Risperidon


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Strukturformel
200px
Allgemeines
Freiname Risperidon
Andere Namen
  • IUPAC: 3-{2-[4-(6-Fluor-1,2- benzisoxazol-3-yl) piperidino]ethyl}- 2-methyl-6,7,8,9- tetrahydro-4H-pyrido [1,2-a]pyrimidin-4-on
  • Latein: Risperidonum
Summenformel C23H27FN4O2
CAS-Nummer 106266-06-2
PubChem 5073
ATC-Code

N05AX08

DrugBank DB00734
Kurzbeschreibung

weißes bis fast weißes, polymorphes Pulver <ref name="Ph. Eur. 5"> Europäische Arzneibuch-Kommission (Hrsg.): EUROPÄISCHE PHARMAKOPÖE 5. AUSGABE. 5.0–5.8, 2006.</ref>

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

atypische Neuroleptika

Eigenschaften
Molare Masse 410,48 g·mol−1
Schmelzpunkt

170 °C <ref name="ChemIDplus">Eintrag zu Risperidon in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM).</ref>

Löslichkeit

praktisch unlöslich in Wasser, leicht löslich in Dichlormethan, wenig löslich in Ethanol <ref name="Ph. Eur. 5" />

Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung <ref name="Sigma">Datenblatt Risperidone bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 22. April 2011 (PDF).</ref>
06 – Giftig oder sehr giftig

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301
P: 301+310 <ref name="Sigma" />
EU-Gefahrstoffkennzeichnung <ref>Für Stoffe ist seit dem 1. Dezember 2012, für Gemische seit dem 1. Juni 2015 nur noch die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung gültig. Die EU-Gefahrstoffkennzeichnung ist daher nur noch auf Gebinden zulässig, welche vor diesen Daten in Verkehr gebracht wurden.</ref><ref name="Sigma" />

T
Giftig
R- und S-Sätze R: 25
S: 28​‐​36​‐​45
Toxikologische Daten

56,6 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)<ref name="ChemIDplus" />

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Risperidon ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Neuroleptika, die in der Psychiatrie primär zur Behandlung der Schizophrenie verwendet werden. Risperidon wird häufig als atypisches Neuroleptikum bezeichnet, da die Nebenwirkungen auf das extrapyramidalmotorische System geringer sein sollen als bei klassischen Neuroleptika der ersten Generation. Es gibt Studien, deren Ergebnisse dies zu belegen scheinen,<ref>Csernansky JG et al., New England Journal of Medicine 2002 Jan 3;346(1):16–22; PMID 11777998.</ref> aber auch Studien, aus denen das nicht hervorgeht.<ref>Lieberman JA et al., New England Journal of Medicine 2005 Sep 22;353(12):1209–1223; PMID 16172203.</ref> Seit 2013 steht es auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der WHO.

Potenz

Die neuroleptische Potenz von Risperidon wird mit etwa dem 50-fachen derjenigen des Chlorpromazins angegeben. Der Wirkstoff zählt demnach zu den hochpotenten Neuroleptika, vergleichbar mit Flupentixol, Fluspirilen oder Olanzapin.

Chemische Struktur

Risperidon ist ein Benzisoxazol-Derivat und strukturverwandt mit Ziprasidon, im weiteren Sinne auch mit Aripiprazol.

Pharmakodynamik

Die vermutlich wesentlich für die antipsychotische Wirkung von Risperidon verantwortliche D2-Affinität beträgt ca. 1/3 derjenigen von Haloperidol. Der 5-HT2-Antagonismus ist bei Risperidon 20fach stärker ausgeprägt als die Wirkung auf Dopamin-Rezeptoren, was Konsequenzen für die psychotische Negativsymptomatik aber auch für die Nebenwirkungen bei Kombinationstherapie hat. Zusätzlich wirkt Risperidon als Antagonist an Adrenozeptoren (bewirkt eine Blutdrucksenkung) und Histamin-H1-Rezeptoren (Mundtrockenheit, Müdigkeit).<ref>Schotte, A, Janssen, PFM, Gommeren W.: Risperidone compared with new and reference antipsychotic drugs: in vitro and in vivo receptor binding, in: Psychpharmacol 1996 124: 57–73; PMID 8935801.</ref> Gleich Metitepin deaktivieren Risperidon und der 9-OH-Metabolit Paliperidon (pseudo-)irreversibel bindend den 5-HT7-Rezeptor, ohne dass Internalisierung beobachtet wird. Dies könnte zerebrovaskuläre Nebenwirkungen erklären (s.u.).<ref>Smith 2006. Mol Pharmacol 70, S. 1264-1270.</ref>

Unerwünschte Wirkungen

Risperidon führt seltener zu Parkinson-Symptomen als die „klassischen“ Substanzen (Butyrophenone oder Phenothiazine). Allerdings ist die EPMS-auslösende Wirkung nicht Null, sondern soll z. B. der von Flupentixol vergleichbar sein.<ref>Häufigkeit von Rigor unter Flupentixoldecanoat und Risperidon in Abhängigkeit von der Dosierung. Psychiatr Prax. 2004 Nov;31 Suppl 1:167–169; PMID 15570542.</ref> Risperidon besitzt noch andere Störeffekte, die der Compliance abträglich sein können, etwa Gewichtszunahme oder Erhöhung des Serum-Prolaktinspiegels. Es wirkt insgesamt kaum sedierend.<ref>Schneider, Frank: Klinikmanual Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Springer Verlag 2008, ISBN 978-3-540-78466-1. S. 118</ref> Gelegentlich können Amenorrhoe, erektile Dysfunktion, Ejakulationsstörungen, Gynäkomastie oder Menstruationsstörungen auftreten.<ref name="compch">Fachinformation Risperidon-Mepha Lactab/Lösung Risperidon-Mepha oro Schmelztabletten bei Compendium.ch, abgerufen am 8. Mai 2014.</ref>

Die Kombinationstherapie mit Risperidon und anderen Psychopharmaka (s.u.) erhöht tendenziell die Inzidenz und das Ausmaß unerwünschter Wirkungen. Besonders riskant ist die Kombination mit Diuretika wie Furosemid bei alten Patienten.<ref>Quelle: Fachinformation zu Risperdal(R) Stand Dezember 2006.</ref>

Im September 2013 wies der Hersteller des Original-Präparates (Janssen-Cilag, Risperdal) in einem Rote-Hand-Brief auf das Risiko eines intraoperativen Floppy-Iris-Syndroms (IFIS) in Verbindung mit einer Behandlung mit Risperidon oder Paliperidon bei Patienten, die sich einer Kataraktoperation (grauer Star) unterziehen, hin.<ref>Rote-Hand-Brief von Janssen-Cilag am 09. September 2013. Abgerufen am 10. September 2013 (PDF; 397 KB).</ref>

Indikationen

Risperidon ist zugelassen zur Therapie schwerer und chronischer schizophreniformer und schizoaffektiver Störungen, zur Behandlung manischer Phasen sowie zur Kurzzeitbehandlung (bis zu sechs Wochen) von langanhaltender Aggression bei zwei Zielgruppen: Erstens bei selbst- und fremdgefährdenden Personen mit Alzheimer-Demenz nach Ausschöpfung anderer Therapiemöglichkeiten. Zweitens bei geistig behinderten Kindern ab mindestens 5 Jahren und Jugendlichen mit Verhaltensstörung. Es besitzt keine nachgewiesene phasenprophylaktische Wirkung. Es wird außerdem bei Zwangserkrankungen eingesetzt.<ref>Schweizerische Gesellschaft für Zwangsstörungen – Medikamentöse Behandlung von Zwangsstörungen.</ref> Bei der posttraumatischen Belastungsstörung kann Risperidon möglicherweise Intrusionen und Reizbarkeit reduzieren.<ref>Monnelly, Edward P. MD; Ciraulo, Domenic A. MD; Knapp, Clifford PHD; Keane, Terence PHD: Low-Dose Risperidone as Adjunctive Therapy for Irritable Aggression in Posttraumatic Stress Disorder. Journal of Clinical Psychopharmacology. 23:193–196, April 2003; Abstract.</ref>

Kontraindikationen

Hyperprolaktinämien schließen die Anwendung von Risperidon aus, sofern sie nicht arzneimittelbedingt (d. h. mittels Absetzen des verursachenden Präparats reversibel) sind.

Zu den Zuständen, bei denen Risperidon nur mit besonderer Vorsicht verabreicht werden darf, zählen QT-Strecken-Verlängerungen im EKG (bestimmte Herzerkrankungen), da die Substanz potenziell QT-verlängernd wirkt. Bei Demenzen ist eine Anwendung kontraindiziert, wenn gleichzeitig Parkinsonsymptome (Rigor, Bradykinesie und parkinson’schen Haltungsstörungen) oder die wahrscheinliche Diagnose einer Lewy-Körper-Demenz vorliegen.<ref name="compch"/> Eine amerikanische Studie mit älteren Patienten zeigte, dass das Risiko zerebro-vaskulärer Ereignisse (TIA, Hirninfarkt) im Vergleich zur Applikation eines Placebopräparates signifikant steigt.<ref>Eric Wooltorton: Risperidone (Risperdal): increased rate of cerebrovascular events in dementia trials. In: CMAJ November 26, 2002 vol. 167 no. 11 1269-1270.</ref>

Kombinationstherapie

Risperidon wird mitunter in Kombination mit weiteren Pharmaka zur Behandlung anderer psychischer Störungen als Schizophrenie und Manie eingesetzt (Augmentation).

Sonstige Informationen

Risperidon war 2009 mit 29,0 Millionen Tagesdosen (DDD) nach Quetiapin (33,3 Millionen Tagesdosen) das am häufigsten verordnete atypische Neuroleptikum in Deutschland. Dies ist ein Anstieg gegenüber 2008 um 14,9 %.<ref> Ulrich Schwabe, Dieter Paffrath (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2010. Springer, Berlin 2010, ISBN 978-3-642-13379-4, S. 826.</ref> Unter den umsatzstärksten Arzneimitteln Deutschlands belegte das Risperidon-haltige Präparat Risperdal® im Jahr 2007 den ersten Platz.<ref> Ulrich Schwabe,Dieter Paffrath (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2008. Springer, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-69218-8, S. 12.; hier online, PDF (895 KB); zuletzt eingesehen am 15. Januar 2011.</ref> Der Wirkstoff Risperidon wird in verschiedenen Darreichungsformen angeboten. Seit 2002 ist unter der Bezeichnung Risperdal CONSTA® eine Zubereitung zur parenteralen Anwendung mit verzögerter Freisetzung erhältlich – das erste atypische Depot-Neuroleptikum. Alternativ können Patienten Risperidon in Form einer Filmtablette, einer Schmelztablette, einer Lösung und seit Oktober 2010 auch in Form eines Schmelzfilms zu sich nehmen.

Handelsnamen

Monopräparate

Risperdal (D, A, CH), als intramuskuläre Depotform Risperdal-Consta (D, A, CH), zahlreiche Generika (D, A, CH): z. B. Aleptan (A), Risocon (D), RispeCare (D), Rispe-Q (D), Risperigamma (D), Risperihex (A), Risperipharm (A).<ref>Rote Liste Online, Stand: August 2009.</ref><ref>AM-Komp. d. Schweiz, Stand: August 2009.</ref><ref>AGES-PharmMed, Stand: August 2009.</ref>

Literatur

Einzelnachweise

<references />

Weblinks

Commons Commons: Risperidon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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