baptist Joseph Bastiné. In: Aachener Kunstblätter. Heft XIV. La Ruelle, Aachen 1928, S. 93.</ref>
- Zwei einzelne Pendant-Bilder, meist von Ehepaaren, sind kein Doppelporträt.
- Gruppenporträt: Mehr als zwei Personen werden dargestellt. Hierzu gehört auch das Familienporträt, die Darstellung der gesamten Familie in einem Werk. Dieses Sujet findet sich bei Andrea Mantegna in der Ausschmückung der Camera degli Sposi des Palazzo Ducale in Mantua, bei Jakob van Oost dem Älteren in einem Bild Porträt einer Brügger Familie und 1561 Familie Berchem von Frans Floris. Das Familienbild war ein Markenzeichen des Biedermeier. Dies veranschaulichen die Werke von Johann Baptist Joseph Bastiné und Heinrich Franz Carl Billotte.
- Albrecht Dürer - Portrait of Hieronymus Holzschuher - WGA7022.jpg
Albrecht Duerer, Porträt des Hieronymus Holzschuher, 1526
- Brüder Grimm Doppelporträt 1843.jpg
Doppelporträt der Brüder Grimm, 1843
- Yalta Conference cropped.jpg
Gruppenporträt, 1945
Nach dem Ausschnitt
- Ganzfigur: Darstellung stehend oder sitzend. Als Skulptur auch Statue (Standbild) oder Statuette genannt.
- Kniestück: mit Einbeziehung der Knie, stehend oder sitzend.
- Hüftbild: Oberkörper bis zum Schritt
- Halbfigur: Oberkörper bis zur Taille, unter Einbeziehung der angewinkelten Arme mit den Händen.
- Bruststück: Kopf mit einem Großteil des Oberkörpers, Schultern und Armabschnitten.
- Schulterstück oder Büste: Die Schulteransätze sind mit einbezogen und das Porträt endet auf Achselhöhe.
- Kopfbild: Darstellung mit dem Hals (Halsabschnitt), ohne jeglichen Teil des Rumpfes.
- Agustín Esteve (after Goya) - María Luisa de Borbón-Parma (Prado).jpg
Ganzfigur, stehend
Francisco de Goya: Porträt der Königin Maria Luisa, um 1800 - Pierre-Auguste Renoir 104.jpg
Kniestück, sitzend
Auguste Renoir: Porträt der Tilla Durieux, 1918 - Anton Graff Bildnis Elisa von der Recke 1797.jpg
Hüftbild
Anton Graff: Bildnis Elisa von der Recke, 1794 - H C Kolbe Portrait einer Dame.jpg
Halbfigur
Heinrich Christoph Kolbe: Porträt einer Dame - Giorgione 043.jpg
Bruststück
Giorgione: Laura, 1506 - Albrecht Dürer - Bildnis einer jungen Venezianerin - Google Art Project.jpg
Schulterstück
Albrecht Dürer: Porträt einer jungen Frau, um 1506 - Study for the Head of Leda.jpg
Kopfbild
Leonardo da Vinci: Kopf der Leda, Studie, um 1507/1509
Zu den analogen Begriffen beim Film siehe Einstellungsgröße.
Nach der Kopfhaltung
Bezeichnung für die Kopfhaltung des Dargestellten bzw. den Blickwinkel:
- Frontalansicht (en face): Das Gesicht ist direkt auf den Betrachter gerichtet. Die Darstellung wirkt oft suggestiv<ref>Norbert Schneider: Porträtmalerei 1420–1670. Köln 1999, S. 6.; zitiert in Else Lowitzer-Hönig: Die frühen Porträts von Oskar Kokoschka. Studien zu den Einzelbildnissen von 1906 bis 1925 – Ein bisher unbekanntes Porträt. Diplomarbeit Universität Wien, Oktober 2008, S. 17 f. (pdf, othes.univie.ac.at, dort S. 11 f.)</ref> und intim, aber auch etwas steif.
- Viertelprofil oder Dreiviertelprofil/-ansicht:(x) Das Gesicht ist leicht aus der Frontalansicht gedreht. Wegen der Rundung des menschlichen Kopfes wird die dem Betrachter zugewandte Seite des Gesichts voll, die vom Betrachter abgewandte Seite verkürzt wiedergegeben. Sie liegt dann auch oft im Schatten. Der Blick der Figur geht nicht mehr starr geradeaus. Gilt als lebendiger als frontal, auch in der Porträtfotografie wird eine leichte Drehung des Kopfes favorisiert.
- Halbprofil: Das Gesicht ist von der Seite dargestellt, wobei das zweite Auge noch zu erkennen ist. Die Figur blickt in der Regel zum Betrachter.
- Dreiviertelprofil oder Viertelprofil/-ansicht:(x) Ein Überwiegen von en profil gegenüber der Halbansicht: Die Nase überragt oft die Kontur, das zweite Auge ist halb verdeckt bis nur angedeutet. Anmutiger als strenges Profil. Falls die Figur den Betrachter anblickt, kann der seitwärts gerichtete Blick tiefgründig wirken.
- Profilansicht (en profil): Das Gesicht wird von der Seite abgebildet. Darstellungen im Profil nach dem Vorbild römischer Kaisermünzen galten charakter- und würdevollste Darstellung des Menschen. Profilbilder als Schattenriss wurden seit dem 15. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert häufig angefertigt.
- Verlorenes Profil (profil perdu): „Dreiviertelansicht von hinten“, es sind nur die Konturen der Wangenknochen erkennbar.
- Beckwith Mark Twain Portrait.jpg
Frontalansicht
James Carroll Beckwith: Porträt des Mark Twain, 1890 - Rokotov orlov.JPG
(Drei-)Viertelprofil(x) Porträt des Grafen I.G. Orlow, 1762/65
- Petrus Christus 007.jpg
Halbprofil
Petrus Christus: Porträt eines Kartäusers, 1446 - Sandro Botticelli - Giuliano de' Medici (Gemäldegalerie Berlin).jpg
(Drei-)Viertelprofil(x) Porträt des Giuliano de Medici, um 1478
- Pisanello 015.jpg
Profil
Pisanello: Porträt des Lionello d’Este, 1441 - Pavel Filonov AutoPortrait.jpg
Verlorenes Profil
Pawel Filonow: Selbstporträt
Besondere Arten des Porträts
Selbstporträt
Das Porträt eines Künstlers von sich selbst bzw. seinem eigenen Bild ist das Selbstporträt. Selbstporträts zählen zu den berühmtesten Werken zahlreicher Künstler. Weltweite Verbreitung hat das Selbstporträt in der Fotografie erlangt. In den letzten Jahren wurden Selbstporträts in sozialen Netzen vermehrt als Selfies verbreitet.
Idealporträt
Das Idealporträt stellte ein dem Künstler nicht persönlich bekanntes Individuum als erfundenen Charaktertypus dar (z. B. Köpfe des Homer), die das Wesen, nicht jedoch die realistische Gestalt der betreffenden Person versinnbildlichen sollten; diese Bildnisgestaltung ist bereits aus griechischer Zeit bekannt.
Ein Tronie ist ein Porträtgemälde, das im Gegensatz zu einem vorgegebenen Ideal rein aus der persönlichen Vorstellungskraft des Malers entstand, gelegentlich unter Zuhilfenahme eines Modells, um Position und Proportionen optimal zu gestalten. Diese Phantasieporträts konnten idealisierend sein, waren es aber nicht zwangsläufig.<ref>Franziska Gottwald: Das Tronie. Muster – Studie – Meisterwerk. Die Genese einer Gattung der Malerei vom 15. Jahrhundert bis zu Rembrandt. Deutscher Kunstverlag, 2011, ISBN 978-3-422-06930-5.</ref>
Standesporträt
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als man die Herrschaft von Adelsdynastien als gottgegeben ansah, kam auch dem „Standesporträt“ eine Schlüsselrolle zu. Es vermittelt dem Betrachter das Aussehen des Dargestellten, seinen Stand in der Gesellschaft und der Familienmitglieder. Diese Porträts waren in die „repräsentative Öffentlichkeit“ des Hofs eingebunden. Präsentiert in Ahnengalerien bezeugten sie die vornehme Herkunft der Familie.
Zur Charakterisierung des Ranges diente die Kleidung. Im Heiligen Römischen Reich war die seit 1497 entworfene und 1530 genehmigte Kleiderordnung maßgebend, die Reichspolizeiordnung (RPO) für Kleider und Luxusordnung. Auf diese Weise lässt sich anhand der Garderobe und des Schmucks der gesellschaftliche Stand ablesen. Kaiser Maximilian I. setzte Anfang des 16. Jahrhunderts sein Porträt zu Propagandazwecken ein. Dieser Bildtyp des „Staatsporträts“ wurde 1519 von Albrecht Dürer mit seinen Gemälden Kaiser Maximilian I. und Jakob Fugger begründet. Die Würde des Dargestellten wird durch eine auf das Wesentliche konzentrierte Wiedergabe verdeutlicht. Auch die Physiognomien wurden entsprechend dem Status angepasst. Mit den englischen Touristenporträts des 18. Jahrhunderts beginnt dann das Ende des Standesporträts.<ref>Andrea M. Kluxen: Das Ende des Standesporträts. Die Bedeutung der englischen Malerei für das deutsche Porträt 1760–1848. Fink, München 1989, S. 175.</ref>
Touristenporträt
Pompeo Batoni ist der Erfinder des Touristenporträts. Er entwickelte diesen Porträttyp für englische Touristen in Rom, die sich vor Relikten antiker Architektur malen ließen. Eines der bekanntesten Werke dieses Typus ist Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins Goethe in der Campagna 1786/7. Das Touristenporträt verbindet gesellschaftliche Attribute und Souvenir-Darstellungen. Das Touristenporträt stellt eine Stufe des Übergangs vom Standesporträt zum ständeunabhängigen Gesellschaftsporträt dar.<ref>Kluxen, S. 95 f.</ref>
Büstenporträt
Das Büstenporträt ist ein Porträt, das den Dargestellten, ähnlich wie in römischen Büsten, bis Brusthöhe wiedergibt. Frühe Beispiele sind die ägyptischen Mumienporträt-Porträts. Im Italien der Renaissance entsprechen diesem Porträttyp einzelne Werke von Antonio Pisanello um 1431/41: Sigismund von Luxemburg und Leonello d’Este.
- Portrait du Fayoum 02.JPG
Fajûn-Porträt, um 200 n. Chr., Louvre in Paris
- Antonello da Messina 059.jpg
Antonello da Messina, Porträt eines Condottiere, 1475
- Julien Tanguy by Vincent Van Gogh, 1887 - Ny Carlsberg Glyptotek - Copenhagen - DSC09416.JPG
Porträt Julien Tanguys von Vincent van Gogh, 1887
- Claude Monet 1899 Nadar.jpg
Claude Monet, Fotografie von Nadar, 1899
Miniaturen
Zu den persönlichsten Formen des Porträts zählen die Miniaturportraits, die oft als Erinnerung an einen geliebten Menschen in Auftrag gegeben und geschätzt wurden. Seit dem frühen 16. Jahrhundert spezialisierten sich Künstler auf diese kleinen Porträts auf Papier, Pergament, Metall und vor allem Elfenbein, das für die Wiedergabe des Inkarnats besonders geeignet war. Die Porträts wurden oft als Medaillons in teure goldene Rahmen gefasst und konnten an einer Kette getragen werden. Blütezeit dieser Miniaturen war das späte 18. und das frühe 19. Jahrhundert, d. h. Empire und Biedermeier.
- Thomas Wriothesley, 1st Earl of Southampton by Hans Holbein the Younger.jpg
Hans Holbein der Jüngere: Thomas Wriothesley, um 1535, Vellum auf Karton aufgezogen, 28x25 mm
- Pierre Signac - Miniature portrait of Charles XI, King of Sweden 1660-1697, as a child - Google Art Project.jpg
Pierre Signac, Karl XI. als Kind, um 1662, Gouache auf Pergament, 38x33 mm
- John Smart - Portrait of a Boy - Walters 38266.jpg
John Smart: Portrait of a boy, 1770; Wasserfarbe auf Elfenbein, 31,8×38,1 mm
- 1839 JosuahRichardsonBigelow byGeorgeLBrown MFABoston.jpeg
George Loring Brown: Josuah Richardson Bigelow, 1839; Wasserfarbe auf Elfenbein, 69,8 ×63 mm
Geschichte des Porträts in Kunst und Kultur
Prähistorie: Die Darstellung der menschlichen Figur gehört zu den ältesten Motiven der Geschichte der Malerei und der Bildhauerei. Individuelle Gesichtszüge wurden zunächst nicht dargestellt, man beschränkte sich darauf Gegenstände wie Speer, Krone, Standesabzeichen als individuelle und persönliche Attribute darzustellen. Gesichter wurden in den Menschendarstellungen der Steinzeit gar nicht oder nur schematisch wiedergegeben.
Mykenische Kultur: Die wohl bedeutendste Totenmaske ist die sogenannte Goldmaske des Agamemnon. Diese stellt vermutlich ein idealisiertes Bildnis eines mykenischen Fürsten dar und stammt aus der Zeit um 1500 v. Chr.
Ägypten: In der ägyptischen Kunst entstanden die ersten porträtähnlichen Plastiken und Malereien (Grabmalkunst). Die ersten ägyptischen Porträts hatten religiösen Charakter<ref>Kleopatra in der Kunst: Das Bild einer Königin zwischen Geschichte und Mythos / Patrick Farsen </ref>, oft wurden auch Könige porträtiert, die als irdische Repräsentanz der Gottheit galten. Bereits 2600–2160 vor Christus gab es Bilder mit individuellen Porträts und Gruppenbilder. Um 1551–1070 vor Christus erreichte die persönliche Porträtdarstellung ihren Höhepunkt in Ägypten, es gab Modellbüsten. Um 1400 v. Chr. entstand das erste tradierte Büstenporträt: die Büste der Nofretete. Es folgt die Totenmaske des Tutanchamun. Sie ist kein Abbild einer realistischen Physiognomie, sondern ein zeit- und kulturtypisches ägyptisches Idealantlitz. Während der Zeit der Römer um 50 n. Chr. entstandenen Mumienporträts. Sie dienten als Grabbeigaben.
Griechenland: Das Ideal-Porträt charakterisiert die griechische Kunst. In der griechischen Antike legte man erst wenig Wert auf Porträtähnlichkeit. Es sollten eher idealisierte Menschendarstellungen sein und Fantasiedarstellungen (Homer).
Hellenismus: Im Hellenismus entstanden die ersten Kopfbilder auf Münzen, z. B. Alexander der Große als Apoll.
Römische Kunst: In römischen Häusern hingen Totenmasken der Vorfahren im Atrium. „Ihre Taten und Leistungen waren darunter verzeichnet“.<ref>Rudolf Weirich u. a.: Grundzüge der Geschichte. Bd. 1, Frankfurt am Main 1963, S. 120 f.</ref> Aus den Totenmasken entwickelte sich das Porträt.<ref>Römische Porträtstelen in Oberitalien: Untersuchungen zur Chronologie, Typologie und Ikonographie / von Hermann Pflug. Dt. Archäolog. Inst. </ref>
Genaue Porträtähnlichkeit wurde in den Porträtbüsten zunächst nicht angestrebt, Porträts des Kaisers Augustus, die während seiner gesamten Regierungszeit hin entstanden, spiegeln nicht den Alterungsprozess wider. Für die Porträtdarstellung römischer Bürger waren die Porträtbüsten der Kaiser maßgeblich, besonders bei Porträtbüsten der Frauen wurde die Haartracht der Kaiserinnen nachgeahmt. Münzporträts spätrömischer Kaiser zeigen dagegen zunehmend individuelle Züge der Porträtierten.
Mittelalter: Die ersten profanen Porträts lebender Personen sind aus der Zeit nach der Antike bekannt, in Europa aus der Mitte des 14. Jahrhunderts (Spätgotik). Das älteste ist das Profilbild König Johanns des Guten, das als Gegenstück das Porträt seiner Frau Johanna hat. Das älteste Frontalporträt ist das von Herzog Rudolf IV. von Österreich. Im Mittelalter bis zum 14. Jahrhundert sind individuellen Porträts eher selten. Ab dem 14. Jahrhundert entwickelte sich das Bedürfnis nach naturnaher Sachtreue, der Wunsch nach Porträtähnlichkeit rückte näher. Beispielhaft sind die Porträtbüste von Peter Parler im Veitsdom in Prag und die Porträts von Niccolò Albergati (um 1430), Giovanni Arnolfini (um 1435) oder Margarete van Eyck (1439) von Jan van Eyck.
Renaissance: Im Italien der beginnenden Renaissance wuchs das Interesse an individuellen Porträts nicht nur bei den Herrschenden, sondern auch in den Kreisen der Bankiers und Kaufleute. Verlangt werden vom Künstler sowohl Porträtähnlichkeit als auch eine gewisse Idealisierung und Typisierung in Hinblick auf das jeweils dominante Schönheitsideal. Als Künstler dieser Epoche sind zu nennen: Leonardo da Vinci mit seiner (Mona Lisa), Raffaels Papstporträts von Julius II. und Leos X. oder Albrecht Dürers Selbstbildnisse.
In Deutschland und den Niederlanden ist die besondere Ausprägung als „Standesporträt“ bzw. als „bürgerliches Porträt“ mit dem beginnenden 16. Jahrhundert anzusetzen.
1600: Um 1600 verlieh die neue Lasurtechnik und der lockere Pinselstrich als Stilmittel den Porträts Lebendigkeit. Exemplarisch sind Werke von Rembrandt und Frans Hals.
18. Jahrhundert: Die Impulse der höfischen Malerei bestimmen die Porträtdarstellungen im 18. Jahrhundert.
Klassizismus: In Frankreich tritt nach Barock und Rokoko das Bedürfnis nach Strenge auf. Im Klassizismus wenden sich die Maler in Frankreich wieder der porträthaften Idealisierung zu.
Moderne: In der Kunst des 20. Jahrhunderts war das malerische Porträt kein zentrales Thema, Maler der Moderne wie Picasso oder Kokoschka setzten sich aber immer wieder mit diesem Thema auseinander. Alf Bayrle begleitete den Ethnologen Leo Frobenius als Expeditionsmaler. Auf der Reise entstanden einerseits Porträts als ethnografische Studien, andererseits auch als Gastgeschenke für die Einheimischen. Bayrle verarbeitete die Porträtthematik später in seiner Serie Köpfe.
Bedeutende Beispiele von Porträtmalerei bis in die Gegenwart gibt es bei Francis Bacon, Lucian Freud, Willi Sitte oder Luc Tuymans.
Porträtfotografie
Seit 1843 entstand der Porträtentwurf oftmals durch die Fotokamera. Die Idee soll von Sir David Brewster stammen. Vermutlich als Erster nutzte der schottische Maler David Octavius Hill diese Methode für sein monumentales Gruppenporträt von 470 Personen in den Jahren 1843–1866. In der modernen Auftragsmalerei wird das Ölporträt auf Basis einer – gegebenenfalls im Computer verfremdeten oder bearbeiteten – Fotografie ausgeführt. Es kam zu einer neuen künstlerischen Arbeitsteilung. Ausgeführt wird das Porträt als Ölgemälde durch den Künstler, während das Motiv selbst durch einen Fotografen oder den privaten Auftraggeber selbst genau vorgegeben wird.
Die Fotografie gilt mit ihren Weichzeichnungs-Effekten als Vorläufer des Impressionismus. Das Porträt gibt es in diesem Medium in variantenreichen Formen besonders als Visitenkartenporträt, der Carte de Visite.
Die Dargestellten wurden anfangs wie auf einer Bühne umgeben von Requisiten aufgenommen. Nadar war der erste, der die einzelne Persönlichkeit darstellte.
Funktionen des Porträts
Porträts haben unterschiedliche Funktionen, die wesentlich von ihren Gebrauchskontexten abhängen. Viele Gebrauchsweisen sind durch den memorialen Aspekt des Porträts bestimmt, sind also mit der Erinnerung an einen individuellen Menschen verbunden, der durch seinen sozialen Rang, seine Persönlichkeit oder seine besonderen Taten bildniswürdig ist. Beispiele für diesen memorialen Gebrauch sind die ägyptischen Mumienporträts ebenso wie Stifterbilder und Totenmasken, aber auch Porträts mit zeremoniellem Bezug wie etwa Hochzeitsfotos oder die Inthronisationsporträts eines Monarchen oder einer Monarchin.
In der Politik wird ein Herrscherbild oder das Porträt eines Regierungschefs oft als staatliches Symbol gebraucht, es ziert öffentliche Gebäude, Münzen, Banknoten oder auch Briefmarken und kann auch Ziel oder Mittel eines Personenkults sein.
Ein wichtiger Gebrauchskontext ist der soziale Tausch von Porträts: Bildnisse auf transportablen Bildträgern werden etwa in der frühen Neuzeit zwischen den Fürstenhäusern ausgetauscht, in Form von diplomatischen Geschenken. In der bürgerlichen Briefkultur zur Zeit der Aufklärung, der Romantik bis zur Moderne und Gegenwart dienten beigelegte Porträts zur Befestigung familiärer oder freundschaftlicher Beziehungen.
Porträts im weiteren Sinn
Im weiteren Sinn kann nahezu jede Abbildung eines Menschen, auch ohne künstlerischen Charakter, als Porträt bezeichnet werden, sofern sie nur den Abgebildeten gut erkennbar macht, z. B. ein Fahndungsfoto, ein gewöhnliches Passbild, ein Schnappschuss – oder auch ein Selfie als moderne Form des Selbstporträts (Selfies sind oft daraus ausgerichtet, sich selbst zu charakterisieren oder die eigene emotionale Stimmung zu übermitteln).
Darüber hinaus gibt es Tierporträts – Tierbilder, die das Tier oder mehrere Tiere besonders charaktervoll und detailreich darstellen – und Landschaftsporträts.<ref>Vgl. Duden online: Tierbild und Landschaftsbild</ref>
Im übertragenen Sinne wird auch eine schriftliche Beschreibung eines Menschen, etwa eine kurze Biografie, als „Porträt“ bezeichnet. Auch bei textlichen Beschreibungen wird der Begriff ausgeweitet auf die detailreiche Darstellung verschiedenster Gegenstände, denen man einen Charakter zuschreibt, z. B. „Porträts“ von Landschaften, Ländern, Städten, Firmen, Tieren usw.<ref>Im Internet sind zahllose Belege zu finden, etwa für Porträt einer Landschaft oder Porträt einer Stadt oder Porträt eines Unternehmens.</ref>
Siehe auch
- Porträtmalerei
- Herrscherbild
- Porträtbüste
- Bildnis (Recht) – zum Urheberrecht
- Recht am eigenen Bild – zum Persönlichkeitsrecht
Literatur
- Torsten Krämer: Porträtmalerei-Werkbetrachtung von der Antike bis zur Gegenwart. Klett Verlag, Stuttgart/Leipzig 2010, ISBN 978-3-12-205121-1.
- Dagmar Hirschfelder: Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Berlin 2008, ISBN 978-3-7861-2567-9.
- Sylvia Asmus, Brita Eckert: „Meinem besten Porträtisten …“ – Porträtfotografien und -zeichnungen aus den Beständen des Deutschen Exilarchivs 1933–1945. Eine Ausstellung des Deutschen Exilarchivs 1933–1945 und der Deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek, Leipzig/Frankfurt am Main/ Berlin 2005.
- Daniel Spanke: Porträt – Ikone – Kunst. Fink, München 2004, ISBN 3-7705-3908-7.
- Andreas Beyer: Das Porträt in der Malerei. Hirmer, München 2002, ISBN 3-7774-9490-9.
- Philipp Zitzlsperger: Gianlorenzo Bernini. Die Papst- und Herrscherporträts. München 2002, ISBN 3-7774-9240-X.
- Römische Porträtstelen in Oberitalien: Untersuchungen zur Chronologie, Typologie und Ikonographie / von Hermann Pflug. Dt. Archäolog. Inst. ISBN 3-8053-0988-0; Deutsche Nationalbibliothek.
- Andreas Köstler, Ernst Seidl: Bildnis und Image. Das Porträt zwischen Intention und Rezeption. Köln 1998, ISBN 3-412-02698-0.
- Andrea M. Kluxen: Das Ende des Standesporträts. Die Bedeutung der englischen Malerei für das deutsche Porträt 1760–1848. München 1989, ISBN 3-7705-2545-0.
- Miniaturen aus der Sammlung Tansey. Miniaturensammlung Tansey im Bomann-Museum Celle. 5 Bände. Hirmer, München 2000–2013, ISBN 978-3-7774-9021-2, ISBN 978-3-7774-4335-5, ISBN 3-7774-2475-7, ISBN 3-7774-8710-4, ISBN 3-7774-9570-0.
Weblinks
- Porträttypen klett.de (PDF)
- Digitaler Portraitindex der Frühen Neuzeit
- Tripota Porträtsammlungen: Porträtgrafik in Büchern des 16. bis 19. Jahrhunderts im Original und in digitaler Reproduktion tripota.uni-trier.de
- Porträts der Goethezeit Aus der Druckgrafiksammlung des Kunsthistorischen Instituts der LMU München
- Bildnis und Porträt in: Das grosse Kunstlexikon von P. W. Hartmann
Einzelnachweise
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