Tierkreiszeichen
Tierkreiszeichen sind die Symbolbilder, die den einzelnen Abschnitten des Tierkreises zugeordnet sind. Seit der Antike wurde dabei die Ekliptik in zwölf gleiche Sektoren geteilt: die bis heute bekannten und gebräuchlichen Tierkreiszeichen, die sich an den Eckpunkten im Jahreskreis ausrichten, also der Frühlingstagundnachtgleiche, der Sommersonnenwende, der Herbsttagundnachtgleiche und der Wintersonnenwende.
Die Tierkreiszeichen wurden in der Antike zunächst mit den gleichnamigen Sternbildern assoziiert, die sich in den jeweiligen Abschnitten befanden; sie dürfen aber nicht mit diesen verwechselt werden. Denn infolge der Präzession, die ebenfalls bereits in der Antike durch Hipparchos beschrieben wurde, sind die Tierkreiszeichen mittlerweile um etwa 30° zu den jeweiligen Sternbildern verschoben.
Die in der europäischen Astrologie verwendeten Tierkreiszeichen wurden ungefähr zur Zeit um Christi Geburt entwickelt, nachdem die Präzession bekannt wurde. Dies geschah, um wichtige Stationen im Jahreslauf mitsamt den Konstellationen von Sonne, Mond und Planeten besser berechnen zu können – unabhängig von den Sternen, die sich ja im Verhältnis zum Jahreskreis stets verschoben und somit letztlich unbrauchbar waren für die Festlegung von Jahresereignissen.
Auf der Ekliptik liegt auch das 13. Sternbild Schlangenträger. Zur Zeit der Entstehung und Benennung der Tierkreiszeichen und Sternbilder wurden die unteren Sterne aus dem Schlangenträger aber noch dem Skorpion zugeordnet, und so befanden sich nur 12 Sternbilder auf der Ekliptik - die in etwa den zwölf Monaten eines Jahres entsprechen.
Inhaltsverzeichnis
Der Tierkreis
Als Tierkreis bzw. Zodiak (lat./gr. von Zodiakos, ζῳδιακός, „Lebewesenkreis“), wird eine etwa 20 Grad breite Zone um die Ekliptik bezeichnet, innerhalb derer die scheinbaren Bahnen von Sonne, Mond und Planeten verlaufen. Die Mittellinie der unsichtbaren großen Straße des Himmels nannten die Griechen die Ekliptik, weil in ihr die Eklipsen, die Sonnen- und Mondfinsternisse, stattfinden. Die Ekliptik dient als Messkreis für die Positionsbestimmung der Gestirne und der astrologischen Schnittpunkte Medium coeli (MC), Aszendent, Mondknoten und Widderpunkt.
Tropischer und siderischer Tierkreis
Es gibt zwei verschiedene Tierkreise, die die Ekliptik in zwölf Tierkreiszeichen aufteilen: den tropischen Tierkreis, der sich unabhängig von den Sternen am Jahreslauf ausrichtet, und den siderischen Tierkreis, der sich an den Sternbildern im Bereich der Ekliptik orientiert.
Als um 300 v. Chr. das astrologische System im hellenistisch geprägten Alexandria entwickelt wurde, stimmten der tropische und der siderische Tierkreis überein. Im Vergleich mit damals stehen die beiden Tierkreise heute jedoch ca. 30° verschoben zueinander. Das liegt daran, dass die für die Jahreszeiten maßgebliche Erdachse torkelt, ähnlich wie ein Spielzeugkreisel nur ganz langsam, eine Runde in ca. 25.800 Jahren, was auch als Präzession bekannt ist. Mit einer Geschwindigkeit von 1° in rund 72 Jahren wandert dabei aus Sicht der Erde der Frühlings- oder Widderpunkt im Uhrzeigersinn durch die unterschiedlich großen Sternbilder. Zur Zeit um Christi Geburt wechselte er vom Sternbild Widder in das Sternbild Fische, was als Beginn des Fische-Zeitalters verstanden wurde.
Tropischer Tierkreis
In Europa und der westlichen Astrologie wird der tropische Tierkreis verwendet. Seine Ausrichtung an den vier Wendepunkten im Jahreskreis gab dem tropischen Tierkreis seinen Namen, der sich ableitet vom griechischen τρόποι, trópoi, was „Wendungen, Wendepunkte“ bedeutet. Anhand dieser Wendepunkte wird die Ekliptik in 12 gleich große Abschnitte zu 30° unterteilt, die Tierkreiszeichen, die mit Widder beginnen, am sogenannten Widderpunkt.
Siderischer Tierkreis
Der siderische Tierkreis (von lateinisch sidus, „Stern“) gehört zu den überwiegend indisch ausgerichteten Methoden. In der Vedischen Astrologie werden dabei die verschieden großen Sternbilder auf ein gleiches Maß von jeweils 30° gebracht. Es werden nicht die Eckpunkte im Jahreskreis, sondern die Sternbilder als Messskala benutzt, so wie auch schon bei den Babyloniern. Die siderische Astrologie kennt jedoch verschiedene Einteilungen der Sternbildgrößen.
Deutung
Tierkreisähnliche Systeme fanden spätestens ab dem zweiten Jahrtausend v. Chr. im Alten Ägypten als Tagewählkalender Berücksichtigung, nach gleichem Prinzip auch in Mesopotamien.
Deutungen gehen auf eine in der altägyptischen Spätzeit (etwa 664–332 v. Chr.) erfolgte Verschmelzung der babylonischen und altägyptischen Sternbilder zurück, die bereits im dritten Jahrtausend v. Chr. in der altägyptischen, babylonischen und sumerischen Astronomie mythologisch in Gebrauch waren.
Herodot beschrieb Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr. die mit den Sternbildern im Zusammenhang stehenden horoskopähnlichen Aussagen:
„Ferner ist von den Ägyptern auch zuerst festgestellt worden, welcher Monat und Tag den einzelnen Göttern heilig ist und welche Schicksale, welches Ende und welchen Charakter die an diesem oder jenem Tage Geborenen haben werden. Griechische Dichter haben diese Dinge ebenfalls übernommen. Und Vorzeichen haben die Ägypter weit mehr herausgefunden als alle anderen Völker. Wenn etwas Auffälliges geschieht, achten sie auf dessen Folgen und schreiben sie auf. Bei einem ähnlichen Vorfall in der Zukunft glauben sie dann, es müssten wieder die gleichen Folgen eintreten.“
Etwa im zweiten Jahrhundert v. Chr. sind im antiken Griechenland Übernahmen dieses Systems nachweisbar, wobei im ersten Jahrhundert v. Chr. der altägyptische Tierkreis von Dendera als Weiterentwicklung entstand.
Im Hellenismus fand der Gedanke, den einzelnen Tierkreisabschnitten bestimmte Grunddeutungen zuzuordnen, seine Fortsetzung. Die verschiedenen Ansätze aus dem mesopotamischen Raum (Altbabylonien) vermischten sich mit den Bedeutungen der bereits seit langem in Ägypten (s. ägyptischer Kalender und Nutbuch) praktizierten Unterteilung des Tierkreises in Dekane und Grade. Später entwickelten sich daraus die eigenständige Dekan- und Grad-Astrologie. Jedem Gradabschnitt wurde eine zusätzliche Bedeutung zugeordnet. Ergänzt wurden die Deutungen um die Vier-Elemente-Lehre (Wasser, Luft, Feuer, Erde), die sich vom 6. bis 5. Jahrhundert v. Chr. ausgebildet hatte und Bestandteil griechischen Alltagsdenkens war:
- – Wasser, Thales von Milet (624–546 v. Chr.)
- – Luft, Anaximenes (585–525 v. Chr.)
- – Feuer, Heraklit (ca. 540–475 v. Chr.)
- – Erde, Empedokles, (ca. um 500 v. Chr.)
Der Vier-Elemente-Lehre folgte um 500 v. Chr. die Harmonielehre der Pythagoreer (begründet von Pythagoras, 570–510). Sie widmeten sich u. a. der Geometrie und Zahlensymbolik. Mit Zählsteinen legten sie geometrische Figuren (z. B. Trigone und Vierecke). Die Vierheit (Tetraktys) hatte große Bedeutung, weil die Gesamtheit der Zahlen 1, 2, 3 und 4 die Summe 10 ergibt. Des Weiteren wurde der Gegensatz von geraden und ungeraden Zahlen sowie nach weiblich und männlich unterschieden. Das ergab die Zuordnungen: gerade für unbegrenzt und weiblich, sowie ungerade für begrenzt und männlich.
Aristoteles (384–322 v. Chr.) erweiterte die Vier-Elemente-Lehre mit den Zuordnungen Trockenheit bzw. Feuchtigkeit und Wärme bzw. Kälte.<ref>Carl Bezold, Franz Boll, Wilhelm Gundel: Sternglaube und Sterndeutung. Die Geschichte und das Wesen der Astrologie. 6./7. Auflage. G. B. Teubner, Stuttgart 1974/1977, S. 50–52.</ref> Die sich daraus bildende Zusammenstellung führte zu einer Ordnung mit folgender Kombination:
- – Trockenheit und Wärme das Feuer
- – Feuchtigkeit und Wärme die Luft
- – Feuchtigkeit und Kälte das Wasser
- – Trockenheit und Kälte die Erde
Astrologen ließen sich von der Vier-Elemente-Lehre und von Aristoteles’ Ergänzungen anregen und setzten sie in Beziehung zum Tierkreis. Dabei half ihnen eine wissenschaftliche, physikalische Betrachtungsweise, indem sie sich an den jährlichen Lauf der Sonne hielten - was schließlich den tropischen Tierkreis entstehen ließ. Die Sonne tritt im Frühling in das Zeichen Widder, im Sommer in das des Krebses, im Herbst in das der Waage und im Winter in das des Steinbocks. Die Schnittpunkte der vier Jahreszeiten mit Linien verbunden ergibt ein Quadrat. Es hat nach Pythagoras aufgrund der Summe, 1 + 2 + 3 + 4 = 10, eine große Bedeutung. Zwischen den Schnittpunkten liegen jedes Mal drei aufeinander folgende Tierkreiszeichen, denen eine abgestufte Bedeutung zukommt: das erste Zeichen stark (kardinal), das zweite mittelstark (fix, gemeinschaftlich), das dritte veränderlich (fallend, beweglich).
Die einmal begonnenen Zuordnungen wurden im Laufe der folgenden Jahrhunderte immer mehr verdichtet, wobei sie sich auf Überlieferungen und Vorlagen aus früheren Zeiten bezogen, z. B. Geographie, Wetterkunde und Medizin, deren Anfänge bei Hippokrates (um 460–370 v. Chr.) zu finden sind.<ref>Carl Bezold, Franz Boll, Wilhelm Gundel: Sternglaube und Sterndeutung. Die Geschichte und das Wesen der Astrologie. 6./7. Auflage. G. B. Teubner, Stuttgart 1974/1977, S. 55, 138, 140 ff.</ref>
Es kamen die Verteilung der Gestirne (Sonne, Mond und Planeten), Tiere, Pflanzen, Edelsteine und Metalle, später die Stämme Israels und die vier Apostel, s. u. Evangelistensymbole, Persönlichkeitsmerkmale, Berufe und Partnerschaften und Lebensabschnitte dazu sowie die astrologische Medizin (Iatroastrologie), die die Glieder des menschlichen Körpers vom Kopf bis zu den Füßen den zwölf Tierkreiszeichen zuordnete, ähnlich wie dargestellt in der Abbildung des Tierkreiszeichenmannes, Homo signorum. Auf diese Weise spiegelte schliesslich alles physische Leben auf Erden sich im Tierkreis wider.
Die folgenden zwei Übersichten erstellte der Astrologe Antiochos von Athen (2. Jahrhundert n. Chr.);<ref>Carl Bezold, Franz Boll, Wilhelm Gundel: Sternglaube und Sterndeutung. Die Geschichte und das Wesen der Astrologie. 7. Auflage. G. B. Teubner, Stuttgart, Nachdruck Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977, S. 54, 192.</ref> Ergänzungen finden sich bei Claudius Ptolemäus (100–160 n. Chr.)<ref>Claudius Ptolemäus: Tetrabiblos. („Vier Bücher“). Vierbändiges Grundlagenwerk der Astrologie, 2. Jahrhundert n. Chr. Nach der von Philipp Melanchthon ins Griechische und Lateinische verfassten Ausgabe (1553) ins Deutsche übersetzt von M. Erich Winkel, Buch I und II, Linser Verlag, Berlin 1923, S. 34, 37, 39, 69, 89. (Neuauflage: Chiron-Verlag, Mössingen 2000, ISBN 3-925100-17-2, S. 160, 166)</ref> und Vettius Valens (120–175 n. Chr.). Sie basieren auf dem tropischen Tierkreis, der mit dem Widderpunkt, also dem Frühlingsanfang beginnt:<ref>Otto Schönberger, Eberhard Knobloch: Blütensträusse. Übersetzung ins Deutsche „Vettius Valens, Anthologiae“. Chiron Verlag, Tübingen 2005, zahlreiche Textstellen</ref>
Tierkreiszeichen | Jahreszeit | Elemente | Qualität | Lebensalter | Windrichtung |
---|---|---|---|---|---|
Widder Stier Zwillinge |
Frühling | Feuer Erde Luft |
trocken + warm trocken + kalt feucht + warm |
Kindheit | Süd |
Krebs Löwe Jungfrau |
Sommer | Wasser Feuer Erde |
feucht + kalt trocken + warm trocken + kalt |
Jugend | Ost |
Waage Skorpion Schütze |
Herbst | Luft Wasser Feuer |
feucht + warm feucht + kalt trocken + warm |
Mannheit | Nord |
Steinbock Wassermann Fische |
Winter | Erde Luft Wasser |
trocken + kalt feucht + warm feucht + kalt |
Alter | West |
Qualitäten | Aggregatzustände | Säfte | Temperament | Farben |
---|---|---|---|---|
feucht + warm | flüssig | Blut | sanguinisch | Rot |
trocken + warm | fein (gasförmig) | Galle | cholerisch | Gelb |
trocken + kalt | dicht | schwarze Galle | melancholisch | Schwarz |
feucht + kalt | zähe | Schleim | phlegmatisch | Weiß |
Tierkreiszeichen | Geographie |
---|---|
Widder | Britannien, Galatien, Germanien, Bastarnien, Koilesyrien, Palästina, Idumaea, Judaea |
Stier | Parthien, Medien, Persien, die Cykladen, Zypern, die Küste Kleinasiens |
Zwillinge | Hyrkanien, Armenien, Mathianien, Kyrenaika, Marmarika, Unter-Ägypten |
Krebs | Numidien, Karthago, Afrika, Bithynien, Phrygien, Kolchis |
Löwe | Italien, Gallien, Sizilien, Apulien, Phönizien, Chaldaea, Orchinien |
Jungfrau | Mesopotamien, Babylonien, Assyrien, Hellas, Achaia, Kreta |
Waage | Baktrien, Kasperia, Serika, Theben, Oasis, das Land der Troglodyten |
Skorpion | Metagonien, Mauretanien, Gaetulien, Syrien, Kommagene, Kappadokien |
Schütze | Thyrrhenien, das Land der Kelten, Spanien, Arabia Felix |
Steinbock | Indien, Arrianien, Gedrosien, Thrakien, Macedonien, Illyrien |
Wassermann | Sarmatien, Oxiana, Sogdiana, Arabien, Azania, Mittel-Äthiopien |
Fische | Phazanien, das Land der Nasamontanen, der Garamanten, Lydien, Kilikien, Pamphylien |
Kalenderdeutung, Kalenderastrologie
Angesichts der immer komplexeren Ausgestaltung des Tierkreises mit Deutungen und Einteilungen, ergänzt u. a. um Tabellen für günstige bzw. ungünstige, verhängnisvolle bzw. unheilvolle und neutrale Tage sowie Jahres-, Monats- und Tagesregenten, begann sich um die Zeitenwende eine eigenständige Tierkreisastrologie zu etablieren. In der Praxis beschränkte sie sich auf den Geburtstag als Grundlage, wodurch sie sich zur ausschließlichen Kalenderdeutung wandelte.<ref name="boll60">Carl Bezold, Franz Boll, Wilhelm Gundel: Sternglaube und Sterndeutung. Die Geschichte und das Wesen der Astrologie. 6./7. Auflage. G. B. Teubner, Stuttgart 1974/1977, S. 60.</ref> Als Vorläufer kann die „Tabula Bianchini“, eine Sternwahrsagetafel, ein astromantisches Würfelbrett, entwickelt um 3.–2. Jahrhundert v. Chr., angesehen werden.<ref name="boll60_149_191ff"/><ref>James Evans: The Astrologer’s Apparatus: A Picture of Professional Practice in Greco-Roman Egypt. In: Journal for the History of Astronomy. (ISSN 0021-8286), Bd. 35, Teil 1, Nr. 118, S. 6, 8, 13.</ref>
Mit der eigentlichen, der ernsten Astrologie (s. u.), zu deren Selbstverständnis die gewissenhafte Berechnung der Positionen von Sonne, Mond und Planeten gehört, hatte sie keine Ähnlichkeit mehr, bediente sich aber nach wie vor ihres Namens, vielleicht um bedeutungsvoller zu erscheinen.<ref>Carl Bezold, Franz Boll, Wilhelm Gundel: Sternglaube und Sterndeutung. Die Geschichte und das Wesen der Astrologie. 6./7. Auflage. G. B. Teubner, Stuttgart 1974/1977, S. 101 ff., 173 ff.</ref>
Die Kalenderdeutung, vermischt mit Volksaberglauben und Brauchtum, begünstigte den Beginn der vereinfachten, oberflächlichen Laien- und Unterhaltungsastrologie. Sie blühte innerhalb weniger Jahrhunderte zu ungeahnter Größe auf, Jahresbilder, Monatsbilder, Planetenkinder kamen hinzu, wozu auch die Kunst in Malerei, Architektur, Bildhauerei, Literatur und Musik erheblich beitrug, die sich von der Idee, im Tierkreis spiegele sich alles Irdisch-Menschliche wider, kreativ inspirieren ließ (Beispiele: Albrecht Dürer, 1471–1528, Melencolia I/Melancholia und Illustration zu Theoderich Ulsenius’ Syphilisgedicht; Sammlung Aby Warburg, und Monatsbilder im Palazzo Schifanoia; außerdem viele Fresken, Wand- und Deckenmalereien, Marmortafeln, aufwendige Holzschnitte für Handschriften).
Ihre phantasiereichen Vertreter traf man in erlauchten Kreisen ebenso wie auf Straßen, Jahrmärkten und im Zirkus; auch redegewandte Scharlatane und Betrüger fanden sich ein, die versuchten, die Leichtgläubigkeit der Menschen mit ihren doppelsinnigen, vagen und allgemeingültigen, aber glaubhaft wirkenden Wahrsagetexten zu beeindrucken.<ref>Carl Bezold, Franz Boll, Wilhelm Gundel: Sternglaube und Sterndeutung. Die Geschichte und das Wesen der Astrologie. 6./7. Auflage. G. B. Teubner, Stuttgart 1974/1977, S. 70.</ref> Die Kalenderdeutung hatte für jeden Geschmack etwas dabei und bot Beschreibungen an, die allesamt dem Barnum-Effekt zuzuordnen sind.
Mit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert wuchs ihre Verbreitungsmöglichkeit sprunghaft. Ihre millionenfache Abhandlungen durch Publikationen auf Zuckerwürfelchen, Jahrmarktkärtchen, Briefmarken, Münzen, Amuletten und Textilien aller Art, in Zeitungen, Zeitschriften, Pamphleten, billigen Ratgebern, Blättchen, Heftchen, Broschüren, Kalendern aller Art, Büchern, TV- und Rundfunksendungen sowie Internetangeboten sind bis heute ungebrochen. Sie ist international Bestandteil des Alltags geworden, ebenso wie die chinesische Astrologie, die auch der Kalenderdeutung zuzuordnen ist, weil sie keine Berechnungen der Positionen von Sonne, Mond und Planeten benötigt.
Rezeption
Der an Astrologie glaubende Teil der Bevölkerung hält die Kalenderastrologie für die eigentlich richtige Astrologie. Im Jahre 1975 wurde eine Erklärung mit dem Titel „Einwände gegen die Astrologie“ veröffentlicht. Einleitend heißt es: „Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche haben sich mit der zunehmenden Beliebtheit der Astrologie in vielen Teilen der Welt beschäftigt. Wir, die Unterzeichneten – Astronomen, Astrophysiker und Naturwissenschaftler anderer Fachrichtungen – möchten die Öffentlichkeit vor einem ungeprüften Vertrauen zu den Vorhersagen und Ratschlägen warnen, die Astrologen privat und öffentlich machen und erteilen. Wer an die Astrologie glauben möchte, sollte sich vor Augen halten, dass es für ihre Lehren keine wissenschaftliche Grundlage gibt.“ Die Erklärung unterzeichneten 186 Wissenschaftler, darunter 18 Nobelpreisträger.<ref>The Humanist. September/Oktober, 35, Nr. 5, 1975, In: Objections to Astrology. A Statement by 186 Scientists. In: Patrick Grim (Hrsg.): Philosophy of Science and the Occult. State University of New York Press, Albany 1982, S. 14–18.</ref>
1997 erschien das Buch „Die Akte Astrologie“ von Gunter Sachs.<ref>Gunter Sachs: Die Akte Astrologie. Wissenschaftlicher Nachweis eines Zusammenhangs zwischen den Sternzeichen und dem menschlichen Verhalten. Goldmann, München 1997, ISBN 3-442-30746-5.</ref> Sachs’ Mitarbeiter, bestehend aus Mathematikern und Statistikern, überprüften über 20 Millionen schweizerische, englische, deutsche und französische Daten. Seine Feststellung, es gebe signifikante Zusammenhänge zwischen den Tierkreiszeichen und verschiedenen Verhaltensweisen, etwa bei Eheschließung, Berufswahl, Verkehrsverhalten oder Neigung zum Suizid, wurde von verschiedenen anderen Wissenschaftlern (Mathematiker, Statistiker) gegensätzlich bewertet. Einige bestätigten Sachs, andere widersprachen, weil sie die statistische Aussagekraft der Studie anders beurteilten.<ref>Alexander von Eye, Friedrich Lösel, Roni Mayzer: Is it all written in the stars? A methodological commentary on Sachs’ astrology monograph and re-analyses of his data on crime statistics. In: Psychology Science. 2003, Vol. 45, S. 78–91.</ref>
Ein Einfluss der Lage des Geburtstags im Jahreszyklus auf den Charakter eines Menschen lässt sich nicht ausschließen, wirkt sie sich doch auf die Abfolge unterschiedlicher Lebensbedingungen in den prägenden ersten Lebensmonaten und Lebensjahren aus. Sicher ist jedoch, dass diese Lebensbedingungen nichts mit der mythologischen Bedeutung der einmal willkürlich gewählten Bezeichnungen von Sternbildern und Sternen zu tun haben.
Mit der Tierkreisastrologie befasste sich auch das dänisch-deutsche Forscherteam um Peter Hartmann in einer großangelegten Studie. Es wertete die Daten von insgesamt mehr als 15.000 Personen statistisch aus und stellte fest: ein Zusammenhang zwischen Geburtsdatum – und damit auch dem Tierkreiszeichen, in dem zum Zeitpunkt der Geburt die Sonne steht – und individuellen Persönlichkeitsmerkmalen konnte nicht nachgewiesen werden.<ref>Peter Hartmann (Universität von Aarhus) u. a.: The relationship between date of birth and individual differences in personality and general intelligence: A large-scale study. In: Personality and Individual Differences. Mai 2006, Bd. 40, S. 1349–1362.</ref>
Abgrenzung zur mathematisch orientierten Astrologie
Von vielen Menschen wird Astrologie als Kalenderdeutung verstanden und hat nur Unterhaltungswert. Die ernsthaft betriebene, mathematisch und psychologisch orientierte Astrologie ist dagegen weniger im Blickfeld der Öffentlichkeit. Dem seriösen Astrologen dient der Tierkreis nur als Messkreis für das zu erstellende Horoskop, um die Positionen von Sonne, Mond und Planeten sowie Schnittpunkten einzutragen. Vor allem werden die Konstellationen nach genauen Vorgaben untersucht und beim Vergleich mit Tatsachen auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Deshalb verlangt die Astrologie Kenntnisse u. a. in Mathematik, Geometrie, Trigonometrie, Geographie und Astronomie. Sie wird in kleinen Schulen gelehrt. Eine ansteigende Verbreitung ist nicht zu erkennen. Ihre vergleichsweise geringen Auflagen (100 bis 500 Exemplare), ohne öffentliche Resonanz, bestätigen das.<ref>Christoph Schubert-Weller: Wege der Astrologie – Schulen und Methoden im Vergleich. Chiron Verlag, Mössingen 2000, ISBN 3-925100-22-9, S. 50 ff., 196 ff., 236 ff., 270 ff., 285 ff., 307 ff.</ref>
Tierkreiszeichen und bürgerlicher Kalender
Der tropische Tierkreis mit seinen zwölf gleich großen Abschnitten, den Tierkreiszeichen, dient dem abendländischen Horoskop als Messkreis. Als Tierkreiszeichen einer Person wird dasjenige bezeichnet, in dem die Sonne zum Zeitpunkt ihrer Geburt stand (Geburtszeichen), mitunter wird ergänzend, wenn Geburtszeit und Geburtsort bekannt sind, auch die Position des Aszendenten in einem Tierkreiszeichen genannt. Beispiel: Sonne im Krebs und (ergänzend) Aszendent im Skorpion.
Da die Sonne selten um Mitternacht von einem Tierkreiszeichen in das nächste wechselt, ist die häufig zu findende allgemeine Einteilung nach Kalendertagen nicht vollkommen präzise. Der genaue Zeitpunkt des Übergangs variiert auch von Jahr zu Jahr, da das Sonnenjahr nicht genau 365 Tage lang ist. Astrologen berechnen den Übergang daher genau unter Zuhilfenahme der Ephemeriden, in Tierkreiszeichen-Büchern und Zeitungshoroskopen ist dennoch die Angabe von Kalendertagen üblich.
Die Tierkreiszeichen spielen auch eine Rolle in den Ende des 20. Jahrhunderts wieder in Mode gekommenen Mondkalendern, die auf Frühformen aus dem Mittelalter zurückgehen.
Die zwölf Tierkreiszeichen des Zodiaks
Tierkreiszeichen | Symbolik | ekliptikale Länge |
Zeitraum des scheinbaren Sonnendurchgangs (2011)* | |||
---|---|---|---|---|---|---|
deutsch | lateinisch | altgriechisch | ||||
Widder | Aries | Κριός | Widder | 80px | 0°–30° | 21. März – 20. April |
Stier | Taurus | Tαῦρος | Stier | 80px | 30°–60° | 21. April – 21. Mai |
Zwillinge | Gemini | Δίδυμοι | Zwillinge | 80px | 60°–90° | 22. Mai – 21. Juni |
Krebs | Cancer | Καρκίνος | Krebs | 80px | 90°–120° | 22. Juni – 22. Juli |
Löwe | Leo | Λέων | Löwe | 80px | 120°–150° | 23. Juli – 22. August |
Jungfrau | Virgo | Παρθένος | Jungfrau | 80px | 150°–180° | 23. August – 22. September |
Waage | Libra | Ζυγὁς | Waage | 80px | 180°–210° | 23. September – 22. Oktober |
Skorpion | Scorpio | Σκορπίος | Skorpion | 80px | 210°–240° | 23. Oktober – 22. November |
Schütze | Sagittarius | Τοξότης | Schütze | 80px | 240°–270° | 23. November – 20. Dezember |
Steinbock | Capricornus | Αἰγοκερεύς | Steinbock | 80px | 270°–300° | 21. Dezember – 19. Januar |
Wassermann | Aquarius | Ὑδροχόος | Wassermann | 80px | 300°–330° | 20. Januar – 18. Februar |
Fische | Pisces | Ἰχθύες | Fische | 80px | 330°–360° | 19. Februar – 20. März |
* Aufgeführt sind die Sonnendurchgänge durch die Tierkreiszeichen als gleich große Abschnitte der Ekliptik. Die Datumsangaben sind Mittelwerte, aus Kalendergründen (Schaltjahre) können die Daten um ± einen Tag abweichen.<ref>Angaben nach Gertrud I. Hürlimann: Astrologie. 6. Auflage. Edition Astroterra, M & T Verlag, Zürich 1990, S. 22.</ref> Siehe auch die Ekliptiksternbilder im Artikel Zodiak mit den Vergleichszeiten der Sonnendurchgänge durch die unterschiedlich großen Sternbilder.
Tierzeichen in Indien und China
Die Erdzweige („chinesische Tierzeichen“) haben nichts mit dem Sternenhimmel zu tun, sondern sind ein Nummerierungssystem des chinesischen Kalenders, der als astronomischer Kalender auf die tatsächliche Sonnenbahn bezogen ist. Sie gehen vermutlich auf die antike Dodekaetris zurück.
In der indischen Astrologie sind die 30 Grad großen Tierkreiszeichen an die Sternbilder gebunden und wandern mit ihnen allmählich durch die Jahreszeiten. Diese Art der Astrologie bezeichnet man als siderische Astrologie im Unterschied zur tropischen Astrologie mit an den Frühlingspunkt gebundenen Zeichen.
Siehe auch
Literatur
- Carl Bezold, Franz Boll, Wilhelm Gundel: Sternglaube und Sterndeutung. Die Geschichte und das Wesen der Astrologie. 6. und 7. Auflage. G. B. Teubner, Stuttgart 1974/1977.
- Hans Georg Gundel: Zodiakos: Tierkreisbilder im Altertum. Kosmische Bezüge und Jenseitsvorstellungen im antiken Alltagsleben. (= Kulturgeschichte der antiken Welt. Band 54). Von Zabern, Mainz 1992, ISBN 3-8053-1324-1
- Wolfgang Hübner: Die Eigenschaften der Tierkreiszeichen in der Antike: Ihre Darstellung und Verwendung unter besonderer Berücksichtigung des Manilius. (= Sudhoffs Archiv. Beihefte, Band 22). Steiner, Wiesbaden 1982, ISBN 3-515-03337-8.
- Robert Powell: Geschichte des Tierkreises. Diss. phil. [Warschau 2004]. Aus dem Englischen übersetzt von Wilhelm Maas. Astronova, Tübingen 2006, ISBN 3-937077-23-5.
- Wolfgang Hübner: Tierkreis. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 12, Metzler, Stuttgart 2002, ISBN 3-476-01470-3, Sp. 553–563.
- Claudius Ptolemäus: Tetrabiblos. („Vier Bücher“). Vierbändiges Grundlagenwerk der Astrologie, 2. Jahrhundert n. Chr. Nach der von Philipp Melanchton ins Griechische und Lateinische verfassten Ausgabe (1553) ins Deutsche übersetzt von M. Erich Winkel. Linser Verlag, Berlin 1923 (Neuauflage: Chiron Verlag, Mössingen 2000, ISBN 3-925100-17-2).
- Frances Sakoian, Louis S. Acker: Das große Lehrbuch der Astrologie. 2. Auflage. Fischer Tb, Frankfurt 2005, ISBN 3-596-16851-1.
- Otto Schönberger, Eberhard Knobloch: Blütensträusse. Übersetzung ins Deutsche „Vettius Valens, Anthologiae“. Chiron Verlag, Tübingen 2005, ISBN 3-89590-150-4.
- Christoph Schubert-Weller: Wege der Astrologie – Schulen und Methoden im Vergleich. Chiron Verlag, Mössingen 2000, ISBN 3-925100-22-9.
Weblinks
Einzelnachweise
<references />