Waise
Als Waise (ahd. weiso, zu wīsan, ‚meiden, verlassen‘, immer im Femininum) oder Waisenkind wird ein Kind bezeichnet, das einen oder beide Elternteile verloren hat. Hierbei wird zwischen Vollwaisen (bei denen beide Eltern gestorben sind) und Halbwaisen (bei denen ein Elternteil gestorben ist) unterschieden. Dieses Kind wird nur Waise genannt, wenn der Verlust der Eltern in der Periode der Kindheit oder des Jugendalters liegt. Verliert ein Mensch im Erwachsenenalter seine Eltern, spricht man nicht mehr von einer Waise.
Im umgekehrten Fall bezeichnet man Eltern, die ein Kind verloren haben, als verwaiste Eltern.
Im Sprachgebrauch gibt es weitere Abwandlungen des Begriffs, beispielsweise die „Sozialwaise” (gemeint ist eine Kindheit ohne elterliche Fürsorge) oder die „AIDS-Waise” (benannt nach der Krankheit als Ursache für Verwaisung). Weitere Gründe, die zum Verwaisen von Kindern führen können, sind Krieg (Kriegswaise), Natur- und Industriekatastrophen oder Epidemien.
Wenn sich bei Vollwaisen keine Verwandten um die Erziehung der Kinder kümmern (können), gibt es in Deutschland verschiedene andere Betreuungsmöglichkeiten. In Absprache mit dem Jugendamt werden die Kinder entweder bei einer Pflegefamilie, in einem Kinderheim (früher: Waisenhaus oder Säuglingsheim) und – bei Jugendlichen – im betreuten Jugendwohnen (manchmal Jugendheim genannt) untergebracht. Die Eltern können im Testament bestimmen, zu wem im Falle ihres frühen Todes ein Kind kommen soll. Dafür benennen sie einen Vormund, der die Aufgaben der elterlichen Sorge übernehmen soll. Das Vormundschaftsgericht ist an die Entscheidung der Eltern gebunden, solange sie dem Wohl des Kindes dient.
Einige der in den deutschsprachigen Ländern bekanntesten Träger von Kinderheimen sind die Organisation SOS-Kinderdorf, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonie, Pro Juventute und viele weitere freie Träger der öffentlichen Jugendhilfe.
Eine verlässliche Gesamtzahl aller Waisenkinder weltweit gibt es nicht. UNICEF nennt als ungefähren Richtwert 163 Millionen Kinder, die als Waisen gelten.<ref>Waisenkinder.Kinder außen vor: Die Situation von Waisenkindern weltweit, SOS Kinderdörfer Weltweit 31. Januar 2014</ref> Humanium (NGO) beziffert die Zahl der Waisenkinder weltweit auf 153 Millionen, davon 71 Millionen in Asien, 59 Millionen in Afrika sowie rund 9 Millionen in Lateinamerika und der Karibik.<ref>Waisenkinder. Die Situation der Waisenkinder weltweit, Humanium. Hilft den Kindern 8. August 2013</ref>
Im Alltag erfährt der Begriff Waise zahlreiche sprachliche Adaptionen: Euro-Waisen, EU-Waisen, Waisenkinder der Medizin (siehe Orphan-Arzneimittel, Seltene Krankheit oder Orphanet), Waisen-Planet, Therapeutische Waisen, Waisenkinder der Forschung oder Scheidungswaise.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Altertum
Im Alten Orient ist der Schutz von Waisen bereits in vorbiblischen Zeiten ein theologisch begründetes, sozialrechtliches Anliegen. Eine Vielzahl ägyptischer und mesopotamischer Texte aus dem dritten und zweiten Jahrtausend v. Chr. machen deutlich, dass Waisen als besonders hilflos und bedürftig betrachtet wurden.<ref>N. Molnár-Hídvégi: Witwen und Waisen im Alten Orient. In: Das wissenschaftliche Bibelportal der Deutschen Bibelgesellschaft 04/2010.</ref> In einer 1951 entdeckten sumerischen Hymne erfolgt die Anrufung der Göttin Nasche von Lagasch mit den folgenden Worten:<ref>S. N. Kramer: Geschichte beginnt mit Sumer. München 1959, S. 86 ff.</ref>
„Sie welche die Waise kennt, welche die Witwe kennt, die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen kennt, Mutters der Waise ist. Nansche, welche für die Witwe sorgt … Die Königin nimmt den Flüchtling in ihrem Schoß, Gibt dem Schwachen Schutz.“
Tefnut (auch Tefnet; weitere Beinamen: „Nubische Katze“, „Wahrheit“) ist eine altägyptische Göttin, die zu den neun Schöpfergottheiten der heliopolitanischen Kosmogonie (Enneade von Heliopolis) gehört. Sie symbolisierte das Feuer.<ref>Jan Assmann: Tod und Jenseits im alten Ägypten. Beck, München 2001, S. 30; Susanne Bickel: La cosmogonie égyptienne. S. 169; Alexandra von Lieven: Grundriss des Laufes der Sterne. S. 192–194.</ref> In den Pyramidentexten ist für Tefnut im Zusammenhang des Himmelsaufstiegs vom König (Pharao) neben ihrem Namen Die Waise das Epitheton Die Wahrheit belegt.<ref>PJ1553.A1 1908 cop3. Die Altaegyptischen Pyramidentexte nach den Papierabdrucken und Photographien des Berliner Museums.</ref>
Im Alten Testament bedeutet der Begriff „Waise“ (hebr. יָתוֹם jatôm) das vaterlose Kind (Ex 22,23; Hi 24,9) oder das Kind ohne Eltern. Die Septuaginta übersetzt das hebräische Wort mit ὀρφανός orphanos. Die schwierige soziale Lage von Waisenkindern zeigt sich darin, dass sie keinen Helfer hatten (Hi 29,12). Nirgendwo im Alten Testament wird eine konkrete Einzelperson als Waise genannt. Die Stellung der Waisen im alten Israel unterschied sich kaum von der im Alten Orient oder in der Antike im Allgemeinen. In einer patriarchalisch bestimmten Gesellschaft gehörte ein Kind, das den Vater verloren hatte, zu den in mehrfacher Hinsicht sozial und wirtschaftlich, rechtlich und religiös Benachteiligten und oft Bedrückten. Sie waren am stärksten von Ausbeutung bedroht, weil sie keinen Rechtsschutz und keine wirtschaftliche Absicherung hatten.<ref>Nora Molnár-Hídvégi: Witwe und Waise. Auf bibelwissenschaft.de vom April 2010. Zuletzt abgerufen am 14. Dezember 2013.</ref>
Im Codex Hammurapi, im frühen 18. Jahrhundert v. Chr., erkennt Hammurapi das besondere Schutzbedürfnis der Waisen gegen die Stärkeren an. Er sieht sich als ihr Beschützer und versucht eine Gleichheit vor dem Gesetz auszuformulieren.<ref>Strenge, I.: Codex Hammurapi und die Rechtsstellung der Frau, Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2006</ref><ref>Babylon - Die Blüte am Euphrat und die Justiz. Unterhaltung - Das Recht in der Geschichte, 123.rechtnet 26. April 2004</ref>
Antike
Aufgrund des früheren Eintritts der Verwitwung und der Tatsache, dass beim Fehlen systematisch betriebener Empfängnisverhütung die Frauen in der Antike bis weit über das 30. Lebensjahr hinaus Kinder zur Welt brachten, hatten die Witwen in Rom in sehr vielen Fällen noch minderjährige Kinder zu versorgen; ca. 35-45 Prozent der Kinder dürften ihren Vater verloren haben, bevor sie das 14. Lebensjahr erreicht hatten. In der patriarchalischen Gesellschaft Roms waren die Witwen, die minderjährige Kinder zu versorgen hatten, von der Verarmung bedroht und oft verschuldet. Die Witwen sahen sich genötigt, ihre Kinder in die Sklaverei zu verkaufen, Töchter der Prostitution zuzuführen. Zahlreiche Waisen mussten in jungen Jahren einer Berufstätigkeit nachgehen, Waisenmädchen fanden aufgrund der fehlenden Mitgift überhaupt keinen Mann oder heirateten unterhalb ihres sozialen Standes. Ein großer Teil der Bettler in den antiken Städten rekrutierte sich aus Waisen.<ref>Krause, J.-U.: Witwen und Waisen im Römischen Reich, Habilitationsschrift, 4 Bd., Steiner-Verlag, Stuttgart 1994/1995</ref>
In der Spätantike führte die Durchsetzung des Christentums zu einer Sensibilisierung für die sozialen Probleme der Waisen, denen der besondere Schutz der Kirche galt. Trotz vielfältiger karitativer Bemühungen verlor das Versorgungsproblem nicht von seiner Brisanz. Es gelang der Kirche nicht, ein Netz von karitativen Einrichtungen zu schaffen, mit dem sie dieser Armut hätte Herr werden können. Individuelle Almosen mochten im Einzelfall die Not lindern und waren nicht in der Lage, die Ursachen zu beseitigen.<ref>Peffer, M. E.: Einrichtungen der sozialen Sicherung in der griechischen und römischen Antike: Unter besonderer Berücksichtigung der Sicherung bei Krankheit, Duncker & Humblot Verlag, 1. Auflage 1969</ref>
Mittelalter
Eine Notwendigkeit, den Waisen besondere Fürsorge angedeihen zu lassen, ergibt sich für Muslime aus dem Koran und aus der Geschichte. So starben in der Schlacht von Uhud im Jahre 625 Anhänger von Mohammed, die alle ihre Familien zurückließen.
In den christlichen Ländern Europas waren die Waisen auf die Barmherzigkeit von Einzelpersonen oder öffentliche Fürsorge angewiesen und wurden schon durch die karolingischen Kapitularien unter den besonderen Schutz der Königsboten gestellt.<ref>Markus Meumann: Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord: Unversorgte Kinder in der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Wissenschaftsverlag, Oldenbourg 1995, ISBN 3-486-56099-9, S. 180 f.</ref> Waisen wurden entweder von Verwandten angenommen, in ein Spital oder in ein Findelhaus, meist in kirchlicher Trägerschaft, gegeben und in diesen versorgt. Ab dem 8. Jahrhundert ist eine öffentliche Fürsorge zunächst in Italien und später im deutschsprachigen Raum belegt.<ref>Z. Eriksson: Über Anstaltsschäden der Kinder. In: Acta Paediatrica. Volume 4, Issue Supplement S1, April 1925, S. 7–18.</ref><ref>Z. Eriksson: „Hospitalismus“ in Kinderheimen: Über Anstaltsschäden der Kinder. Akad. Abh.; Aus der Münchener Kinderklinik; Dir. Prof. M. v. Pfaundler, Akademiska Bokhandeln 1925.</ref> Für verwaiste Säuglinge nahmen die Pflegeeltern Ammen in den Dienst. Halbwaisen wuchsen nach der Wiederverheiratung des verbliebenen Elternteils beim Stiefvater oder bei der Stiefmutter auf; letztere wurde in den Volksmärchen und in Heiligenviten regelmäßig als böse und kaltherzig geschildert. Dem Sachsenspiegel zufolge standen Waisen bis zur Volljährigkeit, mit 21 Jahren, unter der Vormundschaft des ältesten Verwandten von väterlicher Seite, des ältesten Schwertmagen.<ref>Waisenkinder - Mittelalter Lexikon 9. Aug 2012</ref> Im Weiteren gab es im Mittelalter die Erwartung, dass der Ritter nicht nur Kämpfer und Krieger sein sollte, sondern gleichzeitig Beschützer von Witwen und Waisen.
Die seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Deutschland nachweisbaren Zünfte unterstützten erstmals die Mitglieder in Notfällen wie Invalidität, im Todesfall auch Witwen und Waisen.<ref>100 Daten zur Versicherungsgeschichte. Museum der deutschen Versicherungswirtschaft 2005-2007</ref> Handwerksmeister bildeten mittellose Waisenkinder zu einem ermäßigten Tarif oder unentgeltlich aus. Manche Zünfte bildeten Rücklagen, aus denen Kinder verstorbener Mitglieder während der Lehrzeit Unterstützung erhielten. In den folgenden Jahrhunderten führten immer mehr Berufsgruppen Waisenkassen zur Unterstützung hinterbliebener Kinder ihrer Berufskollegen ein.
In China wurde die Fürsorge von Waisen, ähnlich wie in Europa, oft von religiös geführten Einrichtungen wahrgenommen. Der Rebellenanführer der Roten Turbane und spätere Begründer der Ming-Dynastie Hongwu war, um als Waise nicht zu verhungern, 1344 gezwungen, in ein buddhistisches Kloster einzutreten.<ref>Geschichte der Menschheit. Neue Chancen. zdf info 2013</ref> Hier lernte er Lesen und Schreiben und kam zum ersten Mal mit höherer Bildung in Berührung.
Neuzeit bis 18. Jahrhundert
Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618−1648) kam es in Europa vermehrt zu Gründungen von Waisenhäusern. Diese sollten für eine ganze Reihe sozialer Problemfelder gleichzeitig zuständig sein. So macht das 1677 in Braunschweig gegründete „Armen-, Waysen-, Zucht- und Werkhaus“ die Absichten schon in seinem Namen deutlich. Ähnliche Anstalten wurden 1679 in Frankfurt, 1702 in Bamberg, 1716 in Waldheim oder 1736 in Ludwigsburg gegründet. Das 1702 in Berlin gegründete Große Friedrichshospital war vorrangig ein Unterbringungsort für Waisen, Bettler, Invaliden, geistig Gestörte, Aussätzige und erst nachrangig Krankenanstalt.<ref>Notker Hammerstein, Christa Berg: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. C. H. Beck, 2005, ISBN 3-406-32464-9, S. 430/31.</ref>
Vorwiegend musikalisch begabte Waisenkinder, conservati, erhielten im 17. und 18. Jahrhundert in Italien Musikunterricht. Die überreiche Produktivität Vivaldis ist zu einem Gutteil dem Ospedale della Pietà, den weiblichen Waisen und Mädchen aus gutem Hause, zu verdanken.<ref>H.-P. Rosenberger: Berühmte und Orte. 2. korrigierte Auflage, Verlag Books on Demand GmbH, Norderstedt 2009.</ref>
Die meisten Waisen mussten immer hart arbeiten, damit ihr Lebensunterhalt einigermaßen gesichert war. Selten waren die Arbeitsbedingungen gut. In manchen Waisenhäusern wurde auf die Ausbildung der Jungen noch Wert gelegt, damit sie als Handwerker später ein Auskommen hatten. Die Mädchen waren grundsätzlich schlechter dran – eine klassische Waisenbiografie mündete in einer Existenz als Dienstmädchen.<ref>L. Braun: Die Frauenfrage. Europäischer Literaturverlag, 1. Auflage, Bremen 4. Mai 2011, ISBN 3862674223.</ref> In der Schweiz wurden Waisen ab dem 18. Jahrhundert als Verdingkinder Interessierten öffentlich auf einem Verdingmarkt feilgeboten und versteigert.<ref>Marco Finsterwald: Verdingkinder. Kindswegnahmen durch das Jugendamt Bern 1945-1960 und swissinfo.ch: Bern entschuldigt sich bei Verdingkindern</ref> Den Zuspruch bekam jene Familie, welche am wenigsten Kostgeld verlangte. Betroffene beschreiben, dass sie auf solchen Märkten „wie Vieh abgetastet wurden“. In anderen Gemeinden wurden sie wohlhabenderen Familien durch Losentscheid zugeteilt. Zugeloste Familien wurden gezwungen, solche Kinder aufzunehmen, auch wenn sie eigentlich gar keine wollten. Sie wurden meistens auf Bauernhöfen wie Leibeigene für Zwangsarbeit eingesetzt, meist ohne Lohn und Taschengeld. Nach Augenzeugenberichten von Verdingkindern wurden sie häufig erniedrigt oder gar vergewaltigt. Einige fanden dabei den Tod.
19. Jahrhundert
Gegen Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts führten die Philanthropen den berühmten Waisenhausstreit gegen die in den Anstalten herrschenden Missstände und setzten sich für Familienpflege ein. Die Kritik an den Anstalten wurde so laut, dass sie geschlossen wurden. Die Waisen wurden bei Familien untergebracht, die meistens nur den „Arbeitswert des Kindes“ sahen. Wenn das Kind nicht die gewünschte Leistung lieferte, wurde es zurückgebracht und in einigen Fällen musste es aus der Familie wieder zurückgeholt werden. Da die Unterbringung in den Familien nicht ideal war, ging der „Waisenhausstreit“ weiter. Das strikte Familienprinzip führte zu neuen Missständen, sodass eine Reform der Anstalten angestrebt wurde, um die sich besonders J. H. Pestalozzi verdient machte.<ref>Waisenhaus, Universal-Lexikon, Academic dictionaries and encyclopedias</ref> Der Ruf nach besseren Waisenhäusern wurde lauter und viele Veränderungen besprochen. Zum Beispiel wurde von ausreichender Ernährung gesprochen, jede Waise sollte ihr eigenes Bett bekommen. Die Arbeitsstunden sollten auf 3 oder 4 Stunden heruntergesetzt werden. Weiterhin sollte es zur Förderung der Gesundheit jeden Tag Gymnastik für die Kinder geben.<ref>Geschichte der Heimerziehung. In: Heimkinder (JsB), Philo Wiki</ref><ref>A. Mehringer: Heimkinder. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte und zur Gegenwart der Heimerziehung. 4. Auflage. Reinhardt, München und Basel 1994.</ref><ref>J. Jacobs: Der Waisenhausstreit: ein Beitrag zur Geschichte der Pädagogik des 18. und 19. Jahrhunderts. Trute 1931.</ref>
Kolonialmächte, wie Frankreich und Großbritannien, versuchten mit der Überführung der den Waisenhäusern entwachsenen Mädchen die „Frauenfrage“ in Südafrika oder Kanada zu lösen. Jene einfach und religiös erzogenen, hauswirtschaftlich ausgebildeten Mädchen hatten „ein vortreffliches Ehefrauenmaterial“ abgegeben. Deutschland versuchte in seinen Kolonien, Waisen als Hilfskräfte mit Niedriglohn für Geschäftsleute und Gewerbetreibende zu gewinnen. Die für Deutsch-Südwestafrika bestimmten Jugendlichen sollten nur bei solchen Kolonisten untergebracht werden, die vertrauenswürdig erschienen und es an nichts fehlen ließen „bei der sittlichen und beruflichen Ausbildung“ ihrer Schutzbefohlenen. Vorrang erhielten die aus Waisenhäusern zu entlassenden Jünglinge und Mädchen, keinesfalls solche aus den Besserungsanstalten und sogenannten Rettungshäusern.<ref>Dornseif, G.: Waisen-Import und Dienstmädchen-Anwerbung für Südwest, 11. Mai 2010</ref><ref>Der Farmer. In: Windhuker Nachrichten, Winhhuk 8. September 1908.</ref>
20. Jahrhundert bis Gegenwart
Seit dem 20. Jahrhundert wurden in vielen Industriestaaten Säuglingsheime für Waisen unter dem dritten und Kinderheime für Waisen über dem dritten Lebensjahr eingerichtet. Während des Ersten Weltkrieges wurden viele Kinder zu Waisen. 1915–1917 war Jakob Künzler Augenzeuge des Völkermordes an den Armeniern, worüber er 1921 sein Buch mit dem Titel Im Lande des Blutes und der Tränen schrieb. Unter Lebensgefahr half er Tausenden von armenischen Waisen und führte den Spitalbetrieb in Urfa weiter. 1922 organisierte er mit seiner Frau die Ausreise von rund 8000 armenischen Waisen in das französische Mandatsgebiet Syrien, zu dem der Libanon zählte.<ref>Künzler, Jakob. Historisches Lexikon der Schweiz 5. November 2007</ref>
Die Lebensbornheime während der Zeit des Dritten Reiches stellten eine besondere Form von Betreuung für Waisen dar. Das Ziel war es, auf der Grundlage der nationalsozialistischen Rassenhygiene und Gesundheitsideologie die Erhöhung der Geburtenrate „arischer“ Kinder herbeizuführen. Dies sollte durch anonyme Entbindungen und Vermittlung der Kinder zur Adoption – bevorzugt an Familien von SS-Angehörigen – erreicht werden. In den Nürnberger Prozessen sah man in den Lebensbornheimen der Nationalsozialisten ein rein soziales Netzwerk für Waisen und uneheliche Kinder.<ref>[Die Kinder der Herrenrasse - Organisation Lebensborn, ZDF info, 13. April 2013 (Video)]</ref><ref>dradio.de, Kalenderblatt</ref>
Als Berichte über die Reichskristallnacht in Deutschland 1938 das Ausland erreichten, beschloss die britische Regierung, verfolgte jüdische Kinder einreisen zu lassen. Am 30. November 1938 fuhr der erste Zug mit 196 Kindern aus Berlin Richtung London. Zwischen Dezember 1938 und September 1939 wurden ca. 10.000 jüdische Kinder bis zu einem Alter von 17 Jahren aus Deutschland, Österreich, Polen und der Tschechoslowakei nach Großbritannien gerettet. Sie mussten ihre Eltern zurücklassen. Am Höhepunkt der Aktion waren es zwei bis drei Kindertransport-Züge pro Woche. Besonders leicht an Pflegeeltern zu vermitteln waren blonde, zutrauliche und intelligente Mädchen zwischen 7 und 10 Jahren, sie galten als unproblematische Pflegekinder. Knaben ab 12 Jahren, die in Deutschland besonders gefährdet waren, hatten kaum eine Chance auf Vermittlung in eine Pflegefamilie und kamen in englische Heime. Die Auswahl durch die Pflegeeltern in England wurde von den Kindern häufig wie ein „Viehmarkt“ empfunden. Gleich nach der Ankunft oder im Speisesaal des Ankunftslagers suchten sich mögliche Pflegeeltern „geeignete“ Kinder aus. Die „übriggebliebenen Kinder“ wurden in verschiedenen Heimen in ganz Großbritannien untergebracht. Einige Kinder wurden in der neuen Familie als billige Dienstboten und Kindermädchen ausgenutzt. Manche Pflegeeltern gaben den Kindern neue, englische Vornamen und zwangen sie, nach christlichen Traditionen zu leben. Andere Pflegeeltern ermunterten die Kinder, in die Synagoge zu gehen und jüdische Feste zu feiern, sie förderten die Pflegekinder, versorgten sie und schenkten ihnen Zuwendung. Mit Ausbruch des Weltkrieges verschärfte sich die Situation der Flüchtlingskinder in Großbritannien. Viele wurden von den Pflegefamilien in Flüchtlingslager abgegeben oder als deutsche Spione verdächtigt. Dennoch fanden knapp 10.000 Kinder in Großbritannien Schutz. Rund 8.000 weitere Kinder waren in Pflegefamilien oder Heimen in den Niederlanden, in Belgien, in Frankreich, der Schweiz oder in Schweden untergekommen. Das offizielle Ende der Kindertransporte war der 1. September 1939, als mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg ausbrach. Der letzte bekannte Kindertransport erfolgte durch den niederländischen Frachter SS Bodegraven, der mit 80 Kindern an Bord am 14. Mai 1940 unter deutschem Maschinengewehrfeuer von IJmuiden aus den Kanal überquerte und schließlich in Liverpool landete. Nach Kriegsende kam für viele die traurige Gewissheit. Nur eines von zehn Kindern fand seine Eltern wieder, die Spuren der Eltern von über 9.000 Kindertransport-Kindern verloren sich in Auschwitz, Theresienstadt und anderen Vernichtungslagern.<ref>Windischbauer, E.: Kindertransporte 1938/39 nach England, www.kindertransport.org</ref><ref>Behrendt, G.: Mit dem Kindertransport in die Freiheit. Vom jüdischen Flüchtling zum Corporal O’Brian. Frankfurt/Main, 2001</ref><ref>Göpfert, R.: Ich kam allein. Die Rettung von zehntausend jüdischen Kindern nach England 1938/39. München, 1994</ref><ref>Harris, M. J.; Oppenheimer, D.: Kindertransport in eine fremde Welt. München, 2000</ref><ref>Turner, H.: Kindertransport. Eine beispiellose Rettungsaktion. Gerlingen, 1994</ref>
Über ein südafrikanisches Adoptionsunternehmen sollten ab 1948 tausende deutsche Waisenkinder, darunter viele Kriegswaisen, nach Südafrika vermittelt werden. Eine Kinderpsychologin brach im gleichen Jahr nach Deutschland auf und wählte die ersten 83, andere Quellen berichten von 87<ref>Mandela. Vom Staatsfeind zum Präsidenten, History. zdf info 6. Dezember 2013</ref>, Kinder aus Waisenhäusern aus. Hunderte von Burenfamilien, ebenso wie der Premierminister Daniel François Malan bewarben sich um die Kinder. Hinter dieser Initiative stand ein privates Adoptionsunternehmen, gegründet von rechtsgerichteten Buren. Ihr Auswahlkriterium war die sogenannte „Rasse“. Das „arische Blut“ sollte der burischen Minderheit in Südafrika helfen, „weiß zu bleiben in einem schwarzen Land“. „Isoliert die Kinder, trennt die Geschwister voneinander und schneidet sie von ihrer Vergangenheit ab“, das war das Motto des Dietse-Kinderfonds, der die Sammeladoption unter kirchlicher Bürgschaft durchführte. Die Kinder wurden von ausgewählten burischen Familien adoptiert. Das eigentliche Ziel des Programms kannten die Minderjährigen nicht.<ref>Weißes Blut. Aus den Ruinen in die Sonne. Eine Apartheids-Geschichte arte. 4. Juni 2013</ref>
Für mindestens 150.000 britische Kinder, die zwischen den 1920er und 1960er Jahren in Ex-Kolonien wie Australien oder Kanada verfrachtet wurden, entpuppte sich die Fahrt als Alptraum. Die britischen Behörden wollten sich eine teure Last vom Hals schaffen. Die Kinder kamen teils aus Waisenhäusern und Jugendheimen, noch öfter aus mittellosen oder zerrütteten Familien. Den Eltern wurde weisgemacht, ihre Kinder würden anderswo im Lande adoptiert, dürften sich auf ein „besseres Leben“ freuen. Den Kindern erzählte man, sie gingen auf eine tolle Reise oder ihre Eltern seien gestorben. In Wirklichkeit führte Großbritannien die ahnungslosen Drei- bis Vierzehnjährigen einem grausamen Schicksal zu. Zahllose Kinder mussten auf Bauernhöfen als unbezahlte Arbeiter schuften, von ihren neuen „Besitzern“ drakonisch behandelt. Andere wurden in Heimen missbraucht. Erst 1967 wurde das Kinder-Auswanderungs-Programm beendet, das London mit den Commonwealth-Staaten ausgehandelt hatte. Besonders Australien wollte sich mit „weißem Menschenschlag“, Erbgut aus dem Mutterland, versorgen. Ein ehemaliger Erzbischof von Perth begrüßte die Kinder mit den Worten: „Willkommen in Australien – wir brauchen euch zum Erhalt der weißen Rasse.“<ref>Nonnenmacher, P.: Vom Empire verstoßen. Waisentransport nach Australien Frankfurter Rundschau 16. November 2009</ref>
Ab den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Säuglingsheime für Waisen unter 3 Jahren vielerorts nach und nach geschlossen, in der Schweiz Ende der 60er Jahre, in Deutschland-West Mitte der 70er Jahre und in Deutschland-Ost Anfang der 90er Jahre. Gründe dafür waren unter anderem Erkenntnisse aus der Säuglings- und Kleinkindforschung, Veröffentlichungen von Filmaufnahmen aus den Heimen sowie öffentliche Proteste. Heute findet man diese Form der Einrichtung als Kleinsteinrichtung (auch als „Säuglingsnest“ bezeichnet, 10–15 Plätze)<ref>B. Leiber, M. Radke, M. Müller: Das Baby-Lexikon. ABC des frühen Kindesalters. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2001.</ref> in Industrieländern. In osteuropäischen Ländern oder in Ländern der Dritten Welt ist das klassische Säuglingsheim oder Waisenhaus für Waisen im Kleinstkindalter noch anzutreffen.
In Argentinien gehört der Raub von Babys und Kindern zu den größten Verbrechen, die sich während der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 ereigneten. Nachdem man ihre Eltern getötet hatte, wurden die Waisen als Kriegsbeute von Menschen aufgezogen, die der Diktatur nahestanden. Nur etwa 100 dieser Kinder haben bis heute von ihrer wahren Identität erfahren. Von 400 weiteren fehlt trotz aller Bemühungen von Verwandten und den suchenden Großmüttern der Plaza de Mayo bislang jede Spur.<ref>Argento, A.: Paula, du bist Laura! Geraubte Kinder in Argentinien. Ch. Links Verlag 2010, ISBN 978-3-86153-593-5.</ref>
Adoptionsverfahren für Waisen werden in der Gegenwart in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich geregelt oder unterliegen mitunter einer willkürlichen Anwendung, wie z. B. in Russland.<ref>Lielischkies, Udo: Russland: Waisen als politische Waffe, Weltspiegel, ARD Stand: 20. Juni 2013</ref> Immer wieder sorgen Adoptionen von Waisenkindern durch Prominente wie Sandra Bullock, Steven Spielberg, Hugh Jackman für Aufsehen, beispielsweise die Adoption von zwei Waisen aus Malawie durch die Sängerin Madonna in den Jahren 2006 und 2009.<ref>Madonna darf Waisenkind Mercy doch adoptieren. In: Die Welt, 12. Juni 2009.</ref>
Durch den verheerenden Taifun Haiyan wurden 2013 auf den Philippinen, allein in der Provinz Leyte, tausende von Kindern zu Waisen, weil ihre Familienangehörigen ums Leben kamen. Weltweit wurde zur schnellen und dringenden Hilfe für die betroffenen Kinder aufgerufen, damit sie nicht in die Hände von Menschenhändlern fielen.<ref>Philippinen: Tausende von Waisenkindern Radio Vatikan 14. November 2013</ref>
2014 werden in den westafrikanischen Staaten Liberia, Guinea oder Sierra Leone Tausende Kinder durch das Ebola-Virus zu Waisen. Aus Sorge vor Ansteckung werden sie häufig gemieden und sich selbst überlassen.<ref> Opfer der Seuche: Afrikas verstoßene Ebola-Waisen SPIEGEL ONLINE GESUNDHEIT vom 21. September 2014</ref>
Sozialwaise
Eine Sozialwaise ist ein Kind, um das sich weder Eltern noch Verwandte kümmern.<ref>Duden Sozialwaise</ref> Soziale Verwaistheit ist ein Zustand, der durch Nichtwahrnehmung elterlicher Pflichten gegenüber dem minderjährigen Kind verursacht wird. Sozialwaisen verlieren infolge diverser sozialer, wirtschaftlicher, moralischer und psychischer Ursachen ihre Eltern und werden zu Waisen bei leiblichen Eltern, die noch am Leben sind. Diese Kinder bilden in der heutigen Gesellschaft eine besondere soziale Gruppe.
Begriffliche Einordnung
Heutzutage gibt es keine festgelegten Definitionen und Beurteilungen dieser Kategorie der Kinder. Massenmedien, psychologische und pädagogische Arbeiten sowie Sozialbefragungen verwenden folgende Termini: obdachlose Kinder, Nichtbetreute, Straßenkinder, Sozialwaisen, minderjährige Risikogruppen u. a.
UNICEF zählt folgende Gruppen zu den Sozialwaisen:
- Kinder, die keinen Kontakt zu ihren Familien halten und in Zufluchtsorten leben;
- Kinder, die Kontakt zu ihren Familien halten und wegen Armut, Ausnutzung und Missbrauch in der Familie untertags und nachts auf der Straße leben;
- Kinder, die in Heimen aufgewachsen sind, diese aus vielen Gründen verlassen haben und auf der Straße leben.
Durch die Sensibilisierung über die Folgen einer Heimbetreuung von Sozialwaisen in den ersten Lebensjahren (wie psychischer Hospitalismus oder Deprivation) versuchte man vermehrt ab den 1970er Jahren (in den westlichen Ländern) die Entwicklungschancen von Sozialwaisen durch die Aufnahme in Pflegefamilien oder SOS-Kinderdörfer zu verbessern.<ref>M. Plotsidem: Waisen und Sozialwaisen in staatlichen Fürsorgeeinrichtungen in der Ukraine – Rechtliche Lage und verschiedene Modelle.</ref>
In den Fachdiskursen der Pädiatrie, Sozialmedizin, Psychologie, Sozialarbeit und Pädagogik finden die Auswirkungen der sozialen Verwaistheit seit den 1990er Jahren kaum oder keine Beachtung mehr.
Gegenwart
Eine dramatische Zunahme der Sozialwaisen ist insbesondere nach der politischen Wende in vielen Ländern des ehemaligen Ostblocks zu beobachten. Insgesamt schätzt UNICEF im Jahr 2012 allein in der Ukraine die Zahl der Straßenkinder auf rund 100.000. Sie sind Gewalt, sexueller Ausbeutung und HIV-Infektionen schutzlos ausgesetzt. Bei Befragungen berichteten viele dieser Heranwachsenden, dass sie sich prostituieren müssen. Rund 100.000 Mädchen und Jungen leben in Heimen. Die meisten dieser Kinder sind Sozialwaisen. Das bedeutet, dass Eltern ihre Kinder aus Not oder Ausweglosigkeit einem Heim überlassen.<ref>UNICEF: Kinderrechte in der Ukraine stärken</ref>
AIDS-Waise
Als AIDS-Waisen werden solche Kinder bezeichnet, die ihre Eltern aufgrund des HI-Virus verloren haben und vorrangig in afrikanischen Ländern wie Südafrika oder Simbabwe<ref>AIDS-Waisen bei Avert.org (en)</ref> vorkommen. Pro Jahr werden ca. 70.000 Kinder durch AIDS zu Waisen.<ref>AIDS Orphan’s Preventable Death Challenges Those Left Behind (en)</ref>
2004 stieg die Zahl der AIDS-Waisen weltweit auf 15 Millionen. Viele weitere Kinder und Jugendliche leben mit kranken oder sterbenden Eltern, werden ausgegrenzt und seien damit wiederum anfälliger für Infektionen mit dem Aidsvirus, heißt es in dem auf der Weltaidskonferenz in Bangkok vorgestellten Bericht der Vereinten Nationen: „Kinder am Rande des Abgrunds“.<ref>15 Millionen Aids-Waisen. In: Ärzte Zeitung, 14. Juli 2004</ref>
Die Zahl der AIDS-Waisen in Afrika steigt weiter – selbst in Ländern, in denen die Immunschwäche inzwischen erfolgreich bekämpft wird. Bis 2010 werden auf dem Kontinent voraussichtlich 15,7 Millionen ihre Mutter, ihren Vater oder beide Eltern verloren haben. Häufig müssen die Kinder ihre erkrankten Eltern allein bis zum Tode pflegen. Weltweit leben in Asien die meisten AIDS-Waisen, wenngleich die Zahl der bekannten Fälle seit 1990 rückläufig ist, gefolgt von Afrika und Lateinamerika.<ref>CHILDREN AFFECTED BY AIDS. Africa’s Orphaned and Vulnerable Generations, PRE - Publikation, United Nations Children’s Fund (UNICEF) 14. August 2006</ref>
Kriegswaise
Deutschland
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren zehntausende Kinder allein unterwegs – sie waren traumatisiert, ausgehungert und häufig schwer krank. Viele dieser Kriegswaisen kamen in Mecklenburg-Vorpommern an, einem wichtigen Durchgangsort für die Flüchtlinge aus den Ostgebieten. Allein 1945 waren dort 30.000 elternlose Flüchtlings- und Vertriebenenkinder registriert. Der Strom der Kriegswaisen endete in den Jahren nach dem Krieg nicht: An einem einzigen Tag im Mai 1947 kamen in Pasewalk in Vorpommern 3.000 Kinder aus Ostpreußen an.<ref>Das traurige Schicksal der Kriegswaisen, NDR, Stand: 19. November 2012</ref>
Tausende von deutschen Kriegswaisen waren nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Ostpreußen und dem Baltikum unterwegs. Viele, die später als Erwachsene in Polen, Litauen, Lettland oder Estland lebten, nahmen eine falsche Identität an – man gab ihnen den Namen Wolfskinder.<ref>Wolfskinder Geschichtsverein e. V., Internetseite aufgerufen am 24. Mai 2012</ref><ref>Keine Sprache, keine Heimat. Zeitgeschichte, Der Spiegel 15. Januar 1996</ref> <ref> Sonya Winterberg: Wir sind die Wolfskinder. Verlassen in Ostpreußen. Piper Verlag, München 2012, ISBN 978-3-492-05515-4 Das Buch behandelt das Schicksal der elternlosen Wolfskinder im ehemaligen Ostpreußen.</ref>
England
Gemeinsam gründeten Anna Freud und Dorothy Tiffany Burlingham zusammen mit Josefine Stross<ref>Angaben über Josefine Stross (1901–1995) im Biografischen Lexikon Psychoanalytikerinnen in Europa.</ref><ref>Kurzbiographie</ref> die Hampstead Nurseries, ein Heim, in dem sie Kriegskinder und Kriegswaisen betreuten. 1945 holte Anna Freud eine kleine Gruppe von Kindern aus Theresienstadt nach London. Sie wurden unter ihrer Aufsicht (Supervision) versorgt und betreut. Die Erinnerungen einiger Kinder wurden mit deren Erlaubnis veröffentlicht. Anna Freud selbst schrieb einen Artikel über sie, der 1951 in der von ihr gegründeten Zeitschrift veröffentlicht wurde.<ref>Nach der Biographie von Erna Furman S. 107, Fußnote 66, Anna Freud in collaboration with Sophie Dann, An experiment In Group Upbringing, in: 'The Psychoanalytic Study of the Child', VI, 1951. A group of six three-year-old former Terezin children is observed as regards group behavior, psychological problems and adaption.</ref>
Syrien
Seit Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien Anfang 2011 gibt es, nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, mehr als eine Million Flüchtlingskinder. Viele der Flüchtlingskinder sind zu Waisen geworden und traumatisiert, da sie mit ansehen mussten, wie Familienmitglieder getötet worden sind. Sie sind – nach diesen Angaben – außerdem Opfer von sexueller Gewalt, Folter und willkürlicher Haft und werden häufig als Kindersoldaten rekrutiert.<ref>Helfen Sie den Flüchtlingskindern. UNICEF Stand: 2. August 2013</ref><ref>Über zwei Millionen syrische Kinder in Not. In: Zeitgeschehen, ZEIT ONLINE 12. März 2013</ref>
Indochina
Im Indochina-Krieg kämpften circa 35.000 Deutsche, zumeist (Halb-)Waisen des Weltkrieges oder ehemalige Angehörige der Wehrmacht oder SS, als Fremdenlegionäre auf der Seite der Franzosen. Dies entspricht etwa einem Anteil von zwei Dritteln aller eingesetzten Fremdenlegionäre. Für manche ehemaligen Verdingkinder und Waisen aus der Schweiz war der Dienst in der französischen Fremdenlegion eine Option, um der oppressiven Gesellschaft und den in der Kindheit zugefügten Wunden und Narben zu entfliehen.<ref name="latour-reisfeld">Peter Scholl-Latour: Der Tod im Reisfeld. dtv, München 2000, ISBN 3-4233-6173-5.</ref><ref>Fremdenlegionär Nr. 5720 Leonard Buholzer. Verein netzwerk-verdingt</ref>
Experimente mit Waisen
Sprachexperimente
Antike
Herodot berichtet in einer Anekdote, dass bis zur Regierungszeit des Pharao Psammetichos die Ägypter sich für die ersten aller Menschen hielten. Als Psammetichos Pharao geworden war und erfahren wollte, welches die ersten seien, glaubten sie, die Phryger seien noch älter als sie, sie selbst älter als alle anderen. Als der Pharao trotz allen Forschens die Frage nicht lösen konnte, wer die ersten Menschen gewesen seien, ließ er einem Hirten zwei neugeborene Kinder geben. Der Hirte sollte die Kinder mit seiner Herde so aufziehen, dass niemand in der Gegenwart der Kinder sprechen dürfe. Die Kinder sollten ganz allein für sich in einer einsamen Hütte leben. Zu bestimmten Zeiten sollte der Hirte seine Ziegen dorthin führen und den Kindern genug Milch geben, danach seinen anderen Geschäften nachgehen. Psammetichos versuchte so herauszubekommen, was für ein Wort die Kinder zuerst aussprechen würden, wenn die Zeit des Lallens vorbei wäre. Seine Anordnungen wurden strikt ausgeführt. Als der Hirte die Kinder zwei Jahre auf diese Weise versorgt hatte, stürzten sie beide, als er die Tür eines Tages öffnete und hereintrat, auf ihn zu und lallten das Wort Bekos, wobei sie ihm die Hände emporstreckten. Als die Kinder dies öfter wiederholten, wenn er zu ihnen kam, teilte er es dem Pharao mit und führte ihm auf Befehl die Kinder vor. Psammetichos vernahm das Wort gleichfalls und forschte nach, in welcher Sprache die Bezeichnung Bekos vorkäme. Da fand er, dass die Phryger so das Brot bezeichneten; aus dieser Geschichte schlossen die Ägypter und gaben zu, dass die Phryger älter seien als sie selbst. Herodot ergänzte, dass er diese Begebenheit von den Priestern des Hephaistos in Memphis (Ägypten) hörte und die Griechen diese Geschichte mit vielen törichten Zusätzen ausschmückten.<ref>J. Feix: Herodot Historien. Erster Band, 4. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1988.</ref>
Mittelalter
Im 13. Jahrhundert führt der Chronist Salimbene von Parma in seiner Chronica über die Frage des Kaisers Friedrich II. aus: In welcher Sprache Kinder sich auszudrücken beginnen würden, die niemals vorher irgendein Wort sprechen gehört haben? Sein lebhaftes Interesse soll Friedrich II. angeblich zu einem seltsamen Experiment veranlasst haben. Er hätte Wärterinnen und Ammen eine Anzahl verwaister Neugeborener zur Aufzucht mit dem Auftrag übergeben, ihnen die Brust zu reichen, sie zu reinigen, zu baden etc. – mit dem strengsten Verbote, sie jemals zu liebkosen und mit ihnen oder vor ihnen ein Wort zu sprechen. Es geschah nach des Kaisers Willen; dessen brennende Neugierde fand keine Befriedigung, denn alle Kinder starben im frühesten Alter. Belege oder andere Quellen für diese Anekdote gibt es in der Geschichtsschreibung nicht. Für die Darstellung dürften persönliche Animositäten des Salimbene sowie der klerikale Machtkampf gegen den Kaiser eine Rolle gespielt haben.<ref>Hubert Houben: Kaiser Friedrich II. Herrscher, Mensch, Mythos. Stuttgart 2008, S. 144f.; Wolfgang Stürner: Friedrich II. Teil 2: Der Kaiser 1220–1250. Darmstadt 2000, S. 449.</ref>
Pharmazeutische Experimente
Im März 2013 haben ukrainische Parlamentarier illegale Praktiken pharmazeutischer Unternehmen in ihrem Land kritisiert. So wurden zwischen 2011 und 2012 drei klinische Versuchsreihen mit Kindern durchgeführt, darunter Waisen. Damit Kinder an einem klinischen Versuch teilnehmen dürfen, bedarf es der Einwilligung beider Elternteile. Falls ein Kind Waise ist, so ist die Zustimmung einer Regierungsvertretung notwendig. Ukrainische Abgeordnete bestätigten, dass diese Auflage in mehreren Fällen missachtet wurde. Zudem wurden klinische Versuche an Einrichtungen durchgeführt, die nicht über die notwendigen Genehmigungen verfügten.<ref>Clinical Drug Trials in Ukraine: Myths and Realities. Berne Declaration, September 2013</ref>
Medizinische Experimente
Waisen waren und sind, neben Gefängnisinsassen oder Menschen aus Armenhäusern und Irrenanstalten, bevorzugte Probanden für medizinische Forschungen bis hin zur heutigen Transplantationsmedizin. Der Aufstieg der Pädiatrie, als anerkanntes Teilgebiet der klinischen Medizin, wäre ohne die Forschungen in den Säuglingsheimen mit den Waisenkindern kaum möglich gewesen. Einerseits gelang es, die sehr hohe Sterblichkeit in den Säuglingsheimen zu verringern. Andererseits wurden die Folgen (wie Hospitalismus und Deprivation) für die Kinder in diesen Heimen jahrzehntelang von vielen führenden Pädiatern, wie z. B. Arthur Schlossmann, ignoriert.<ref>A. Bergmann: Der entseelte Patient – Die moderne Medizin und der Tod. Aufbau-Verlag, Berlin 2004.</ref><ref>A. Bergmann, Ulrike Baureithel: Herzloser Tod. Das Dilemma der Organspende. Klett-Cotta, Stuttgart 1999.</ref>
1946–1948 infizierte der US-Mediziner John Cutler im Auftrag seiner Regierung 1.308 Menschen, unter ihnen Waisenkinder, in Guatemala gezielt mit Syphilis. Viele starben qualvoll, noch heute leiden Opfer an ihren Verletzungen. Auf der anderen Seite des Atlantiks wurde Deutschland entnazifiziert. In Nürnberg standen zwanzig Ärzte und drei Helfer vor Gericht. Sieben von ihnen wurden zum Tode verurteilt, weil sie an Menschen experimentiert hatten. Der KZ-Arzt Dr. Josef Mengele entzog sich dieser Gerichtsbarkeit; durch seine medizinischen Experimente war er verantwortlich für den Tod von Waisenkindern in Auschwitz-Birkenau<ref>Coen, A.: Das Experiment des Sadisten, enarro 2014</ref><ref>Auf Wiedersehen im Himmel - Die Sinti-Kinder von der St. Josefspflege, planet schule, SWR/ WDR 2013</ref>
In den 40er und 50er Jahren wurden Versuche mit radioaktivem Strahlenmaterial von der US-Atomenergie-Behörde koordiniert. Über die Auftraggeber herrscht weitgehend Unklarheit. Etliche Experimente wurden offensichtlich vom Verteidigungsministerium und von US-Geheimdiensten geordert und bezahlt. So gaben Wissenschaftler einer weltberühmten US-Universität strahlenverseuchte Cornflakes 125 geistig behinderten Kindern in einem Waisenhaus zu essen.<ref>Sehroeder, P. W.: Strahlende Cornflakes für Waisenkinder. Skandal um radioaktive Menschenversuche erschüttert USA. Bill Clinton ordnet Krisenkonferenz an. In: Berliner Zeitung, 4. Januar 1994.</ref>
Die Universität von Melbourne hat ehemalige Heimkinder um Verzeihung dafür gebeten, dass Wissenschaftler der Hochschule sie für medizinische Versuche benutzt haben. Vizekanzler Davies äußerte „tiefes Bedauern“ über die Rolle der Forscher, die nach dem Zweiten Weltkrieg Impfstoffversuche an Kindern in Waisenhäusern durchführten.<ref>Australische Universität gesteht medizinische Versuche an Waisen, kinder ohne rechte 18. November 2009</ref>
Untersuchungen zur Bindungstheorie
Zur Jahrtausendwende lagen eine Reihe von bindungstheoretischen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen vor, die auf die Gefahren für die menschliche Entwicklung durch die Isolation im frühen Alter verweisen. In der DDR wurden in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts vergleichende Untersuchungen zu der kognitiven und körperlichen Entwicklung von Heim-, Wochenkrippen-, Tageskrippen- und Familienkindern unternommen. Die familiengebundenen Kinder zeigten den günstigsten Entwicklungsverlauf. Mit zunehmendem Verlust der familiären Bindung nahmen die Entwicklungsrückstände zu. Die Waisen in den Heimen offenbarten die größten Entwicklungsverzögerungen<ref>Norbert Kühne: Frühe Entwicklung und Erziehung - Die kritische Periode. In: Unterrichtsmaterialien Pädagogik - Psychologie. Nr. 694, Stark Verlag, Hallbergmoos, 2012</ref>. Dennoch konnten oder wollten sich die Politiker in der DDR nicht von der institutionellen Heimbetreuung lösen.<ref>Jens Plückhahn: Dauerheime für Säuglinge und Kleinkinder in der DDR aus dem Blickwinkel der Bindungstheorie. Diplomarbeit FH Potsdam, Potsdam 2012, S. 60 und S. 101 ff.; Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde - Ministerium für Gesundheitswesen der DDR BArch DQ 1/13585 u.a.m.; Zeitschrift für ärztliche Fortbildung in der DDR 1957, 21/22, S. 895 ff. / 1958, 7, S. 307 ff. / 1959, 22, S. 1443 ff. / 1960, 21, S. 1220 ff. u.a.m.</ref>
Auswirkungen durch das Verwaisen
Soziologische Folgen
Wer Mutter oder Vater verliert, hat – statistisch gesehen – weniger Chancen auf eine höhere Schulbildung oder qualifizierte Ausbildung. Dies zeigt eine Studie aus dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.<ref>S. Hillmert: Halbwaisen müssen schneller auf eigenen Füßen stehen. In: Zeitschrift für Familienforschung, Heft 1/2002, S. 44–69.</ref> Auch wenn nur ein Elternteil stirbt, hat dies einschneidende Folgen für die Kinder. Zusätzlich zu der Trauer um den Verlust müssen die Kinder damit zurechtkommen, dass sie im Lauf ihrer Ausbildung weniger Unterstützung für ihre Bildungslaufbahn erwarten können – und zwar in emotionaler und kognitiver sowie sozialer und finanzieller Hinsicht.
Steffen Hillmert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung hat die Bildungsverläufe von Halbwaisen der Geburtsjahrgänge zwischen 1950 und 1978 untersucht und mit denen von Menschen verglichen, welche bis zur Volljährigkeit in vollständigen Familien aufwachsen konnten. Kinder, die vor dem zehnten Lebensjahr einen Elternteil verloren, hatten schlechtere Chancen, das Abitur zu erreichen, als Kinder, die einige Jahre später verwaisten. Bei beiden Gruppen (Waise vor/nach dem 10. Lebensjahr) waren die Abiturquoten im Vergleich zu Kindern aus vollständigen Familien deutlich reduziert.
Starb der Elternteil erst nach dem zehnten Lebensjahr, dann blieben die meisten Kinder im Gymnasium – trotz der besonderen Belastungen. Der frühe Tod eines Elternteils verringert die Chance des Kindes, das Abitur zu machen, um fast zwei Drittel. Das bedeutet: Wenn in einer vergleichbaren sozialen Gruppe von Kindern aus vollständigen Familien zehn Kinder das Abitur machen, sind es in einer gleich großen Gruppe von Waisenkindern nur drei bis vier Kinder.
An Waisenkindern haftet der Nimbus des Unglücks, so dass viele Menschen für verwaiste und verlassene Kinder tiefes Mitgefühl empfinden und den Wunsch, etwas für sie tun. Die gesellschaftliche Wahrnehmung und Stereotype, dass Waisenkinder es zu nichts bringen und ihr Leben nicht bewältigen werden, wirken sich dennoch fatal auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für sie aus. Das kann extreme Formen annehmen wie in Nepal, wo Kindern manchmal die Schuld am Tod der Eltern gegeben wird, oder weniger auffällige wie in der grundsätzlichen Haltung, der Staat müsse sich kümmern.
Mangelnde Hinwendung, inadäquate Fürsorge, Ignoranz und Diskriminierung können auf dramatische Weise das Trauma von Waisenkindern intensivieren und letztlich dafür sorgen, dass sie es wirklich nicht schaffen.<ref>Waisenkinder. Das Stigma des Verlassenseins, SOS Waisendörfer Weltweit 31. Januar 2014</ref>
Psychosoziale Folgen
Welche psychosozialen Folgen ein Kind durch das Aufwachsen ohne einen der Elternteile davonträgt, wird unterschiedlich bewertet und ist zudem stark von anderen Faktoren abhängig. Die konkrete Auswirkung der Vater- bzw. Mutterlosigkeit zeigt sich abhängig von der allgemeinen psychischen Stabilität eines Kindes und dem weiteren Umfeld an festen Bezugspersonen. Die Persönlichkeit des erziehenden Elternteils spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Vater- bzw. Mutterlosigkeit wird als ein Problem für die Entwicklung der Geschlechtsidentität betrachtet.
Waisen in Anstalten (Findel- und Waisenhäusern, Säuglingsheimen) leiden unter den Folgen von Hospitalismus und psychischer Deprivation.
Psychosomatische Folgen
Spät adoptierte Waisenkinder, die acht Monate oder länger im Waisenhaus blieben, weisen als Vierjährige ein desorganisiertes Bindungsverhalten auf. In der Fremden Situation ist bei diesen Kindern ein signifikant höherer Cortisolanteil im Speichel nachzuweisen.<ref>Spangler, Zimmermann: Die Bindungstheorie. Grundlagen, Forschung und Anwendung. Klett-Cotta 1997</ref><ref>Spangler, Zimmermann: Bindung und Anpassung im Lebenslauf. In: Oerter et al.: Lehrbuch der klinischen Entwicklungspsychologie. Beltz 1999 (Sem.app.34)</ref><ref>Grossmann, Grossmann: Die Bindungsforschung: Modell, entwicklungspsychologische Forschung und Ergebnisse. In: H. Keller: Handbuch der Kleinkindforschung. Huber 2002 (Sem.app. 34)</ref>
Waisenkinder blieben trotz Nähe vergleichsweise cool, ihr Oxytocin-Gehalt ist niedrig. Seth Pollack von der University of Wisconsin untersuchte Vierjährige, die sofort nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und in einem russischen oder rumänischen Waisenhaus gelebt hatten, mit denen, die bei ihren Eltern aufwuchsen. Es zeigte sich, dass bei den leiblichen Kindern das als Bindungshormon bezeichnete Oxytocin stark angestiegen war, ein Garant für angenehme Gefühle.<ref>Frühe Bindung trimmt das Gehirn auf Liebe. Psychologie, DIE WELT 12. Mai 2007</ref>
Theologische Betrachtungen
Judentum
Im Judentum wird die Fürsorge für die Waisen als Pflichthandeln eines jeden Israeliten gesehen. Vor der Unterdrückung warnt die Tora mehrfach (Ex 22,20–23; 23,6.9). Sie zu kleiden, zu speisen und zu lieben wird gesondert geboten (Dtn 10,19). Die Ernteabgabe des Zehnten soll alle drei Jahre an die Fremden, die Witwen und Waisen im Land fließen (Dtn 14,28 f.).
Das Kaddisch der Waisen (Kaddisch jatom) ist eines der wichtigsten Gebete im Judentum. Es ist ein Heiligungsgebet und bildete sich in den nachchristlichen Jahrhunderten heraus, wobei sich der ursprüngliche Kernbestand erweiterte und sein liturgischer Gebrauch sich im Laufe der Jahrhunderte veränderte. Das Kaddisch der Waisen wird auch „Kaddisch der Leidtragenden“ genannt (Awelim-Kaddisch). Wenn ein Jude stirbt, ist eine Lücke entstanden unter jenen, die die Gebote befolgen. Nach jüdischem Glauben steigt die Seele des Verstorbenen zu Gott empor, wenn sein Sohn oder ein anderer Angehöriger seinen Platz einnimmt und seine Pflichten übernimmt. Deshalb sagt eine Waise das Kaddisch. Das ist der Sinn des Ausdrucks „Kaddisch der Waisen“. Wer das Kaddisch spricht – und zwar zuerst bei der Beerdigung eines der „sieben nahen Angehörigen“ (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Sohn, Tochter oder Ehefrau) –, wiederholt es in den elf Monaten nach dem Tod des Betreffenden.
Die wichtigsten Gedanken des Kaddischgebetes finden sich ebenso in dem von der Tradition Jesus von Nazaret zugeschriebenen Vaterunser.
Christentum
Ein derartiges Pflichthandeln sieht das Christentum für Waisen nicht vor. Die Nächstenliebe gebietet die Unterstützung der Waisen. So heißt es bei Jakobus 1,27: „Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin: für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind, und sich vor jeder Befleckung durch die Welt zu bewahren.“
Am 27. September jeden Jahres wird in der katholischen Kirche das Fest Maria, Schutzfrau der Waisen gefeiert. Papst Pius XI. sprach 1928 den Ordensgründer der Somasker Hieronymus Ämiliani zum Schutzpatron der Waisen und der verlassenen Jugend.
Islam
Der Koran enthält am Anfang von Sure 4 mehrere Anweisungen hinsichtlich von Waisen. So wird den Gläubigen aufgetragen, das Vermögen der Waisen nicht anzutasten (Sure 4:2), und ihnen nahegelegt, Waisen zu heiraten, um deren Versorgung sicherzustellen (Sure 4:3). Wer das Vermögen von Waisen unrechtmäßig aufzehrt, soll dereinst nichts als Feuer zu essen bekommen und in einem Höllenbrand schmoren (Sure 4:10). Die Waisen werden als Spendenempfänger von Kriegsbeute genannt.<ref>C. Ostermeier: Elemente einer sozialen Sicherung im Islam: Eine Analyse idealtypischer Ausgestaltung und realpolitischer Umsetzung. Diplomarbeit, Universität Regensburg 2000.</ref> Der Religionsstifter Mohammed war selbst Waise.
Waise in der Mythologie
In der Mythologie der Griechen
Charila (griechisch Χάριλα) ist in der griechischen Mythologie der Name eines Waisenmädchens sowie der Name eines alle acht Jahre in Delphi gefeierten Festes, das nach ihr benannt wurde.
Über den Ursprung des Festes erzählt Plutarch, dass zu einer Zeit, da Hunger herrschte, die Bevölkerung zum König kam, ihn um Nahrung zu bitten. Der König verteilte Mehl und Hülsenfrüchte – an die besseren Bürger. Als ein armes Waisenmädchen namens Charila den König beharrlich um Essen bat, schlug der verärgerte König das Mädchen mit seiner Sandale ins Gesicht, worauf Charila in den Wald ging und sich mit ihrem Gürtel erhängte. Daraufhin wurde die Hungersnot unerträglich und man befragte das Orakel um Rat. Der Spruch des Orakels lautete, man müsse Charila versöhnen. Nach einigem Forschen fand man heraus, wer Charila war, schließlich wurde ihr Leichnam gefunden. Um den Geist Charilas zu versöhnen, wurde der Vorgang wiederholt.
In der Mythologie der Asmat
Das Maskenfest der Asmat, auch Bi Pokomban, Yipai, ist ein animistisches, zyklisch gefeiertes Ritual der Asmat, eines Volkes, das im Süden der indonesischen Insel Neuguinea in der Provinz Irian Jaya lebt. Das Ritual verfolgt das Ziel, den Geistern der Verstorbenen zu beweisen, dass Harmonie im Dorf herrscht und die Ahnen (safan) dies wohlwollend zur Kenntnis nehmen mögen, damit deren Gunst bewahrt werden kann.<ref>Robert L. Welch: The Future of Indigenous Museums: Perspectives from the Southwest Pacific. von Nick Stanley</ref>
Das Maskenfest ereignet sich nach einem festen Ablaufplan. Dabei beruht das Erscheinen der manimar-Maske auf einer mythologischen Grundlage. Die Mythe erzählt, dass ein regelmäßig verstoßener Waisenjunge, der nur selten bei seiner Bettelei um Nahrung erhört wurde, auf den Trick verfiel, sich eine Maske zu erstellen, mittels derer er die sagoerntenden Frauen des Dorfes erschrecken würde, um ihnen die Ernte abzunehmen. Dies gelang ihm häufig. Gezielt dabei ertappt und zur Rede gestellt, klagte der Junge sein Leid und wurde aus Mitleid adoptiert und versorgt.
Manimar ist seitdem Teil des rituellen Mythos des Maskenfestes. Er wird als Vorläufer und Überbringer der Nachricht von der Ankunft der Geister verehrt. Seine Ankunft erregt das zusammengelaufene Volk. Taumelnd tanzend gesellt er sich unter das Volk. Dabei verschreckt er im rituellen Akt Personen (insbesondere Kinder), die er jagt. Die Kinder wehren sich und fordern ihn auf, das Dorf zu verlassen, da er ein Eindringling und zudem Waise sei. Sie bewerfen ihn mit Samenkapseln und schimpfen. Immer wieder verfolgt der manimar im Gegenzug einzelne Personen. die er sich für eine Verfolgung auserkoren hat. Im Laufe des Nachmittags verschwindet er wieder.<ref>Alphonse A. Sowada, BI POKOMBAN (Maskenfest), S. 222</ref>
In der Mythologie der Inuit
Im Inuit-Mythos Kaassassuk wird vom entbehrungsreichen Leben des verhöhnten und geschundenen Waisen Kaassassuk berichtet: die Überwindung seiner Angst und die Verleihung übermenschlicher Kräfte durch das Geistwesen Pissaap Inua; Kaassassuks eindrucksvolle Taten, die der Gemeinschaft Respekt und Furcht einflößen; seine Rache an den Einwohnern der Siedlung; sein Weg mit dem Kajak die Küste entlang, auf dem er die Tochter des Jägers Qaassuk mit Gewalt zur Frau nimmt; seine siegreichen Wettkämpfe mit allen Männern, auf die er trifft, und schließlich seine Niederlage durch den unscheinbaren Usugsaermiarssúnguaq hoch im Norden. Heute steht die Figur des Kaassassuk in Grönland symbolisch für physische und psychische Stärke und für den Willen zur Selbstbestimmung.<ref name="Sonne">Birgitte Sonne: www.érudit.org Who’s afraid of Kaassassuk? Writing as a tool in coping with changing cosmology. In: Études/Inuit/Studies, Band 34, Nummer 2 (2010), S. 107–127.</ref><ref>Übersetzung aus dem Grönländischen (nach Birgitte Sonne): Kaassassuk, das bedeutet etwa „er, der verhungern wird“.</ref>
In der Mythologie der Blackfoot
In einer mythischen Sage mit sieben Waisenkindern spiegelt sich die Erfahrung von dem gemeinsamen Auftauchen sowie dem Verschwinden des Sternbildes der Plejaden und der Bisons für die Blackfoot-Indianer Nordamerikas wider. Der Stand der Plejaden zu Beginn der Trockenzeit war das Startsignal für eine aufwendige Treibjagd der riesigen Bisonherden. Sind die Plejaden am Sternenhimmel verschwunden, sind zugleich die Bisons verschwunden. Der Sage nach nahmen sieben Waisenkinder, denen man einst wärmende Bisonfelle verwehrt hatte, zur Strafe der Menschen die Bisons mit sich. Der Sonnengott rettete die Kinder und gab ihnen einen Platz am Sternenhimmel. Hunde baten durch das Anheulen des Nachthimmels für die Dorfbewohner. Schließlich kehrten die Kinder mit den Bisons zurück.<ref>Terra X – Faszination Universum: Das Rätsel der Harmonie. In: ZDF am 29. September 2013.</ref>
Rezeption in der Kunst
Das Leben und das Schicksal von Waisen inspirierte Künstler/innen auf vielfältige Weise und fand seinen Zuspruch bei den Kunstliebhabern. Die künstlerischen Arbeiten spiegeln das Geschehen ihrer Zeit wider. In der sequenziellen Kunst sind Waisen in der Regel klassische Superhelden wie Superman, Batman, Robin, Spiderman, Wolverine, Iron Man, Captain Marvel, Captain America, Green Arrow, Daredevil oder Einzelkämpfer in der Natur wie Tarzan oder Rahan, der sowohl seine Eltern als auch seine Zieheltern verlor.
Literatur
Aus der Sicht eines Schriftstellers sind Waisenkinder interessant, weil sie den Autor von der Pflicht befreien, ein soziales Umfeld oder eine ausgefeilte Herkunft der Figur zu entwerfen, was wiederum die Möglichkeit mit sich bringt, die Welt der Figur, gemeinsam mit dem Leser oder Zuschauer von Null auf neu zu errichten. Waisenkinder sind dafür geeignet, weil sie eine weitgehend ungestörte Projektionsfläche für die Identifikationswünsche des Publikums zulassen und einen erheblichen Sympathiefaktor in sich tragen.<ref>Vom Schmerz des Waisenkindes zum Triumph des Helden, NÖ Kinder & Jugend Anwaltschaft. www.kija-noe.at. St. Pölten 2014</ref><ref>Das Motiv der Elternlosigkeit in der Kinder- und Jugendliteratur. Universität Wien 2011</ref><ref>Warum Helden oft Waisen sind ... http://behmel.blogspot.de/ 27. Juli 2013</ref>
Drama
In dem Ideendrama Nathan der Weise von Gotthold Ephraim Lessing sind die Protagonisten Tempelherr (Curd von Stauffen, alias Leu von Filnek) und Recha (Blanda von Filnek) Waisen. Ihr gemeinsamer Vater Assad (Bruder Saladins, alias Wolf von Filnek) und ihre Mutter (geborene Stauffen) sind früh verstorben. Beide Kinder wachsen bei Pflegeeltern auf. In der Figur Nathans setzte Lessing seinem Freund Moses Mendelssohn, dem Begründer der jüdischen Aufklärung, ein literarisches Denkmal.
Nach ihm wird die am 1. Juli 1836 eröffnete Moses Mendelssohn’sche Waisen-Erziehungs-Anstalt der jüdischen Gemeinde zu Berlin benannt.<ref>Die Moses Mendelssohn’sche Waisen-Erziehungs-Anstalt der hiesigen jüdischen Gemeinde Berlin, 1841, Online-Ausg., Univ.-Bibliothek, Frankfurt am Main 2013</ref>
Eines der bekanntesten Melodramen des 19. Jahrhunderts war Die Waise und der Mörder von Frédéric Dupetit-Méré. In der Übersetzung von Ignaz Franz Castelli und mit der Musik von Ignaz von Seyfried wurde das Stück am 12. Februar 1817 im Theater an der Wien aufgeführt und daraufhin während Jahrzehnten zum Kassenschlager im deutschen Sprachgebiet.
Yelva, die russische Waise ist ein Theaterstück von Eugène Scribe, das am 18. März 1828 im Théâtre du Gymnase-Dramatique Paris uraufgeführt wurde. Es handelt sich um eines der populärsten Dramen des 19. Jahrhunderts. Das Stück gehört zugleich den Gattungen Vaudeville und Melodram an. Die Hauptrolle ist eine stumme Rolle. Yelva kann nicht singen und zur Musik nur eine Pantomime vollführen. Die bekannte Melodie deutet an, was Yelva sagen will. So erklingt die (von den Orchesterinstrumenten ohne Gesang gespielte) Melodie zu Je t’aimerai toute la vie („Ich werde dich das ganze Leben lieben), während sie Alfred ihrer Treue versichert (I/6), oder die Melodien Balançons-nous („Schaukeln wir“) und Un bandeau couvre les yeux („Eine Binde deckt die Augen“) ertönen zu ihren Versuchen, Tchérikof zu erklären, dass sie an diesem Ort einst als Kinder gespielt hätten (II/13). Wer die Melodien erkennt, die aus den Repertoirestücken des Theaters stammten, also den regelmäßigen Zuschauern nicht unbekannt waren, versteht Yelvas Gesten besser als ihr Bruder.
Der portugiesische Schriftsteller, Romancier und Poet Camilo Castelo Branco, selbst eine Waise, veröffentlicht sein Drama Die Geheimnisse von Lissabon. Inhaltlich erzählt die Geschichte diverse Verstrickungen des Lissaboner Adels zu Beginn des 19. Jahrhunderts und der Zeit der Napoleonischen Kriege auf der Iberischen Halbinsel. Hauptfigur ist ein junger Adliger auf der Suche nach seiner Herkunft und Identität. Die ihn kreuzenden Figuren haben eigene düstere Geschichten zu erzählen. Die Serie zeigt viel von dem psychologischen Werk Castelo Brancos und gibt einen Einblick in die Welt der Intrigen und Niederträchtigkeiten. Das Drama wurde 2010 verfilmt und 2011 auf Arte in deutscher Synchronisation ausgestrahlt.
Erzählung
Victor Ducanges Vorliebe für das Schreckliche und Schaudervolle findet in der Erzählung Therese oder Die Waise aus Genf (1822) als Theaterstück in drei Aufzügen seinen Weg zum Publikum. Später vertont der Schweizer Komponist und Kirchenmusiker Carl Greith diese Erzählung.
Sein Landsmann Jakob Frey erlangte u. a. mit seiner Erzählung Die Waise von Holligen. Erzählung aus den Tagen des Untergangs der alten Eidgenossenschaft (1863) Bekanntheit.
Fabian und Sebastian ist eine Erzählung von Wilhelm Raabe, die 1882 bei Westermann in Braunschweig erschien.<ref>von Studnitz, S. 313, Eintrag 54</ref> Ende 1881 war der Text bereits in Westermanns Monatsheften vorabgedruckt worden.<ref>Verwendete Ausgabe, S. 577 unten</ref> Die 15-jährige Waise Konstanze Pelzmann, aus der Kolonie Niederländisch-Indien in das verschneite industrialisierte Deutschland verpflanzt, macht sich in der Geburtsstadt ihres Vaters gegen den Willen des Onkels Fabian dreimal auf und bringt zwei älteren einsamen Männern Trost.
Weitere Erzählungen sind u. a. Ignaz Denner von E. T. A. Hoffmann oder Der Dom von Gertrud von le Fort.
Novelle
Isabella von Ägypten, Kaiser Karl des Fünften erste Jugendliebe ist eine Erzählung von Achim von Arnim, die innerhalb der so genannten Novellensammlung von 1812<ref>Riley, S. 136, Eintrag anno 1812</ref><ref>Angaben zur Editionsgeschichte finden sich in Moering, S. 1254–1259. In der Novellensammlung von 1812 sind noch enthalten: Melück Maria Blainville, Die drei liebreichen Schwestern und der glückliche Färber und Angelika, die Genueserin, und Cosmus, der Seilspringer.</ref> in der Realschulbuchhandlung Berlin erschien.<ref>Quelle, S. 393, 3. Z.v.o.</ref>
Märchen, Sagen und moderne Literatur
In literarischen Werken sind Protagonisten in der Gestalt von Waisen besonders in der Fantasy-, Jugend- und Volksliteratur sehr beliebt. Dies erlaubt den Autoren eine Ausgestaltung ihrer Werke, beispielsweise ohne langwierig komplizierte familiäre Strukturen erklären zu müssen und ihre Helden von familiären Obliegenheiten und Kontrollen freizustellen. Nebenbei erregt eine Waise beim Leser Gefühle von Mitleid und führt zu leichterer Identifikation mit dem Protagonisten, wobei eine schnellere und prosaischere Charakterentwicklung möglich ist.
Tatsächlich verloren Kinder früher eher ihre Mütter. Sie verstarben bei der Geburt, im Wochenbett oder später aus Krankheit und Entkräftung. Die Väter, so wollen es Märchen und volksgeschichtliche Überlieferungen, heirateten eine andere Frau, die ihre Stiefkinder ablehnte und als Mägde und Knechte missbrauchte. Diese Erzählungen waren ein Spiegel der Gesellschaft. Eine bekannte Halbwaise aus dem Märchen ist das Aschenputtel oder Schneewittchen der Brüder Grimm, die selbst Halbwaisen waren. Bekannte Märchen mit Vollwaisen sind u.a.: Die Sterntaler, Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern, Spindel, Weberschiffchen und Nadel, Der arme Junge im Grab oder Kay aus dem Märchen Die Schneekönigin.
Bekannte Autoren, in deren Büchern Voll- oder Halbwaisen Handlungsträger sind, sind u. a.
- Romane
Victor Hugo (Die Elenden), Charles Dickens (Oliver Twist, David Copperfield, Große Erwartungen, Das Geheimnis des Edwin Drood, Martin Chuzzlewit), John Irving (Gottes Werk und Teufels Beitrag), Charlotte Brontë (Jane Eyre), Patrick Süskind (Das Parfum), Noah Gordon (Der Medicus, Der Medicus von Saragossa), Adam Johnson (Das geraubte Leben des Waisen Jun Do), Suzanne Kaplan (Kinderchirurg Dr. Alfred Jahn und die Waisenkinder von Kigali), Henry James (Die Drehung der Schraube), Sarah Waters (Fingersmith), Nana Minou (Die Liebeswaise: Expedition Einer Liebenden – Lyrik & Gedichte), Peter Wawerzinek (Rabenliebe), Georges Simenon (Das Haus am Kanal), Honoré de Balzac (La Cousine Bette), Jean M. Auel (Kinder der Erde), Ludwig Tieck Der junge Tischlermeister, Beryl Fletcher (Pixels Ahnen), John Irving (Letzte Nacht in Twisted River), Jakob Wassermann (Melusine), Georges Simenon (Die Marie vom Hafen), Wilhelm Raabe (Der heilige Born), Victor Hugo (Der Glöckner von Notre-Dame), Agatha Christie (Das Haus an der Düne), Stefan Zweig (Schachnovelle), Lucy Maud Montgomery (Anne auf Green Gables), Werner Helwig (Die Waldschlacht), Roberto Bolaño (Lumpenroman), Boris Leonidowitsch Pasternak (Doktor Schiwago), William Shakespeare (Was ihr wollt), Kazuo Ishiguro (Als wir Waisen waren)
- Kinder- und Jugendliteratur
Mark Twain (Tom Sawyer), Johanna Spyri (Heidi), Edgar Rice Burroughs (Tarzan bei den Affen), Felix Salten (Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde), Astrid Lindgren (Rasmus und der Landstreicher und Mio, mein Mio), Kurt Held (Die rote Zora und ihre Bande), Otfried Preußler (Krabat), Michael Ende (Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer), J. K. Rowling (Harry Potter), James Krüss (Timm Thaler), Lemony Snicket (Eine Reihe betrüblicher Ereignisse), Robert Arthur (Die drei ???), Cornelia Funke (Herr der Diebe und Drachenreiter), Frances Hodgson Burnett (Sara, die kleine Prinzessin), Karen Levine (Hanas Koffer), Christopher Paolini (Eragon), Cécile Aubry (Belle und Sebastian), Kai Meyer (Merle-Trilogie), Michael Ende (Momo), Jules Verne (Ein Kapitän von fünfzehn Jahren), Eleanor Hodgman Porter (Pollyanna), Madonna (Die Abenteuer von Abdi), Jurij Brězan (Die schwarze Mühle), Georgia Byng (Molly Moon)
Gedicht
Im Spätmittelalter verfasste der französische Dichter François Villon die beiden Balladen Wir bleiben ewig nur zwei Waisenkinder und Die Sommerballade von der armen Louise. Durch den Schauspieler Klaus Kinski und seine Hörproduktionen Kinski spricht Villon wurden sie in Deutschland einem breiteren Publikum bekannt.
In Frankreich griff Arthur Rimbaud die Thematik der Waisen in seinem lyrischen Gedicht Die Neujahrsgeschenke der Waisenkinder auf und im deutschsprachigen Raum fanden die Gedichte von Rainer Maria Rilke Ich bin eine Waise, Das Lied der Waise und Die Waise ihre Verbreitung.
Musik
Klassik
Eine Reihe von Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts widmeten ihre Kompositionen oder Einnahmen aus Aufführungen Waisenhäusern. Im Jahr 1749 wurde im Londoner Waisenhaus, dem Foundling Hospital des Thomas Coram (1668–1751), erstmals ein Benefizkonzert aus der Feder Georg Friedrich Händels gespielt. Es erklang ein dreiteiliges Werk, von Händel aus früheren Werken zusammengestellt und durch neue Kompositionen ergänzt – ein einmaliges Konzert, dessen Hymne, das Anthem Blessed are they that considereth the Poor an Needy, in die Musikgeschichte eingehen sollte.<ref>F. Lippold: Händels Waisen. Das erste Benefizkonzert Händels zugunsten des Londoner Foundling Hospital 1749. (PDF; 11 kB)</ref>
Der Messias von Händel, der selbst mit zwölf Jahren Halbwaise wurde, sollte bei der Erstaufführung in Dublin 1742 in der Folgezeit ein soziales und nichtkommerzielles Werk bleiben. Seit 1750 führte er den Messias einmal im Jahr in der neuerbauten Kapelle des Foundling Hospitals (Findelhaus) als Benefizkonzert auf. In seinem Testament vermachte er dieser Institution zudem die handschriftliche Partitur des Messias.<ref>W. Lemfrid: Gedanken zum christlichen Gehalt des Messias von Georg Friedrich Händel. Programmheftbeitrag zum Europäischen Musikfest der Internationalen Bachakademie, Stuttgart 29. August 1988</ref> Wie Charles Burney in seinen Nachrichten von Händels Lebensumständen (1785) schreibt, war der Messias Händels Hinterlassenschaft, die:
„die Hungrigen speiste, die Nackenden kleidete und die Waisen versorgte.“
Die Messe in c-Moll KV 139 (KV3 114a/KV6 47a) von Wolfgang Amadeus Mozarts wird Waisenhausmesse genannt, in der Annahme, dass sie zur Einweihung der Waisenhauskirche in Wien am 7. Dezember 1768 komponiert wurde.
Das Album für die Jugend, op.68 (entstanden 1848), ist ein aus 43 Klavierstücken bestehender Zyklus von Robert Schumann. Die Nr. 6 aus dem Zyklus trägt den Titel Armes Waisenkind und kann von Kindern leicht erlernt werden. Im Weiteren findet das Thema seinen Anklang in der Kinderoper Cinderella von Peter Maxwell Davies sowie im Ballettstück von Cinderella von Sergei Sergejewitsch Prokofjew ebenso wie in der Oper Dalibor des tschechischen Komponisten Bedřich Smetana. Smetana komponierte die Oper zur Grundsteinlegung des tschechischen Nationaltheaters. Dem Libretto liegt die Geschichte des böhmischen Ritters Dalibor von Kozojedy zugrunde, sie spielt um das Jahr 1498. Die Uraufführung der Oper fand am 16. Mai 1868 in Prag statt.
Die Leichte Kavallerie ist eine Operette in zwei Akten des Komponisten Franz von Suppé und Librettisten Karl Costa. Am 21. März 1866 erlebte dieses Theaterstück seine Uraufführung am Carltheater in Wien. Sie ist heute nur noch durch ihre weltberühmte Ouvertüre bekannt. Im Mittelpunkt steht die hübsche junge Waise Vilma, die allen Männern den Kopf verdreht.
Die Operette Die Piraten von Penzance wurde zur Sicherung des britischen Urheberrechts im Vereinigten Königreich am 30. Dezember 1879 im Royal Bijou Theatre in Paignton (Grafschaft Devon, England), als einmalige Vorstellung uraufgeführt. Die Broadway-Premiere erfolgte einen Tag später, am 31. Dezember 1879 im Fifth Avenue Theatre. Die Londoner Premiere war am 3. April 1880 an der Opera Comique. Sie gehört noch heute zu den meistgespielten Stücken und wird häufig musikalisch zitiert. Von den vielen Wiederaufführungen am Broadway war die 1981er Inszenierung am erfolgreichsten, sie lief für 787 Vorstellungen. Die Musik stammt von Arthur Sullivan und das Libretto von W. S. Gilbert.
Musical
Das Musical Annie spielt im Jahre 1933 und thematisiert viele Dinge, wie zum Beispiel die elenden Lebensbedingungen in Waisenhäusern, die Weltwirtschaftskrise, herzlose Milliardäre und Präsident Franklin Delano Roosevelt, ohne allerdings näher auf sie einzugehen. Das Musical enthält die bekannten Lieder Tomorrow und It’s a Hard Knock Life. Die Premieren fanden am 21. April 1977 im Alvin (heute: Neil Simon) Theatre in New York und am 3. Mai 1978 im Victoria Palace Theatre im Londoner West End statt. 1982 und 2015 wurde der Stoff verfilmt.
Weitere bekannte Musicals sind Der König der Löwen, ein Broadway-Musical von Elton John und Tim Rice, Once on This Island von Rosa Guy sowie Les Misérables von Claude-Michel Schönberg (Musik) und Alain Boublil (Libretto).
Ballade (Lied)
Die Ballade Es waren zwei Waisenkinder ist vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Die frühesten Aufzeichnungen stammen aus dem Jahr 1908. Inhaltlich steht das Lied von den beiden Waisen, die das Grab ihrer Mutter aufsuchen und um Brot bitten, der flämischen Waisenballade Ach, Tjanne, zeyde hy, Tjanne nahe; zugleich ist sie durch den Einfluss der damals sehr beliebten Ballade Es waren zwei Königskinder geprägt. Das Lied von den beiden Waisenkindern war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem im Rheinland, in Pommern und Westpreußen verbreitet, nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand es zunehmend aus den Liedgedächtnissen.<ref>Eckhard John: Es waren zwei Waisenkinder. In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon 2013</ref>
Malerei
Frühe Arbeiten wie die Vermählung der Waisen (1440–1444) von Domenico di Bartolo sowie Die Pflege der Waisenkinder (1675) von Jan de Bray stellen in ihrer Zeit eine thematische Ausnahme dar.
Ab dem 19. Jahrhundert erfährt das Thema Waise in der Malerei eine stärkere Rezeption, u. a. in den Werken von Eugène Delacroix Waisenkind auf dem Friedhof (1823), Jacques Amans Portrait of Margaret with two orphans (1842), Karl Wilhelm Bauerle Die Waisen (1860), Wassili Grigorjewitsch Perow Waisenkinder am Friedhof (1864), Nikolaus Gysis (1871) Die Waisen, Pilip Hermogenes Calderon The Orphans (1870), Hans Makart Das schlafende Schneewittchen (1872), Konrad Grob Pestalozzi und die Waisen von Stans (1879) oder Gotthardt Kuehl Waisenkinder in Lübeck (1884). Das Lübecker Waisenhaus wird für den frühen Impressionisten G. Kuehl immer wieder ein Malort und -motiv.
Im 20. Jahrhundert findet das Thema kaum noch Anklang in der Malerei. Eine thematische Bearbeitung wird ab dieser Zeit das bewegte Bild des Films aufnehmen.
Film
Das Verwaisen oder das Leben von Waisen dient häufig als Vorlage für Verfilmungen, u. a. in der französisch-schweizerischen Kinoverfilmung Die Kinder des Monsieur Mathieu aus dem Jahr 2004. Darin spielt der Chorgesang eine wichtige Rolle. Die Musikaufnahmen sang der Kinderchor Les Petits Chanteurs de Saint-Marc (Die kleinen Sänger von Sankt Markus) aus Lyon ein, dem Jean-Baptiste Maunier angehörte, dessen Schauspiel- und Gesangskarriere mit diesem Film begann.
In dem US-amerikanischen Horrorfilm aus dem Jahr 2009 Orphan – Das Waisenkind adoptiert ein Ehepaar eine russische Waise namens Esther. Als die Frau des Ehepaars herausfindet, dass sämtliche Personenunterlagen und früheren Adoptionspapiere gefälscht sind, gerät schließlich die gesamte Familie in Lebensgefahr.
Der Medicus (Film) ist ein deutscher Film aus dem Jahr 2013, der nach dem gleichnamigen Weltbestseller Der Medicus von Noah Gordon gedreht wurde. Der Hauptdarsteller Robert Cole hat eine außergewöhnliche Gabe: Er kann fühlen, wenn jemand unbehandelt eine ungünstige Prognose hat und in Agonie kurz vor dem Sterben ist. Dies bemerkt er das erste Mal, während er als kleiner Junge fühlt, dass seine kranke Mutter an der „Seitenkrankheit“ sterben wird. Er muss hilflos zusehen, wie sich seine Vorahnung erfüllt. Auf sich allein gestellt, schließt sich die junge Waise einem fahrenden Bader an, der ihm neben den üblichen Taschenspielertricks die Grundlagen der mittelalterlichen Heilkunde nahebringt und Dienste wie Aderlass oder Zähneziehen. Schon als Lehrling erkennt Rob die Grenzen dieser einfachen Praktiken. Er beschließt, die Heilkunde und deren Lehre im damaligen Persien bei dem Arzt, Wissenschaftler und Philosoph Ibn Sina zu erlernen.
2009 kam der Kinderfilm Das Geheimnis der Mondprinzessin von Oliver Parker in die Kinos. Dieser Fantasy-Film basiert auf dem Kinderbuch Das kleine weiße Pferd von Elizabeth Goudge. Die Waise Maria wird durch eine ganze Schar von fantastischen Wesen unterstützt, eine jahrhundertealte Fehde zwischen zwei Familien zu beenden.
Der Kinderfilm Hugo Cabret (Originaltitel: Hugo) ist ein US-amerikanischer 3D-Film aus dem Jahr 2011 nach Brian Selznicks Kinderroman Die Entdeckung des Hugo Cabret. Bei der Oscarverleihung 2012 wurde der Film mit fünf Oscars ausgezeichnet. Die schlaue und erfinderische Waise Hugo entdeckt ein rätselhaftes Vermächtnis seines Vaters. Um es zu entschlüsseln, begibt er sich auf eine außergewöhnliche Suche. Dieses Abenteuer wird alle Menschen in seinem Umfeld verändern und ihm ein neues, liebevolles Zuhause schenken.
In dem Trickfilm Hautfarbe: Honig lernt ein Koreaner als Adoptivkind einer belgischen Familie die Liebe seiner neuen Geschwister und die integrative Kraft eines intakten Familienlebens kennen. Mit zunehmendem Alter stellt er Fragen nach den Wurzeln des Heimatlands, das ihn infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen im Korea der 1950er Jahre – wie 200.000 andere Kinder – elternlos zurückließ.
Bekannte Filme, in denen Voll- oder Halbwaisen Handlungsträger sind, sind u. a.
- Kino- und Fernsehproduktionen
Dreizehn Stühle, Slumdog Millionär, Schöne Venus, die auf ARTE ausgestrahlten Serie unter dem Titel Vénus et Apollon, die kanadische Science-Fiction-Serie Orphan Black, Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft, Das Leben ist schön, Braveheart, Orphan Train, Fingersmith, Jane Eyre, The Kid, Blues Brothers, Gottes Werk & Teufels Beitrag, Les Misérables, Große Erwartungen, Anything is possible, The Colour of Paradise- Die Farben des Paradises, The Quiet – Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?, Der Tag, als Stalins Hose verschwand, Hannah Montana und Hannah Montana – Der Film, One Night with the King, Mauregard, Cousine Bette, Das Wunder von Berlin, Alles in Butter, 666: The Child, Riff-Piraten, Kama Sutra: Die Kunst der Liebe, Frühstück mit Scot, DAM999 – Wasser kennt keine Gnade, Dreizehn, Gefallene Engel 3, Biutiful, Sonnensucher, Baikonur, Warum Bodhi-Dharma in den Orient aufbrach?, Große Erwartungen, Die bleierne Zeit, Wie ein Schrei im Wind, Gespenster, Il Futuro - Eine Lumpengeschichte in Rom, Gefallene Engel 3, Plötzlich Opa
- Kinder- und Jugendfilme
Die Legende vom Weihnachtsstern, Die Geisterinsel (Die drei Fragezeichen), Free Willy – Ruf der Freiheit sowie Free Willy 2 – Freiheit in Gefahr und Free Willy 3 – Die Rettung, Drei Haselnüsse für Aschenbrödel, Wunder einer Weihnacht, Die Rote Zora, Herr der Diebe, Eragon – Das Vermächtnis der Drachenreiter, Krabat, Das Dschungelbuch, Harry Potter (Filmreihe), Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse, Liebe in Blechdosen, Die Distel, December Boys, Belle & Sebastian, Ballet Shoes, Hitlerjunge Salomon, Momo, Urmel aus dem Eis, Annie – Weihnachten einer Waise, Fury, Neverland – Reise in das Land der Abenteuer, Bekas
- Trickfilme
Tarzan, In einem Land vor unserer Zeit, Bambi und Bambi 2 – Der Herr der Wälder, Der König der Löwen und Simba, der Löwenkönig, Cinderella, Bärenbrüder, Mickys Waisen, Ich – Einfach Unverbesserlich, Anastasia, Der Prinz von Ägypten, Die drei Räuber, Das Schloss im Himmel, Kung Fu Panda 2, Jim Knopf (Zeichentrickserie), Findet Nemo, I.N.K., Herrscher der Zeit
Verschiedenes
Waise im Sprichwort
Wanders Deutsches Sprichwörter-Lexikon (Band 4) präsentiert neun Sprichwörter zu Waise bzw. zu Waisengericht; z. B. Die Waisen gleichhalten den Weisen, heisst Gott preisen.
Waise versus Arbeit
Das Wort Arbeit ist gemeingermanischen Ursprungs (*arbējiðiz, got. arbaiþs); die Etymologie ist unsicher; evtl. verwandt mit indoeurop. *orbh- „verwaist“, Waise, „ein zu schwerer körperlicher Tätigkeit verdungenes Kind“ (vgl. Erbe); evtl. verwandt mit aslaw. robota (Knechtschaft, Sklaverei vgl. Roboter). Im Alt- und Mittelhochdeutschen überwiegt die Wortbedeutung Mühsal, Strapaze, Not; redensartlich noch heute Mühe und Arbeit (vgl. Psalm 90, lateinisch labor et dolor).<ref>Arbeit im Wiktionary</ref>
Waisen als Hoffnungsträger
Die tibetische Schule im nordindischen Mussoorie zählt 2400 Schüler. Die Kinder, die hier zur Schule gehen, haben eine geborgene Kindheit in ihrer Familie in Tibet hinter sich gelassen, um diese Schule zu besuchen. Hier werden sie als Waisen betrachtet. Die Wanderung von ihrer Heimat nach Nordindien dauert etwa einen Monat und führt quer durch den Himalaya. Schleuser bringen die Schüler heimlich über die Grenze. Nur in dieser Schule können sie tibetisch erzogen und mit der Geschichte ihres Volkes und ihrer Heimat vertraut gemacht werden. Die Kinder werden von ihren Familien ins Ausland geschickt, damit sie später die Kultur ihrer Heimat retten können.<ref>Tibets Waisenkinder. Dokumentation arte 26. September 2013</ref>
Bekannte Waisen
- Aelia Pulcheria, Kaiserin des Oströmischen Reiches
- Alfred Krupp, deutscher Industrieller und Erfinder
- Andrea Mantegna, italienischer Maler und Kupferstecher
- Andrew Jackson, von 1829 bis 1837 7. Präsident der Vereinigten Staaten und Gründer der Demokratischen Partei der USA
- Anne de Bretagne, Herzogin der Bretagne, Erzherzogin von Österreich, Königin von Frankreich, Königin von Sizilien und Jerusalem und Herzogin von Mailand
- Bettina von Arnim sowie Ehemann Achim von Arnim, deutsche/r Schriftsteller/in und wichtige Vertreter der deutschen Romantik
- Caterina de’ Medici, Prinzessin von Urbino, Königin von Frankreich und später Regentin für ihre minderjährigen Söhne
- Christoph Eschenbach, deutscher Pianist und Dirigent
- Clemens Brentano, deutscher Schriftsteller und ein Hauptvertreter der sogenannten Heidelberger Romantik
- Dschingis Khan, Geburtsname Temüdschin, Khan der Mongolen
- Edgar Allan Poe, US-amerikanischer Schriftsteller
- Edith Stein, deutsche Philosophin, Nonne und Märtyrin der katholischen Kirche
- Eduard Mörike, deutscher Lyriker der Schwäbischen Schule, Erzähler, Übersetzer und evangelischer Pfarrer
- Elisabeth I., Königin von England
- Friedrich II. (HRR), König von Sizilien, römisch-deutscher König, Kaiser des römisch-deutschen Reiches und König von Jerusalem
- Friedrich Carl von Savigny, deutscher Rechtsgelehrter und Kronsyndikus
- Friedrich Nietzsche, deutscher Philologe und Philosoph
- Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen und sein jüngerer Bruder Wilhelm I., König von Preußen und erster deutscher Kaiser
- Freddy Sahin-Scholl, deutscher Sänger und Komponist (Künstlername Galileo)
- Hans Christian Andersen, bekanntester Dichter und Schriftsteller Dänemarks
- Hongwu, Geburtsname 朱元璋 Zhū Yuánzhāng, Begründer der Ming-Dynastie
- Iwan IV., Großfürst von Moskau und erster Zar von Russland
- Jakob I., König von England und Irland sowie unter Jakob VI. König von Schottland
- James Bond und sein Autor Ian Fleming, britischer Schriftsteller
- Jean-Jacques Rousseau, französischer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge, Naturforscher und Komponist der Aufklärung
- Jochen Rindt, deutsch-österreichischer Automobilrennfahrer und Formel-1-Pilot
- Johann Sebastian Bach, deutscher Komponist
- Johannes Bosco, italienischer katholischer Priester und Ordensgründer der Salesianer Don Boscos
- Joseph von Fraunhofer, deutscher Optiker und Physiker
- Karl Friedrich Schinkel, preußischer Baumeister, Architekt, Stadtplaner, Maler, Grafiker und Bühnenbildner
- Katharina I., Екатерина I Алексеевна, zweite Frau des Zaren Peter des Großen und nach seinem Tod regierende Kaiserin von Russland
- Leo Tolstoy, Лев Николаевич Толсто́й, russischer Schriftsteller
- Louis Armstrong, US-amerikanischer Jazztrompeter und Sänger
- Luigi Lucheni, Mörder der österreichischen Kaiserin Elisabeth (Sisi)
- Marcus Iunius Brutus, römischer Politiker und einer der Mörder von Gaius Iulius Caesar
- Marilyn Monroe, US-amerikanische Schauspielerin
- Maria Stuart, Königin von Schottland und zeitweilig Königin von Frankreich
- Mark Twain, US-amerikanischer Schriftsteller
- Michelangelo Buonarroti, italienischer Maler, Bildhauer, Architekt und Dichter
- Mohammed, محمد بن عبد الله بن عبد المطلب بن هاشم بن عبد مناف القرشي, Religionsstifter des Islam
- Nelson Mandela, südafrikanischer Anti-Apartheid-Kämpfer und erster schwarzer Präsident in Südafrika
- Nikolaus Kopernikus, Frauenburger Domherr, Jurist, Administrator und Arzt im Dienste des Fürstbistums Ermland in Preußen sowie Mathematiker und Astronom
- Pankratius, römischer Märtyrer der frühen christlichen Kirche
- Paul Gerhardt, evangelisch-lutherischer Theologe und gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Kirchenlieddichter
- Prince Michael, Paris und Blanket Jackson, Kinder des US-amerikanischen Sängers, Komponisten, Tänzers und Entertainers Michael Jackson
- Priscilla Presley, US-amerikanische Schauspielerin
- Ray Charles, US-amerikanischer Musiker
- René Descartes, französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler
- Roman Arkadjewitsch Abramowitsch, russischer Oligarch, ehemaliger Gouverneur der Region Tschukotka und einer der vermögendsten Männer der Welt
- Sager-Waisen, deutsche Siedlerfamilie in den USA
- Stephan II., Papst
- Steve Jobs, US-amerikanischer Unternehmer
- William, Duke of Cambridge und sein jüngerer Bruder Harry of Wales
- Tarzan, erdachte Figur von Edgar Rice Burroughs
- Tefnut, altägyptische Göttin, die zu den neun Schöpfergottheiten der heliopolitanischen Kosmogonie gehört
- Waldjunge Ray, als Waldmensch Ray, teilweise als Kaspar Hauser von Berlin betitelt, bürgerlicher Name Robin van Helsum
- Zheng Chenggong, 鄭成功 / 郑成功, Armeeführer und halbstaatlicher Seeräuber, gründete auf Taiwan das chinesische Königreich Dongning
Siehe auch
Literatur
- Bode, S.: Kriegsenkel. Die Erben der vergessenen Generation, Klett Cotta Verlag, 7. Auflage, Stuttgart 2010 ISBN 978-3-608-94550-8
- Fuhrman, E.: Ein Kind verwaist. Untersuchungen über Elternverlust in der Kindheit, Klett Cotta Verlag, 1977 ISBN 978-3-1290-2680-9
- Graeber, H.: Misshandelte Zukunft - Erschütternder Erlebnisbericht eines Heimkindes im Nachkriegsdeutschland 2006
- Hillmert, S.: Halbwaisen müssen schneller auf eigenen Füßen stehen. In: Zeitschrift für Familienforschung, Heft 1/2002, S. 44-69
- James, H.: Die Drehung der Schraube (dt. v. Ingrid Rein), Manesse Verlag, Zürich (2010) ISBN 978-3-7175-2330-7
- Johnson, A.: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do, Suhrkamp Verlag, Berlin 2013 ISBN 3518464256
- Kaplan, S.: Kinderchirurg Dr. Alfred Jahn und die Waisenkinder von Kigali, Eckstein Iatros Verlag, Nierstein 2004 ISBN 3937439382
- Plotsidem, M.: Waisen und Sozialwaisen in staatlichen Fürsorgeeinrichtungen in der Ukraine: Rechtliche Lage und verschiedene Modelle
- Rieländer, M.: Sozialwaisen - Kleinkinder ohne Familie Auswirkungen von Hospitalismus. Für eine Zeitschrift der "Gesellschaft für Sozialwaisen" e.V. (GeSo) Münster 1982
- Schulz, H.; Radebold, H.; Reulecke, J.: Söhne ohne Väter. Erfahrungen der Kriegsgeneration, Christoph Links Verlag 2013 ISBN 978-3-86284-228-5
- Spitz, R.: Children with inferior histories: Their mental development in adoptive homes. In: Journal of General Psychology, 72, 1948. S. 283 - 294
- Stambolis, B.: Töchter ohne Väter. Frauen der Kriegsgeneration und ihre lebenslange Sehnsucht, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2012 ISBN 978-3-608-94724-3
Weblinks
- Die Kinder Der Flucht - Wolfskinder - Ostpreußen - 2 Weltkrieg. 3sat 28. April 2012 (Video)
- Die Waisenkinder von Fukushima. In: Weltbilder, NDR (Video)
- Halbwaisen müssen schneller auf eigenen Füßen stehen - Pressemitteilung Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
- Russland. Waisen als politische Waffe; ARD 10. Februar 2013 (Video) (Memento vom 14. Februar 2013 im Internet Archive)
- Straßenkinder in St. Petersburg Spiegel TV (Video)
- Unsere Geschichte. Als der Krieg uns die Eltern nahm, NDR 19. November 2012 (Video)
- Verlassene Kinder der DDR - Doku Teil 1 (Video)
- Verlassene Kinder der DDR - Doku Teil 2 (Video)
- Gerrendina Gerber-Visser, Monika Imboden: Waisen im Historischen Lexikon der Schweiz
- Waisen sind Menschenhändlern ausgeliefert. Leichte Beute in Haiti. n-tv 29. Januar 2010
- YoungWings. Die Onlineberatungsstelle für trauernde Kinder und Jugendliche. Ein Projekt der Nicolaidis YoungWings Stiftung
Einzelnachweise
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