Kaisertum Österreich
Das Kaisertum Österreich (in der damals offiziellen Schreibweise Kaiserthum Oesterreich) bildet einen Abschnitt in der Geschichte der Habsburgermonarchie. Es wurde am 11. August 1804 als Erbmonarchie von Erzherzog Franz von Österreich gegründet, der als Franz II. letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war. Seinen zweiten Kaisertitel Kaiser von Österreich führte er fortan als Franz I. von Österreich.
Als ungeteiltes Herrschaftsgebilde und monarchischer Einheitsstaat (auf bis 1848 differenziert föderalistischer Grundlage)<ref>Franz Zeilner, Verfassung, Verfassungsrecht und Lehre des Öffentlichen Rechts in Österreich bis 1848: Eine Darstellung der materiellen und formellen Verfassungssituation und der Lehre des öffentlichen Rechts, Lang, Frankfurt am Main [u. a.] 2008, ISBN 978-3-631-57765-3, S. 25, 45.</ref> des Hauses Habsburg-Lothringen bestand das Kaisertum Österreich bis zum 8. Juni 1867, als das Reich mit dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich in die Realunion Österreich-Ungarn umgewandelt wurde.
Das Kaisertum Österreich war seit seiner Begründung mit 698.700 km² flächenmäßig der zweitgrößte (nach dem kaiserlichen Russland) und mit 21,2 Millionen Menschen (im Jahr 1804) der drittgrößte Staat Europas (nach Russland und Frankreich).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Gründung des österreichischen Kaisertums
Mit der Annahme des kaiserlichen Titels am 11. August 1804<ref>Allerhöchste Pragmatikal-Verordnung vom 11. August 1804. In: Otto Posse: Die Siegel der Deutschen Kaiser und Könige. Band 5, Beilage 2, S. 249 f. (auf Wikisource, Franz’ Proklamation des Kaisertums Österreich)</ref> wollte Franz die Ranggleichheit mit Napoleon I. wahren, der sich am 18. Mai zum erblichen Kaiser von Frankreich ernannt hatte und am 2. Dezember 1804 zum Kaiser der Franzosen krönte.
Der „Doppelkaiser“ war als Franz II. Oberhaupt eines losen, in sich zerstrittenen Staatenbundes – nämlich des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation – und als Franz I. der Herrscher des Habsburgerreichs – eines Vielvölkerstaates in Mittel- und Südosteuropa, der das Gebiet der heutigen Staaten Österreich, Ungarn, Tschechien (Böhmen und Mähren), Slowakei sowie Teile Polens und der Ukraine im Norden umfasste und sich im Osten und Südosten über Teile Italiens, Slowenien und Kroatien bis ins heutige Rumänien und Serbien ausdehnte –, ein Gebiet von 698.700 km² mit über 21 Millionen Einwohnern. Außerdem verfügte Österreich bis zum Dritten Koalitionskrieg über eine große Armee mit mehr als 400.000 Soldaten.
Nach zwei Jahren des Doppelkaisertums erklärte Franz am 6. August 1806 das Heilige Römische Reich Deutscher Nation für erloschen und legte dessen Krone nieder,<ref>Bey der Niederlegung der kaiserlichen Reichs-Regierung. Dekret vom 6. August 1806. In: Otto Posse: Die Siegel Band 5, Beilage 3, S. 256 ff. (auf Wikisource, Verkündung der neuen Titulatur als Kaiser von Österreich)</ref> da nach der bereits im Juli erfolgten Gründung des Rheinbundes die Gefahr einer Übernahme durch Napoleon bestand.
Von Napoleon bis zum Wiener Kongress
Die weiteren Kriege gegen Napoleon verliefen wechselhaft. Durch den Pressburger Frieden von 1805 verlor das Habsburgerreich Tirol, Vorderösterreich sowie Freiburg, Günzburg, Rottenburg am Neckar und Horb am Neckar, die italienischen Gebiete, etwa Venetien, das es 1797 erworben hatte. Noch schlimmer kam es 1809 im Frieden von Schönbrunn, wo es neben dem erst erworbenen Salzburg auch die Gebiete an der Adriaküste (aus denen die Franzosen die Illyrischen Provinzen bildeten) abgeben musste und zu einem Binnenstaat wurde. Dennoch konnte Kaiser Franz seine Tochter Marie-Louise mit Napoleon verheiraten. Der aus dieser Verbindung hervorgegangene Sohn Napoleon II. lebte die meiste Zeit seines (kurzen) Lebens mit dem Titel Herzog von Reichstadt in Wien.
Erst mit dem Wiener Kongress 1814/15 endeten die Kriege gegen Napoleon, die das Land wirtschaftlich schwer belastet hatten. Am 20. Februar 1811 war von Kaiser Franz I. der Staatsbankrott erklärt worden, den er in den Jahren davor mehrmals hinausgeschoben hatte. Der Banknotenumlauf war zu Jahresbeginn auf über eine Milliarde Gulden angewachsen, das Zehnfache der Geldmenge des Jahres 1800. Die umlaufenden Bancozettel wurden gemäß kaiserlichem Finanzpatent bis zum 31. Jänner 1812 durch neue Einlösungsscheine zu 20 Prozent des alten Nennwertes ersetzt, danach waren Bancozettel wertlos.
Nach dem Wiener Kongress war der territoriale Umfang wie vor den Kriegen im Großen und Ganzen wiederhergestellt. Auf die abgelegenen österreichischen Niederlande und Vorderösterreich wurde verzichtet, dafür Salzburg und das Innviertel dauerhaft erworben. Es gab aber bis fast zu Ende des Kongresses den Plan, beide Gebiete bei Bayern zu belassen und dafür am Rhein ein neues Vorderösterreich zu schaffen, das nach heutigen Begriffen Rheinhessen, die Pfalz und das Saarland umfasst hätte. Darauf wurde dann zugunsten der staatlichen Geschlossenheit verzichtet. In Italien wurde das Gebiet bis zum Po direkt beherrscht. Aus den Gebieten des Herzogtums Mailand und der Republik Venedig wurde das Königreich Lombardo-Venetien geschaffen, das ein dauerhafter Unruheherd wurde. Im Herzogtum Parma, dem Herzogtum Modena und dem Großherzogtum Toskana herrschten habsburgische Sekundogenituren.
Österreich wurde Mitglied des auf dem Wiener Kongress neu gegründeten Deutschen Bundes bis zu dessen Auflösung 1866. Es übernahm den Vorsitz im Bundestag in Frankfurt und hatte wesentlichen Einfluss auf die Politik und den Werdegang des Bundes. Wie auch im Falle Preußens umfasste die Mitgliedschaft nur jene Teile des Kaiserreiches, die zuvor Teil des Heiligen Römischen Reiches waren. 1816 stellte es jedoch im Bund mit 9,29 Millionen (30,5 %) den größten Teil der Gesamtbevölkerung.<ref>Zahlen nach Angelow, Deutscher Bund, S. 117.</ref>
Vormärz und Revolution von 1848
Die folgende Ära bis 1848 war von der Regierung des Fürsten Metternich geprägt, der innen- wie außenpolitisch versuchte, die alte feudale Ordnung zu bewahren, zumal sich der Ruf nach bürgerlichen Freiheiten verstärkte. In Kunst und Literatur war es die Zeit von Biedermeier und Vormärz; letzterer ist auch ein politischer Begriff für die Jahre vor dem März 1848.
1839 fasste Kaiser Ferdinand I. die dynastischen Regeln des Hauses Habsburg-Lothringen neu zusammen; siehe Kaiserlich österreichisches Familienstatut.
Im März 1848 kam es in der Habsburgermonarchie, wie auch in anderen Gebieten Europas, zur Revolution, bei der politische, soziale und nationale Probleme fast unentwirrbar verknüpft waren. Zentren des Aufstands waren neben Wien und Prag Mailand und vor allem Ungarn. In Italien konnte Feldmarschall Radetzky die Aufstände unterdrücken sowie eine piemontesische Armee zurückschlagen. Noch gefährlicher für das Kaisertum war die Revolution in Ungarn, wo der Reichstag im Oktober bereits die Habsburger abgesetzt hatte und Lajos Kossuth als De-facto-Präsident agierte.
Letztlich konnten sich die Habsburger nur dank massiver russischer Militärhilfe und dem Einsatz der Kroaten unter Banus Jellačić, die eine Unterdrückung Kroatiens durch die Ungarn stärker ablehnten als die Herrschaft der Habsburger, halten. Der Kampf der Nationalitäten gegeneinander, der das Reich fast gesprengt hätte, rettete nun die Dynastie. Auch in Wien wurde die Revolution durch Jellačić und Windischgrätz 1849 niedergeschlagen.
Die Verfassung von 1848, die von Franz von Pillersdorf ausgearbeitet worden war (Pillersdorfsche Verfassung), trat nie in Kraft. Der neue Kaiser Franz Joseph I. zwang dem Kaiserreich eine eigene Verfassung auf (oktroyierte Verfassung), die aber 1851 wieder außer Kraft gesetzt wurde. Während der Reaktionsära bis 1859 regierte der Kaiser allein (Neoabsolutismus).
Während Preußen mit einer Erfurter Union 1849/1849 versuchte, die deutschen Staaten mit Ausnahme Österreichs zu vereinen, entgegnete Österreich dem mit einem Großösterreich-Plan, ging aber auch im Vierkönigsbündnis vom Februar 1850 auf die Wünsche Bayerns und anderer Staaten ein, dem Deutschen Bund mehr Rechte einzuräumen. Wegen der verschiedenen Interessen gelang es aber weder Österreich, alle seine Gebiete dem Bund beitreten zu lassen, noch Bayern und den übrigen Staaten, den Bund zu stärken. Daher wurde nach der Herbstkrise 1850, in der es fast zum österreichisch-preußischen Krieg kam, der Deutsche Bund im Sommer 1851 mehr oder weniger in alter Form wiederhergestellt.
Solferino und Magenta
Im Jahr 1859 nach der Schlacht von Solferino und Magenta ging die Lombardei verloren. Napoleon III. unterstützte die italienische Nationalbewegung und der unerfahrene junge Kaiser ließ sich in einen Krieg gegen Frankreich ziehen, in dem er auch noch selbst das Kommando übernahm. Mailand und die Sekundogenituren gingen an Sardinien-Piemont verloren, nur Venetien blieb dem Kaisertum noch ein paar Jahre. Die Schlacht von Solferino und Magenta, bei der an einem einzigen Tag zehntausende Soldaten auf dem Schlachtfeld verblutet waren, war der Anlass für die Gründung des Roten Kreuzes und für die Genfer Konventionen (1864), denen Österreich 1866 beitrat.
Diese Niederlage, die das kaiserliche Prestige schwer beschädigte, machte ein Aufrechterhalten des neoabsolutistischen Regiments unmöglich. Es kam zu zwei Verfassungsentwürfen (Oktoberdiplom 1860 und Februarpatent 1861, beide per Anordnung des Kaisers erlassen). Schon diese beiden Entwürfe zeigen ein starkes Schwanken zwischen Zentralismus und Föderalismus, wobei ersterer von den Liberalen und letzterer von den Konservativen getragen wurde. Beide erwiesen sich als nicht durchführbar. Das Modell des Oktoberdiploms, das Parlament von den Landtagen wählen zu lassen, hatte das liberale Bürgertum gegen sich, und der Versuch des liberalen Ministerpräsidenten Anton von Schmerling, einen allgemeinen Reichstag direkt wählen zu lassen, scheiterte nicht zuletzt am Boykott der Ungarn.
„Deutsche Frage“
Mitte der 1860er-Jahre wurden diese Verfassungsexperimente von der Deutschen Frage überschattet. Der Konflikt um die Thronfolge in Schleswig-Holstein hatte den österreichisch-preußischen Streit um die Vorherrschaft im Deutschen Bund (Deutscher Dualismus) zum Eskalieren gebracht. Preußen und sein Ministerpräsident Otto von Bismarck verfolgten eine Strategie, die auf die kleindeutsche Lösung hinauslief, während sich Österreich für eine großdeutsche Lösung einsetzte. Nach einer preußischen Abstimmungsniederlage zur Bundesexekution aus Anlass des Streits um die Verwaltung des gemeinsam besetzten Schleswig-Holstein und der Mobilmachung des Bundesheeres unter der Führung Österreichs, kam es 1866 zum Deutschen Krieg.
In der Schlacht von Königgrätz in Böhmen 1866 wurde Österreich von Preußen entscheidend geschlagen. Im Prager Frieden akzeptierte Österreich die Auflösung des Deutschen Bundes und dass es künftig in der deutschen Politik kein Mitspracherecht mehr hatte. Damit setzte sich Preußen mit der kleindeutschen Lösung durch.
Preußen annektierte einige Bundesgenossen Österreichs (Königreich Hannover, Kurhessen, Nassau, Freie Stadt Frankfurt); andere, wie das Königreich Sachsen, gerieten in preußische Abhängigkeit. Venetien ging trotz österreichischer Siege in Italien (vor allem über die italienische Flotte in der Seeschlacht von Lissa unter Wilhelm von Tegetthoff) verloren, denn dies war schon vorher vertraglich unter den Bündnispartnern Preußen und Italien vereinbart gewesen.
Umwandlung in die Österreichisch-Ungarische Monarchie (1867–1918)
Auch im Inneren musste das Reich auf eine neue Basis gestellt werden, denn das kaiserliche Prestige war abermals am Boden. Als gangbarster Weg schien es Franz Joseph, sich mit den gemäßigten ungarischen Liberalen unter Graf Andrássy und Ferenc Deák zu einigen und dem Königreich Ungarn einen Sonderstatus anzubieten. 1867 wurde mit dem Ausgleich, der dem ungarischen Landesteil (Transleithanien) einen gleichwertigen Status einräumte, das Kaisertum Österreich in die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn umgewandelt. Gleichzeitig erhielt der österreichisch beherrschte Teil mit den Staatsgrundgesetzen der Dezemberverfassung von 1867 eine bis 1918 gültige Verfassung – die auch teilweise in die heutige Österreichische Bundesverfassung der Republik Österreich übernommen wurde.
Die Bezeichnung Kaisertum Österreich, deren Kaiserwürde sich nun nicht mehr auf den ungarischen Landesteil des österreich-ungarischen Gesamtstaates bezog, wurde fortan nicht mehr gebraucht. Offiziell hieß dieser Landesteil nun Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder, inoffiziell wurde er oft Cisleithanien genannt. Der Name Österreich wurde aber nach wie vor als mögliche Bezeichnung für einen Gesamtstaat empfunden, daher wurde er von den Ungarn vehement abgelehnt. Erst 1915 wurde „Österreich“ für die westliche Reichshälfte wieder offiziell.
Bevölkerung
Das Kaisertum Österreich war ein riesiges Vielvölkerreich, das mannigfaltige Nationalitäten, Ethnien und Sprachen in sich sammelte. Diese interagierten und beeinflussten einander, was teils einzigartiges in Sachen Kultur, Küche, Sprache, Architektur etc. hervorbrachte. Selbst lange nach dem Untergang der Donaumonarchie macht sich in deren Nachfolgestaaten dieser Einfluss heute immer noch bemerkbar, z. B. im österreichischen Deutsch, das zahlreiche Lehnwörter aus dem Tschechischen, Slowakischen, Ungarischen, Slowenischen, Italienischen und auch aus dem Jiddischen besitzt, die das Bundesdeutsche Hochdeutsche nicht kennt.
Länder im Kaisertum Österreich
Verwaltungsgliederung des Kaisertums Österreich, hauptsächlich ab dem Wiener Kongress 1815, mit den Gebietsreformen 1848 bis zum Oktoberdiplom von 1860 – bei der Gründung 1804 war es teils anders organisiert (vergl. Titel des Kaisers Franz I.)
Erzherzogtum Österreich und Nebenländer
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Ungarn und Nebenländer
Sonstige Länder und Gebiete
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Siehe auch
- Geschichte Österreichs
- Großer Titel des Kaisers von Österreich, Österreichische Kaiserkrone
- Österreichische Kaiserhymnen
Weblinks
Einzelnachweise
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