Erweiterung der Europäischen Union


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Erweiterungsrunden 1973 bis 2013

Unter der Erweiterung der Europäischen Union (EU-Erweiterung) versteht man die Aufnahme eines oder mehrerer Staaten (sogenannter EU-Beitrittsländer) zur Europäischen Union. Art. 49 des EU-Vertrags räumt jedem europäischen Land, das die 1993 formulierten Kopenhagener Kriterien erfüllt, das Recht ein, die Mitgliedschaft zur Europäischen Union zu beantragen, ohne dass ein Rechtsanspruch auf Erwerb der Mitgliedschaft besteht.<ref>Geiger/Kahn/Kotzur, EUV/AEUV, Kommentar, 5. Auflage, München 2010, Art. 49, Rn. 2</ref> Das Europäische Parlament und alle bisherigen Mitgliedstaaten müssen dem Beitritt zustimmen. Vor der Erweiterung muss das Beitrittsland den Acquis communautaire, also die Gesamtheit des EU-Rechts, umsetzen.

„Europäisch“ wird dabei in einem politisch-kulturellen Sinn verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats, wie beispielsweise Zypern, mit ein. Die Zahl der Sterne auf der Europaflagge hat nichts mit der Anzahl der 12 Mitgliedstaaten zwischen 1986 und 1995 zu tun. Die Flagge wurde 1955 vom Europarat eingeführt und erst 1986 von der damaligen Europäischen Gemeinschaft übernommen. Die Flagge bleibt folglich ungeachtet der Erweiterungen der EU unverändert.

Voraussetzungen

Die Voraussetzungen bestimmen sich nach Art. 49 Abs. 1 EUV und weiteren politischen Anforderungen.

Voraussetzungen nach Art. 49 Abs. 1 EUV

Art. 49 Abs. 1 Satz 1 EUV stellt an den Beitritt zur EU folgende Voraussetzungen:

Politische Anforderungen

Der Europäische Rat hat in seinen Kopenhagener Schlussfolgerungen vom 22. Juni 1993 (EG Bull. 6/93, S. 13) vier generelle Voraussetzungen aufgestellt, die sich sowohl an den beitrittswilligen Staat wie auch an die EU richten.

Beitrittsverfahren

Das Beitrittsverfahren wird durch einen Beitrittsantrag des Bewerberlandes eingeleitet. Auf Vorschlag der Europäischen Kommission und nach einer Einigung im Europäischen Rat verleiht dann der Rat für Allgemeine Angelegenheiten durch einen einstimmigen Beschluss den Kandidatenstatus. Allerdings kann die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen dabei noch an die Erfüllung bestimmter Bedingungen geknüpft sein. Sobald diese erfüllt sind, wird wiederum durch einstimmigen Beschluss des Rates der Kommission ein Verhandlungsmandat erteilt, in dem unter anderem die Reformen festgelegt werden, die das Kandidatenland vor einem Beitritt durchführen muss. Die Verhandlungen selbst, die zwischen dem Kommissar für Erweiterung und dem Bewerberland geführt werden, betreffen vor allem den Zeitplan und die genauen Bedingungen für die Einführung des Acquis communautaire, also der Gesamtheit aller europarechtlichen Vorschriften. Die Inhalte des Acquis selbst sind unverhandelbar, in den Verhandlungen können aber zum Beispiel bestimmte Übergangsfristen vereinbart werden, um einen reibungslosen Verlauf der Erweiterung zu ermöglichen. Andere Verhandlungsthemen sind der künftige Beitrag des Beitrittslands zum Haushalt der Europäischen Union oder seine Vertretung in den EU-Organen, etwa die Anzahl an Europaparlamentariern, die es stellen darf.<ref name="Mandat">Europäische Kommission: Der Erweiterungsprozess: Das Mandat und die Rahmenbedingungen.</ref> Mit dem Instrument für Heranführungshilfe (IPA) kann die EU Reformen in dem Beitrittskandidatenland finanziell unterstützen.

Die Gesamtdauer der Beitrittsverhandlungen kann von Land zu Land unterschiedlich sein.<ref name="screening" /> Sie ist einerseits von den Reformfortschritten des Landes abhängig, andererseits von politischen Entscheidungen des Rates, der die Eröffnung und den Abschluss jedes neuen Verhandlungskapitels beschließen muss.

Screening

Für die Verhandlungen wird der Acquis in 35 Kapitel unterteilt, die vom freien Warenverkehr über Sicherheit, Freiheit und Recht bis zu institutionellen Fragen reichen. Am Anfang der Verhandlungen steht das sogenannte „Screening“, das die Kommission mit dem Beitrittskandidaten durchführt. Dabei wird für jedes einzelne Kapitel der bestehende Rechtsrahmen des Landes geprüft und ermittelt, welche Reformen zur Anpassung an den Acquis communautaire noch notwendig sind. Die Kommission erstattet dem Rat der EU über das Screening Bericht. Sie empfiehlt dann entweder, die Verhandlungen zu eröffnen, oder zunächst bestimmte Vorleistungen des Beitrittslandes zu fordern (sog. „Benchmarks“). Zu diesen Benchmarks gehört regelmäßig die Verabschiedung eines nationalen Aktionsplans des Beitrittslandes, in dem die Zeitpläne, einzelnen Maßnahmen und Kosten für die notwendigen Reformen detailliert werden.<ref name="screening">Europäische Kommission, Der Erweiterungsprozess: Screening und Monitoring.</ref>

Verhandlungen

Die Eröffnung der eigentlichen Verhandlungen erfolgt für jedes einzelne Kapitel durch einen neuen Beschluss des Rates für Allgemeine Angelegenheiten. Während der Verhandlungen werden Rat und Europäisches Parlament ständig von der Kommission über den Verlauf informiert. So kontrolliert die Kommission im Rahmen des sogenannten Monitoring die Reformfortschritte des Beitrittslandes.<ref name="screening" />

Auch für den Abschluss der Verhandlungen einzelner Kapitel werden bestimmte Benchmarks aufgestellt. Wenn die Kommission der Meinung ist, dass diese Benchmarks erfüllt wurden, empfiehlt sie dem Rat, die Verhandlungen zu diesem Kapitel vorläufig abzuschließen, was erneut durch einstimmigen Beschluss erfolgt. Allerdings können alle Kapitel bis zum Abschluss der Gesamtverhandlungen auch wieder eröffnet werden.<ref name="Abschluss">Europäische Kommission: Der Erweiterungsprozess: Der Abschluss der Verhandlungen und der Beitrittsvertrag.</ref>

Beitrittsvertrag

Nach Abschluss der Verhandlungen zu allen Kapiteln entwerfen die Kommission und das Beitrittsland den Beitrittsvertrag, in dem alle Übergangsbestimmungen und sonstigen Verhandlungsergebnisse zusammengefasst werden. Dieser Beitrittsvertrag muss vom Rat der EU und vom Europäischen Parlament gebilligt werden. Anschließend wird er von Vertretern aller EU-Mitgliedstaaten und des Beitrittslandes unterzeichnet.<ref name="Abschluss" /> Formal handelt es sich also um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den bisherigen Mitgliedstaaten und dem neuen Mitglied. Er muss daher auch von allen Mitgliedstaaten entsprechend deren nationalen verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert werden. Normalerweise erfolgt dies durch einen Parlamentsbeschluss; in Frankreich ist allerdings für jede künftige EU-Erweiterung (mit Ausnahme des Beitritts Kroatiens) ein Referendum vorgesehen. Auch das Beitrittsland muss den Vertrag nach seinen nationalen Regelungen ratifizieren; dies erfolgt meistens durch ein Referendum.

Zwischen der Unterzeichnung und der Aufnahme in die Europäische Union erhält das Beitrittsland bereits bestimmte Vorrechte. So kann es an Sitzungen der EU-Organe als „aktiver Beobachter“ teilnehmen und besitzt dort ein Rederecht (aber kein Stimmrecht). Nach Abschluss des Ratifizierungsprozesses wird das Beitrittsland am im Beitrittsvertrag vorgesehenen Tag zum Mitgliedstaat der Europäischen Union.<ref name="Abschluss" />

Überblick über die Verhandlungskapitel

Die folgende Tabelle zeigt die 35 Verhandlungskapitel im Einzelnen:<ref name="Mandat" />

Kapitel
1. Freier Warenverkehr
2. Freizügigkeit der Arbeitnehmer
3. Niederlassungsrecht und Dienstleistungsfreiheit
4. Freier Kapitalverkehr
5. Öffentliches Auftragswesen
6. Gesellschaftsrecht
7. Rechte an geistigem Eigentum
8. Wettbewerbspolitik
9. Finanzdienstleistungen
10. Informationsgesellschaft und Medien
11. Landwirtschaft
12. Lebensmittelsicherheit und Tier- und Pflanzengesundheit
13. Fischerei
14. Verkehrspolitik
15. Energie
16. Steuern
17. Wirtschafts- und Währungspolitik
18. Statistik
19. Sozialpolitik und Beschäftigung
20. Unternehmens- und Industriepolitik
21. Transeuropäische Netze
22. Regionalpolitik und Koordination der strukturpolitischen Instrumente
23. Justiz und Grundrechte
24. Sicherheit, Freiheit und Recht
25. Wissenschaft und Forschung
26. Bildung und Kultur
27. Umwelt
28. Verbraucher- und Gesundheitsschutz
29. Zollunion
30. Außenbeziehungen
31. Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik
32. Finanzkontrolle
33. Finanz- und Haushaltsbestimmungen
34. Institutionen
35. Sonstige Fragen

Gründung und Erweiterungen 1973–2013

Gründung der EWG 1957

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Entwicklung 1957–2013 (animierte Grafik)

Die sechs Gründungsmitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) waren Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande. Diese Staaten werden oft auch als „Sechsergemeinschaft“ oder „Gründerstaaten“ bezeichnet. Die von ihnen am 25. März 1957 unterzeichneten Römischen Verträge traten am 1. Januar 1958 in Kraft.

Erste Erweiterung (Norderweiterung) EG 1973

Bei der so genannten Norderweiterung 1973 traten Dänemark, die Republik Irland und das Vereinigte Königreich der EG bei. Norwegen, welches ebenfalls die Mitgliedschaft beantragt hatte, konnte wegen eines ablehnenden Votums der Bevölkerung nicht beitreten. Der negative Ausgang der norwegischen Volksabstimmung lässt sich unter anderem damit erklären, dass das norwegische Volk Bedenken hatte, Errungenschaften wie den Wohlfahrtsstaat, den es selbstständig erreicht hatte, zu verlieren.

Mit diesen Beitritten wurde die EFTA (European Free Trade Association), die insbesondere vom Vereinigten Königreich in den 1960er-Jahren als Gegenmodell zur EG propagiert worden war, geschwächt. Dänemark und das Vereinigte Königreich traten mit Wirkung vom 1. Januar 1973 aus der EFTA aus.

Schon 1963 hatte das Vereinigte Königreich einen Antrag auf Beitritt zur EU gestellt, der aber durch Frankreich − insbesondere auf Betreiben von Charles de Gaulle – abgelehnt wurde. Der Beitrittswunsch des Vereinigten Königreichs lässt sich unter anderem damit erklären, dass seine globale Macht mit dem Verlust seiner Kolonien geschwunden war. Das als Kolonialmacht protektionistisch organisierte Reich war zu abgekapselt und zu kostspielig geworden. Außerdem zeigten sich in den sogenannten Midlands große strukturelle Defizite – diese Regionen sollten schon bald von den neu eingerichteten regionalen Förderprogrammen der EU profitieren. Nachdem 1974 die Regierung unter Premierminister Edward Heath (Conservative Party) abgewählt wurde, drängte die neue unter Premierminister Harold Wilson (Labour Party) auf eine Neuverhandlung der Vertragsbedingungen. Im Zuge dieser „renegotiations“ erreichte er eine Verringerung der Beitragszahlungen des Vereinigten Königreichs. Am 5. Juni 1975 folgte erstmals in der Geschichte des Landes ein Referendum, eine nationale Volksabstimmung, wobei die Bürger über den Verbleib in der EU abstimmten. Für den Verbleib stimmten 67,2 Prozent, dagegen 32,8<ref>„Großbritannien sagt Ja“ von Andrew Manderstam (RTL, 5. Juni 1975) CVCE</ref> <ref>Deutsche Welle: 5.6.1975: Briten stimmen für Europa</ref>.

In der Republik Irland herrschte zum Aufnahmezeitpunkt Armut. Sie ging vor allem auf fehlende Industriezentren und das Vorherrschen von Agrarwirtschaft zurück. Daher wurden Irland auch sehr umfangreiche Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Eine weitere Besonderheit Irlands war, dass es 1973 als einziges EG-Land nicht NATO-Mitglied war.

Zweite Erweiterung (Süderweiterung, Teil I) 1981

1981 trat Griechenland der Europäischen Gemeinschaft bei. Seine Aufnahme war heftig diskutiert worden, da erst kurz vor der Aufnahme die Militärdiktatur abgeschafft worden war. Generell befürchtete man, dass die EG mit Griechenland eine Art „Störenfried“ aufnehmen würde. Hier waren besonders das gespannte und konfliktbehaftete Verhältnis zur Türkei, die zusammen mit Griechenland 1952 in die NATO aufgenommen wurde, ein Diskussionspunkt. Ferner war Griechenland sehr arm und wirtschaftlich eher agrarisch ausgerichtet. Weiteres Konfliktpotenzial waren die scharfen USA-kritischen Äußerungen, die besonders in Hinsicht auf die Spannungen mit NATO-Mitglied und Nachbarn Türkei zu Problemen hätten führen können.

Die EG setzte sich somit aus 10 Mitgliedstaaten zusammen.

Grönlandvertrag

Mit dem Grönlandvertrag wurde 1984 nach einer Volksabstimmung Grönland als selbst verwaltender Teil des Königreichs Dänemark aus den Europäischen Gemeinschaften ausgeschlossen, aber als assoziiertes Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aufgenommen. Dieses Vorgehen stellte nach dem Muster der für die überseeischen Hoheitsgebiete geltenden Regelungen besondere Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Grönland her.<ref>Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, EGKS-Vertrag: Spätere Änderungen des Vertrags</ref>

Dritte Erweiterung (Süderweiterung, Teil II) 1986

1986 folgten Portugal und Spanien als 11. und 12. Mitglied. Eine teilweise befürchtete Einwanderungs-Welle aus diesen zwei Ländern blieb aus. Der Beitritt Portugals führte zu einer weiteren Schwächung der EFTA.

Der Beitritt war für beide Länder eine Art Befreiungsschlag. Er half aus der Isolation, in die insbesondere Spanien im Laufe der letzten Jahrzehnte geraten war. Die Aufnahme in die EG war ein Meilenstein, um die Folgen der Franco-Diktatur zu überwinden. Die Beitrittsanträge Spaniens, aber auch Portugals fanden in den zwei Parlamenten fast einhellige Zustimmung. In Spanien stimmten beispielsweise auch die separatistisch eingestellten Basken der Aufnahme zu, denn sie erhofften sich im Rahmen der steigenden Aufmerksamkeit für Spanien auch mehr Beachtung ihrer Interessen seitens der EG und ihres Bestrebens nach baskischer Eigenstaatlichkeit.

Die EG setzte sich somit aus 12 Mitgliedstaaten zusammen.

Deutsche Wiedervereinigung 1990

Durch die Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 vergrößerte sich das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland um das Gebiet der DDR. Mit nunmehr über 80 Millionen Menschen war Deutschland nun der bei weitem größte EG-Mitgliedstaat; ein erhöhtes Stimmengewicht war jedoch erst viel später erreichbar.

Die Wiedervereinigung zählte nicht zu den „Erweiterungen“, da kein weiterer Staat in die EG aufgenommen wurde, keinerlei Verträge auf EG-Basis unterzeichnet wurden und kein Beitritt beantragt oder genehmigt werden musste. Die Bundesrepublik Deutschland war bereits vor 1990 Mitglied der EG, bestand jedoch bis dahin nur aus West-Deutschland und vergrößerte sich im Zuge der deutschen Wiedervereinigung lediglich um das Gebiet der vormaligen DDR. Außenwirtschaftsrechtlich galt die DDR nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG zuvor als „hinkendes Mitglied der EG“, da für alle Beteiligten (EG-Mitgliedstaaten und DDR) bei Ein- und Ausfuhren keine Zölle anfielen.

Mit der Wiedervereinigung erstreckte sich das gesamte Gemeinschaftsrecht (Primär- und Sekundärrecht sowie die von der Gemeinschaft geschlossenen Verträge) auf Ostdeutschland, siehe auch die deklaratorische Regelung in Art. 10 Einigungsvertrag. In der Praxis bedurfte es – ähnlich wie bei einem Beitritt – zur Ablösung der bisherigen Rechtslage zahlreicher Übergangs- und Anpassungsregelungen seitens der Gemeinschaft.

Vierte Erweiterung (EFTA-Erweiterung) EU 1995

Österreich, Schweden, Finnland und Norwegen hatten nach erfolgreichen Beitrittsverhandlungen Volksentscheide über den Beitritt durchführen lassen, bei denen es in Schweden (52,3 %) und Finnland (57 %) Mehrheiten für einen EU-Beitritt gab. Die Wahlbeteiligung war in Finnland am niedrigsten (74 %) und in Schweden hoch (83 %). Bei der Volksabstimmung in Österreich votierten 66,6 % der Bevölkerung bei einer Wahlbeteiligung von 82,5 % für eine Mitgliedschaft.<ref>EU-Erweiterung (Politiklexikon für junge Leute)</ref> Bei der Volksabstimmung in Norwegen hingegen gab es eine knappe Mehrheit gegen einen Beitritt.

Die EU setzte sich somit aus 15 Mitgliedstaaten zusammen (EU-15).

Fünfte Erweiterung (Osterweiterung, Teil I) 2004

Hauptartikel: EU-Erweiterung 2004
Datei:Eu expansion 2004 map.jpg
Beitrittsländer 2004

Am 1. Mai 2004 traten die Staaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern der Europäischen Union bei. Diese werden auch als Luxemburg-Gruppe bezeichnet, weil 1997 in Luxemburg die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit diesen Staaten beschlossen wurde.

Am 1. Januar 2007 wurde in Slowenien der Euro eingeführt, am 1. Januar 2008 in Malta und im griechischen Teil Zyperns, am 1. Januar 2009 in der Slowakei und am 1. Januar 2011 in Estland. In Lettland erfolgte die Euro-Einführung am 1. Januar 2014. Die anderen vier Mitgliedstaaten können den Euro vorläufig noch nicht einführen, weil die Kriterien des Stabilitätspaktes bisher nicht erfüllt sind.

Alle neuen Mitgliedstaaten sind zunächst Nettoempfänger, d. h. sie erhalten mehr EU-Mittel für Strukturförderung u. ä., als sie an Beiträgen an die Union zahlen.

In vielen Städten fanden am 1. Mai 2004 Freudenfeiern statt, in Valletta (Malta) und anderen Hauptstädten erhellten große Feuerwerke den Himmel. Ein weiterer Schritt zur Vereinigung Europas war vollzogen und wurde von den Staats- und Regierungschefs in Athen gefeiert.

Damit die Regionen beiderseits der ehemaligen Außengrenze der EU wirtschaftlich besser zusammenwachsen, wurde 1998 die ARGE 28 gegründet, die Arbeitsgemeinschaft der 28 Grenzlandkammern zwischen der Ostsee und der Ägäis. Dieser Vereinigung gehören alle an die Beitrittsländer grenzenden Wirtschaftskammern (IHKs, HWKs) in Deutschland, Österreich und Italien sowie eine griechische Kammer an. Die ARGE 28 hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Ansprechpartner der EU entwickelt; es finden regelmäßige Besprechungen und Konsultationen statt.

Die EU setzte sich somit aus 25 Mitgliedstaaten zusammen.

Sechste Erweiterung (Osterweiterung, Teil II) 2007

Am 1. Januar 2007 sind nach einem EU-Beschluss unter strikten Auflagen auch Bulgarien und Rumänien in die Europäische Union aufgenommen worden.

Die Beitrittsverhandlungen mit Bulgarien wurden am 15. Juni 2004 abgeschlossen. Des Weiteren hat das Land einseitig seine Währung an den Euro gebunden, wie es bereits Litauen und Estland vor ihrem Beitritt getan hatten. Im Dezember 2004 wurden auch die Verhandlungen mit Rumänien abgeschlossen. Wegen der im Vergleich zu Bulgarien seinerzeit deutlich schlechteren Wirtschafts- und Rechtslage Rumäniens wurden dem Land bis 2007 strenge Auflagen erteilt. Der Beitrittsvertrag mit beiden Ländern wurde am 25. April 2005 unterzeichnet. Er enthält allerdings einige Klauseln, durch die es möglich gewesen wäre, den für den 1. Januar 2007 geplanten Beitritt der beiden Länder um ein Jahr zu verschieben.

Durch den Beitritt beider Staaten am 1. Januar 2007 ist die Einwohnerzahl der EU auf zirka 501 Millionen<ref>http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/3-27072010-AP/DE/3-27072010-AP-DE.PDF Website der EU</ref> angestiegen und die Fläche auf 4,324 Millionen Quadratkilometer angewachsen.

Siebte Erweiterung (Kroatien) 2013

Kroatien wurde am 18. Juni 2004 der Status eines offiziellen Beitrittskandidaten verliehen. Der Rat der Europäischen Union beschloss am 16./17. Dezember 2004, die Beitrittsverhandlungen am 17. März 2005 zu beginnen. Da für viele Mitgliedstaaten der Union die Zusammenarbeit der kroatischen Regierung mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ungenügend gewesen war, war der Verhandlungsbeginn jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben worden, bis Besserung festzustellen war. Mit der Erklärung der Chefanklägerin des Tribunals, dass Kroatien voll kooperiere, wurden die Beitrittsverhandlungen am 4. Oktober 2005 aufgenommen. Die Koppelung zwischen Beitrittsverhandlungen bzw. Beitritt und Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal wurde von einigen führenden Politikern abgelehnt.

Ein erfolgreicher Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien im Jahr 2009 galt laut ranghoher Vertreter der europäischen Kommission als möglich,<ref>Kroatien soll Ende 2009 EU-Mitglied werden</ref> verzögerte sich dann jedoch mehrmals. Die Verhandlungen mit dem Ziel des Beitritts zum 1. Juli 2013 wurden am 30. Juni 2011 abgeschlossen.<ref>Wiener Zeitung, 30. Juni 2011: Grünes Licht für Kroatien.</ref> Ende Juni 2011 konnten unter ungarischem EU-Vorsitz alle 35 Verhandlungskapitel abgeschlossen werden. Die Unterzeichnung des Beitrittsvertrags zwischen der EU und Kroatien fand unter polnischem Vorsitz am 9. Dezember 2011 in Brüssel statt.

Kroatien nimmt seit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages als aktiver Beobachter an den Beratungen des Europäischen Rates sowie des Rates der EU und seiner Vorbereitungsgremien teil.<ref>Pressemitteilung. Europäischer Rat am 9. Dezember 2011. (PDF; 129 kB)</ref> Interimistisch werden seitens des kroatischen Parlaments Abgeordnete zum Europäischen Parlament ernannt, die als Beobachter an den Parlamentssitzungen teilnehmen. Mit Ratifizierung des Beitrittsvertrags sollen in Kroatien Europawahlen abgehalten werden. Durch die Erweiterung verschob sich der geographische Mittelpunkt nach Oberwestern, Koordinaten: 50° 6′ 56″ N, 9° 14′ 31″ O<ref>http://www.welt.de/vermischtes/article117997914/Der-Nabel-Europas-liegt-auf-einer-Wiese-in-Bayern.html</ref>

Am 22. Januar 2012 stimmte die Mehrheit der wahlberechtigten Kroaten bei einem Referendum für einen EU-Beitritt ihres Landes. Damit wurde Kroatien nach der Ratifizierung durch alle EU-Mitgliedsländer am 1. Juli 2013 der 28. Mitgliedstaat.

Zukünftige EU-Erweiterungen

In den politischen Leitlinien des neuen Kommissionspräsidenten, Jean Claude Juncker, vom 15. Juli 2014, ist geplant, die Erweiterungspolitik Europas zu stabilisieren: "Die Erweiterung war – das erkenne ich voll und ganz an – ein historischer Erfolg, der unserem Kontinent Frieden und Stabilität gebracht hat. Die Union und ihre Bürgerinnen und Bürger müssen nun jedoch den Beitritt von 13 Staaten in den letzten zehn Jahren erst einmal verdauen. Die EU muss bei der Erweiterung eine Pause einlegen, damit wir konsolidieren können, was die 28 Mitgliedstaaten erreicht haben. Unter meiner Präsidentschaft der Kommission werden deshalb die laufenden Verhandlungen fortgeführt, da insbesondere die westlichen Balkanstaaten weiter eine europäische Perspektive brauchen, es wird aber in den nächsten fünf Jahren keine Erweiterung mehr geben. Die enge Zusammenarbeit, Assoziierung und Partnerschaft mit östlichen Nachbarn wie Moldau oder der Ukraine müssen wir ausbauen, um unsere wirtschaftlichen und politischen Bindungen weiter zu festigen."<ref>Jean Claude Juncker, Politische Leitlinien, S. 12.</ref>

Beitrittskandidaten

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Bevölkerung und BIP pro Kopf in den europäischen EU- (blau) und Nicht-EU-Staaten (rot) (2009)

Albanien

Im April 2009 stellte Albanien ein Beitrittsgesuch an die EU. Am 24. Juni 2014 wurde von der EU Albanien der Status eines Beitrittskandidaten verliehen.<ref>www.spiegel.de: Europäische Union: Albanien jetzt offiziell EU-Beitrittskandidat</ref>

Mazedonien

Mazedonien wurde am 15./16. Dezember 2005 der Status eines Beitrittskandidaten verliehen. Wichtige Voraussetzung dafür waren die erfolgreichen Bemühungen der mazedonischen Gesellschaft, die ethnischen Spannungen im Lande abzubauen. Mazedonien hatte am 22. März 2004 in Dublin seine Aufnahme offiziell beantragt. Durch den Tod des damaligen Präsidenten Boris Trajkovski am 26. Februar 2004 war dies vertagt worden. Ein Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen wurde nicht genannt. Eine weitere Annäherung soll an eine generelle Debatte der EU über künftige Erweiterungsrunden gebunden sein. Ein Beitritt solle zudem von der Aufnahmefähigkeit der EU abhängen.

Der darüber hinaus weiter anhaltende Namensstreit zwischen Mazedonien und dem EU-Mitglied Griechenland, das sein Veto gegen den Beitritt Mazedoniens in die NATO einlegte und auch mit einem Veto gegen den mazedonischen Beitritt zur EU drohte, erschwert die laufenden Beitrittsverhandlungen, da die Lösung und Beilegung dieses Konfliktes bisher primäre Voraussetzung für Griechenland gewesen ist, um über einen EU-Beitritt des Nachbarn zu verhandeln.

Montenegro

Montenegro hatte Mitte Dezember 2008 sein Beitrittsgesuch bei der EU eingereicht. Am 17. Dezember 2010 erlangte das Land den Beitrittskandidatenstatus. Die Beitrittsverhandlungen begannen Ende Juni 2012.<ref>Conclusions of the European Council on Montenegro and Serbia. In: Europäische Kommission. Abgerufen am 2. April 2012 (english).</ref> Aktuell sind 2 der 33 Verhandlungskapitel abgeschlossen und 18 weitere eröffnet (Stand: 30. Juni 2015).

Bereits seit 2007 besteht ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU.

Serbien

Bei Serbien wurden die Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen 2006 wegen mangelnder Kooperation mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal ausgesetzt, im Mai 2008 jedoch erfolgreich abgeschlossen.<ref name="TagSchauSerbien">tagesschau.de: EU setzt Verhandlungen mit Serbien aus@1 @2 Vorlage:Toter Link/www.tagesschau.de → Erläuterung. 3. Mai 2006.</ref><ref>tagesschau.de: Serbien und Brüssel wieder am Verhandlungstisch@1 @2 Vorlage:Toter Link/www.tagesschau.de → Erläuterung. 13. Juni 2007.</ref>

Im Dezember 2009 stellte Serbien ein Beitrittsgesuch an die EU; seit dem 1. März 2012 ist Serbien offizieller Beitrittskandidat. Mit Unterzeichnung des SAA aller 27 damaligen EU-Länder im Juni 2013 ist Serbien zum Assoziierten Mitglied der EU geworden, womit die formalen Bedingungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erfüllt sind.<ref>Serbia to become "associate member of EU" on Sept 1. Auf: www.b92.net, 29. Juli 2013 (englisch)</ref>

Türkei

Nachdem die Türkei bereits 1959 einen ersten Beitrittsantrag gestellt hatte, erhielt sie am 11. Dezember 1999 offiziell den Status als Beitrittskandidaten zuerkannt. Auf dem Gipfel von Kopenhagen 2002 beschloss die EU, im Dezember 2004 über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu entscheiden, sobald die Türkei die Kopenhagener Kriterien erfülle.

Am 16./17. Dezember 2004 hat sich der Europäische Rat für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei entsprechend den Empfehlungen des Kommissionsberichts vom 6. Oktober 2004 ausgesprochen. Seit dem 4. Oktober 2005 laufen die Beitrittsverhandlungen. Aktuell ist eines von 33 Verhandlungskapiteln abgeschlossen (Stand: März 2013).

Seit Mai 2013 löste das gewaltsame Vorgehen türkischer Polizei und „schwarzer Staatsmiliz“<ref>zeit.de: Eine Ahnung von Tahrir in Istanbul.</ref> gegen die Proteste in der Türkei 2013 internationale Kritik aus. Die Regierungen der Niederlande, von Österreich und von Deutschland lehnten das Öffnen eines neuen Verhandlungskapitels im Juni 2013 ab.<ref>Annäherung der Türkei an die EU stockt</ref>

Potenzielle Beitrittskandidaten

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Potenzielle Beitrittskandidaten

Die EU benennt offiziell Bosnien und Herzegowina sowie den unter UN-Verwaltung stehenden Kosovo als „potenzielle Beitrittskandidaten“, beide Gebiete liegen im Westbalkan.

Bosnien und Herzegowina

Der Staat Bosnien und Herzegowina könnte der EU beitreten, wenn seine ökonomische Situation sich verbessert und die ethnischen Spannungen abgebaut werden; in diesem Land befürworten viele Politiker den Beitritt. Auf dem Gipfel in Thessaloniki wurde 2003 die Integration der Staaten des früheren Jugoslawien als das nächste große Ziel in der EU-Erweiterung festgelegt.<ref>EU-Western Balkans Summit - Declaration</ref> Bosnien und Herzegowina hat mit der EU 2008 bereits ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) abgeschlossen, welches als erster Schritt zu einem Beitritt gesehen wird.

Kosovo

Kosovo hat am 17. Februar 2008 seine Unabhängigkeit erklärt, was von zahlreichen Staaten, darunter dem bisherigen Mutterland Serbien, nicht anerkannt wird. Offiziell wird der Kosovo „gemäß UN-Resolution 1244“ von der EU zu den „potenziellen Kandidatenländern“ gezählt. Allerdings verweigern die EU-Mitglieder Slowakei, Rumänien, Spanien, Griechenland und Zypern dem Kosovo bislang die Anerkennung. Über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen wird seit 2013 verhandelt.

Ehemalige Bewerberländer

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Beitrittsanträge zur EU
  • EU
  • Beitrittskandidaten
  • Beitritt per Volksabstimmung abgelehnt
  • Antrag eingefroren (Schweiz) oder zurückgezogen (Island)
  • Antrag von EG abgelehnt
  • Länder, die einen Beitrittsantrag abgegeben haben, der weiterverfolgt wird, können als Bewerberländer bezeichnet werden. Diese Länder sind jedoch keine „potenziellen Beitrittskandidaten“ im Sinne der rechtlichen Definition der EU, da es für die Verleihung dieses Status eines Ratsbeschlusses bedarf. Das Beitrittsgesuch der Schweiz ruht. Der Beitritt Norwegens wurde per Referendum von der Bevölkerung zweimal – 1972 (Norderweiterung) und erneut 1994 (EFTA-Erweiterung) – abgelehnt. Das Beitrittsgesuch Marokkos aus den 1980er-Jahren, eine Folge des EU-Beitritts des Handelspartners Spaniens, wurde von der EU zurückgewiesen.

    Island

    Island hatte am 17. Juli 2009 einen Beitrittsantrag eingereicht. Die isländische Regierung erhoffte sich einen Beitritt für das Jahr 2012. Nach dem Abschluss der Beitrittsverhandlungen sollte über den EU-Beitritt in einem Referendum abgestimmt werden. Der Rat der EU hatte das isländische Beitrittsgesuch am 27. Juli 2009 mit der Bitte um Stellungnahme weitergereicht.

    Am 24. Februar 2010 sprach die Europäische Kommission durch Štefan Füle die Empfehlung aus, mit der isländischen Regierung Beitrittsverhandlungen aufzunehmen.<ref>Commission delivers opinion on Iceland's accession bid</ref> Am 17. Juni 2010 beschloss die EU, Beitrittsverhandlungen mit Island aufzunehmen. Diese wurden am 27. Juli 2010 offiziell aufgenommen. Zuletzt waren 11 der 33 Verhandlungskapitel abgeschlossen und 16 weitere eröffnet (Stand: 18. Dezember 2012)<ref>Status der Beitrittsverhandlungen</ref>. Seit Beginn des isländischen Wahlkampfes 2013 ruhten die Beitrittsverhandlungen. Im Februar 2014 kündigte die neue Regierungskoalition bestehend aus Fortschrittspartei und Unabhängigkeitspartei an, das Beitrittsgesuch zurückzunehmen.<ref name="zeit">Island verzichtet auf EU-Mitgliedschaft. zeit.de, abgerufen am 4. März 2014.</ref> Am 12. März 2015 zog Island seinen Beitrittsantrag zurück.<ref>Island zieht Beitrittsantrag zurück, abgerufen am 13. März 2015</ref>

    Debatte

    Eine grundsätzliche Debatte in der Europäischen Union ist diejenige zwischen Erweiterung und Vertiefung. Bereits auf dem Gipfel von Den Haag 1969 diskutierten die europäischen Staats- und Regierungschefs über den scheinbaren Gegensatz zwischen der „vertikalen“ Vertiefung (der Aufnahme neuer Politikfelder in den Bereich der Gemeinschaft) und der „horizontalen“ Erweiterung (der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten). Die Frage der optimalen Verschränkung von Erweiterung und Vertiefung trat auch später immer wieder auf. Oft traten die beiden Optionen dabei als konkurrierende Vorstellungen auf: Erweiterungen schienen nur auf Kosten des engen supranationalen Zusammenhalts möglich. Andererseits wurden in der historischen Entwicklung der EU meist beide Ziele parallel verfolgt – häufig fielen Beschlüsse zur Vertiefung nahezu gleichzeitig mit denen zu neuen Erweiterungsrunden.

    Nach den tiefgreifenden Vertragsreformen der 1990er Jahre erfuhr die Diskussion um die Zukunft der EU allerdings eine neue Wende. Wurde die Entwicklung der Union bis dahin vor allem als ein offener Prozess gesehen, der durch Vertiefung oder Erweiterung in eine bestimmte Richtung gelenkt werden könne, intensivierte sich seither die Debatte um die Finalität, also das Endziel und die möglichen Grenzen des europäischen Einigungsprozesses.

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    Mitglieder der EU und weiterer europäischer Organisationen

    In der vertikalen Dimension gewann in diesem Zusammenhang das Subsidiaritätsprinzip an Bedeutung, dem zufolge Entscheidungen immer auf der niedrigstmöglichen Entscheidungsebene getroffen werden sollten. Die Verfechter nationaler Souveränitätsvorbehalte führen daher an, dass zahlreiche Politikfelder sinnvoller auf Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten, nicht der EU behandelt werden sollten. Unter Befürwortern einer engen politischen Union hingegen wird vermehrt das Ziel eines europäischen Bundesstaats eingefordert, wie es schon zu Beginn des Integrationsprozesses von den europäischen Föderalisten vertreten wurde und sich zuletzt im Konzept der Europäischen Verfassung niederschlug. Bei einer Verlangsamung des Vertiefungsprozesses fürchten viele Integrationsbefürworter, dass die EU ihre politischen Ambitionen (etwa in Klima- und Außenpolitik) aufgeben und sich allein auf ihr wirtschaftliches Programm, den gemeinsamen Binnenmarkt, konzentrieren müsste – wobei genau dieses Szenario von einigen eher souveränitätsorientierten Mitgliedstaaten, wie etwa dem Vereinigten Königreich, durchaus befürwortet wird. Als Lösungsansatz in diesem Konflikt zwischen Vorreitern und Bremsern der Integration wird das Modell eines Kerneuropas beziehungsweise eines „Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ diskutiert. Es soll (etwa mittels der verstärkten Zusammenarbeit) einer Gruppe von Mitgliedstaaten vertiefte Integrationsschritte ermöglichen, während andere Mitglieder nur in weniger intensiver Form an der EU beteiligt wären. Kritiker sehen in diesem Vorschlag jedoch eine Spaltungsgefahr für die Union.

    In der horizontalen Dimension geht die Debatte außerdem um die Frage, ob die EU überhaupt endgültige geografische Grenzen besitzen kann oder ob sie ihre integrierende und befriedende Wirkung überall dort entfalten sollte, wo ihre Normen angenommen und ihre Kriterien erfüllt werden. Eine vorläufige Lösung stellt hier die Europäische Nachbarschaftspolitik dar, durch die die EU ihren Nachbarn im Osten und Süden die Möglichkeit geben will, auch ohne Vollmitgliedschaft an bestimmten Maßnahmen der Integration teilzunehmen. Eine endgültige Antwort zur Zukunft der EU als offenes Projekt oder als Modell in festen Grenzen steht nach wie vor aus.

    Siehe auch

    Portal Portal: Europäische Union – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Europäische Union

    Literatur

    Weblinks

    Commons Commons: Erweiterung der Europäischen Union – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise

    <references />