ANO 2011


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ANO 2011
Logo der ANO 2011
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Partei­vorsitzender Andrej Babiš
Gründung 2011 (Bürgerinitiative),
2012 (Partei)
Haupt­sitz Prag
Aus­richtung politische Mitte<ref>Wolfram Nordsieck: Parties and Elections in Europe – Czech Republic, abgerufen am 5. Juli 2015.</ref>
Populismus
Farbe(n) Blau
Parlamentssitze 47 von 200
Europapartei Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE)
EP-Fraktion Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE)
Website www.anobudelip.cz

Die Politische Bewegung ANO 2011 (tschechisch Politické hnutí ANO 2011; ano bedeutet auf Tschechisch ‚ja‘, zugleich steht es für akce nespokojených občanů, ‚Aktion unzufriedener Bürger‘) ist eine politische Partei in Tschechien<ref>Seznam politických stran a hnutí: Historie hnutí ANO 2011. Website des Innenministeriums der Tschechischen Republik.</ref> um den Chemie- und Medienunternehmer Andrej Babiš. Bei der vorgezogenen Abgeordnetenhauswahl 2013 wurde die Partei auf Anhieb zweitstärkste Kraft im Parlament und unterzeichnete am 6. Januar 2014 mit den Sozial- (ČSSD) und Christdemokraten (KDU-ČSL) einen Koalitionsvertrag, nach dem die ANO sechs Mitglieder im Kabinett erhält.<ref>Koalitionsvertrag in Tschechien unterzeichnet. In: derstandard.at, 6. Januar 2014.</ref><ref>Drei Parteien in Tschechien unterzeichnen Koalitionsregierung. In: Zeit Online, 6. Januar 2014.</ref> Die Ideologie der Partei gilt als unbestimmt,<ref name="Cabada"/><ref name="faz-12636317"/><ref>Ulrich Krökel: Den Tschechen stinkt die Politik. In: Zeit Online, 24. Oktober 2013.</ref> sie wird oft als populistisch beschrieben. Im Wahlkampf positionierte sich die Partei gegen die etablierte politische Elite und gegen Korruption.<ref>Martin Nejezchleba: Unternehmen Staat – Im Profil: ANO. In: Prager Zeitung, 24. Oktober 2013.</ref><ref>Petr Senk: Politisches Erdbeben bei Parlamentswahlen. In: Wiener Zeitung, 26. Oktober 2013.</ref><ref>Stefan Heinlein: Ein Milliardär als Messias. Sendung Köpfe Europas, Deutschlandfunk, 28. Oktober 2013.</ref>

Geschichte

Vorläuferin der Partei war die 2011 gegründete Bürgerinitiative Akce nespokojených občanů (‚Aktion unzufriedener Bürger‘). Im Mai 2012 erfolgte ihre Registrierung als politische Partei unter dem Namen ANO 2011. Sie bezeichnet sich selbst aber nicht als Partei, sondern als „politische Bewegung“.<ref name="Cabada"/> Das tschechische Wort ano bedeutet auf Deutsch „ja“. Ihr Slogan ist Ano, bude líp. („Ja, es wird besser.“)

Hinter der Bewegung steht der tschechische Unternehmer und Milliardär Andrej Babiš als Parteivorsitzender, der seit 2013 an den größten tschechischen Zeitung Mladá fronta Dnes, Lidové noviny, der Gratis-Zeitung Metro, an Internetportalen, privaten Fernsehsendern und Druckereien beteiligt ist.<ref> Adam Pešek: Steht Tschechien vor einer Berlusconisierung? EJO - European Journalism Observatory, 5. September 2013.</ref><ref>Rheinische Post Mediengruppe verkauft Aktivitäten in der Tschechischen Republik. Pressemitteilung der Rheinische Post Mediengruppe, 26. Juni 2013</ref> Der Verkauf wurde im August genehmigt und kurz vor der Wahl im Oktober 2013 durch das tschechische Kartellamt genehmigt.<ref>Agrofert hat offiziell Verlagshaus Mafra übernommen. Prag Aktuell, 10. Oktober 2013.</ref> Die Partei wurde bei der vorgezogenen Abgeordnetenhauswahl 2013 mit 18,65 Prozent zweitstärkste Kraft im Parlament. Unter anderem kandidierten für die Partei der ehemalige tschechische EU-Botschafter Pavel Telička und der ehemalige tschechische Kulturminister Martin Stropnický.

Unterstützt werden Andrej Babiš und seine Partei durch die US-amerikanische PR-Agentur Penn Schoen Berland (PSB), die unter anderem für Bill und Hillary Clinton tätig war.<ref name="Bund">Bernhard Odehnal: Tschechiens Berlusconi drängt an die Macht. In: Der Bund, 20. Oktober 2013, S. 4. (Abgerufen am 3. Dezember 2013.)</ref>

Bei der Europawahl 2014 wurde ANO 2011 aus dem Stand mit 16,1 Prozent stärkste Kraft in Tschechien und zog mit vier Abgeordneten ins Europäische Parlament ein. Bei den Kommunalwahlen 2014 erreichte ANO im landesweiten Schnitt 14,6 Prozent. In Prag wurde die Partei mit 22,1 Prozent stärkste Kraft und stellt daher mit Adriana Krnáčová die Bürgermeisterin.

Seit November 2014 ist ANO 2011 Mitglied der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE).<ref>http://www.aldeparty.eu/en/news/alde-party-welcomes-new-member-parties</ref>

Politische Einschätzung

Der Politikwissenschaftler Ladislav Cabada von der privaten Metropolitanen Universität Prag bezeichnete die Partei als „Akteur jenseits der klassischen Links-Rechts-Skala,“ der sich selbst eher als Bewegung sehe und das Wahlprogramm zuletzt mehrfach habe überarbeiten müssen. Unklar sei auch, wie unabhängig vom Parteigründer die über 40 Abgeordneten seien. Das alles erinnere „ein bisschen an Beppe Grillo in Italien.“<ref name="Cabada">Till Janzer: „Die Lage ist kompliziert“ - Politologe Ladislav Cabada zum Wahlergebnis. Interview bei Radio Praha vom 26. Oktober 2013.</ref>

Auch Karl-Peter Schwarz, Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) schrieb, die ANO ähnele „einem blitzblanken, leeren Gefäß, das für alle möglichen Inhalte bereitsteht.“ Das erkläre zwar teilweise ihren Erfolg bei den Wählern, mache sie aber zugleich für eventuelle politische Partnerschaften schwer berechenbar.<ref name="faz-12636317">Karl-Peter Schwarz: Nach der Wahl könnte vor der Wahl sein. In: FAZ.net. 27. Oktober 2013, abgerufen am 8. September 2015.</ref> Die Auslandskorrespondentin der tageszeitung (taz), Alexandra Mostyn, bemerkte hingegen, Babiš gelte immerhin „im Gegensatz zu Vertretern der etablierten Parteien […] ob seines Milliardenvermögens als unbestechlich. Und das ist alles, was viele Wähler heute von ihren Politikern verlangen.“<ref name="taz-5056247">Alexandra Mostyn: Korruption in Tschechien: „Es gibt kein schmutziges Geld“. In: taz.de. 28. Oktober 2013, abgerufen am 8. September 2015.</ref>

Programm

In ihrem Programm setzt sich die Partei unter anderem für folgendes ein:

  • verbesserte Arbeitsbedingungen für Hochschulabsolventen, Menschen über 50 Jahre und Behinderte
  • es sollen keine Steuern erhöht werden und zudem soll die Mehrwertsteuer gesenkt werden
  • Steuern sollen konsequent eingetrieben werden
  • einfache und stabile Regeln für Unternehmen und Investoren
  • die Immunität der Abgeordneten und Senatoren im Parlament soll abgeschafft werden
  • die Vermögensverhältnisse von Politikern und Beamten sollen offengelegt und einer unabhängigen Kontrolle unterzogen werden
  • das Glücksspiel soll beschränkt werden
  • das Bildungssystem soll besser gefördert und die finanziellen Mittel für Forschung und Wissenschaft sollen verdoppelt werden

Siehe auch

Literatur

  • Jakub Patočka: »Unternehmerpopulismus«: Der Aufstieg des Andrej Babiš in Tschechien. In: Ernst Hillebrand (Hrsg.): Rechtspopulismus in Europa: Gefahr für die Demokratie?. Dietz, Bonn 2015, ISBN 978-3-8012-0467-9, S. 88 ff.

Einzelnachweise

<references />

Weblinks