Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik


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Poslanecká sněmovna
Abgeordnetenhaus
Logo Thunovský palác, Sitz des Abgeordnetenhauses
Logo Thunovský palác, Sitz des Abgeordnetenhauses
Basisdaten
Sitz: Thunovský palác,
Prag
Legislaturperiode: 4 Jahre
Abgeordnete: 200
Aktuelle Legislaturperiode
Letzte Wahl: 25./26. Oktober 2013
Vorsitz: Jan Hamáček (ČSSD)
33
50
2
10
47
14
26
16
2
33 50 10 47 14 26 16 
Sitzverteilung:
  • ČSSD 50
  • ANO 47
  • KSČM 33
  • TOP 09 26
  • ODS 16
  • KDU-CSL 14
  • Úsvit 10
  • Parteilose 2
  • SPD 2
  • Website
    www.psp.cz

    Das Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik (tschechisch: Poslanecká sněmovna Parlamentu České republiky, abgekürzt: PS PČR) ist das Unterhaus des tschechischen Parlaments.

    Genese

    Das Abgeordnetenhaus wurde zum 1. Januar 1993 mit der Verfassung aus dem Jahre 1992 als untere Kammer des Parlaments mit 200 Abgeordneten geschaffen. Es entstand durch Umbenennung aus dem Tschechischen Nationalrat und steht in der Tradition des Abgeordnetenhauses der Tschechoslowakei bis 1939.

    Bis 1996 war das Abgeordnetenhaus de facto ein Einkammernparlament, da die Einrichtung des von der Verfassung vorgesehenen Senates erst vom Abgeordnetenhaus vollzogen werden musste. Debatten über die Sinnhaftigkeit sowie die Tatsache, dass das Abgeordnetenhaus bis zur Einrichtung des Senates unauflösbar war, verzögerten dies, so dass erst 1996 die ersten Wahlen zum Senat stattfanden.<ref>Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993-2000, Münster 2003, S. 51.</ref>

    Insbesondere in außenpolitischen Fragen spielt das Abgeordnetenhaus in den ersten Jahren nur eine geringe Rolle, da es durch die Aufwertung vom Regional- zum Nationalparlament nicht mit entsprechenden Fachleuten besetzt war. Die mit der verkürzten Wahlperiode und der Teilung des Staates verbundene Unsicherheit sowie mangelnde Ausstattung schwächten die Arbeit der Parlamentarier zusätzlich.<ref>Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993-2000, Münster 2003, S. 51-52.</ref>

    Aufgaben

    Aufgabe des Parlaments ist in erster Linie die Kontrolle der Regierung und die Verabschiedung von Gesetzen. Die Abgeordneten besitzen selbst ein gesetzgeberisches Initiativrecht (kein ausschließliches). Gesetze werden zuerst vom Abgeordnetenhaus verabschiedet. Danach wird der Gesetzesentwurf dem Senat vorgelegt. Bezieht der Senat negativ Stellung, kann er vom Abgeordnetenhaus mit der absoluten Mehrheit aller Abgeordneten überstimmt werden. Nur in besonders wichtigen Situationen wird die Zustimmung beider Kammern benötigt. In diesen Bereich gehören insbesondere die Verabschiedung von Verfassungsgesetzen, des Wahlgesetzes, die Wahl des Präsidenten, Ausrufung des Kriegszustands oder die Entsendung von Truppen ins Ausland. Auch bei manchen internationalen Verträgen ist eine Zustimmung des Parlaments erforderlich. Des Weiteren verkündet das Parlament den Kriegszustand im Falle eines gegnerischen Angriffs oder wenn internationale militärische Bündnisverpflichtungen erfüllt werden müssen.

    Das Abgeordnetenhaus siedelt in drei Blöcken von Häusern und Palästen auf der Prager Kleinseite.

    Zusammensetzung

    Sitzverteilung nach der Wahl 2013
    33
    50
    14
    47
    14
    26
    16
    33 50 14 47 14 26 16 
    Von 200 Sitzen entfallen auf:

    Das aus 200 Mandatsträgern bestehende Abgeordnetenhaus setzt sich aktuell wie folgt zusammen:

    Logo Partei Ausrichtung Vorsitzender Sitze
      50px Česká strana sociálně demokratická (ČSSD)
    Tschechische Sozialdemokratische Partei
    sozialdemokratisch Bohuslav Sobotka 50
      50px Akce nespokojených občanů (ANO)
    Aktion unzufriedener Bürger
    populistisch Andrej Babiš 47
      50px Komunistická strana Čech a Moravy (KSČM)
    Kommunistische Partei Böhmens und Mährens
    kommunistisch Vojtěch Filip 33
      50px Tradice, Odpovědnost, Prosperita (TOP 09)
    Tradition, Verantwortung, Wohlstand
    konservativ Karel Schwarzenberg 26
      50px Občanská demokratická strana (ODS)
    Demokratische Bürgerpartei
    liberalkonservativ Petr Fiala 16
      50px Křesťanská a demokratická unie – Československá strana lidová (KDU-ČSL)
    Christliche und Demokratische Union - Tschechoslowakische Volkspartei
    christdemokratisch Pavel Bělobrádek 14
      50px Úsvit přímé demokracie (Úsvit)
    Morgendämmerung der direkten Demokratie
    rechtspopulistisch vakant 10
      50px Svoboda a přímá demokracie (SPD)
    Freiheit und direkte Demokratie
    nationalliberal Tomio Okamura 2
      Parteilose 2
    Gesamt 200

    Nach dem Austritt von Jiří Pospíšil aus der ODS und der ODS-Fraktion im Februar 2014 verkleinerte sich der die Zahl der ODS-Mandate auf 15. Nach dessen Ausscheiden aus dem Abgeordnetenhaus im Juni 2014 stellt die ODS wieder 16 Mandate. Nach dem Austritt von vier Abgeordneten der Úsvit (inklusive Parteichef Tomio Okamura) im Februar 2015 verkleinerte sich die Úsvit-Fraktion auf nunmehr 10 Sitze, womit sie seitdem die kleinste Fraktion im tschechischen Parlament darstellt. Zwei der ehemaligen Úsvit-Abgeordneten, darunter Okamura selbst, gründeten daraufhin die Svoboda a přímá demokracie (SPD).

    Eine Besonderheit des tschechischen Parlamentarismus ist im Vergleich mit anderen ostmitteleuropäischen Staaten die Existenz einer starken kommunistischen Partei, der KSČM. Anders als in anderen ehemaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion wurde diese nicht zu einer sozialdemokratischen Partei transformiert oder durch eine solche ersetzt, sondern besteht neben der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei als parlamentarisch repräsentierte Partei weiter. Grund sind die "Säuberungen" nach dem Prager Frühling, durch welche progressive und reformorientierte Kräfte aus der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei entfernt wurden. Da die KSČM als koalitionsunfähig gilt, gleichzeitigt aber beständig zwischen 22 und 41 Sitze im Abgeordnetenhaus innehatte, führte dies zu einer gespaltenen Opposition von Kommunisten und Sozialdemokraten, die nicht in der Lage war, eine klare Alternative zum konservativ-liberalen Lager zu bilden. Diese Situation führte auch zu beständigen Flügelkämpfen innerhalb der ČSSD und zu einem teils aggressiven Politikstil dieser Partei.<ref>Vgl. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993-2000, Münster 2003, S. 61.</ref> Verschärft wird diese Situation durch die häufig sehr knappen Mehrheitsverhältnisse zwischen dem "linken" und dem "rechten" Parteienspektrum, was einer der Gründe für die ständige Instabilität der tschechischen Regierungen ist. Eine Folge dieser Situation war der Oppositionsvertrag.

    Bis 1996 erschwerte auch die Existenz der ebenso koalitionsunfähigen Republikaner die Schaffung einer glaubwürdigen Alternative zur Regierung.<ref>Vgl. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993-2000, Münster 2003, S. 63.</ref>

    Wahl

    Das Abgeordnetenhaus wird in einem Verhältniswahlverfahren gewählt. Die politischen Parteien stellen in den Wahlkreisen (die mit den Gebieten der 14 Regionen übereinstimmen) Kandidatenlisten auf. Es gibt eine Sperrklausel von 5 %. Die Stimmen werden nach dem D’Hondt-Verfahren in Mandate umgerechnet. Der Wähler kann zwei Kandidaten eine Präferenzstimme erteilen. Das Mindestalter der Kandidaten ist 21 Jahre. Die Legislaturperiode beträgt 4 Jahre.

    Die letzten Parlamentswahlen fanden am 28./29. Mai 2010 statt. Das vorläufige amtliche Endergebnis laut Tschechische Statistischen Amt lautet<ref>Wahlen 2010 beim Tschechischen Statistischen Amt (englisch)</ref>:


    Wahlergebnisse der Wahlen ins Abgeordnetenhaus
    Name 31. Mai/1. Juni 1996 19./20. Juni 1998 14./15. Juni 2002 2./3. Juni 2006 28./29. Mai 2010
    ČSSD 26,44 % 32,31 % 30,20 % 32,32 % 22,09 %
    ODS 29,62 % 27,74 % 24,47 % 35,38 % 20,22 %
    TOP 09 - - - - 16,71 %
    KSČM 10,33 % 11,03 % 18,51 % 12,81 % 11,27 %
    Věci veřejné - - - - 10,88 %
    KDU-ČSL 8,08 % 9,00 % 14,27 %*) 7,22 % 4,88 %
    SZ - 1,12 % 2,36 % 6,29 % 2,44 %
    Sonstige 25,53 % 18,80 % 10,19 % 5,98 % 12,00 %
    Wahlbeteiligung 76,41 % 74,03 % 58,00 % 64,47 % 62,55 %
    *) Die KDU-ČSL trat zur Parlamentswahl 2002 in einer Koalition mit der US-DEU an.

    Vorsitzender des Abgeordnetenhauses

    Verweise

    Literatur

    • Petr Kolář, Petr Valenta: Das Parlament der Tschechischen Republik - das Abgeordnetenhaus. Prag : Für die Kanzlei des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik herausgegeben von Ivan Král 2009. ISBN 978-80-87324-02-8.

    Einzelnachweise

    <references />

    Siehe auch

    Weblinks