Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik
Logo | Thunovský palác, Sitz des Abgeordnetenhauses |
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Logo | Thunovský palác, Sitz des Abgeordnetenhauses |
Basisdaten | |
Sitz: | Thunovský palác, Prag |
Legislaturperiode: | 4 Jahre |
Abgeordnete: | 200 |
Aktuelle Legislaturperiode | |
Letzte Wahl: | 25./26. Oktober 2013 |
Vorsitz: | Jan Hamáček (ČSSD) |
Sitzverteilung: | |
Website | |
www.psp.cz |
Das Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik (tschechisch: Poslanecká sněmovna Parlamentu České republiky, abgekürzt: PS PČR) ist das Unterhaus des tschechischen Parlaments.
Inhaltsverzeichnis
Genese
Das Abgeordnetenhaus wurde zum 1. Januar 1993 mit der Verfassung aus dem Jahre 1992 als untere Kammer des Parlaments mit 200 Abgeordneten geschaffen. Es entstand durch Umbenennung aus dem Tschechischen Nationalrat und steht in der Tradition des Abgeordnetenhauses der Tschechoslowakei bis 1939.
Bis 1996 war das Abgeordnetenhaus de facto ein Einkammernparlament, da die Einrichtung des von der Verfassung vorgesehenen Senates erst vom Abgeordnetenhaus vollzogen werden musste. Debatten über die Sinnhaftigkeit sowie die Tatsache, dass das Abgeordnetenhaus bis zur Einrichtung des Senates unauflösbar war, verzögerten dies, so dass erst 1996 die ersten Wahlen zum Senat stattfanden.<ref>Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993-2000, Münster 2003, S. 51.</ref>
Insbesondere in außenpolitischen Fragen spielt das Abgeordnetenhaus in den ersten Jahren nur eine geringe Rolle, da es durch die Aufwertung vom Regional- zum Nationalparlament nicht mit entsprechenden Fachleuten besetzt war. Die mit der verkürzten Wahlperiode und der Teilung des Staates verbundene Unsicherheit sowie mangelnde Ausstattung schwächten die Arbeit der Parlamentarier zusätzlich.<ref>Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993-2000, Münster 2003, S. 51-52.</ref>
Aufgaben
Aufgabe des Parlaments ist in erster Linie die Kontrolle der Regierung und die Verabschiedung von Gesetzen. Die Abgeordneten besitzen selbst ein gesetzgeberisches Initiativrecht (kein ausschließliches). Gesetze werden zuerst vom Abgeordnetenhaus verabschiedet. Danach wird der Gesetzesentwurf dem Senat vorgelegt. Bezieht der Senat negativ Stellung, kann er vom Abgeordnetenhaus mit der absoluten Mehrheit aller Abgeordneten überstimmt werden. Nur in besonders wichtigen Situationen wird die Zustimmung beider Kammern benötigt. In diesen Bereich gehören insbesondere die Verabschiedung von Verfassungsgesetzen, des Wahlgesetzes, die Wahl des Präsidenten, Ausrufung des Kriegszustands oder die Entsendung von Truppen ins Ausland. Auch bei manchen internationalen Verträgen ist eine Zustimmung des Parlaments erforderlich. Des Weiteren verkündet das Parlament den Kriegszustand im Falle eines gegnerischen Angriffs oder wenn internationale militärische Bündnisverpflichtungen erfüllt werden müssen.
Das Abgeordnetenhaus siedelt in drei Blöcken von Häusern und Palästen auf der Prager Kleinseite.
Zusammensetzung
Das aus 200 Mandatsträgern bestehende Abgeordnetenhaus setzt sich aktuell wie folgt zusammen:
Nach dem Austritt von Jiří Pospíšil aus der ODS und der ODS-Fraktion im Februar 2014 verkleinerte sich der die Zahl der ODS-Mandate auf 15. Nach dessen Ausscheiden aus dem Abgeordnetenhaus im Juni 2014 stellt die ODS wieder 16 Mandate. Nach dem Austritt von vier Abgeordneten der Úsvit (inklusive Parteichef Tomio Okamura) im Februar 2015 verkleinerte sich die Úsvit-Fraktion auf nunmehr 10 Sitze, womit sie seitdem die kleinste Fraktion im tschechischen Parlament darstellt. Zwei der ehemaligen Úsvit-Abgeordneten, darunter Okamura selbst, gründeten daraufhin die Svoboda a přímá demokracie (SPD).
Eine Besonderheit des tschechischen Parlamentarismus ist im Vergleich mit anderen ostmitteleuropäischen Staaten die Existenz einer starken kommunistischen Partei, der KSČM. Anders als in anderen ehemaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion wurde diese nicht zu einer sozialdemokratischen Partei transformiert oder durch eine solche ersetzt, sondern besteht neben der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei als parlamentarisch repräsentierte Partei weiter. Grund sind die "Säuberungen" nach dem Prager Frühling, durch welche progressive und reformorientierte Kräfte aus der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei entfernt wurden. Da die KSČM als koalitionsunfähig gilt, gleichzeitigt aber beständig zwischen 22 und 41 Sitze im Abgeordnetenhaus innehatte, führte dies zu einer gespaltenen Opposition von Kommunisten und Sozialdemokraten, die nicht in der Lage war, eine klare Alternative zum konservativ-liberalen Lager zu bilden. Diese Situation führte auch zu beständigen Flügelkämpfen innerhalb der ČSSD und zu einem teils aggressiven Politikstil dieser Partei.<ref>Vgl. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993-2000, Münster 2003, S. 61.</ref> Verschärft wird diese Situation durch die häufig sehr knappen Mehrheitsverhältnisse zwischen dem "linken" und dem "rechten" Parteienspektrum, was einer der Gründe für die ständige Instabilität der tschechischen Regierungen ist. Eine Folge dieser Situation war der Oppositionsvertrag.
Bis 1996 erschwerte auch die Existenz der ebenso koalitionsunfähigen Republikaner die Schaffung einer glaubwürdigen Alternative zur Regierung.<ref>Vgl. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993-2000, Münster 2003, S. 63.</ref>
Wahl
Das Abgeordnetenhaus wird in einem Verhältniswahlverfahren gewählt. Die politischen Parteien stellen in den Wahlkreisen (die mit den Gebieten der 14 Regionen übereinstimmen) Kandidatenlisten auf. Es gibt eine Sperrklausel von 5 %. Die Stimmen werden nach dem D’Hondt-Verfahren in Mandate umgerechnet. Der Wähler kann zwei Kandidaten eine Präferenzstimme erteilen. Das Mindestalter der Kandidaten ist 21 Jahre. Die Legislaturperiode beträgt 4 Jahre.
Die letzten Parlamentswahlen fanden am 28./29. Mai 2010 statt. Das vorläufige amtliche Endergebnis laut Tschechische Statistischen Amt lautet<ref>Wahlen 2010 beim Tschechischen Statistischen Amt (englisch)</ref>:
Name | 31. Mai/1. Juni 1996 | 19./20. Juni 1998 | 14./15. Juni 2002 | 2./3. Juni 2006 | 28./29. Mai 2010 |
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ČSSD | 26,44 % | 32,31 % | 30,20 % | 32,32 % | 22,09 % |
ODS | 29,62 % | 27,74 % | 24,47 % | 35,38 % | 20,22 % |
TOP 09 | - | - | - | - | 16,71 % |
KSČM | 10,33 % | 11,03 % | 18,51 % | 12,81 % | 11,27 % |
Věci veřejné | - | - | - | - | 10,88 % |
KDU-ČSL | 8,08 % | 9,00 % | 14,27 %*) | 7,22 % | 4,88 % |
SZ | - | 1,12 % | 2,36 % | 6,29 % | 2,44 % |
Sonstige | 25,53 % | 18,80 % | 10,19 % | 5,98 % | 12,00 % |
Wahlbeteiligung | 76,41 % | 74,03 % | 58,00 % | 64,47 % | 62,55 % |
- *) Die KDU-ČSL trat zur Parlamentswahl 2002 in einer Koalition mit der US-DEU an.
Vorsitzender des Abgeordnetenhauses
- Milan Uhde (ODS) 30. Juni 1992 – 27. Juni 1996
- Miloš Zeman (ČSSD) 27. Juni 1996 – 17. Juli 1998
- Václav Klaus (ODS) 17. Juli 1998 – 11. Juli 2002
- Lubomír Zaorálek (ČSSD) 11. Juli 2002 – 14. August 2006
- Miloslav Vlček (ČSSD) 14. August 2006 – 22. April 2010<ref>Nachrichten – 22-04-2010 18:05 – Radio Prag. Radio.cz. 22. April 2010. Abgerufen am 18. August 2010.</ref>
- Miroslava Němcová (ODS) seit 22. April 2010 (zunächst kommissarisch, nach Neuwahl des Abgeordnetenhauses bestätigt)
Verweise
Literatur
- Petr Kolář, Petr Valenta: Das Parlament der Tschechischen Republik - das Abgeordnetenhaus. Prag : Für die Kanzlei des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik herausgegeben von Ivan Král 2009. ISBN 978-80-87324-02-8.
Einzelnachweise
<references />
Siehe auch
- Senat des Parlaments der Tschechischen Republik (Oberhaus des Parlaments)
- Politisches System Tschechiens
Weblinks
- Abgeordnetenhaus (tschechisch/englisch)
- Wahlergebnisse – Tschechisches statistisches Amt (tschechisch/englisch)
- Commons Commons: Poslanecká sněmovna Parlamentu ČR – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Commons Commons: Parlamentswahlen in der Tschechischen Republik 2010 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Wikinews Wikinews: Parlamentswahlen in Tschechien enden überraschend – in den Nachrichten
Staatenverbund:
Europäische Union: Europäisches Parlament
Souveräne Staaten:
Albanien: Versammlung Albaniens |
Andorra: Generalrat der Täler |
Belgien: Parlament (Abgeordnetenkammer, Senat) |
Bosnien und Herzegowina: Abgeordnetenhaus |
Bulgarien: Nationalversammlung |
Dänemark: Volksversammlung |
Deutschland: Deutscher Bundestag, Bundesrat |
Estland: Riigikogu |
Finnland: Reichstag |
Frankreich: Parlament (Nationalversammlung, Senat) |
Griechenland: Parlament |
Irland: Oireachtas (Versammlung, Senat) |
Island: Althing |
Italien: Parlament (Abgeordnetenkammer, Senat) |
Kroatien: Versammlung |
Lettland: Saeima |
Liechtenstein: Landtag |
Litauen: Seimas |
Luxemburg: Abgeordnetenkammer |
Malta: Repräsentantenhaus |
Mazedonien: Parlament |
Moldawien: Parlament |
Monaco: Nationalrat |
Montenegro: Parlament |
Niederlande: Generalstaaten (Erste Kammer, Zweite Kammer) |
Norwegen: Großversammlung |
Österreich: Parlament (Nationalrat, Bundesrat) |
Polen: Sejm, Senat |
Portugal: Versammlung der Republik |
Rumänien: Abgeordnetenkammer, Senat |
Russland: Föderationsversammlung (Duma, Föderationsrat) |
San Marino: Großer und Allgemeiner Rat |
Schweden: Reichstag |
Schweiz: Bundesversammlung (Nationalrat, Ständerat) |
Serbien: Nationalversammlung |
Slowakei: Nationalrat |
Slowenien: Staatsversammlung, Staatsrat |
Spanien: Cortes Generales (Abgeordnetenhaus, Senat) |
Tschechien: Abgeordnetenhaus, Senat |
Türkei: Große Nationalversammlung |
Ukraine: Oberster Rat |
Ungarn: Parlament |
Vatikan |
Vereinigtes Königreich: Parlament (Unterhaus, Oberhaus) |
Weißrussland: Repräsentantenhaus, Rat der Republik |
Zypern: Repräsentantenhaus
Sonstige (autonome und überseeische) Gebiete:
Åland: Lagting |
Färöer: Løgting |
Gibraltar: Parlament |
Guernsey: States of Guernsey |
Isle of Man: Tynwald (Haus der Schlüssel, Gesetzgebender Rat) |
Jersey: States of Jersey
Umstrittene (nicht anerkannte) Gebiete:
Kosovo: Parlament |
Transnistrien: Oberster Sowjet |
Türkische Republik Nordzypern: Versammlung der Republik