Ethin
Strukturformel | |||||||||||||||||
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Strukturformel von Ethin | |||||||||||||||||
Allgemeines | |||||||||||||||||
Name | Ethin | ||||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C2H2 | ||||||||||||||||
CAS-Nummer | 74-86-2 | ||||||||||||||||
PubChem | 6326 | ||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farbloses, brennbares Gas, in reiner Form mit schwach etherischem, technisch bedingt jedoch meist mit knoblauchartigem Geruch<ref name="GESTIS"/><ref name=roempp>Eintrag zu Acetylen. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 16. Oktober 2013.</ref> | ||||||||||||||||
Eigenschaften | |||||||||||||||||
Molare Masse | 26,04 g·mol−1 | ||||||||||||||||
Aggregatzustand |
gasförmig | ||||||||||||||||
Dichte |
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Sublimationspunkt |
−83,8 °C<ref name="GESTIS"/> | ||||||||||||||||
Dampfdruck |
4,25 MPa (20 °C)<ref name="GESTIS"/> | ||||||||||||||||
Löslichkeit | |||||||||||||||||
Dipolmoment |
0<ref name="CRC90_6_188">David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press/Taylor and Francis, Boca Raton, FL, Permittivity (Dielectric Constant) of Gases, S. 6-188.</ref> | ||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||||||||||
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MAK |
Schweiz: 1000 ml·m−3 bzw. 1080 mg·m−3<ref>SUVA: Grenzwerte am Arbeitsplatz 2015 – MAK-Werte, BAT-Werte, Grenzwerte für physikalische Einwirkungen, abgerufen am 2. November 2015.</ref> | ||||||||||||||||
Thermodynamische Eigenschaften | |||||||||||||||||
ΔHf0 |
226,73 kJ·mol−1<ref name="Chase">M. W. Chase, Jr.: NIST-JANAF Themochemical Tables, Fourth Edition, J. Phys. Chem. Ref. Data, Monograph 9, 1998, 1-1951.</ref> | ||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Ethin (selten: Äthin; Trivialname: Acetylen, von lateinisch acetum ‚Essig’ und griechisch ὕλη hyle ‚Holz, Stoff’<ref>Renate Wahrig-Burfeind (Hrsg.): Wahrig. Illustriertes Wörterbuch der deutschen Sprache. ADAC-Verlag, München 2004, ISBN 3-577-10051-6, S. 85.</ref>) ist ein farbloses Gas mit der Summenformel C2H2. Es ist der einfachste Vertreter aus der homologen Reihe der Alkine.
Ethin ist von großer industrieller Bedeutung. Es dient als Ausgangsverbindung bei der großtechnischen Herstellung wichtiger Grundchemikalien. Zum Autogenschweißen, autogenen Brennschneiden und zum Hartlöten wird es gewöhnlich in Gasflaschen transportiert und dazu in einem darin befindlichen Lösungsmittel (z.B. Aceton oder Dimethylformamid<ref name="Ullmann"/>) gebunden. In dieser gelösten Form wird es auch als Dissousgas (^{+} + 2 \ NO_3^- \longrightarrow Ag_2C_2 \downarrow + 2 \ NH_4NO_3 + 2 \ NH_3}</math>
Solche Metallacetylide sind in trockenem Zustand extrem schlagempfindlich und explodieren leicht.
Bei hohem Druck zerfällt Ethin zu Ruß und Wasserstoff:
- <math>\mathsf{C_2H_2 \longrightarrow 2 \ C + H_2}</math>
Es kann zu Ethen und schließlich zu Ethan hydriert werden:
- <math>\mathsf{C_2H_2 + H_2 \longrightarrow C_2H_4}</math>
- <math>\mathsf{C_2H_4 + H_2 \longrightarrow C_2H_6}</math>
Mit vielen Katalysatoren lässt sich diese Hydrierung nicht auf der Alkenstufe stoppen. Mit einigen Palladium- oder Nickelkatalysatoren gelingt jedoch bei sorgfältiger Wahl der Reaktionsbedingungen die Ethensynthese aus Ethin.
Ethin reagiert mit Chlor zu Kohlenstoff und Chlorwasserstoff:
- <math>\mathsf{C_2H_2 + Cl_2 \longrightarrow 2C + 2 \ HCl}</math>
Auch die Addition von Halogenen ist möglich. Dabei polarisiert die Pi-Elektronenwolke des Ethins das angreifende Halogenmolekül und teilt mit diesem seine Pi-Elektronen, es entsteht ein Dreiring aus zwei Kohlenstoffatomen und einem (positiv geladenen) Halogeniumion (die Ladung ist über den gesamten Ring verteilt); außerdem wird ein Halogenatom mit negativer Ladung abgegeben. Dieses wirkt im zweiten Schritt als Nucleophil und greift den instabilen Ring an, es entsteht ein vicinales Dibromid.<ref name=Bruice1>Paula Yurkanis Bruice: Organische Chemie, Pearson Education Inc., 2007, 5. Auflage, S. 211, ISBN 978-3-8273-7190-4.</ref> Bei der ersten Addition mit Chlor bildet sich 1,2-Dichlorethen und bei erneuter Addition Tetrachlorethan. Die Addition von Halogen an Ethin erfolgt aber langsamer als beim Ethen, da die C-C-Dreifachbindung weniger nucleophil ist als eine C-C-Doppelbindung:
- <math>\mathsf{C_2H_2 + Cl_2 \longrightarrow C_2H_2Cl_2}</math>
- <math>\mathsf{C_2H_2Cl_2 + Cl_2 \longrightarrow C_2H_2Cl_4}</math>
Analog kann es unter Entfärbung der Reaktionslösung mit Brom reagieren.
Mit Halogenwasserstoffen können Vinylhalogenide hergestellt werden. So reagiert Ethin mit Chlorwasserstoff zu Vinylchlorid:
- <math>\mathsf{C_2H_2 + HCl \longrightarrow C_2H_3Cl}</math>
Es kann mit Hilfe eines Katalysators zu Vinylalkohol hydratisiert werden, welches das Enol von Acetaldehyd ist und dazu tautomerisiert.
Ethin kann – mit Hilfe von Katalysatoren – zu Styrol oder Cyclooctatetraen cyclisiert werden; es werden jeweils 4 Ethinmoleküle zum Endprodukt umgesetzt:
Unter Katalyse durch Kupfer(I)-chlorid in wässriger Phase entsteht Butenin (Vinylacetylen).<ref> K. Weissermel, H. J. Arpe: Industrielle organische Chemie: Bedeutende Vor- und Zwischenprodukte. Wiley-VCH, 2007, S. 132, ISBN 3-527-31540-3.</ref>
Bei der Carbonylierung wird Ethin mit Kohlenmonoxid und Wasser an Katalysatoren wie zum Beispiel Nickeltetracarbonyl zu ungesättigten Carbonsäuren umgesetzt. So entsteht bei obiger Reaktion Propensäure:
Es können Alkohole und Carbonsäuren an Ethin addiert werden. Werden Alkohole addiert, so ergeben sich Vinylether, Carbonsäuren ergeben Vinylester:
Beim Erhitzen an Ziegler-Natta-Katalysatoren polymerisiert Ethin zu Polyethin (im Bild trans-Polyethin). An Kupfer-Katalysatoren kann es zum Cupren polymerisieren.
Verwendung
Während der Zeit der sogenannten Acetylenchemie war Ethin der wichtigste Chemierohstoff. Nach 1965 wurde die Ethin-Kapazitat praktisch nicht mehr erhöht, da viele Acetylen-Folgeprodukte aus den billigeren Rohstoffen Ethylen und Propylen zugänglich wurden.<ref name=bartholome />
Produkt | Konkurrierender Rohstoff | Verfahren |
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Acrylnitril | Propen | Ammonoxidation |
Acetaldehyd | Ethen | Oxidation mit O2 oder Luft |
Vinylchlorid | Ethen | Oxychlorierung |
Vinylacetat | Ethen | Oxidation mit O2 |
Tetrahydrofuran | Maleinsäureanhydrid | Hydrierung |
Ungefähr 80 % des Ethins wird für die organische Synthese verwendet. Durch Addition von Halogenwasserstoffen werden Vinylhalogenide und Polyvinylhalogenide, zum Beispiel Vinylchlorid oder Polyvinylchlorid hergestellt. Durch Addition von Essigsäure wird Vinylacetat und Polyvinylacetat hergestellt, durch Addition von Ethanol Vinylether und Polyvinylether. Außerdem werden Cyclooctatetraen, Acrylsäure, Essigsäure, 1,3- sowie 1,4-Butandiol, Propargylalkohol, 2-Butin-1,4-diol, Vinylethin, Bernsteinsäure, Neopren, Chloropren, Vinylester, Polyvinylester, höhere Alkohole, und Monochlorethansäure aus Ethin synthetisiert. Besonders die hergestellten Polymere sind von industrieller Bedeutung. Seltener wird aus Ethin Benzol, 1,3-Butadien, Ethanol, Acrylnitril und Polyacrylnitril, Vinylhalogenide, Acrylsäure und Acetaldehyd hergestellt.
Der aus Ethin gewonnene Acetylenruß wird als Kautschukzusatz bei der Herstellung von schwarzem Gummi oder zur Produktion von Druckerschwärze sowie in Batterien eingesetzt. Aufgrund der hohen Bindungsenergie der Dreifachbindung wurde Ethin zu Beleuchtungszwecken (Karbidlampe) verwendet und wird heutzutage häufig als Dissousgas zum autogenen Schweißen und Schneiden verwendet. Im Handel wird es in kastanienbraunen (früher gelben) Flaschen verkauft. Bis in die 1950er Jahre wurde reines Ethin gemischt mit 60 % Sauerstoff, Narcylen genannt, als Narkosemittel verwendet. Als es jedoch zu Explosionen kam, wurde es nicht mehr verwendet. In der industriellen Terpen-Synthese, die vor allem als Duft- und Aromastoffe verwendet werden, spielt die Ethinylierung eine Rolle, schon im Grundschritt für alle Terpen-Synthesen wird Ethin mit Aceton in Gegenwart einer Base zum 3-Butin-2-ol ethinyliert, auch in weiteren höheren Schritten findet sich die Ethinylierung immer wieder. Auch bei der Synthese von Vitamin A findet eine Ethinylierung statt: so wird in einem Schritt β-Ionon zu Ethinylionol ethinyliert.
Auch in der Mikroelektronik und Mikrotechnik wird Ethin eingesetzt. Hier dient es z. B. zum Abscheiden von Diamant-, Graphit- oder Polyacetylenschichten und zur Herstellung von Nanoröhren.
Nachweis
Der Nachweis von Ethin ist durch Einleiten des Gases in eine ammoniakalische Silber(I)- oder Kupfer(I)-Salzlösung möglich, wobei schwerlösliche Acetylide ausfallen<ref name=roempp/>:
- <math>\mathrm{C_2H_2 + 2 \ AgNO_3 \longrightarrow Ag_2C_2 \downarrow \ + 2 \ HNO_3}</math>
- <math>\mathrm{C_2H_2 + 2 \ CuCl \longrightarrow Cu_2C_2 \downarrow \ + 2 \ HCl}</math>
Literatur
- Julius A. Nieuwland und R. R. Vogt: The Chemistry of Acetylene, Reinhold, New York 1945
- S. A. Miller: Acetylene, its Properties, Manufacture and Uses, Vol. 1, Ernest Benn Ltd, London 1965
- Walter Reppe: Chemie und Technik der Acetylen-Druck-Reaktionen, Verlag Chemie 1952
- Heinz Gunter Viehe: Chemistry of Acetylenes, M. Dekker, New York 1969
- Paul Hölemann und Rolf Hasselmann: Die Druckabhängigkeit der Zündgrenzen von Acetylen-Sauerstoffgemischen. Westdt. Verl. 1961
- Jones und Kennedy: Effect of Pressure on Ignition Temperature of Acetylene and Acetylene-Air Mixtures, Report of Investigations, Bureau of Mines, Schwaz 1945
Einzelnachweise
<references> <ref name=bartholome> Ernst Bartholomé: Die Entwicklung der Verfahren zur Herstellung von Acetylen durch partielle Oxidation von Kohlenwasserstoffen. In: Chemie Ingenieur Technik. 49, Nr. 6, Juni 1977, S. 459–463, doi:10.1002/cite.330490602 (PDF). </ref> </references>