Petroglyphe


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Eine Petroglyphe (von griechisch πέτρος petros „Stein“ und γλύφειν glýphein „schnitzen“; Plural: Petroglyphen) ist ein in Stein gearbeitetes Felsbild aus prähistorischer Zeit. Anders als bei der Felsmalerei ist eine Petroglyphe graviert, geschabt oder gepickt und damit in den Fels eingetieft.

Verbreitung und Bedeutung

Petroglyphen sind außer in der Antarktis weltweit verbreitet. In Europa gibt es sie seit dem Aurignacien. Damit gehören sie zu den frühesten künstlerischen Äußerungen des anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens).

Oft haben die Darstellungen für die Gemeinschaften, von denen sie stammen, eine hohe kulturelle und religiöse Bedeutung. Das Erkennen der Bedeutung von Petroglyphen ist, wenn überhaupt, nur durch sehr gute Kenntnisse der jeweiligen Kultur möglich. Die Erforschung der Bedeutung von Petroglyphen ist Gegenstand der Archäologie und der Ethnologie.

Techniken

Es gibt drei Grundtechniken zur Herstellung von Petroglyphen, die häufig auch am gleichen Motiv angewandt sein können:

  • Gravieren (oder Ritzen) bezeichnet das Eintiefen von dünnen Linien in das Gestein mit Hilfe eines harten Gegenstandes;
  • Schaben (oder Schleifen) bezeichnet das Eintiefen von Flächen durch reibende Bewegungen;
  • Picken (oder Punzen) bezeichnet das Eintiefen von Flächen durch schlagende oder klopfende Bewegungen, wobei ein sehr unebenes Relief entsteht.

Anfänge

Paläolithische Ritzungen

Die ältesten als Kulturäußerung anerkannten Ritzungen befinden sich auf zwei Hämatit-Stücken, die in der Blombos-Höhle (Südafrika) gefunden wurden und durch ihren Schichtzusammenhang auf 77.000 Jahre datiert werden.<ref>Christopher S. Henshilwood u. a.: Emergence of Modern Human Behavior: Middle Stone Age Engravings from South Africa. In: Science. Bd. 295, 2002, S. 1278–1280, doi:10.1126/science.1067575. Siehe dazu auch die Abbildung unter spiegel.de vom 11. Januar 2002: Steinzeitkünstler ritzte rätselhafte Zeichen. bzw. in The Japan Times, vom 13. Januar 2002</ref> Es handelt sich hier jedoch nicht um Petroglyphen, da die Hämatitstücke nicht Bestandteil der Höhlenwand waren, sondern Objekte der mobilen jungpaläolithischen Kleinkunst.

Als älteste bekannte Petroglyphen im anstehenden Gestein können seit 2014 Ritzungen in einer Höhle in Gibraltar angesehen werden. Die einfachen Formen aus sich kreuzenden Linien werden dem Moustérien und damit dem Neandertaler zugeordnet. Ablagerungen über den Linien konnten auf ein Alter von mindestens 39.000 Jahren datiert werden, die Ritzungen müssen also älter sein.<ref>Joaquín Rodríguez-Vidal, Francesco d’Errico, et al.: A rock engraving made by Neanderthals in Gibraltar. In: PNAS, approved on 12. August 2014, doi: 10.1073/pnas.1411529111</ref> Wesentlich komplexere Ritzungen des modernen Menschen sind seit dem Aurignacien bekannt. In Höhlen der Dordogne und der Charente, darunter La Ferrassie oder die Höhle von Pair-non-Pair wurden Wandreliefs gefunden, die die natürlichen Formen der Höhlenwände („Höhlentopographie“) in das Bild einbeziehen.

Die umfangreichste Fundstellenlandschaft mit Petroglyphen in Europa liegt im nordportugiesischen Côa-Tal, das als archäologischer Park erschlossen wurde (Parque Arqueológico do Vale do Côa). Die Abbildungen im Côa-Tal werden aus stilistischen Erwägungen überwiegend in das Solutréen datiert.

Die bislang einzigen paläolithischen Petroglyphen in Deutschland befinden sich in der Nähe von Gondershausen im Hunsrück. Sie sind 20.000 bis 25.000 Jahre alt. In den 1930er Jahren entdeckte der Kelheimer Präparator Oskar Rieger in der Kastlhänghöhle bei Pillhausen (Unteres Altmühltal) Linien in der Felswand, die er für die Gravur eines Steinbockes hielt.<ref name="Adam">Adam, Kurz: Eiszeitkunst im süddeutschen Raum. 1980, S. 71–72, 107–108.</ref> Wie der Paläontologe Karl Dietrich Adam ausführt, handelt es sich dabei stattdessen um natürliche Klüfte im Fels, die eine scheinbare Gravur vorspiegeln.<ref name="Adam" /> Dahingegen ist die ebenfalls von Oskar Rieger im Jahre 1937 entdeckte Figur eines Cerviden (Rothirsch) an der Wand des Kleinen Schulerlochs (Abri unterhalb des Großen Schulerlochs) als authentisch anzusehen.<ref>Adam, Kurz: Eiszeitkunst im süddeutschen Raum. 1980, S. 57.</ref> Die nebenstehenden Runen des älteren Futharks stehen damit offenbar im Zusammenhang und lassen für die gesamten Gravuren auf eine Datierung ins Frühmittelalter (6. bis 7. Jahrhundert) schließen.<ref>Adam, Kurz: Eiszeitkunst im süddeutschen Raum. 1980, S. 71–72.</ref>

Aus Gönnersdorf, einem Ortsteil von Neuwied, sind vor etwa 15.000 Jahren entstandene Schieferplattenritzungen aus der Zeit des Magdalénien bekannt. Die Darstellungen haben folgende Inhalte: Tiere, Tänzer oder Tänzerinnen sowie symbolhafte Ritzungen, die sich der Auslegung entziehen.

Neolithische Ritzungen auf Megalithen und Höhlenwänden

Sehr alte Gravuren auf bearbeiteten Monolithen sind vom Göbekli Tepe in der Türkei bekannt. Viele Felsritzungen in Europa sind auf Megalithen (Grabkammern, Stelen, Menhire) überliefert. Als abstrakte Zeichen sind Petroglyphen in bretonischen (z.B. Gavrinis, Les Pierres-Plates), irischen (Dowth, Knowth, Fourknocks, Newgrange) und walisischen (Barclodiad y Gawres) bekannt. Konzentrische Kreise und Spiralen sind neben Zickzack-Mustern (Wellen) sehr verbreitet. Eine besonders feine Form der Ritzung stellen die maltesischen Altarritzungen der Tarxienphase dar. In den jüngeren Felskammern den Domus de Janas Sardiniens gibt es sie anthropomorph, zumeist aber als Stiergehörne ausgebildet.

Ritzungen auf Felsaufschlüssen und Steinen

In Schottland gibt es (z. B. im Kilmartin-Valley) eine neolithische oder bronzezeitliche Form von Felsritzungen, die als Cup-and-Ring-Markierung bezeichnet wird. Napfförmige Vertiefungen als Schälchen oder Schalen finden sich auf sogenannten Schalensteinen und auf Megalithanlagen (Großsteingrab von Bunsoh, Steinkiste von Horne). Die bronzezeitlichen Felsritzungen wurden meist auf durch Gletscherschliff geglätteten Felsen angebracht. Man findet Ritzungen in Schweden (Tanum, Brandskog, Kivik, Litsleby, Nämforsen und Sagaholm), in Norwegen (helleristninger genannt, z.B. in Alta, Hornesfeltet und Solbergfeltet), in Dänemark (z. B. Madsebakke (Allinge-Sandvig) auf Bornholm), in Spanien (Andalusien, Extremadura, Galizien), in Portugal (Parque Arqueológico do Vale do Côa), in Italien (im Val Camonica), in Frankreich (am Mont Bégo) und in der Schweiz (Carschenna).

Die Themen der Darstellungen entsprechen der gesellschaftlichen Praxis ihrer Schöpfer. So sind z.B. in Norwegen (Trøndelag, Tykamvatn) und Nordschweden jägerische Darstellungen zu finden (Tierstil). Während der Spätbronzezeit und älteren Eisenzeit werden in Skandinavien Schiffsdarstellungen häufig. Aber auch Kultwagen kommen vor. Wegen der großen Ähnlichkeit mit Abbildungen auf Rasiermessern wurden diese Petroglyphen schon von J.J.A. Worsaae als zeitgleich angesehen und korrekt der jüngeren Bronzezeit zugewiesen.

Fundstellen (Auswahl)

Europa

Deutschland

Österreich

Datei:Vulves gravees - La Ferrassie - MNP.jpg
In einen Felsblock geritzte Vulva, La Ferrassie, Frankreich

Frankreich

Irland

Spanien

Portugal

Italien

Griechenland

Datei:Haljesta.jpg
Petroglyphen aus Häljesta, Västmanland, Schweden

Skandinavien

Russland

  • Belomorsker Petroglyphen in der Republik Karelien
  • Onega-Petroglyphen an der Mündung der Wodla in den Onegasee bei Pudosch, Republik Karelien


Datei:Newspaper rock.jpg
Der Newspaper Rock in Utah

Nordamerika

Lateinamerika

Datei:Steingravuren.jpg
Steingravuren bei Twyfelfontein

Afrika

Asien

Australien und Neuseeland

Siehe auch

Literatur

  • Karl Dietrich Adam, Renate Kurz: Eiszeitkunst im süddeutschen Raum. Theiss, Stuttgart 1980, ISBN 3-8062-0241-9.
  • Herbert Kühn: Die Felsbilder Europas. Kohlhammer, Stuttgart 1952.
  • Detlef W. Müller: Petroglyphen aus mittelneolithischen Gräbern von Sachsen-Anhalt. In: Karl W. Beinhauer u. a. (Hrsg.): Studien zur Megalithik. Forschungsstand und ethnoarchäologische Perspektiven. = The megalithic phenomenon. Recent research and ethnoarchaeological approaches (= Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Bd. 21). Beier & Beran, Mannheim u. a. 1999, ISBN 3-930036-36-3, S. 199–214.

Medien

  • Schätze der Welt – Erbe der Menschheit. Die Felsgravuren von Twyfelfontein, Namibia – Verschlüsselte steinerne Botschaft. Fernsehreportage, Deutschland, 2008, 14:31 Min., Buch und Regie: Christian Romanowski, Produktion: SWR, Erstsendung: 23. Dezember 2008, [1] mit online-Video

Einzelnachweise

<references />

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Petroglyphe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen