Charles de Gaulle


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25px de Gaulle ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Zu weiteren Bedeutungen siehe Charles de Gaulle (Begriffsklärung) und Gaulle.
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Charles de Gaulle (1963)
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Charles de Gaulle (1942)

Charles André Joseph Marie de Gaulle (* 22. November 1890 in Lille, Nord; † 9. November 1970 in Colombey-les-Deux-Églises, Haute-Marne) war ein französischer General und Staatsmann. Im Zweiten Weltkrieg führte er den Widerstand des Freien Frankreich gegen die deutsche Besatzung an. Danach war er von 1944 bis 1946 Chef der Provisorischen Regierung. Im Zuge des Algerienkriegs wurde er 1958 mit der Bildung einer Regierung beauftragt und setzte eine Verfassungsreform durch, mit der die Fünfte Republik begründet wurde, deren Präsident er von Januar 1959 bis April 1969 war. Die auf ihn zurückgehende politische Ideologie des Gaullismus beeinflusst die französische Politik bis heute.

Herkunft und Bildung

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Geburtshaus de Gaulles in Lille

De Gaulle wuchs in einer katholisch-konservativ geprägten und gleichzeitig sozial fortschrittlichen Intellektuellenfamilie in Lille auf: Sein Großvater war Historiker, seine Großmutter Schriftstellerin. Sein Vater, Henri Charles Alexandre de Gaulle (1848–1932)<ref>Genealogie der Familie</ref> der an verschiedenen katholischen Privatschulen lehrte, bevor er seine eigene gründete, ließ ihn die Werke von Barrès, Bergson, Péguy und Maurras entdecken. Väterlicherseits hatte de Gaulle Vorfahren, die zum alten Landadel der Normandie und Burgund gehörten. Seine Mutter, Jeanne Caroline Marie Maillot (1860–1940), stammte aus einer Familie reicher Unternehmer aus Lille mit französischen, irischen (MacCartan), schottischen (Fleming) und deutschen (Kolb) Vorfahren.<ref>Aidan Crawley: De Gaulle. The Literary Guild, 1969, S. 13–16.</ref>

Während der Dreyfus-Affäre distanzierte sich die Familie von reaktionär-nationalistischen Kreisen und unterstützte den aus antisemitischen Gründen verurteilten Alfred Dreyfus. 1908 trat de Gaulle in die Militärschule Saint-Cyr ein, die er 1912 mit Diplom und Beförderung zum Sous-lieutenant (dt.: Leutnant) verließ. Dort lernte er auch Deutsch.<ref>Vor 50 Jahren: de Gaulles Rede an die deutsche Jugend. Interview Deutschlandfunk</ref> Anschließend wurde er in die französische Armee übernommen. Er wurde dem 33e régiment d’infanterie (dt.: 33. Infanterieregiment) in Arras zugeteilt, dessen Kommandeur seit 1910 Colonel (dt.: Oberst) Philippe Pétain war.

Erster Weltkrieg

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs stieg er vom Lieutenant (dt.: Oberleutnant) zum Capitaine (dt.: Hauptmann) auf. Bereits im ersten Gefecht bei Dinant erlitt de Gaulle am 15. August 1914 eine Verwundung. Er kehrte dann als Chef der 7. Kompanie zum 33. Infanterieregiment an die Champagne-Front zurück. Am 10. März 1915 wurde er erneut im Gefecht verwundet. Er war entschlossen, weiterzukämpfen, und widersetzte sich seinen Vorgesetzten, indem er auf die feindlichen Gräben feuern ließ. Wegen dieses Akts des Ungehorsams enthob man ihn für acht Tage seiner Funktionen. Dennoch hatte sich de Gaulle als fähiger Offizier hervorgetan und der Kommandeur des 33. Infanterieregiments bot ihm an, sein Adjutant zu werden.

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Michail Tuchatschewski auf dem Höhepunkt seiner Macht als Marschall der Sowjetunion, wahrscheinlich aufgenommen im Jahr 1936

Am 2. März 1916 wurde sein Regiment in der Schlacht um Verdun bei der Verteidigung des Dorfes Douaumont in der Flanke des Forts von Douaumont von den Deutschen attackiert. De Gaulles Kompanie war schließlich fast vollständig vernichtet, die Überlebenden in einer Ruine eingeschlossen. Laut offiziellem Bericht versuchte de Gaulle daraufhin einen Ausbruch, wurde durch einen Bajonettstich schwer verwundet und ohne Bewusstsein aufgefunden. Nach anderer Darstellung mehrerer Beteiligter ergab sich de Gaulle einer deutschen Einheit, ohne einen Ausbruchsversuch unternommen zu haben.

In deutscher Gefangenschaft erholte er sich von seiner Verwundung. Während der Internierung in Deutschland – zunächst in Osnabrück und Neisse<ref>Fondation Charles de Gaulle: Biographische Zeittafel Charles de Gaulle</ref> – brachte man ihn nach zwei erfolglosen Fluchtversuchen von der Festung Rosenberg in Kronach in ein speziell für aufsässige Offiziere vorgesehenes Lager in der Festung Ingolstadt. In der Gefangenschaft lernte er Michail Tuchatschewski kennen. Er versuchte auch von dort zu fliehen. Einmal kam er bis in die Nähe von Ulm, ehe man ihn erneut fasste. 1918 kam de Gaulle schließlich auf die Wülzburg bei Weißenburg in Bayern. Ein „jämmerliches Exil“ („lamentable exil“), mit diesem Ausdruck beschrieb er seiner Mutter sein Schicksal eines Gefangenen.

Um die Langeweile zu ertragen, organisierte de Gaulle für seine Mitgefangenen umfangreiche Exposés über den Stand des laufenden Krieges. De Gaulles fünf Fluchtversuche scheiterten nicht zuletzt an seiner Körpergröße von 1,95 m, mit der er schnell auffiel, weil sie in der damaligen Zeit außergewöhnlich war. Darüber hinaus unterstützte er mehrere teilweise erfolgreiche Fluchtversuche anderer inhaftierter Kameraden. Nach dem Waffenstillstand im November 1918 wurde er von der Wülzburg entlassen. Von den zweieinhalb Jahren der Gefangenschaft behielt er eine bittere Erinnerung und schätzte sich selbst als „Heimkehrer“ und Soldat ein, der seinem Land nichts genützt hatte.

Zwischenkriegszeit

Während des Polnisch-Sowjetischen Krieges 1919/1920 meldete sich de Gaulle freiwillig für den Dienst in der französischen Militärmission in Polen und fungierte ab dem 17. April 1919 als Infanterieausbilder der neugeschaffenen polnischen Armee. Er wollte durch den Einsatz an diesem entlegenen Kriegsschauplatz seiner militärischen Karriere einen Schub geben, da er sich infolge der Kriegsgefangenschaft während des Ersten Weltkrieges kaum Verdienste erwerben konnte.<ref name="Roussel51">Eric Roussel: De Gaulle. Band I: 1890–1945. Éditions Gallimard, Paris 2002, zitiert nach der Taschenbuchausgabe: Editions Perrin, S. 51.</ref> Da ihm in Frankreich lediglich ein untergeordneter Posten als Referent beim Ministerpräsidenten angeboten wurde, bei dem er Soldaten und Offiziere für Auszeichnungen vorschlagen sollte, verlängerte de Gaulle seinen Dienst in Polen und nahm im Mai 1920 an dem Angriff der polnischen Armee auf Kiew teil (polnisch-sowjetischer Krieg).<ref>Eric Roussel: De Gaulle. Band I: 1890–1945. Éditions Gallimard, Paris 2002, zitiert nach der Taschenbuchausgabe: Editions Perrin, S. 52f.</ref> Er wurde zum Stabschef General Henri Albert Niessels in Warschau befördert und erhielt die höchste polnische Militärauszeichnung Virtuti Militari. Einige Historiker nahmen fälschlich an, dass die Erfahrungen in Polen de Gaulles Ansichten im Bezug auf den Einsatz von Panzern und Flugzeugen und den Verzicht auf die traditionelle Kriegsführung mittels Schützengräben beeinflussten. Sein Biograph Eric Roussel weist demgegenüber darauf hin, dass das Konzept, Panzer für schnelle Vorstöße unabhängig von der Infanterie zu verwenden, erst 1927 durch den französischen General Aimé Doumenc entwickelt wurde.<ref name="Roussel51" />

Nach seiner Rückkehr aus Polen heiratete de Gaulle im April 1921 Yvonne Vendroux und nahm einen Posten als Lehrer an der renommierten Militärschule Saint-Cyr in Paris an, der Kaderschmiede der französischen Armee. De Gaulle war damit materiell gut abgesichert, geriet aber bald in Konflikt mit seinen Vorgesetzten aufgrund seines arroganten Verhaltens und seiner unkonventionellen Ansichten, die er in seinem Unterricht vertrat. Infolgedessen wurde er nicht befördert und wechselte 1925 in den persönlichen Stab des Marschalls Pétain. Gegenüber einem Freund soll er geäußert haben, dass er die Militärschule St.-Cyr nicht wieder betreten würde, außer als Direktor.<ref>Eric Roussel: De Gaulle. Band I: 1890–1945. Éditions Gallimard, Paris 2002, zitiert nach der Taschenbuchausgabe: Editions Perrin, S. 62.</ref>

De Gaulles wichtigste Aufgabe bestand darin, zwei Bücher vorzubereiten, die unter dem Namen des berühmten Marschalls erscheinen sollen, jedoch kam es auch mit Pétain zu Auseinandersetzungen über deren Inhalt und zu einer deutlichen Abkühlung in dem ehemals freundschaftlichen Verhältnis.<ref>Eric Roussel: De Gaulle. Band I: 1890–1945. Éditions Gallimard, Paris 2002, zitiert nach der Taschenbuchausgabe: Editions Perrin, S. 61 ff.</ref> Dennoch förderte Pétain de Gaulles Karriere: Im September 1927 übernahm er als Bataillonschef ein aktives Kommando bei den französischen Besatzungstruppen in Trier. Ebenfalls setzte Pétain durch, dass de Gaulle im April 1927 eine Reihe von Vorträgen an der Militärschule St.-Cyr halten durfte, gegen den Willen des Schulleiters, General Pierre Héring. 1932 veröffentlicht de Gaulle den Inhalt dieser Vorträge unter dem Titel Le fil de l'épée. Darin vertrat er sehr aggressiv die Ansicht, dass die französische Armee das Amt eines Oberkommandierenden schaffen müsse, der im Fall eines Krieges in alleiniger Verantwortung und mittels diktatorischer Vollmachten das Schicksal des Landes bestimmen müsse. Diese Auffassung ließ sich aber nicht durchsetzen aufgrund der Rivalität der Generäle im Generalstab und der traditionellen Feindschaft zwischen den einzelnen Waffengattungen der französischen Streitkräfte.<ref>Eric Roussel: De Gaulle. Band I: 1890–1945. Éditions Gallimard, Paris 2002, zitiert nach der Taschenbuchausgabe: Editions Perrin, S. 65ff.; S. 71f.</ref>

Von 1929 bis 1931 übernahm de Gaulle ein Kommando im französischen Mandatsgebiet Libanon.<ref name="deGaulleLiban">Alexandre Najjar: De Gaulle et le Liban. 4 Bände (1. Vers L’Orient Complique 1929–1931; 2. De la guerre à l’Indépendance (1941–1943); 3. A l’Elysée [Beziehungen de Gaulles zu den Präsidenten Chehab und Helou, 1960er Jahre]; 4. L’Embargo [Bruch mit Israel 1968]). Editions Terre du Liban, Beirut (Eintrag auf der Website Chemins de Mémoire des französischen Verteidigungsministeriums)</ref> Dieser Posten, weit entfernt vom Hauptquartier in Paris, diente kaum seiner Karriere und widersprach zudem seinen persönlichen Ansichten, wonach die Kolonialarmeen bei der Verteidigung Frankreichs nur eine untergeordnete Rolle spielten. Wegen des Zerwürfnisses mit Pétain wurde ihm kein besseres Kommando angeboten.<ref>Eric Roussel: De Gaulle. Band I: 1890–1945. Éditions Gallimard, Paris 2002, zitiert nach der Taschenbuchausgabe: Editions Perrin, S. 71ff.</ref> Von 1932 bis 1937 bekleidete de Gaulle eine untergeordnete Rolle im Conseil supérieur de la défense nationale (CSND), dem Nationalen Verteidigungsrat, dessen Aufgabe unter der Leitung von Marschall Pétain darin bestand, die französischen Streitkräfte auf einen möglichen Krieg vorzubereiten und über Kriegsstrategien, Bewaffnung und Aufstellung der Armee zu entscheiden. De Gaulles Rolle beschränkte sich darauf, Denkschriften für die Sitzungen des Verteidigungsrates vorzubereiten. Da er für eine offensive Kriegführung eintrat, die den Ansichten der meisten Generäle entgegenlief, wurden seine Entwürfe kaum beachtet.<ref>Eric Roussel: De Gaulle. Band I: 1890–1945. Éditions Gallimard, Paris 2002, zitiert nach der Taschenbuchausgabe: Editions Perrin, S. 76f. De Gaulle fasste seine Tätigkeit im CSDN in seinen Memoiren folgendermaßen zusammen: « De 1932 à 1937, je me trouvais melè […] à toute l'activité politique, technique et administrative, pour tout ce qui concernait la défense du pays. »</ref>

1934 veröffentlichte de Gaulle sein bis dahin bedeutendstes Werk, eine Sammlung von Aufsätzen unter dem Titel Vers l’Armée de Métier („In Richtung auf eine Berufsarmee“) und forderte darin eine Reorganisation der französischen Armee, die von einer schlecht ausgebildeten Freiwilligenarmee in eine Berufsarmee umgewandelt werden sollte. Allein diese sei in der Lage, im Falle eines Krieges das Land ausreichend zu schützen und moderne Waffen wie Flugzeuge und Panzer wirkungsvoll einzusetzen. Diese Schrift forderte auch zum ersten Mal die Schaffung von Panzerverbänden, die in der Lage seien, mit schnellen, motorisierten Verbänden ins Territorium des Feindes einzudringen, statt hinter der Maginot-Linie defensiv auf dessen Angriff zu warten. Nur so könne Frankreich seine momentane qualitative Überlegenheit und seine quantitative Unterlegenheit gegenüber Deutschland kompensieren.<ref>Jean Doise & Maurice Vaïsse: Diplomatie et outil militaire 1871–1991. Taschenbuchausgabe. Éditions du seuil, Paris 1991, S. 375 f.</ref> Diese Forderungen verband de Gaulle erneut mit der Idee, im Falle eines Krieges sämtliche Streitkräfte dem Kommando eines einzelnen Oberbefehlshabers zu unterstellen. Für diesen Posten sah er einen Mann vor, der „stark genug sei, seine Rolle auszufüllen, geschickt darin, die Zustimmung der Menschen zu gewinnen, groß genug für eine große Aufgabe“ – einen Diktator, der die Macht im Land übernehmen würde. Nach Ansicht des Historikers Eric Roussel war das ein schwerer Fehler, denn dadurch wurde es sehr schwierig, für die Militärreformen eine Mehrheit im Parlament zu gewinnen: Der sozialistische Ministerpräsident Léon Blum etwa befürchtete 1936, durch die Formierung einer Berufsarmee würde die Basis für einen künftigen Staatsstreich geschaffen. Da de Gaulle kaum Unterstützung von Seiten des Generalstabs erwarten konnte, erschien sein Projekt unrealisierbar.<ref>Eric Roussel: De Gaulle. Band I: 1890–1945. Éditions Gallimard, Paris 2002, zitiert nach der Taschenbuchausgabe: Editions Perrin, S. 92f.; S. 100.</ref>

Die Militärs im Ausland, insbesondere Heinz Guderian im deutschen Generalstab, nahmen de Gaulles Ideen interessiert zur Kenntnis und sahen sich in ihren eigenen Bestrebungen bestärkt, eine moderne Panzerwaffe zu schaffen; de Gaulles Gegner im französischen Generalstab dagegen, besonders die Generäle Weygand, Gamelin (1872–1958) und Maurin, lehnten den Plan entschieden ab, woraufhin auch Marschall Pétain im März 1935 verlauten ließ, dass er die Reformpläne seines ehemaligen Schützlings nicht unterstützen würde. De Gaulle entfaltete daraufhin in den folgenden Jahren eine politische Kampagne in der Presse und im Parlament, die ihm den Spitznamen Colonel Motors einbrachte, und gewann in allen politischen Lagern genug Befürworter, sodass am 15. März 1935 zumindest Teile der Reform im französischen Abgeordnetenhaus beschlossen und sechs motorisierte Verbände aufgestellt wurden, deren Angehörige Berufssoldaten sein sollten. Am 25. Dezember 1936 übertrug man de Gaulle das Kommando über einen dieser neuen Panzerverbände, das 507. Panzerregiment in Metz.<ref>Eric Roussel: De Gaulle. Band I: 1890–1945. Éditions Gallimard, Paris 2002, zitiert nach der Taschenbuchausgabe: Editions Perrin, S. 93f.; S. 104f.</ref> Im Generalstab wurde die Reform jedoch verwässert und bestimmt, dass diese Verbände ausschließlich der Defensive dienen und gemeinsam mit den sehr langsamen Infanterieverbänden zu operieren haben. Viele Militärhistoriker sehen darin eine wichtige Ursache für die Niederlage der französischen Armee im Mai 1940 gegenüber den schnellen deutschen Panzerarmeen. Obwohl de Gaulle mit seinem Reformkonzept letztlich scheiterte, hatte die politische Kampagne doch den Effekt, ihn bekannt zu machen; sie öffnete ihm den Weg in die Politik und damit auch in seine Rolle als Führer des französischen Widerstandes (siehe Forces françaises libres, Résistance).

Zweiter Weltkrieg

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General de Gaulle und General Mast, Tunis 1943

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war de Gaulle Colonel. Am 14. Mai 1940 erhielt er das Kommando über die neue 4e division blindée (dt.: 4. Panzerdivision) mit 5000 Mann und 85 Panzern übertragen. Am 17. Mai führte er mit 200 Panzern ohne Luftunterstützung einen Gegenangriff Richtung Montcornet nordöstlich von Laon. Am 28. Mai hatte er mehr Erfolg, als seine Panzer die Wehrmacht bei Caumont zum Rückzug zwangen. Er war in der Phase der deutschen Invasion in Frankreich der einzige französische befehlshabende Offizier, dem es gelang, die Deutschen zu einem Rückzug zu zwingen. Am 1. Juni hatte er den temporären Dienstgrad eines Général de brigade (dt.: Brigadegeneral).

Am 6. Juni ernannte Premierminister Paul Reynaud ihn zum Staatssekretär des Kriegsstaates und zum Verantwortlichen für die Koordination mit Großbritannien. Als Kabinettsmitglied lehnte er den Waffenstillstand ab, verließ Frankreich am 15. Juni und setzte nach Großbritannien über. Dort vereinbarte er mit Winston Churchill am 16. Juni eine Fortsetzung der britisch-französischen Kooperation gegen Deutschland. Als er am Abend nach Bordeaux zurückkehrte, den provisorischen Sitz der französischen Regierung, schickte sich Marschall Philippe Pétain an, legal die Macht zu übernehmen. De Gaulle missbilligte die Politik Pétains, der den Waffenstillstand mit dem Deutschen Reich zu unterzeichnen bereit war, und lehnte Pétains Tun als illegitim ab. Mit 100.000 Goldfranc aus einem geheimen Fonds Paul Reynauds ausgestattet, floh er am Morgen des 17. Juni 1940 an Bord eines Flugzeugs von Bordeaux nach London.<ref name="faz190610">Joseph Hanimann: De Gaulles Erbe: Der Verrückte des 18. Juni. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 18. Juni 2010, abgerufen am 4. Juni 2013.</ref>

Appell vom 18. Juni

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Text eines Aufrufs de Gaulles vom 3. August 1940, veröffentlicht in Großbritannien (plakatiert)

Während Philippe Pétain ankündigte, mit Deutschland einen Waffenstillstand zu vereinbaren, erlaubte Premierminister Winston Churchill de Gaulle, über BBC zum französischen Volk zu sprechen.<ref name="ta18062010">Rolf Löffler: Seine grösste Rede. In: Tages-Anzeiger. 18. Juni 2010, abgerufen am 4. Juni 2013.</ref> Er rief darin französische Offiziere und Soldaten, Ingenieure und Facharbeiter der Waffenindustrie im Vereinigten Königreich auf, ihm zu folgen und beschwor, dass die Niederlage nicht endgültig sei („Was auch immer geschehen mag, die Flamme des französischen Widerstandes darf nicht erlöschen und wird auch nicht erlöschen“).<ref>Schlusssatz des Aufrufes vom 18. Juni 1940. Original: „Quoi qu’il arrive, la flamme de la résistance française ne doit pas s’éteindre et ne s’éteindra pas.“ (Volltext auf der Website der Fondation Charles de Gaulle)</ref> Er betonte die Bedeutung der Unterstützung durch Großbritannien und die Vereinigten Staaten. In Frankreich konnte man den Appell zuerst am 18. Juni 1940 um 19 Uhr hören. Er wurde in den Zeitungen des noch unbesetzten Südfrankreich abgedruckt und in den folgenden Tagen von der BBC wiederholt ausgestrahlt. Der Appell gilt als de Gaulles größte Rede,<ref name="ta18062010" /> Régis Debray schreibt, auch wenn de Gaulles Appell „das Gesicht der Welt nicht verändert habe, so habe dank ihm immerhin Frankreich das seine gewahrt.“<ref name="faz190610" />

Das britische Kabinett hatte im Vorfeld dem französischen Innenminister Georges Mandel vorgeschlagen, sich nach England zu begeben und selbst einen Appell an die Franzosen zu richten. Mandel hatte durch seine wiederholten Mahnungen über die Bedrohungen durch das Deutsche Reich – und im Gegensatz zu seinem Freund und ehemaligen Ministerpräsidenten Léon Blum – charakterlich wie ein Staatsmann gewirkt. Mandel weigerte sich jedoch, Frankreich zu verlassen, um sich nicht dem Vorwurf der Desertion auszusetzen (er war Jude ebenso wie Blum) und empfahl, die Aufgabe de Gaulle zu übertragen.

Freies Frankreich

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Charles de Gaulle und Winston Churchill in Marrakesch am 13. Januar 1944

Am 25. Juni 1940 gründete de Gaulle in London das Komitee Freies Frankreich (France libre) und wurde Chef der Freien Französischen Streitkräfte (Forces françaises libres, FFL) und des Nationalen Verteidigungskomitees. Daraufhin wurde de Gaulle vom Kriegsrat der Vichy-Regierung im August 1940 wegen Hochverrats in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Die meisten Staaten erkannten das Vichy-Regime Marschall Pétains als die legitime Regierung Frankreichs an. Churchill bemühte sich zwar anfangs diplomatisch um das Vichy-Regime, unterstützte dann aber de Gaulle und ließ die in Nordafrika in Mers-el-Kébir unter dem Kommando von Pétains Marineminister Admiral François Darlan vor Anker liegende französische Kriegsflotte am 3. Juli 1940 in der Operation Catapult zerstören.

Der Libanon wurde als eines der ersten französischen Protektorate im September 1941 durch alliierte Truppenverbände der Kontrolle des Vichy-Regimes entzogen. Bei der anschließenden Machtübernahme durch das Freie Frankreich kamen de Gaulle seine Kontakte aus seiner Dienstzeit in Beirut 1929–1931 zugute. General Fouad Chehab, der spätere Staatspräsident, bildete einen Freiwilligenverband von 20.000 Mann, der damals zu Beginn der Kampagne des Freien Frankreich einen erheblichen Teil des Truppenkontingents ausmachte.<ref name="deGaulleLiban" />

Mehrere französische Kolonialbesitzungen, vornehmlich in Afrika, darunter Kamerun und Tschad, später ab 1942 Diego Suarez auf Madagaskar und Dakar in Französisch-Westafrika, unterstellten sich im Laufe des Krieges dem von de Gaulle organisierten Freien Frankreich, das von seinem Comité National Français regiert wurde. Er sorgte besonders dafür, dass Frankreich im Lager der Alliierten durch seine Freien Französischen Streitkräfte (FFL), die an verschiedenen Fronten den Kampf fortsetzten, stets präsent blieb. Unter anderem förderte er dank Colonel Passy, Pierre Brossolette und besonders Jean Moulin die Résistance. Mit der Transformation zum France combattante (kämpfendes Frankreich) strich er die politische Einheit des France libre mit der Résistance intérieur heraus.

Er stützte sich seit Juni 1940 auf das Freie Frankreich und verteidigte fortdauernd die Interessen Frankreichs im Krieg und für die Zeit danach, was in seinem Ausspruch gipfelte „Frankreich hat keine Freunde, es hat nur Interessen.“ Damit zitierte er einen damals bekannten Satz von William Ewart Gladstone (1809–1898). Dieser war ein viermaliger britischer Premierminister und einer der bedeutendsten britischen Politiker in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

De Gaulle konnte Churchill zur Unterzeichnung des accord des Chequers (7. August 1940) bewegen, demzufolge Großbritannien die Integrität aller französischen Besitzungen und die „integrale Restauration und Unabhängigkeit und die Größe Frankreichs“ erhalten sollte. Außerdem erbot sich die britische Regierung, die Ausgaben des Freien Frankreichs zu finanzieren; de Gaulle bestand aber darauf, dass die Summen rückzahlbare Vorschüsse und keine Spenden waren, die später einen Schatten auf ihn und die Unabhängigkeit seiner Organisation geworfen hätten. Die Vorschüsse wurden noch vor Ende des Krieges zurückgezahlt.

Trotz der Verträge zwischen Churchill und de Gaulle waren die Beziehungen angespannt. Mit Blick auf die Nachkriegsordnung bezeichnete Churchill de Gaulle in Telegrammen als „größten einzelnen Feind für den Frieden in Europa“ und „schlimmsten Feind Frankreichs“.<ref name="spiegel200226"> Attacken gegen de Gaulle. In: Der Spiegel. Nr. 26, 2002 (online).</ref> Churchill kritisierte, dass de Gaulle „sich als Retter Frankreichs aufspielen will, ohne einen einzigen Soldaten zur Operation beizusteuern“ und dass de Gaulles Verhalten und Persönlichkeit das größte Hindernis für die Beziehungen zwischen Frankreich und den Angloamerikanern seien.<ref name="spiegel200226" /> Über die Invasion in der Normandie informierte Churchill de Gaulle erst fünf Tage vor der Landung.<ref name="spiegel200226" />

Auch die Beziehungen zu Franklin D. Roosevelt waren nicht ungetrübt; der amerikanische Präsident hatte kein Vertrauen zu de Gaulle. De Gaulle unterstellte den Amerikanern Arroganz und sagte: „Ich bin zu arm, um mich zu beugen.“ Roosevelt unterstellte de Gaulle diktatorische Absichten.<ref>Ernst Weisenfeld: Charles de Gaulle und Frankreich: Ein konservativer Revolutionär. In: Die Zeit. Nr. 12, 15. März 1985.</ref>

Sieg

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General Charles de Gaulles Rede zur Bevölkerung Cherbourgs, 20. August 1944

Trotz seines Ausschlusses von der anglo-amerikanischen Landung in Nordafrika (Operation Torch) durch Roosevelt und vor allem trotz dessen Unterstützung für Admiral François Darlan und General Henri Giraud, die nach der Landung in Nordafrika das Vichy-Regime mit US-amerikanischer Duldung in Algier fortzusetzen suchten, gelang es de Gaulle im Mai 1943, in Algier Fuß zu fassen. Er schuf von dort das französische Komitee für die nationale Befreiung (CFLN), um die politischen Richtungen des befreiten Frankreichs zu vereinigen, und stand alsbald an dessen Spitze. Das CFLN nahm im Juni 1944 den Namen ‚Gouvernement provisoire de la République Française‘ (GPRF) an und zog am 25. August 1944 in das befreite Paris ein, wo tags darauf auf der Avenue des Champs-Élysées ein von de Gaulle angeführter öffentlicher Triumphzug stattfand.<ref>www.charles-de-gaulle.org: De Gaulle et la Libération</ref>

Es gelang de Gaulle, eine alliierte Militärregierung für die besetzten Gebiete in Frankreich zu verhindern und schnell den Forces françaises libres die Regierungsgewalt für die befreiten Gebiete zu übertragen. In weiten Teilen der Bevölkerung wurde er als Befreier gefeiert, obwohl er bei der Landung in der Normandie und dem folgenden Vormarsch der Alliierten keine militärische Rolle gespielt hatte.

Als de Gaulle sich nach dem Einmarsch in Paris nicht zuerst bei den Kämpfern der Forces françaises de l’intérieur (FFI) für ihre Unterstützung bedankte, sondern bei den Gendarmes (die erst am letzten Tag die Seiten gewechselt hatten), verstörte er damit viele Résistants. Auch damit wollte er jede Auseinandersetzung unter den bewaffneten Franzosen vermeiden, die den Alliierten einen Anlass für eine Besatzungsregierung geliefert hätte. Gleichzeitig erklärte er mit seiner Rückkehr in das Kriegsministerium die Kontinuität der Dritten Republik und die Illegitimität des Vichy-Regimes. Das Regime floh (als die Besatzungstruppen der Wehrmacht sich angesichts der Operation Dragoon zurückziehen mussten) in deren Gefolge nach Sigmaringen.

De Gaulle wollte die Säuberungsaktion gegen französische Kollaborateure nicht den Siegermächten überlassen, sondern betrachtete dies als originäre Aufgabe der Franzosen. Am 4. April 1944 nahm das CFLN zwei kommunistische Kommissare auf. Am 27. November 1944 amnestierte de Gaulle den bei Kriegsbeginn in die Sowjetunion desertierten Generalsekretär der KPF Maurice Thorez; im Februar 1945 erreichte er auf der Konferenz von Jalta die Anerkennung Frankreichs durch die drei großen Alliierten als eine der zukünftigen Besatzungsmächte Deutschlands. Anfang Dezember 1944 unterzeichnete de Gaulle einen auf 20 Jahre abgeschlossenen Hilfs- und Freundschaftsvertrag mit der UdSSR.<ref>www.charles-de-gaulle.de: De Gaulles Auslandsreisen</ref> Im Januar 1945 kam es zwischen de Gaulle und den USA zu Unstimmigkeiten bezüglich der Verteidigung Straßburgs während eines deutschen Gegenangriffes.

De Gaulle präsentierte seine Visionen der politischen Organisation eines demokratischen Staates am 16. Juni 1946 in Bayeux.<ref>Volltext der Rede auf deutsch und auf französisch und Video der Rede</ref> Diese Reformen betrafen besonders ein modernes staatliches Sozialsicherungssystem und beinhalteten auch das Frauenwahlrecht.

Vierte Republik

Unmittelbare Nachkriegszeit

Bereits am 16. Mai 1945 erreichte de Gaulle die Aufnahme Frankreichs in den Weltsicherheitsrat der UNO als ständiges Mitglied. Nach dem Krieg wurde er am 13. November 1945 zum Ministerpräsidenten der provisorischen Regierung ernannt, trat aber nach Meinungsverschiedenheiten mit den seit den Wahlen im Oktober das Parlament dominierenden Sozialdemokraten und Kommunisten am 20. Januar 1946 zurück, weil er die neu ausgearbeitete Verfassung der Vierten Republik missbilligte. Er verlangte eine stärkere Stellung des Staatspräsidenten in der Verfassung, während die Mehrheit in der Nationalversammlung die Macht beim Parlament konzentrieren wollte. Möglicherweise ging de Gaulle davon aus, dass man ihn in das Amt zurückrufen würde, was seine Position gestärkt hätte. Als dies nicht geschah, gründete er 1947 eine politische Bewegung, das Rassemblement du Peuple Français (RPF), um auf diesem Weg eine neue Verfassung durchzusetzen. Als dies misslang, zog er sich 1953 nach Colombey-les-Deux-Églises zurück. 1947 hielt er zwei als bedeutend geltende Reden: am 7. April 1947 in Straßburg<ref>Volltext</ref> und am 27. Juli 1947 in Rennes.<ref>Volltext</ref>

Gründung der Fünften Republik (1958)

Im Anschluss an den Misserfolg der Vierten Republik in Französisch-Indochina und im Zuge des Putsch d’Alger während des Algerienkrieges und der daraus folgenden konstitutionellen Krise ließ sich de Gaulle vom Staatspräsidenten René Coty am 1. Juni 1958 zum Ministerpräsidenten nominieren, vom Parlament wählen und mit den von ihm geforderten weitreichenden Notstandsmachtbefugnissen für sechs Monate ausstatten. Er nutzte diese Gelegenheit, um eine neue Verfassung beschließen zu lassen. Im September nahm das Volk in einem Referendum die neue Verfassung mit 83 % an, wodurch die Fünfte Republik entstand. Alle Kolonien – Algerien wurde nicht als Kolonie, sondern Bestandteil der Republik betrachtet – konnten wählen, ob sie an der Abstimmung teilnehmen oder ihre sofortige Unabhängigkeit wählen wollten – unter Fortfall aller weiteren französischen Unterstützung. Alle Kolonien nahmen an dem Referendum teil – mit Ausnahme Guineas. Im November gewann de Gaulle die Parlamentswahlen und erhielt eine komfortable Mehrheit. Am 21. Dezember wurde er in indirekter Wahl mit 78 % der Stimmen zum Präsidenten der Republik gewählt.

Präsidentschaft der Republik

De Gaulle übernahm die Funktionen des Präsidenten der Republik am 8. Januar 1959. Er ergriff einschneidende Maßnahmen, um das Land zu revitalisieren, besonders die Einführung des neuen Franc (der 100 alten Francs entsprach). Er lehnte die Dominanz der USA und der Sowjetunion in der internationalen Szene ab und behauptete mit dem Aufbau der Force de frappe (erster Kernwaffentest am 13. Februar 1960) Frankreich als unabhängige Großmacht, welche mit einer eigenen Nuklearschlagkraft ausgestattet wurde, die letztlich die Großbritanniens übertraf.<ref>Simone Wisotzki: Die Nuklearwaffenpolitik Grossbritanniens und Frankreichs. Campus, Frankfurt am Main 2001.</ref>

Als Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) legte de Gaulle zweimal – am 14. Januar 1963 und am 19. Dezember 1967 – sein Veto gegen den Beitritt Großbritanniens ein.<ref>Der Spiegel 4/1963 vom 23. Januar: Der Hahn krähte; zu 1967 siehe Hans-Dieter Lucas: Europa vom Ural bis zum Atlantik – Europapolitik und Europadenken im Frankreich der Ära Adenauers (1958–1969), Bouvier 1992, ISBN 978-3-416-02400-6, S. 277ff.</ref> Letztlich trat Großbritannien erst zum 1. Januar 1973 der EG bei. Im April 1962 wurde der Premierminister Michel Debré durch Georges Pompidou ersetzt. Im September 1962 schlug de Gaulle vor, die Verfassung dahingehend zu ändern, den Präsidenten der Republik durch eine Direktwahl zu wählen. Die Reform der Verfassung trat trotz des Widerstandes des Parlaments in Kraft. Im Oktober votierte die französische Nationalversammlung für einen Misstrauensantrag gegen die Regierung Pompidous, aber de Gaulle lehnte die ihm vom Premierminister angebotene Demission ab und entschied sich, die Nationalversammlung aufzulösen. Aus den Neuwahlen ging die gaullistische Parlamentsmehrheit gestärkt hervor. Die Präsidentschaftswahlen fanden am 5. und 19. Dezember 1965 statt; in der Stichwahl de Gaulle gegen François Mitterrand erhielt de Gaulle 55,2 % der Stimmen.

Außenpolitik

De Gaulle sprach sich zunächst für eine Einheit des Mutterlandes und der Überseegebiete aus, auch die maßgeblich durch ihn geprägte Verfassung der Fünften Republik sah eine Unabhängigkeit nicht vor.<ref name="zeit0510">Rudolf Walther: Ende der Kolonialzeit: In Frankreichs Armen. In: Die Zeit. Nr. 5, 28. Januar 2010.</ref> Unter dem Eindruck des Algerienkriegs ermöglichte im September 1959 eine Verfassungsänderung den früheren Kolonien Unabhängigkeit unter fortbestehendem französischen Einfluss im Rahmen der Communauté française.<ref name="zeit0510" /> Die Bürde Algeriens („boulet algérien“) reduzierte beträchtlich die französische Manövrierfähigkeit. Am 18. März 1962 unterzeichnete er in Évian-les-Bains die Verträge von Évian; diese sicherten Algerien das Recht auf eine Volksabstimmung zu. Diese fand am 8. April 1962 statt. Die Politik der „nationalen Unabhängigkeit“ („l’indépendance nationale“) und der Lösung von „amerikanischer Bevormundung“ wurde ab dann verstärkt.

Am 19. Dezember 1965 wurde er für ein weiteres Mandat von sieben Jahren zum Präsidenten der Republik wiedergewählt: er gewann den zweiten Wahlgang gegen François Mitterrand mit 55,19 % (13.083.699 Stimmen). Seine Gegner warfen ihm seinen Nationalismus und die abgeschwächte Wirtschaftskonjunktur in Frankreich vor.

International förderte de Gaulle die Unabhängigkeit Frankreichs weiter: Er trat 1962 nachdrücklich für ein „Europa der Vaterländer“ (siehe auch Intergouvernementalismus, Souveränismus) unter der Führung Frankreichs ein, zu dem er neben den EWG-Staaten (ohne Großbritannien) Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Griechenland gewinnen wollte. Dafür nahm er den Rücktritt von Ministerpräsident Michel Debré (1912–1996) in Kauf.

In seiner Deutschlandpolitik setzte er 1945 die Ruhrfrage, die 1948/1949 zur Einrichtung des Ruhrstatuts führte, auf die internationale politische Tagesordnung. Nachdem seine Regierung zunächst das Ziel verfolgt hatte, das Saarland sowie das Rheinland und Westfalen einschließlich des Ruhrgebiets von Deutschland zu lösen, nahm er zusammen mit den anderen Westalliierten anschließend großen Einfluss auf die Bildung einer in den Westen integrierten Bundesrepublik Deutschland. Am 9. September hielt er in Ludwigsburg auf Deutsch eine vielbeachtete Rede an die deutsche Jugend. Sie gilt als ein Meilenstein in den deutsch-französischen Beziehungen und als ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum deutsch-französischen Freundschaftsvertrag (Januar 1963).<ref>Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Charles de Gaulle: Rede an die deutsche Jugend vom 9. September 1962 (mit Video; 15:57 min)</ref>

De Gaulle verurteilte die Militärhilfe der USA an die Republik Vietnam gegen die vom Việt Minh geführte kommunistische Rebellion der Volksrepublik Vietnam und forderte die USA im Interesse eines dauerhaften Friedens zum Abzug ihrer Truppen auf. Er verurteilte 1967 den israelischen Gegenschlag gegen die ägyptische Blockade der Meerenge von Tiran während des Sechstagekriegs (Juni 1967) und die dauerhafte Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlands. Unter de Gaulle näherte sich der einst engste Verbündete Israels, Frankreich, der arabischen Welt, insbesondere Ägypten, aber auch Syrien und Libanon an, verhängte ein Waffenembargo gegen Israel, ließ die bereits bezahlten Mirage-Kampfflugzeuge nicht ausliefern und überließ es von da an den Amerikanern, Israel mit Waffen zu beliefern. Zur Haltung de Gaulles trugen auch die zunehmenden israelischen Operationen im bis dahin prowestlichen Libanon ab 1967 bei. De Gaulle hatte 1929–1931 (s. o.) im damals als Völkerbundsmandat französisch verwalteten Libanon gelebt und war persönlich eng mit zahlreichen Persönlichkeiten der seit Jahrhunderten frankophonen libanesischen Oberschicht verbunden, die ihn auch zum Teil bei der Kampagne des Freien Frankreichs 1941–1945 von Anfang an unterstützt hatten.<ref name="deGaulleLiban" /> Bis zur Präsidentschaft von Jacques Chirac (1995–2007) war die israelkritische, proarabische Orientierung französischer Außenpolitik eine gaullistische Konstante.

1958 lehnte de Gaulle die Unterstellung der französischen Mittelmeerflotte unter das NATO-Kommando ab. 1964 beendete de Gaulle das amerikanische Projekt einer multilateralen Atomstreitmacht (MLF), welche, unter internationaler Kontrolle stehend, zum Schutze Europas eingesetzt werden sollte. Zwei Jahre später forderte de Gaulle Strukturänderungen der NATO und drohte mit dem Austritt. Nach einem Ultimatum, in dem er den Abzug der NATO-Truppen bzw. ihre Unterstellung unter französisches Kommando forderte, zog sich Frankreich 1966 aus der integrierten militärischen Kommandostruktur der NATO zurück, blieb aber weiterhin NATO-Mitglied. Gleichzeitig wurde das europäische NATO-Hauptquartier SHAPE von Rocquencourt (Yvelines) nach Mons (Hennegau, Belgien) verlegt.

Am 14. Dezember 1965 erklärte de Gaulle: „Selbstverständlich kann man auf den Stuhl wie ein Zicklein springen und rufen: ‚Europa, Europa, Europa!‘ Aber das führt zu gar nichts und bedeutet gar nichts.“ Dennoch war es Europa, das den Rahmen seiner Ambitionen festlegte, ein Europa, das selbst vom „Atlantik bis zum Ural“ geht, einen Strich durch den provisorischen Eisernen Vorhang ziehend.

In der Tat war die Hauptstütze der französischen Außenpolitik die Annäherung an den anderen Schwerpunkt des Kontinents, Deutschland, während man den „Angelsachsen“ den Rücken kehrte. Sein vertrauensvolles Verhältnis zu Konrad Adenauer und seine strategische Ausrichtung verhinderten eine Wiederholung der Politik Georges Clemenceaus, die das ohnehin schwierige Verhältnis Frankreichs zu Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg vergiftet hatte. Gemeinsam betrieben de Gaulle und Adenauer die deutsch-französische Freundschaft, die mit einem deutsch-französischen Jugendwerk und zahlreichen Begegnungen gefördert wurde. Sie gipfelte im Élysée-Vertrag am 22. Januar 1963.

Den Beitritt des Vereinigten Königreichs zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft versuchte de Gaulle systematisch zu verhindern.<ref name="knoke">Botschafter Knoke, Den Haag, an das Auswärtige Amt. In: Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland. 1968. Hrsg. im Auftrag des Auswärtigen Amts vom Institut für Zeitgeschichte. Oldenbourg, München 1999, ISBN 3-486-56411-0, S. 46.</ref> Neben der Befürchtung, die special relationship zu den USA könnte Großbritannien zu einem amerikanischen „trojanischen Pferd“ machen, sollen auch der mögliche Verlust der französischen Hegemonie in der europäischen Gemeinschaft und die Ablösung des Französischen als Arbeitssprache in Brüssel eine Rolle gespielt haben.<ref name="knoke" />

De Gaulle war antikommunistisch eingestellt. Allerdings ging er seit seiner Rückkehr an die Macht 1958 davon aus, dass keine Bedrohung durch eine russische Invasion bestünde. Er propagierte folglich die Normalisierung der Beziehungen mit diesen „vorübergehenden“ Regimen. Die Anerkennung des kommunistischen China ab dem 27. Januar 1964 ging in diese Richtung, wie auch seine Reise in die UdSSR im Juni 1966.

De Gaulle schuf mit der Communauté française (dt. Französische Gemeinschaft) ein Gegenstück zum britischen Commonwealth of Nations, wobei die Communauté Française die Außen-, Verteidigungs- und Währungspolitik bestimmte. Alle ehemaligen Kolonien führten Referenden durch, in denen die Gründung bestätigt wurde. Lediglich in Guinea entschied die Mehrheit anders. Mitglieder wurden Dahomey, Côte d’Ivoire, Gabun, Kongo, Madagaskar, Mauretanien, Niger, Obervolta, Tschad, Senegal, Mali, Togo und Kamerun. Dabei spielte auch die Communauté Financière d’Afrique des CFA-Franc eine große Rolle, bei der die französische Zentralbank die Parität des CFA zum FF jahrzehntelang stabil hielt. Durch Kooperationsabkommen sicherte sich de Gaulle starke französische Einflussmöglichkeiten. Ein Teil der Communauté Française schloss sich zur Westafrikanischen Zollunion (UDAO) zusammen. 1966 wurde sie zur Zoll- und Wirtschaftsunion (UDEAO) ausgebaut. Weitere Einflussmöglichkeiten schuf sich de Gaulle auch mit der Gründung der staatlichen Vorläufergesellschaft von Elf Aquitaine, ERAP, die unter dem Einfluss ihres langjährigen Chefs, des ehemaligen französischen Verteidigungsministers und Gründers des Auslandsgeheimdiensts DGSS, Pierre Guillaumat, dem französischen Nachrichtendienst eine hervorragende Tarnung und immense finanzielle Ressourcen für seine Aktivitäten in Afrika bot.

Hauptsächlich in der Außenpolitik kam das gaullistische Denken vom Wesen der Nation zum Ausdruck: „eine gewisse Idee Frankreichs“. De Gaulle schöpfte seine Stärke aus dem Wissen über die Geschichte Frankreichs. Nach ihm war das Gewicht dieser Geschichte der Art, dass sie Frankreich eine besondere Position inmitten des Konzerts der Nationen gab. Für ihn und für zahlreiche Franzosen waren England und die USA nur Sprösslinge Frankreichs. Gleichfalls bewertete er die Institution der UNO als lächerlich und nannte sie „das Ding“ („le machin“), was ihn jedoch nicht daran hinderte, den ständigen Sitz Frankreichs im Weltsicherheitsrat einzunehmen.

Attentat von Petit-Clamart

Hauptartikel: Attentat von Petit-Clamart

Jean-Marie Bastien-Thiry, ein von de Gaulle persönlich beförderter Oberst der französischen Armee, war mit dessen Algerien-Politik nicht länger einverstanden. Er beschloss daher mit Unterstützung der Organisation de l’armée secrète (OAS, Organisation der geheimen Armee), den Präsidenten zu entführen oder – falls sich eine Entführung als unmöglich herausstellen sollte – zu töten. Das Attentat von Petit-Clamart fand am 22. August 1962 auf einer Kreuzung in Petit-Clamart bei Paris statt.<ref> Schwert, Pistolen und Dynamit. In: Der Spiegel. Nr. 49, 1963, S. 90–99 (hier S. 98 f., online).</ref> Sie existiert heute nicht mehr. Der Anschlag scheiterte, da die elf Attentäter das verabredete Signal in der Dunkelheit übersahen und das Feuer zu spät eröffneten. Obwohl das Präsidentenfahrzeug, eine Citroën DS, von mehreren Kugeln getroffen wurde, blieben de Gaulle und seine Frau unverletzt. Eine Kugel verfehlte das Präsidentenpaar jedoch nur um einige Zentimeter. „Dies hätte ein schönes, sauberes Ende gemacht“, kommentierte de Gaulle, als er sich das Loch im Wagen ansah.

Obwohl das Attentat scheiterte, stoppte die OAS ihre Aktivitäten nicht. Bis heute ist de Gaulles Algerien-Politik teilweise heftig umstritten. Bastien-Thiry wurde gefasst, nach kurzem Prozess zum Tode verurteilt und hingerichtet. Seine gefassten Komplizen kamen mit zum Teil geringeren Strafen davon. De Gaulle hatte eine Begnadigung von Bastien-Thiry abgelehnt.

Das Attentat von Petit-Clamart diente Frederick Forsyth als Vorlage für seinen 1971 erschienenen Roman Der Schakal. Der Stoff wurde 1973 verfilmt.

Bereits etwa ein Jahr zuvor, am 8. September 1961, war mit dem Attentat von Pont-sur-Seine ein Mordanschlag auf de Gaulle erfolgt und gescheitert. Die Attentäter hatten sich ebenfalls der OAS zugehörig erklärt.

Atomstreitmacht

Überzeugt von der strategischen Bedeutung der Atomwaffe, engagierte de Gaulle das Land unter Protest der Opposition für die kostspielige Entwicklung der force de frappe, von Spöttern, die sie nur als ein „Bömbchen“ („bombinette“) ansahen, als „farce de frappe“ bezeichnet. Die Antwort de Gaulles war: „In zehn Jahren werden wir etwas haben, womit wir 80 Millionen Russen töten können. Ich glaube nicht, dass man ein Volk angreift, welches die Fähigkeit hat, 80 Millionen Russen zu töten, selbst wenn man 800 Millionen Franzosen töten könnte, vorausgesetzt, es gäbe 800 Millionen Franzosen.“ Dafür ließ er 1960 in der algerischen Wüste, ab 1966 auf dem Mururoa-Atoll im Pazifik Kernwaffentests durchführen. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen wurden dabei bis zu 30.000 Algerier gesundheitlich geschädigt.<ref>Thomas Schneider: 30.000 Opfer durch französische Atomtests? In: Weltspiegel (ARD). 24. Januar 2009.</ref><ref>Nathalie Roller: Die nuklearen Versuchskaninchen. In: Telepolis. 21. März 2010.</ref>

John F. Kennedy hatte für die französische Unterstützung bei der Berlin- und Kubakrise Hilfe in der Nuklearfrage versprochen, aber hielt sein Versprechen nicht. Die Nuklearfrage vergiftete die franko-amerikanischen Beziehungen während der ganzen 1960er-Jahre. Erst mit Richard Nixon gab es ab 1969 erstmals einen amerikanischen Präsidenten, der klar profranzösisch war. Mit ihm teilte de Gaulle seine Geringschätzung für Ideologien, multilaterale Verträge und Institutionen. Nixon umschiffte zunächst die verpflichtende amerikanische Legislative in der Nuklearfrage, bevor er offiziell den Weg der nuklearen franko-amerikanischen Zusammenarbeit öffnete. Das Gros der Arbeit war schon geleistet, und die französischen „Bömbchen“ durchaus effizient. 1968 gelang es Frankreich ohne Hilfe der Amerikaner, die Wasserstoffbombe zur Detonation zu bringen.

Die Briten, deren Nuklearstreitmacht eng mit der der Amerikaner verknüpft war, fassten es als Ohrfeige auf, als de Gaulle Frankreich zur dritten Atommacht des Westens erklärte. Die force de frappe bestand aus landgestützten Mittelstreckenraketen auf dem Plateau d’Albion (mittlerweile geschlossen), seegestützten Mittelstreckenraketen auf U-Booten und Atombomben, die von Flugzeugen abgeworfen werden konnten. Nicht zuletzt um auch auf diesem Gebiet von den beiden Supermächten unabhängig zu bleiben, forcierte er den Bau eigener französischer Kampf- (der Dassault Mirage III) und Zivilflugzeuge (der Caravelle) und unterzeichnete mit Deutschland den Airbusvertrag zur Entwicklung des Großraumflugzeuges A300. Auch die europäische Trägerraketentechnik, deren ziviler Zweig ELDO mit den Europa-Raketen war, wurde von de Gaulle in diesem Zusammenhang vorangetrieben.

Während François Mitterrand sich heftig gegen das Atomprogramm sperrte, übertrug de Gaulle die Aufsicht des Projekts dessen Bruder Jacques Mitterrand. Während der Amtszeit Präsident Mitterrands wurde sogar die Neutronenbombe eingeführt.

Konversion des Dollarschatzes

Auf Anregung des französischen Ökonomen Jacques Rueff (1896–1978) war die Währungspolitik unter de Gaulle stark auf Gold ausgerichtet.<ref>Joachim Joesten: Porträt: Jacques Rueff: Verliebt in das Gold. In: Die Zeit. Nr. 37, 10. September 1965.</ref> Im Februar 1965 kündigte de Gaulle an, Währungsreserven in US-Dollar im Rahmen des Bretton-Woods-Systems in Gold umzutauschen. Bis zum Sommer 1966 erhöhte Frankreich so den Goldanteil seiner Reserven auf 86 Prozent.<ref name="zeit3666">Diether Stolze: Besiegt de Gaulle den Dollar? In: Die Zeit. Nr. 36, 2. September 1966.</ref> Im Unterschied zu anderen Ländern, die im gleichen Zeitraum Dollar in Gold tauschten, darunter auch Deutschland, beließ Frankreich das Gold nicht in den Tresoren der Federal Reserve, sondern bestand darauf, die Goldbarren nach Frankreich zu verschiffen, damit sie nicht „dem Zugriff einer fremden Macht preisgegeben“ seien.<ref name="zeit3666" /> Sein Ziel einer Rückkehr zum Goldstandard erreichte de Gaulle indes nicht.<ref>Hat der Dollar ausgespielt? In: Die Zeit. Nr. 35, 27. August 1971.</ref>

Die Affaire des „Québec Libre“

De Gaulle wollte an der 100-Jahr-Feier der Nation in Kanada und der Weltausstellung 1967 teilnehmen, provozierte jedoch die Empörung der Föderalisten, als er in Montréal vor einer Menge von 100.000 Québécois ausrief: „Es lebe das freie Québec!“ („Vive le Québec libre!“), begleitet von allgemeinem, großem Beifall.<ref>Ausführlich dazu siehe Taillez, Felix de: »Amour sacré de la Patrie« – de Gaulle in Neufrankreich, München 2011, S. 130–145.</ref> Dies löste eine Regierungskrise in Kanada aus. In der Folge der Rede de Gaulles, in der er unter anderem sagte „ich werde euch ein kleines Geheimnis verraten, das Ihr niemandem weitererzählen werdet: auf meinem Weg habe ich eine Atmosphäre gesehen, die mich an die Befreiung erinnert hat“, erklärte der kanadische Premierminister Lester B. Pearson seine Worte für „inakzeptabel“. De Gaulle antwortete, dass das Wort „inakzeptabel“ selbst inakzeptabel sei, sagte die vorgesehene Visite in Ottawa ab und flog von Montréal zurück nach Frankreich. De Gaulle erklärte, mit seiner Rede den Frankokanadiern zu helfen, „sich selbst zu befreien“, da „nach einem Jahrhundert der Unterdrückung, das für sie nach der englischen Eroberung folgte, ihnen nunmehr auch das zweite Jahrhundert … in ihrem eigenen Land weder Freiheit noch Gleichheit noch Brüderlichkeit brachte“.<ref name="zeit3167">De Gaulle blieb unbeirrt. In: Die Zeit. Nr. 31, 4. August 1967.</ref> Die New York Times bewertete dies als „groben Akt gaullistischer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Kanadas“ und als „bedeutende Eskalation des Streites, der während des Besuchs General de Gaulles in Kanada begann“, einer Umfrage des L’Express zufolge verurteilten 56 Prozent der befragten Einwohner von Paris das Auftreten de Gaulles.<ref name="zeit3167" />

Mai 1968

Die Mai-Unruhen von 1968 waren eine weitere Herausforderung. Am 24. Mai, zwei Wochen nach Beginn der Unruhen, nahm de Gaulle erstmals im Rundfunk und Fernsehen Stellung zu den Forderungen der Demonstranten und versprach vage, ein Referendum zu Reformen auf den Weg zu bringen.<ref name="zeit200808">Norbert Frei: Paris im Mai. In: Die Zeit. Nr. 8, 14. Februar 2008.</ref> Gleichzeitig forderten die Demonstranten den Rücktritt de Gaulles.<ref name="zeit200808" /> Am 29. Mai reiste de Gaulle heimlich nach Baden-Baden, der Zweck dieser Reise ist unklar.<ref name="zeit200808" /> Ein als mögliche Erklärung oft genanntes Treffen mit General Jacques Massu hält der Historiker Norbert Frei für unwahrscheinlich, er geht viel mehr davon aus, dass „die Staatskrise in diesem Moment in eine Nervenkrise übergegangen war“.<ref name="zeit200808" />

Nach seiner Rückkehr nach Colombey-les-Deux-Églises kündigte de Gaulle am 30. Mai 1968 in einer Rundfunkrede Neuwahlen an: „Als Inhaber der nationalen und republikanischen Legitimität habe ich seit 24 Stunden alle Eventualitäten, ohne Ausnahme, erwogen, die es mir ermöglichen würden, sie zu erhalten. Ich habe meine Entschlüsse gefasst. Unter den gegenwärtigen Umständen werde ich mich nicht zurückziehen. Ich werde nicht den Premierminister wechseln, der die Anerkennung von uns allen verdient. Ich löse heute die Nationalversammlung auf. Ich beauftrage die Präfekten, die Kommissare über das Volk geworden oder wieder geworden sind, die Subversion zu jeder Zeit und an jedem Ort zu verhindern. Was die Legislativwahlen angeht, so werden sie in den von der Verfassung vorgesehenen Fristen stattfinden, zumindest bis man hört, dass das ganze französische Volk mundtot gemacht wird, indem man es davon abhält, sich auszudrücken und gleichzeitig davon abhält, zu leben, durch dieselben Maßnahmen, durch die man versucht, die Studenten vom Studieren abzuhalten, die Lehrer vom Lehren, die Arbeiter vom Arbeiten. Diese Mittel sind Einschüchterung, Vergiftung und Tyrannei, ausgeübt seit langer Zeit in Folge durch organisierte Gruppen und eine Partei, die eine totalitäre Unternehmung ist, selbst wenn es schon Rivalen diesbezüglich gibt.“ Letzteres zielte auf die Kommunistische Partei Frankreichs.

Nach den vorangegangenen, enttäuschenden Reden schienen seine Anhänger den de Gaulle der großen Tage wiederzuentdecken: Eine Demonstration wurde für den 30. Mai 1968 organisiert, die nach Angabe der Organisatoren von einer Million Teilnehmern, nach Angaben des Polizeipräsidiums von 300.000 Teilnehmern besucht wurde. Die Wahlen vom Juni 1968 wurden ein großer Erfolg für die Gaullisten, die 358 von 487 Sitzen erhielten. Am 13. Juli 1968 wurde Georges Pompidou als Premierminister durch Maurice Couve de Murville abgelöst. (Am 29. April 1969 trat Charles de Gaulle zurück. Bei den darauf folgenden Präsidentschaftswahlen setzte sich Georges Pompidou am 15. Juni 1969 im zweiten Wahlgang durch und wurde französischer Staatspräsident.)

Das Referendum zur Regionalreform und Rücktritt

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De Gaulle am 2. März 1969 mit Richard Nixon und dessen Kabinett

Im Februar 1969 kündigte de Gaulle an, noch im Frühjahr 1969 ein Referendum über die Reform der Regionalverwaltung und des Senats abhalten zu wollen.<ref name="zeit196906">Reform durch Referendum. In: Die Zeit. Nr. 6, 7. Februar 1969.</ref> Wie schon 1962 sollte eine Verfassungsänderung ohne Beteiligung der Nationalversammlung durchgeführt werden.<ref name="zeit196906" /> Im April kündigte de Gaulle an, dass er bei einer Ablehnung des Referendums sofort zurücktreten werde. Das Referendum erhielt somit den Charakter einer Abstimmung für oder gegen de Gaulle.<ref name="zeit196916">Frankreich: Zweifel an de Gaulle. In: Die Zeit. Nr. 16, 18. April 1969.</ref> In der Folge schloss sich Valéry Giscard d’Estaing mit seiner Partei der Républicains indépendants den Sozialisten an und forderte eine Ablehnung des Referendums.<ref name="zeit196916" /> Obwohl das eigentliche Ziel einer Regionalreform in der Bevölkerung sehr populär war,<ref>Volkes Stimme. In: Die Zeit. Nr. 6, 7. Februar 1969.</ref> wurde das Referendum mit 52,46 % der Stimmen abgelehnt und de Gaulle gab am 28. April 1969 kurz nach Mitternacht seinen Rücktritt vom Amt des Präsidenten der Republik bekannt.

Als Interimspräsident bis zur Neuwahl im Juni 1969 fungierte ordnungsgemäß der Präsident des Senats, Alain Poher. Am 20. Juni 1969 trat der Gaullist Georges Pompidou, der am 15. Juni die Stichwahl für das Präsidentenamt gewonnen hatte, die Nachfolge von Charles de Gaulle an.

Tod und Begräbnis

Nach seinem Rücktritt hielt de Gaulle sich kurz in Irland (von wo aus er per Brief wählte) auf und zog sich schließlich nach Colombey-les-Deux-Églises zurück, wo er an seinen Memoiren arbeitete. Nach einer Reise nach Spanien im Juni 1970 starb Charles de Gaulle am 9. November 1970 in Colombey-les-Deux-Églises an den Folgen des Risses eines Aorta-Tumors.<ref>de Gaulle gestorben: Trauer in aller Welt. In: Die Zeit. Nr. 46, 13. November 1970.</ref>

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Monument auf der Höhe über Colombey-les-Deux-Églises
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Wandbild im Office de Tourisme von Colombey

Sein Testament stammte aus der Zeit des Begräbnisses von General Jean de Lattre de Tassigny im Januar 1952. Dieser war nach seinem Tod vom offiziellen Frankreich und seinen Politikern in einer Art und Weise vereinnahmt worden, die de Gaulle abscheulich fand. Deshalb regelte er die Modalitäten seines Begräbnisses detailliert:

  • „Ich möchte in Colombey beerdigt werden.“
  • „Bei meiner Beisetzung weder Politiker noch Minister!“ (Der Finanzminister Valéry Giscard d’Estaing nahm trotzdem teil mit dem Argument, er komme nicht als Minister, sondern als einfacher Franzose. Von 1974 bis 1981 war er Staatspräsident und damit Nach-Nachfolger von de Gaulle). „Lediglich die Compagnons der Befreiung“ (was Jacques Chaban-Delmas und André Malraux einschloss).
  • „Auf meinem Grab: ‚Charles de Gaulle, 1890–19…‘. Nichts anderes“

Entgegen den Wünschen de Gaulles fand am 12. November 1970 in der Kathedrale Notre-Dame de Paris ein großes Requiem für ausländische Staatschefs, Präsidenten und Könige statt. Vertreten waren US-Präsident Richard Nixon, der sowjetische Staatspräsident Nikolai Podgorny, der britische Premierminister Edward Heath, Josip Broz Tito, Indira Gandhi, Fidel Castro, Olof Palme. An gekrönten Häuptern waren Kaiser Haile Selassie, der Schah von Iran, König Bhumibol von Thailand, Juliana Königin der Niederlande, König Baudouin von Belgien, der britische Thronfolger Prinz Charles, der Fürst von Monaco und der Großherzog von Luxemburg anwesend. Aus Deutschland nahmen neben Bundespräsident Gustav Heinemann die früheren Bundeskanzler Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger teil.<ref>http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44906687.html</ref><ref>http://www.charles-de-gaulle.org/pages/l-homme/dossiers-thematiques/1958-1970-la-ve-republique/le-grand-depart/documents/delegations-officielles-etrangeres-presentes-a-notre-dame-de-paris-le-12-novembre-1970.php</ref>

Erinnerung

Zahlreiche öffentliche Straßen und Gebäude in Frankreich tragen seinen Namen. Im Besonderen die Place Charles-de-Gaulle in Paris und außerdem der Flughafen Paris-Roissy – Charles de Gaulle. Sein Name wurde auch dem gegenwärtig letzten französischen Flugzeugträger, der Charles de Gaulle gegeben. Sein Wohnhaus in Colombey, die Boisserie, ist heute ein Museum, ebenso sein Geburtshaus in Lille.<ref>Fondation Charles de Gaulle: La Maison natale Charles de Gaulle à Lille</ref>

Bewertung

In seinem Nachruf in der Zeit schrieb Theo Sommer, de Gaulle sei ein Mann des 17. oder 18. Jahrhunderts gewesen, der die Zukunft verfehlte, weil er „Vergangenheit restaurieren“ wollte.<ref name="sommer">Theo Sommer: Groß, auch wo er scheiterte. In: Die Zeit. Nr. 46, 13. November 1970.</ref> Innenpolitisch sei er den Problemen des Landes allein mit „altfränkischer Mythologie“ nicht beigekommen, seine Außenpolitik habe sich als eine unstete Folge leerer Gesten entpuppt, sein exzentrischer Auftritt in Quebec könne schließlich nur noch belächelt werden.<ref name="sommer" /> Sommer schreibt: „Alles in allem hat Charles de Gaulle nicht viel Bleibendes bewirkt. Sein Anspruch war größer als seine Kraft, und es lag etwas Manisches in der Art, wie er diesen Anspruch verfocht. (…) Daß er voll verfehlter Ideen war, ist offenkundig. Niemand jedoch bestreitet, daß auch seine Fehler Format besaßen.“<ref name="sommer" /> Régis Debray bezeichnete De Gaulle als „super-scharfsichtig“, da viele seiner Vorhersagen (vom Fall des Kommunismus bis zur Wiedervereinigung Deutschlands) sich nach seinem Tod bewahrheiteten.<ref>Regis Debray: A demain de Gaulle. Gallimard, Paris, 1996, ISBN 2-07-072021-7</ref> Der Historiker Brian Crozier urteilte, „der Ruhm De Gaulles übersteige seine Leistungen“.<ref>Brian Crozier: De Gaulle: The Statesman. Methuen, London 1974, ISBN 9780413301802</ref>

Nach Umfragen betrachten 70 Prozent der französischen Bevölkerung de Gaulle als die wichtigste Gestalt der gesamten französischen Geschichte. Als bleibende Leistungen de Gaulles werden vor allem der entschlossene Widerstand gegen das nationalsozialistische Deutschland und die Verfassung der Fünften Republik genannt.<ref>Eine außergewöhnliche politische Figur: Das Erbe de Gaulles in der politischen Kultur Frankreichs Bundeszentrale für politische Bildung</ref>

Selbsteinschätzung

Charles de Gaulle bezeichnete sich selbst als Monarchist: „Je suis un monarchiste, la République n’est pas le régime qu’il faut à la France.“ („Ich bin ein Monarchist, die Republik ist nicht die Regierungsform, die Frankreich braucht.“)<ref>Evene: 100.000 citations et proverbes: „Je suis un monarchiste, la République n’est pas le régime qu’il faut à la France.“</ref>

Familie

Charles hatte drei Brüder sowie eine Schwester:

  • Xavier de Gaulle (1887–1955), Kriegsgefangener, danach Résistant während des Zweiten Weltkriegs, er ist der Vater von Geneviève de Gaulle-Anthonioz.
  • Marie-Agnès de Gaulle (1889–1982)
  • Jacques de Gaulle (1893–1946), 1926 behindert nach einer Gehirnentzündung.
  • Pierre de Gaulle (1897–1959), Résistant, Politiker, danach Unternehmensverwalter.

Charles de Gaulle heiratete am 7. April 1921 Yvonne Vendroux (* 22. Mai 1900 in Calais; † 8. November 1979 in Paris). Das Paar bekam drei Kinder:

Ein Enkel (* 1948), Sohn von Philippe, trägt ebenfalls den Namen Charles de Gaulle.

Schriften

  • La discorde chez l’ennemi. 1924.
  • Histoire des troupes du Levant. Geschrieben von den Majoren de Gaulle und Yvon, bei der finalen Fassung in Zusammenarbeit mit dem Colonel de Mierry. 1931.
  • Le fil de l’épée. 1932.
  • Vers l’armée de métier. 1934.
    • Frankreichs Stoßarmee: Das Berufsheer, die Lösung von morgen. Voggenreiter, Potsdam 1935.
  • La France et son Armée. 1938.
  • Trois études (Rôle historique des places fortes; Mobilisation économique à l’étranger; Comment faire une armée de métier) suivi par le Mémorandum du 26 janvier 1940. 1945.
  • Mémoires de Guerre
    • Volume I – L’Appel, 1940–1942. 1954.
    • Volume II – L’Unité, 1942–1944. 1956.
    • Volume III – Le Salut, 1944–1946. 1959.
  • Mémoires d’Espoir
    • Volume I – Le Renouveau, 1958–1962. 1970.
    • Volume II – L’effort, 1962… 1971.
  • Discours et Messages. 1970.
    • Volume I – Pendant la Guerre, 1940–1946
    • Volume II – Dans l’attente, 1946–1958
    • Volume III – Avec le Renouveau, 1958–1962
    • Volume IV – Pour l’Effort, 1962–1965
    • Volume V – Vers le Terme, 1966–1969

Literatur

  • Thomas Nicklas: Charles de Gaulle: Held im demokratischen Zeitalter (= Persönlichkeit und Geschichte, Bd. 158/159), Muster-Schmidt, Göttingen 2000, ISBN 3-7881-0151-2.

Filme

Weblinks

Commons Commons: Charles de Gaulle – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource Wikisource: Charles de Gaulle – Quellen und Volltexte (français)

Fußnoten

<references />