Gwardeisk
Stadt
Gwardeisk
Гвардейск
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Liste der Städte in Russland |
Gwardeisk (russisch Гвардейск (12px anhören?/i), übersetzbar in etwa mit „Gardestadt“; deutsch Tapiau; litauisch Tepliuva, Tepliava; polnisch Tapiawa) ist eine Stadt in der russischen Oblast Kaliningrad mit 13.899 Einwohnern (Stand 14. Oktober 2010).<ref name="einwohner_aktuell" /> Die Stadt ist das administrative Zentrum des Rajons Gwardeisk und Verwaltungssitz der kommunalen Selbstverwaltungseinheit Stadtkreis Gwardeisk.
Inhaltsverzeichnis
Geographische Lage
Gwardeisk befindet sich auf einer bergigen Anhöhe am Fluss Pregel im historischen Ostpreußen, etwa 35 Kilometer östlich von Kaliningrad (Königsberg), an der Hauptstraße A229, der ehemaligen Reichsstraße 1, und an der Bahnstrecke Kaliningrad–Nesterow, der Haupteisenbahnlinie von Kaliningrad in Richtung russisches Kernland, dem früheren Endstück der Preußischen Ostbahn-Strecke nach Eydtkuhnen (heute Tschernyschewskoje). Vom Pregel zweigt bei Gwardeisk die Deime ab.
Geschichte
Der bis 1946 offizielle Ortsname entwickelte sich von Tapiow (1255) über Castrum Tapiow, quod Prutheni nominant Surgurbi (Dusburg, 1326) zur endgültig deutschen Bezeichnung Tapiau, die seit 1684 nachgewiesen ist. Dieser Name ist abgeleitet aus den prußischen Wörtern „tape, teplu, toplu, tapis“ = warm, „tape“ = Wärme, Temperatur und „sur garbis“ = um den Berg herum.
Westlich von Tapiau ist eine prußische Wehranlage belegt. Sie sollte – ebenso wie die zwischen Deime und Pregel gelegene prußische Burg – einst das Samland vor den Wikingern schützen, die durch einen damaligen Durchbruch in der Nehrung bei Sarkau leicht in das Haff eindringen konnten. Anstelle dieser Holzburg baute der Deutsche Ordens 1351 die Burg Tapiau. 1385 wurde hier der Sohn des litauischen Großfürsten Kęstutis, Vytautas (Witold), getauft, der später mit seinem Vetter Jagiello die polnisch-litauische Union errichtete und regierte. Nach der Verlegung des Ordenshochsitzes übernahm Tapiau die Ordensbibliothek sowie das Archiv.
Die Stadtrechte erhielt Tapiau 1722.
1895 umfasste die Stadt ein Postamt zweiter Klasse, Telegraph, Warendepot der Reichsbank, Gärtnerlehranstalt mit Obstweinfabrik, Provinzial-Besserungs- und Landarmenanstalt, Biskuit- und Zuckerfabrik, Dampfschneide- und Mahlmühlen, Brauereien, Schifffahrt, Handel mit Holz, Steinen, Getreide, Butter und Käse. In der Besserungsanstalt wurden Decken, grobes Tuch (Want), Baumwollzeug (Nessel), Strohmatten und Fischernetze angefertigt.
Von 1818 bis 1945 gehörte die Stadt Tapiau zum Landkreis Wehlau im Regierungsbezirk Königsberg der Provinz Ostpreußen.
Am 25. Januar 1945 wurde Tapiau von der Roten Armee eingenommen. Als eine der wenigen Städte Nordostpreußens überstand Tapiau den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden und ist auch heute vergleichsweise gut erhalten.
Auf dem Marktplatz steht auch nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 weiterhin ein Lenindenkmal.
Kirchen
Kirchengebäude
Siehe dazu den Hauptartikel: Kirche Johannes der Täufer (Gwardeisk)
Am heutigen Ploschtschad Pobedy (ehemaliger Marktplatz) steht die im Jahre 1502 errichtete ehemalige evangelische Stadtkirche Tapiaus, die heutige Kirche Johannes der Täufer. Mehrmals durch Brand zerstört erfuhr das Gotteshaus 1767/68 ein Instandsetzung. In der Sakristei befand sich das von Lovis Corinth angefertigte Triptychon mit Abbildungen Jesus am Kreuz und dem Apostel Paulus sowie dem Evangelisten Matthäus. Die Kirche wurde 1945 als Lager und Geschäftshaus zweckentfremdet und wird jetzt – nach gründlicher Restaurierung – zu Gottesdienstzwecken der russisch-orthodoxen Kirche genutzt.
Kirchengemeinden
Evangelisch
Von der Reformation bis 1945 bestand in Tapiau eine evangelische Kirchengemeinde mit zwei Pfarrstellen an der Stadtkirche und einer Predigerstelle in der Anstaltsgemeinde der Heil- und Pflegeanstalt. Zu ihr gehörte ein weitflächiges Kirchspiel mit mehr als 20 Orten. Im Jahre 1925 wurden bei einer Volkszählung in Tapiau 9.000 dazugehörige Kirchenglieder gezählt. Tapiau gehörte zum Kirchenkreis Wehlau (heute russisch Snamensk) innerhalb der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges brach aufgrund Flucht und Vertreibung der einheimischen Bevölkerung das evangelisch-kirchliche Leben in Tapiau ein.
1997 gründete sich in Gwardeisk eine deutsch-russische Gemeinde innerhalb der Propstei Kaliningrad<ref>Evangelisch-lutherische Propstei Kaliningrad</ref> im Verbund der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland. Sie ist eine Filialgemeinde der Auferstehungskirche in Kaliningrad (Königsberg).
Katholisch
Bis 1945 gab es in Tapiau eine römisch-katholische Gemeinde, die 1904 entstand und deren Pfarrkirche die St.-Joseph-Kirche war. Die Gemeinde gehörte zum Bistum Ermland. Heute besteht wieder eine katholische Pfarrei, die im Haus Sankt Josef in der uliza Telmana (Thälmannstraße) ihren Sitz hat und zurzeit (Stand: 2011) von Steyler Missionaren und Angehörigen der Schönstatt-Bewegung betreut wird.
Orthodox
Die ehemals evangelische Stadtkirche am Marktplatz wird seit 1998 von einer Gemeinde der russisch-orthodoxen Kirche genutzt, die seit 2009 der Diözese Kaliningrad und Baltijsk eingegliedert ist.
Verkehr
Es gibt mehrmals täglich eine Busverbindung nach Kaliningrad-Stadt. Der Bus startet vom Marktplatz aus.
Wirtschaft
Neben einem Internetcafé, einer Bankfiliale mit Geldautomat sowie diversen Einzelhandels- und Lebensmittelgeschäften prägen zahlreiche Kioske, in denen vor allem alkoholische Getränke verkauft werden, das Stadtbild. Rund um die Stadt haben sich seit 2004 diverse Landwirtschaftsbetriebe und mittelständische Betriebe, u. a. für die Fertigung von Haushaltsgeräten, neu angesiedelt. Ferner gibt es in Gwardeisk eine Pension, einen Handyshop und verschiedene Bars. An den Wochenenden bieten freie Händler und Privatpersonen häufig landwirtschaftliche Erzeugnisse, Textilien und Haushaltsgegenstände am Straßenrand zum Verkauf an.
Infrastruktur
Es gibt in Gwardeisk einen russisch-orthodoxen Friedhof, eine Oberschule, eine staatliche Sozialberatungsstelle mit angeschlossenem, allgemeinmedizinischen Dienst, eine staatliche, tierärztliche Lebensmittelkontrollstelle und einen öffentlichen Sportplatz.
Das Deutsch-Russische Haus in Kaliningrad bietet in Gwardeisk in Zusammenarbeit mit der GIZ und dem Auswärtigen Amt Fortbildungen im gewerblich-technischen Bereich an.<ref>Deutsch-Russisches Haus Kaliningrad</ref>
Die aus sowjetischer Zeit stammenden Wohnblocks in der Telmana und an der Ausfallstraße nach Kaliningrad werden im Winter ausschließlich mit individuell nicht regulierbarer Fernwärme beheizt. Seit ihrem Bau in den 1960er und 1970er Jahren sind diese heute weitgehend in Privatbesitz befindlichen Wohnblocks an den Außenfassaden und vielfach auch im Inneren unverändert geblieben.
Der Hausmüll wird in Gwardeisk auf unweit der Stadt gelegenen Deponien gesammelt und dort von Zeit zu Zeit verbrannt, was zu einer Beeinträchtigung der Luft- und Trinkwasserqualität führt.
Chronologie
Zeitraum | Grund der Änderung Historisches Ereignis |
Verwaltung von Gwardeisk | |||
---|---|---|---|---|---|
Kreis | Regierungsbezirk | Provinz | Land | ||
1260–1525 | Komturei Königsberg | Ordensland Preußen | Staat des Deutschen Ordens | ||
1525–1657 | Reformation | Herzogtum Preußen | Lehen vom Königreich Polen | ||
1657–1701 | Vertrag von Wehlau | Kurfürstentum Brandenburg | |||
1701–1818 | Königreich Preußen | ||||
1818–1824 | Verwaltungsgliederung Preußens | Landkreis Wehlau | Regierungsbezirk Königsberg | Provinz Preußen (nur Ostteil) | |
1824–1866 | Verwaltungsreform | Provinz Preußen | |||
1866–1871 | Deutscher Krieg | Königreich Preußen Norddeutscher Bund | |||
1871–1877 | Gründung Deutsches Kaiserreich | Deutsches Kaiserreich Bundesstaat Königreich Preußen | |||
1877–1918 | Verwaltungsreform | Provinz Ostpreußen | |||
1919–1933 | Weimarer Republik | ||||
1933–1945 | Deutsches Reich 1933 bis 1945 | ||||
1945–1946 | Einmarsch der Roten Armee | Oblast Königsberg | Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) | ||
1946–1991 | Verwaltungsreform und Umbenennung | Rajon Gwardeisk | Oblast Kaliningrad | ||
1991– | Zerfall der Sowjetunion | Föderationskreis Nordwestrussland Russische Föderation |
Bevölkerungsentwicklung
Jahr | Einwohner | Bemerkungen |
---|---|---|
1782 | über 1.200<ref>Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preußen. Teil I: Topographie von Ost-Preußen. Marienwerder 1785, S. 13.
</ref> || | |
1875 | 2.679 | |
1890 | 3.763 | davon 97 Katholiken und 73 Juden |
1895 | 4.061 | davon 81 Katholiken und 53 Israeliten |
1910 | 5.986 | |
1933 | 7.683 | |
1939 | 9.326 | |
1959 | 7.560 | |
1970 | 10.544 | |
1979 | 10.819 | |
1989 | 11.904 | |
2002 | 14.572 | |
2010 | 13.899 |
Anmerkung: Volkszählungsdaten
Persönlichkeiten
Nach Geburtsjahr geordnet
- Albrecht I. von Brandenburg-Ansbach († 20. März 1568 in Tapiau), erster Herzog von Preußen
- Johann Ernst von Wallenrodt (* 3. Januar 1615 in Tapiau; † 1697), Verwaltungsbeamter im Herzogtum Preußen, baute die Wallenrodtsche Bibliothek aus.
- Gustav Gregorovius (1810–1862), Jurist, Philhellene; Schauspieler, Sänger und Redakteur in New York
- Lovis Corinth (* 21. Juli 1858 in Tapiau; † 1925), deutscher Maler; schuf für die evangelische Pfarrkirche der Stadt das Altargemälde „Golgatha“
- Bernhard Ankermann (14. Februar 1859 in Tapiau; † 1943), Ethnologe und Afrikaforscher
- Ernst Mollenhauer (* 27. August 1892 in Tapiau; † 1963), Landschaftsmaler
- Berthold Mikat (* 1912 in Tapiau; † 1990), Epidemiologe
- Hans-Heinrich Vangerow (* 4. April 1924 in Tapiau), deutscher Forstmann und Historiker
Sehenswürdigkeiten
Datei:Gvardeisk town russia view.jpg Luftaufnahme von Gwardeisk |
Datei:Kriegsdenkmal in Gwardeisk.jpg Sowjetisches Kriegsdenkmal |
Partnerschaften
- seit 1970 zur niedersächsischen Stadt Bassum
Literatur
- Max Toeppen: Ueber preussische Lischken, Flecken und Städte. Ein Beitrag zur Geschichte der Gemeindeverfassungen in Preußen. In: Altpreußische Monatsschrift, Band 4, Königsberg 1867, S. 511-536, insbesondere S. 528-536 (Volltext)
- Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preußen. Teil I: Topographie von Ost-Preußen. Marienwerder 1785, S. 13 (Online).
Weblinks
- Offizielle Webseite der Stadt Gwardeisk
- Gwardeisk bis Tapiau (russisch)
- Tapiau auf Landkreis Wehlau (Landkreis Wehlau)
Einzelnachweise
<references/>
Verwaltungszentrum: Kaliningrad
Städte | <div/>
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Siedlungen städtischen Typs | <div/> |
Liste der Städte in der Oblast Kaliningrad | Verwaltungsgliederung der Oblast Kaliningrad
Anmerkungen: S – Sitz eines Stadtkreises, R – Verwaltungszentrum eines Rajons
Stadt: Gwardeisk (Tapiau)
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